Das Schreiben ist mit feinsäuberlicher, schnörkelloser Schrift verfasst. Jeder Buchstabe ist perfekt ausgerichtet und fügt sich in das absolut ebenmäßige Raster der anderen Lettern ein. Die Buchstaben wurden nicht geschrieben, sie wurden minutiös auf das Papier konstruiert.
Beim Text scheint es sich um eine Studie zur Manakapazität und zum theoretisch möglichen Manadurchfluss verschiedener magischer "Gefäße" zu handeln. Die Abhandlung stellt detailliert die Ergebnisse zusammengetragener Studien und Feldtests zum Thema gegenüber. Zweifellos das Werk akribischer Recherche einer angehenden Magiekundigen. Das Schreiben ist nicht ohne Weiteres als Kopie zu erkennen. Kannte man jedoch das Original der Abschrift so fällt auf, dass selbst die Anzahl der Worte pro Zeile exakt nachgeahmt wurde. Jedes Wort ist genau dort, wo es hingehört. Nicht an einer Stelle wurde der Text korrigiert oder nachgezeichnet.
Ganz anders sieht es im folgenden Messprotokoll aus. Dort wurden die Messreihen in zweispaltigen Tabellen neu organisiert. In einer dritten Spalte wurde grob der Quotient aus beiden Reihen berechnet und mit "Vielzahl" betitelt. Neben jeder Tabelle befindet sich eine kleine, einfache Skizze der Messwerte als Graphen, die alle samt mehr oder weniger schnell abflachende Kurven bilden.
Unter dem Brief prangt der Name seiner ursprünglichen Autorin:
Fel Maris
Dem Schreiben liegt eine zweite Seite bei, die in der selben freudlosen Schrift geschrieben ist. Diese Seite ist allerdings weniger sorgfältig verfasst und ist auf erstem Blick als Anschreiben erkennbar.
Wertes Fräulein Maris,
mit des Herren Segen möge Euch dieser Brief wohl erreichen. Ich hoffe die Abschrift genügt Euren Ansprüchen. Ich nehme an, dass Ihr bereits meine Ergänzungen zu Eurer Arbeit entdeckt habt und hoffe aufrechten Herzens, Ihr verübelt mir nicht die kleinen Freiheiten, die ich mir damit nahm. Falls doch fertige ich gerne noch eine exakte Kopie Eurer magischen Beobachtungen an. Ich denke allerdings die Illustrationen unterstützen Eure Arbeit famos. Wir hatten über die Muster gesprochen, welche die Welt durchdringen. Die unsichtbaren Vorgänge, die sie in Bewegung halten. Das ist eine Methode sie sichtbar zu machen! Es ist ganz einfach. Man trägt einfach die Eigenschaften einer Beobachtung auf zwei Seiten an, unterteilt sie in gleichgroße Vielfache und trägt die beobachteten Werte an ihnen ab. So ergibt sich alsdann ein Muster, wenn die Eigenschaften der Sache ein gemeinsames Wesen haben. Es ist berauschend!
Ich weiß weder etwas über Eure Forschung und das Wesen von "Mana", noch maße ich mir an die Natur der Magie auch nur im Ansatz zu verstehen. Ich weiß nicht einmal, ob diese Gefäße von denen ihr schreibt magische Paraphernalia oder Magiekundige beschreiben.
Etwas kurioses fiel mir aber auf. Lässt man Wasser aus einem gefüllten Fass ab und misst dann wie weit sich der entspringende Wasserstrahl mit fortschreitender Zeit über den Boden ergießt, so ergibt sich ein ganz ähnliches Bild, wie es Eure Messwerte ergeben. Erst fließt das Wasser schnell und entspringt weit aus dem Spundloch, dann verliert es an Kraft und tröpfelt zuletzt armselig am Fass herab. Seht ihr da einen Zusammenhang? Ist dieses "Mana" in mancher Hinsicht wie Wasser? Kann es fließen und sich seinen Weg bahnen, ist es formbar und unbeständig?
Ich wäre überglücklich Eure Gedanken zu meinen Denkereien zu hören, falls sie nicht all zu töricht sind.
Es bedankt sich,
Zlata Kovacs
Darunter befindet sich, in der gleichen Schrift aber mit einem stumpfen Kohlestift geschrieben, eine weitere Anmerkung. So hastig ist sie geschrieben, dass sie beinahe menschlich wirkt.
Ich habe mit dem Druiden Radisvald in der Solgarder Akademie gesprochen. Mana kann tatsächlich wie Wasser fließen. Ich wusste es!