Pergamente, verschlossen mit dem Siegel der Dunklen Bruderschaft, werden an die Priester Valtysar, Sejin, Tsathal und an die Priesterin Marleen adressiert.
Sowohl die Wächter der Bruderschaft als auch A'groniam de Surom erhalten eine Abschrift, um im Bilde zu sein.
Barchmon Brüder und Schwestern, Stimmen des Dunklen Vaters,
Am heutigen Abend saß ich einer Lesung der Wächterin Cataleya bei. Sie rief Gläubige aller Art auf sich zu versammeln und ihr Gehör zu schenken.
Sie äußerte den Wunsch diese Versammlungen und Vorträge weiterhin stattfinden lassen zu dürfen. Ich äußerte meine Bedenken was den Inhalt anging, machte ihr die Unterschiede zwischen Stimmen und Schwertern des Dunklen Vaters klar. Ich legte ihr nahe aus ihrer eigenen Erfahrung zu sprechen, wie eine Wächterin ihre Bestimmung im Dienste des Glaubens findet und auslebt, statt die ehrwürdigen Schriften frei aus dem Gedächtnis selbst niederzuschreiben und Suchenden vorzutragen, da dies Risiken berge. Statt Verständnis und gehorsam, schlug mir jedoch ein Sturm von Jähzorn entgegen. Sie unterstellte mir, mich vor den Worten der Wahrheit zu fürchten, wenn eine Wächterin sie sprechen könnte. Bemängelte, die Präsenz der Stimmen im Allgemeinen und dass es sie dazu veranlasste, ja geradezu zwinge diese Unterrichtungen der Gläubigen zu übernehmen. Anmaßung, Hochmut und Kontrollverlust, sowie Respektlosigkeit einer Stimme des Allmächtigen gegenüber sind keine Nichtigkeiten.
Auch die Rolle der Dienerin Nighean, als vermeintliche Mlfoniso der jungen Wächterin in dieser Angelegenheit gilt es zu besprechen, scheint es doch erhebliche Mängel in den Grundlagen der Ausbildung gegeben zu haben.
Es sei angemerkt, dass es nicht das erste mal ist, dass Cataleya durch ihr unangemessenes Temperament und erhebliche Widerborstigkeit aufgefallen ist.
So rufe ich die altehrwürdigen Stimmen des Entfesselten zu einer baldigen Zusammenkunft auf, um zu besprechen wie mit der Wächterin, ihrem Anliegen und ihrer Mentorin fortzufahren ist.
Möge der Dunkle Vater Seinen Schatten über euch werfen.
*schmucklos unterschrieben mit* Bruder Sa'Deas,
Stimme des Entfesselten.
Habt Dank für die Übermittlung Eurer Eindrücke bezüglich der Wächterin Cataleya. Eure Wachsamkeit im Dienst des Namenlosen verdient ohne Zweifel gehört zu werden, ebenso wie die Sorge, mit der Ihr auf mögliche Abweichungen vom rechten Pfad reagiert.
Da es uns Stimmen scheinbar nicht vergönnt ist, einander in unserer Gesamtheit im Tempel oder sonstwo auf der Welt entgegen aller Abstimmungen gemeinsam zusammenzufinden, und ohnehin durch seltsame Veränderungen in dieser Ebene viel zu erledigen ist, möchte ich Euch meine Ansichten hierzu schriftlich übermitteln:
Die Wächterin Cataleya Rho'en wurde hinsichtlich einer öffentlichen Predigt im Tempel bereits von mir zur Ordnung gerufen. Worte des Maßes sind gesprochen worden – in aller Deutlichkeit und auch in Gegenwart ihrer Mentorin. Cataleya mag in ihrer Art forsch erscheinen, doch ihr Streben entspringt keinem Hochmut, sondern einem tiefen Wunsch, die Wahrheit des Namenlosen nicht nur mit dem Schwert weiter zu tragen, sondern auch mit offenem Herzen auszusprechen. Gerade in einer Zeit, in der viele schweigen, verdient eine solche Leidenschaft zumindest ein waches Ohr. Wir sollten dieses Feuer nicht löschen, sondern in eine geordnete Schneise lenken.
Deshalb habe ich ihr – im Einklang mit ihrer Rolle – gestattet, nicht öffentlich, sondern beispielsweise innerhalb des Kreises ihres Ordens sowie Vertrauter, Andachten, Lesungen und Zeremonien zu Ehren des Einen zu vollziehen. Dies sollte sie allerdings nicht im Tempel ausüben, um die Glaubensgemeinschaft nicht in Verwirrung zu stürzen. Ebenso sollte sie weiterhin öffentlichen Unterricht abhalten dürfen, wie es einem jeden geprüften Diener unserer Glaubensgemeinschaft gestattet ist. Dies geschehe im Rahmen ihrer Verantwortung als Wächterin, nicht als Stimme.
Euer Bericht, dass sie Gläubige aller Art dazu aufgerufen habe, deckt sich nicht gänzlich mit dem Ergebnis der Befragung, der ich sie auf Euer Schreiben hin unterzog. Wohl bedarf es hierzu noch einer genaueren Klärung des Sachverhaltes – bestenfalls unter der Anwesenheit der Wächterin.
Solltet Ihr dennoch künftiges Fehlverhalten beobachten, so rufe ich Euch als Diener des Einen dazu auf, einen Weg zu wählen, der nicht erneut mit einer tödlichen Bestrafung endet, sondern mit einer Wirkung: Mit dem Ziel, Einsicht zu ermöglichen – nicht nur Urteil zu sprechen. Ein toter Wächter dient nicht gut – pflegte mein Mentor stets zu sagen. Doch ein Wächter, der erkennt und wächst, kann mit umso größerer Kraft dienen. Lasst die Wächterin unter Eurem Druck erhärten und nicht zerbrechen. Wir brauchen sie noch!
Was die Rolle Cataleyas Mentorin betrifft, so will ich unmissverständlich festhalten: Dienerin Nighean ist über jeden Zweifel an ihrer Pflichterfüllung erhaben. Ihr Wirken in der Unterweisung der Wächterin war klar, gewissenhaft und im Geiste unserer Lehre. Cataleyas Auftreten entsprang weder Nachlässigkeit in Nigheans Ausbildung noch mangelnder Führung – sondern ihrem eigenen, ungestümen Willen, dem Namenlosen auf ihre Weise zu dienen. In dieser Eigenmächtigkeit liegt zweifellos Korrekturbedarf, doch kein Makel, der auf ihre Mentorin zurückfallen dürfte. Dies habe ich bereits mit Gewissenhaftigkeit untersucht.
Möge der Schatten des Einen uns stets leiten und lehren, wann Nachsicht, wann Strenge und wann Gnadenlosigkeit geboten ist.
In Pflicht und Erkenntnis,
Marleen Lamont
Priesterin des Namenlosen - Säule des Glaubens -
