Ein verziertes Pergament für Thamion de Montagor

Rollenspielforum für Fraktionsübergreifende Korrespondenz.
Antworten
Benutzeravatar
Amine
Beiträge: 230
Registriert: 30 Aug 2020, 00:06
Wohnort: Kuşadası
Been thanked: 4 times

Ein verziertes Pergament für Thamion de Montagor

Beitrag von Amine »

In einer dunklen Nacht eilte Amine verschleiert mit einem Amulett nach Silberburg. Dort angekommen legte sie rasch einen Brief in Thamions Briefkasten. Was war wohl aus dem Mann geworden, der ihr einst bei dem Schmieden ihrer Gebetskatze geholfen hatte? Dieser war ganz anders als die anderen gierigen Männer aus dem Volk der Menschen. Er dachte an die Natur und die Tiere. Oft musste sie an die Zeit denken, als dieser ihr das Versteck im Norden zeigte. Sie sprach mit ihm in ihrer Muttersprache. Es gab selten ein Mann, der sich oft in die Gedanken der jungen Priesterin zauberte. Sie musste tagelang meditieren, um ihm wieder aus dem Kopf zu bekommen. Wo war er nur? Als sie an dem Abend mit ihrem Löwen im Schimmerstrom badete, schaute sie gen Himmel und sang ein Lied in ihrer Muttersprache. Es handelte von der Sehnsucht und einem verlorenen Leben einer stolzen Kriegerin.

thamion_01.png

Sollte Thamion das feinsäuberliche Pergament aufrollen, kann er folgendes lesen:

Lieber T,

ich habe unser Gespräch nach dem Maskenball nicht vergessen. Vieles ist nicht leicht zu erklären. Es verlangt meinem Herzen dich heimlich im Norden in deinem Versteck zu treffen. Dort werde ich warten, wenn du magst.

A

Unter dem Brief liegt eine Abschrift einer Geschichte, die Amine in ihrer Kindheit auswendig lernen musste. Diese ist mit kunstvollen Bemalungen verziert. Nur jemand, der die Sprache der Löwinnen beherrscht, kann diese Lettern lesen:

Pyramus und Thisbe

Thisbe und Pyramus einst, der Jünglinge schönster der eine,
Hoch die andre berühmt vor allen den Mädchen im Osten,
Wohnten als Nachbarn dort, wo die prächtige Stadt nach der Sage
hatte Semiramis rings mit Backsteinmauern umgeben.
Umgang brachte zuweg' und vertraute Gewöhnung die Nähe;

Liebe erwuchs mit der Zeit, und sie wären vereint in der Ehe,
Ohne der Väter Verbot. Was die nicht konnten verbieten:
Beider Gemüt war gleich entzündet von heißem Verlangen.
Jeglicher Zeuge ist fern. Sie reden mit Winken und Zeichen,
Und je enger beschränkt, desto mächtiger wallet die Flamme.

Von kaum merklichem Riss, den schon beim Bau sie bekommen,
War durchspalten die Wand, die gemein jedwedem der Häuser.
Dieses Gebrechen, erkannt noch nie seit Reihen von Jahren,
Ward - was merkt nicht Liebe? - zuerst euch Liebenden sichtbar,
Dann als Weg für die Stimme gewählt, und in leisem Geflüster.

Pflegten verstohlen hindurch zu gehn liebkosende Worte.
Oft, wenn sie standen davor, hier Thisbe, Pyramus drüben,
Und jedwedes den Hauch auffing von des anderen Munde,
Sprachen sie: 'Neidische Wand, was bist du der Liebenden Hemmnis?

Wie viel hätt' es bedurft, dass ganz du uns ließest vereint sein
Oder, wenn dieses zuviel, uns Raum doch gäbest zum Küssen!
Doch nicht weigern wir Dank. Dir sind wir mit Freuden erkenntlich,
Dass zu befreundetem Ohr Durchgang du gewährest den Worten.'

Wenn von einander getrennt sie solches vergeblich geredet,
Sagten sie gegen die Nacht Lebwohl und gaben ein jedes
Küsse der eigenen Seite, die nicht hinüber gelangten.
Früh nun hatte verscheucht die nächtlichen Leuchten Aurora,

Und das betaute Gras mit Strahlen die Sonne getrocknet,
Als der gewöhnliche Ort sie vereint. Mit leisem Geflüster
Klagen sie lang und beschließen sodann, die Hüter zu täuschen
Mitten in schweigender Nacht und sacht aus der Türe zu schleichen;

Wenn sie entkommen dem Haus, die Gebäude der Stadt zu verlassen,
Dann, dass draußen sie nicht fehlgingen im weiten Gefilde,
Beide zu kommen zum Grab des Ninus und sich zu verbergen
Unter dem schattigen Baum. Dort ragte beladen mit weißen

Früchten ein Maulbeerbaum ganz nahe bei kühlender Quelle..
So ist bestimmt, und das Licht, das langsam schien zu entweichen,
Sinkt in die Wogen hinab, und die Nacht steigt auf aus den Wogen.
Sacht drehte Thisbe die Tür in der Angel und schlüpft in dem Dunkel
Leise hinaus von keinem bemerkt und, verhüllet das Antlitz,

Langt bei dem Hügel sie an und setzt an dem Baume sich nieder.
Liebe machte sie stark und beherzt. Da nahet ein Löwe
Frisch von dem Mord der Rinder befleckt den schäumenden Rachen,
Dass er sich lösche den Durst im nahen Gewässer der Quelle.
Diesen gewahrte von fern im Mondschein Kuşadasıs Tochter
Thisbe und floh mit ängstlichem Fuß zur finsteren Höhle;

Aber sie ließ auf der Flucht das Gewand entfallen dem Rücken.
Als mit reichlichem Trank der grimmige Leu sich gesättigt,
Sieht er, während zum Wald er zurückkehrt, ohne die Jungfrau
Liegen das dünne Gewand und zerfetzt es mit blutigem Maule.

Später entschritten dem Haus nimmt wahr in dem lockeren Sande
Sichere Spuren des Tiers und erblasst im ganzen Gesichte
Pyramus. Wie er das Kleid auch findet vom Blute gerötet,
Spricht er: 'Die selbe Nacht wird den Tod zwei Liebenden bringen,
Ach, und die würdigste war doch sie vieljährigen Lebens!

Ich nur trage die Schuld; ich habe dich, Ärmste, gemordet,
Der ich kommen dich hieß bei Nacht an grausige Stätte,
Und als der spätere kam. Reißt meinen Körper in Stücke
Und mit dem grimmen Gebiss zehrt auf die verruchten Geweide,
All ihr Löwen zumal, die ihr haust hier unter dem Felsen!

Aber den Tod nur zu wünschen ist feig." Und die Hülle der Thisbe
Hebt er vom Boden und nimmt sie mit in den Schatten des Baumes.
Wie dem bekannten Gewand er Tränen gegeben und Küsse,
Spricht er: ‚Empfange denn nun auch meines Blutes Verströmen;'
Und er versenkt in die Weichen den Stahl, mit dem er gegürtet;

Rasch dann zieht er ihn sterbend heraus aus der brennenden Wunde.
Hochauf spritzte das Blut, wie er rücklings lag auf dem Boden,
Ähnlicher Art, wie wenn die beschädigte bleierne Röhre
Aufplatzt und mit Gewalt weithin feinstrahliges Wasser
Schleudert aus zischendem Loch und die Luft wegdrängt mit dem Schusse.

Von dem bespritzenden Blut gehn über die Früchte des Baumes
Plötzlich in schwarze Gestalt, und die Wurzel, vom Blute befeuchtet,
Tränkt sie mit purpurnem Saft und färbt die hangenden Beeren.
Sieh, da kehrt noch bang, um nicht den Geliebten zu täuschen,
Thisbe zurück und sucht mit Augen und Herzen den Jüngling,

Ihm, wie großer Gefahr sie entging, zu erzählen verlangend.
Während den Ort sie erkennt und am Baum die gesehene Bildung,
Macht sie die Farbe der Frucht doch irr: ob dieser es wäre,
Stutzte sie. Zweifelnd im Sinn sah zuckende Glieder sie plötzlich
Schlagen den blutigen Grund, und sie wich mit dem Schritt, und im Antlitz

Wurde sie bleicher als Buchs und schauderte ähnlich dem Meere,
Welches erbebt, wenn leicht hinstreift an dem Spiegel ein Lufthauch.
Aber sobald sie erkannt nach kurzem Verzug den Geliebten,
Schlägt sie mit hallendem Schlag die schuldlos leidenden Arme,
Rauft sich das Haar und umschlingt den teuren Leib, und die Wunde

Füllt mit Tränen sie an und mischt mit dem Blute der Zähren
Heißen Erguss und bedeckt mit Küssen das eisige Antlitz.
‚Pyramus', jammert sie laut, ,was raubte dich mir für ein Schicksal?
Pyramus, rede zu mir! Sieh, deine geliebteste Thisbe
Ruft dich. Höre mich doch und erhebe das liegende Antlitz!'

Als sie Thisbe gesagt, schlug wieder die brechenden Augen
Pyramus auf und schloss, wie er Thisbe geschaut, sie für immer.
Jetzt gewahrt sie ihr eignes Gewand und die elfene Scheide
Ohne das Schwert. ,Dein Arm, Unglücklicher', ruft sie, ,und Liebe
Haben den Tod dir gebracht. Auch mir ist der Arm zu dem einen Stark;

auch mir wird Kraft zu Wunden verleihen die Liebe.
Ja, dir folg' ich im Tod; dann heiß' ich deines Verderbens
Grund und Begleiterin auch, und den allein mir entreißen
Konnte der bittere Tod, soll Tod auch nicht mir entreißen.
Um dies Einzige nur seid noch von uns beiden gebeten,

O von mir und von ihm ihr viel unglücklichen Väter:
Uns, die entschlossene Lieb' in der Stunde des Todes vereinte,
Uns missgönnet es nicht, beisammen zu ruhen im Grabe.
Doch du, Baum, der du jetzt die traurige Leiche des einen
Deckst mit deinem Gezweig, bald deckst du von zweien die Leichen:

Wahre die Zeichen der Tat und behalte für immer der Trauer
Ziemende dunkle Frucht als Mal zwiefältigen Mordes.'
Sprach's, und unter die Brust sich stemmend die Spitze des Schwertes,
Stürzte sie sich in den Stahl, der noch von dem Morde gewärmt war.
Aber es rührt' ihr Wunsch die Götter und rührte die Eltern.

Denn, wenn ganz sie gereift, ist schwarz an den Beeren die Farbe,
Und was die Flammen verschont, das ruht in gemeinsamer Urne.

thamion_02.png
Praeliis ferox
Quem juvat clamor, gaeleaeque leves
Acer et Marsi preditis cruentum
Vultus in hostem.
Horat.
Benutzeravatar
Thamion de Montagor
Beiträge: 80
Registriert: 06 Dez 2020, 20:54
Wohnort: Nähe Koblenz
Has thanked: 1 time
Been thanked: 4 times

Re: Ein verziertes Pergament für Thamion de Montagor

Beitrag von Thamion de Montagor »

Thamion las die Zeilen mehrere Male. Hatte er die Zeichen nur nicht gedeutet, weil er so naiv war? Oder weil er sich immer in der Nähe der Schwestern Nyames besonders viel darauf achtete, wie er selbst auftrat und weniger die Aufmerksamkeit auf andere richten konnte? Warum auch immer, die Zeilen war recht deutlich. So musste er sie deutlich beantworten.

Minni war inzwischen ordentlich trainiert und schaffte es, verschiedene Orte zu finden, die er ihr vorher gezeigt hatte. So rollte er ein Pergament in einen kleinen Schriftrollenbehälter, den er an ihrem Rücken befestigte. 
Der kleine Fuchs trottete in die Höhle und wartete dort eine Weile, falls sie dort niemanden direkt antreffen würde.

amine.png
Antworten