Ein Brief an die Bewahrer

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Evelyn Nebelkraut
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Ein Brief an die Bewahrer

Beitrag von Evelyn Nebelkraut »

An die werte Gemeinschaft der Bewahrer,
geschätzter Livius Quintus,


wie mit Euch abgesprochen übersende ich Euch die dokumentierte Einnahme. Die Identität der einnehmenden Person lasse ich zu deren Schutz raus, da sie in diesem Zusammenhang noch keine Relevanz besitzt.

Zudem habe ich noch einen weiteren Vorfall beobachten können, bei dem ein Konsument in einem Handgemenge verwickelt war. Dabei zeigte sich, dass der Konsument keinerlei Schmerz empfand. Treffer haben ihn über die Aufprallwirkung hinaus überhaupt nicht gestört. Dazu konnte er seinen körperlich eigentlich klar überlegenen Gegner, welcher jedoch kein Pulver konsumiert hatte, ohne Probleme mit wenigen Schlägen besiegen.

Dies ist ein weitere Hinweis darauf, dass meine Theorie mit der verminderten Selbstwahrnehmung zutreffend sein kann. Wenn das Hungergefühl oder andere körperliche Bedürfnisse genauso wenig wahrgenommen werden wie die Schmerzen in diesem Fall, dann stellt das Pulver eine höhere Gefahr dar als bislang von mir angenommen. Konsumenten könnten zum Beispiel stundenlang ohne merkbare Probleme durch die Wüste rennen und dabei ohne dass sie sich dessen selbst gewahr werden, an Austrocknung versterben.

ich hoffe diese Informationen sind Euch dienlich und bei weiteren Fragen, stehe ich Euch selbstverständlich zur Verfügung.

Hochachtungsvoll,


Evelyn Nebelkraut
Lehrling der Illusionie
Studierende des weltlichen Wissens



Die fortan beschriebene Wirkung trat unmittelbar nach der nasalen Einnahme des Pulvers ein. Die Pupillen der Einnehmenden weiteten sich und sie sprang in einem übersteigerten Hochgefühl jubelnd auf. Sie beschrieb ein außerordentliches Wohlbefinden, körperliche Stärke und zeigte einen umfassenden Bewegungsdrang. Dieser bewegte sie dazu, den Raum der Einnahme zu verlassen und auf die Straße zu rennen. Dort rannte und sprang sie mehrere Minuten am Stück herum wohl ob der ihr nun innewohnenden, unbändigen Lebenskraft.

Während dieser Zeit zeigte sie unentwegt, wenn auch nicht zur gleichen Zeit, folgende Verhaltensfacetten:

fortwährender Bewegungsdrang
Während der gesamten Wirkungsepisode fiel es der Einehmenden schwer, ihre Bewegungen über die Kurzfristigkeit hinaus einzustellen. Die Bewegungen waren kraftvoll und flüchtig, jedoch nicht fahrig.

immer neu aufwallendes, fast wahnhaftes Hochgefühl
Das Gemüt der Einnehmenden war stets heiter, in nahezu periodischen Abständen weiter und übermäßig gesteigert, was sich in lautem Schreien und Gröhlen nebst fast zwanghaft anmutendem Herumtollen äußerte. Selbst eine spontan angewandte, beruhigende Suggestion zeigte kaum bis keine Wirkung.

Hang zur Selbstüberschätzung und vermindertes Risikobewusstsein
Die Einnehmende zeigte eine gewisse Gedankenlosigkeit und eine verminderte Fähigkeit rationale Entscheidungen zu treffen. Sie verkündete als Beispiel zu einem Zeitpunkt lautstark und selbstbewusst, dass sie nun zu Fuß von Silberburg nach Winterberg und von dort nach Nalveroth rennen wollte. Sie war sich der Unmöglichkeit dieses und ähnlicher Unterfangen scheinbar nicht mehr bewusst. Ferner war sie sich nicht darüber klar, ob sie mit ihrem Verhalten umstehende Personen verletzen könnte.

Einschränkung in der Verarbeitung wahrgenommener Reize
Auf Rufe ihres Namens reagierte die Einnehmende bestenfalls verzögert, teilweise schien sie diese zu ignorieren. Da sie stets sehr mitteilsam und verständig war, ist hier eine bewusste Ignoranz gegenüber an sie gerichtete Rufe auszuschließen. Auch hier liegt die Vermutung nahe, dass ihr empfundenes Hochgefühl einen guten Teil der sie umliegenden Reize überschattete und auf diese Weise manche bewusste Wahrnehmung verhinderte.

Nach etwa zwei Stunden seit Einnahme wurde die Einnehmende von einer augenblicklichen Übelkeit befallen die sie umgehend zum Übergeben zwang. Der Auswurf war klar und deutete auf einen leeren Magen hin. In wie weit die Übelkeit nun der Einnahme oder der zuvor ausgebliebenden Nahrungsaufnahme zuzuordnen ist, kann nicht hinreichend beantwortet werden. Was sich aber hier deutlich zeigt ist, dass die Einnehmende kein Hungergefühl zu haben schien, was sogar bis zur Ermüdung und dem darauf folgenden Schlaf der Einnehmenden fortbestand.

Nach etwa drei bis vier Stunden - wobei die genaue Wirkungszeit aufgrund der unerwarteten Wirkungsentfaltung nicht ausreichend erfasst werden konnte - klang die Wirkung des Pulvers scheinbar ab. Bis zuletzt verkündete die Einehmende ihr außerordentliches Wohlbefinden ehe sie letztendlich müde wurde und dann auch recht schnell einschlief.

Bei dieser Dokumentation ist jedoch zu beachten, dass hier lediglich der Wirkungsverlauf einer einzelnen Person beschrieben ist. Darauf alleine aufbauend lassen sich keine gesicherten Schlüsse auf die allgemeine und tatsächliche Wirkungsweise des Pulvers erheben. Um dies gewährleisten zu können, müssten weitere Einnahmen beobachtet, dokumentiert und verglichen werden. Ferner können zu diesem Zeitpunkt noch keine Aussagen über etwaige Nachwirkungen und/oder Suchterscheinungen getroffen werden.

Zum Abschluss meine eigene Meinung: Ich rate von der unbeobachteten Einnahme des Pulvers eindringlich ab. Die Wirkungsweise ist unklar und die Wirkung selbst ist im besten Fall stark abhängig von der Persönlichkeit der einnehmenden Person. Unabhängig davon, was letztendlich zutreffend ist, so zeigen die bisher dokumentierten Auswirkungen eine mögliche, gesteigerte und mittelbare Gefahr für die einnehmende Person und auch deren direktem Umfeld.
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Evelyn Nebelkraut
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Re: Ein Brief an die Bewahrer

Beitrag von Evelyn Nebelkraut »

*zu dem ersten Brief kommt noch ein weiterer bei den Bewahrern an*

Werter Herr Golga von Assuan,

ich stelle mich zunächst vor. Mein Name ist Evelyn Nebelkraut und ich bin kürzlich erwacht. Über die wenigen Wochen nach meinem Erwachen habe ich vermehrt ein Interesse an dem Pfad der Illusionie entwickelt, weshalb ich mich selbst mittlerweile als Lehrling dieses Pfades bezeichne. Darüber hinaus bin ich Kräuter- und Alchemiekundig und hege seit meiner Kindheit ein großes Interesse an das Erlangen von Wissen der verschiedensten Disziplinen und darunter vornehmlich auch der Philosophie.

Ich traf zuletzt Herrn Livius Quintus in Silberburg und hatte ein interessantes Gespräch mit ihm. Dabei riet er mir, bei Euch vorstellig zu werden, falls ich mehr über die Illusionsmagie zu lernen wünsche.

So es Eure Zeit zulässt, würde ich Euch um ein Treffen bitten, bei dem wir uns Kennen lernen können.

Hochachtungsvoll,


Evelyn Nebelkraut
Lehrling der Illusionie
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Golga/Kendor
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Re: Ein Brief an die Bewahrer

Beitrag von Golga/Kendor »

Ort: Museum der Bewahrer – Einzugsgebiet Silberburgs
In den Räumen des oberen Stockwerks – der große Versammlungsraum der Vereinigung

Es waren schon einige Tage, gar Wochenläufe verstrichen, als Golga im Museum zur Einkehr fand. Seine Arbeiten und Aufgaben erforderten weiterhin viel seiner Aufmerksamkeit. Verantwortung, so glaubte er und hatte für sich entschieden, war der Grund dafür.
Aber auch diesen Ort konnte er nicht gänzlich als einen Hort der Erholung und Entspannung bezeichnen. Es wartete Arbeit auf ihn.
Als er den großen Tisch umrundete, bemerkte er wie ein Brief für ihn an seinem Sitzplatz hinterlegt worden ist. In dem er weiter ging, verringerte er den Abstand zum Schriftstück. Dabei streifte er mit Zeige- und Mittelfinger über die feinen Konturen des Holztisches. Es war kein teurer Marmortisch oder sonst mit schnörkelnden Kostbarkeiten verzierte und veredelte Platte. Es war ein einfach gehaltenes, mit seinen lebendigen und natürlichen Windungen gehaltenes Holz.
Während er dem Schreiben näher kam hatte er eine unbedeutende gar marginale Menge seiner Magie schon vorbereitet und lenkte diese auf das Schriftstück. Der Analysezauber offenbarte keine Gefahr. Der Gedanke, ob er schon immer so misstrauisch war, konnte sich nicht einmal in seinem Kopf formen, geschweige denn aufkeimen. Er war einfach nicht existent. Diese Form der Vorsicht hatte er so schon in sich verinnerlicht, dass er sie nicht einmal mehr bemerkte. Sie wurde zu einem Teil von ihm selbst.
Das Schreiben in der Hand haltend las er die wenigen Zeilen durch.
Es verstrichen einige Augenblicke des Nachsinnens. Er lehnte sich in den Stuhl zurück und lenkte sein Augenmerk auf die Decke. Sollte er, oder sollte er es nicht tun? War es für ihn wichtig? Gab es eine Not dafür? Die letzten beiden Fragen beantwortete er sich selber mit einem „Nein“. Könnte es interessant werden ? - Vielleicht. Das vielleicht reichte ihm in dem Fall aus und beantwortete somit seine erste Frage.

Papier und Tinte wurden aus einer Schublade heraus geholt. Kratzend glitt die zuvor eingetunkte Federspitze über das Pergament.
  
  
An das Fräulein Nebelkraut
 
Zeit, Zeit ist ein Gut, welches momentan bei mir einen hochwertigen Rang eingenommen hat. So einige wollen etwas von meiner Zeit, aber nur wenige sollen sie, durch ihren Verdienst, erhalten.
 
Ihr behauptet von Euch selber dass Ihr Euch der Philosophie hin zuwendet. So möchte ich Euch einige Frage stellen und danach entscheiden ob ich Euch etwas meiner Zeit entbehren kann.
 
Wie entsteht Hass?
Hass ist eine leidenschaftliche, extreme Abneigung gegenüber eine Person, einer Gruppe oder anderen Dingen. Hasst man etwas oder jemanden um sein Ego zu schützen? Basiert er auf Neid oder Unzufriedenheit mit sich selbst?
 
Was ist Liebe?
Liebe in Worte zu fassen ist schwierig. Für jeden fühlt sich Liebe anders an. Jeder Mensch liebt anders. Wir haben unterschiedliche Bedürfnisse und wollen auch unterschiedlich geliebt werden. Wie sieht Liebe für Euch aus?
 
Ist jeder Mensch gleich viel wert?
Aus dem Affekt heraus werden die meisten Menschen wohl mit Ja antworten. Aber sind Menschen, die schlimme Verbrechen begangen haben, genauso viel wert wie Menschen, die keine Verbrechen begangen haben? Ist das Leben eines Mörders genauso viel wert wie das Leben aller anderen Menschen?
Ist es für eine Gesellschaft rechtens, wenn diese sich über die Bedürfnisse Einzelner stellt – gar welche, die sich vielleicht nicht in die Gesellschaft integrieren wollen – um die Bedürfnisse vieler zu erfüllen.
 
Und daher auch meine letzte Frage, Was bedeutet für Euch Gerechtigkeit?
 
Beantwortet mir offen diese Fragen, und danach will ich entscheiden ob ich Euch etwas meiner Zeit erübrigen kann.
 
Gez. Golga von Assuan
 
Das fein gefaltete, mit Wachs versiegelte Schriftstück überreichte er einem Boten mit dem Auftrag, es dem Fräulein Nebelkraut zukommen zu lassen. Da jedoch Golga keine Adresse nennen konnte – es wurde ihm einfach keine Hinterlegt – , blieb dem Magier nichts anderes übrig, als für die erschwerten Umstände und dem so generierten Mehraufwand für den Boten, ein paar Goldstücke mehr hinzu zulegen.

 
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Evelyn Nebelkraut
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Re: Ein Brief an die Bewahrer

Beitrag von Evelyn Nebelkraut »

Als Evelyn die Antwort von Golga erhält, überfliegt sie die Zeilen zunächst grob - nur um wieder grinsend von vorne lesend zu beginnen, als sie statt der üblichen Floskeln nebst Orts- und Zeitangaben, durchaus interessante Fragen zu lesen bekommt. Selten ist die Antwort, die man bekommt, nicht die, die man ursprünglich wollte aber vielmehr jene, die sich als besser als die eigene Erwartung erweist. Sie weißt den Boten an, nicht zu warten, jedoch bat sie ihn darum, am nächsten Abend wieder zu kommen, damit er die Antwort nebst ihrer Adresse im Hafenviertel in Ansilon, überbringen kann - dafür würde er auch einen Bonus von ihr bekommen.

Aufgeregt wie ein kleines Mädchen kurz vor ihrem Geburtstag, wirft sie sich dann auf ihr Bett, bewaffnet mit Stift und einem ihrer getreuen Notizbüchern. Hier verbringt sie einige Stunden, wobei sie manchmal nachdenklich zur Decke starrt, sich einem wohl inneren Zerwürfnis folgend hin und her wälzt und natürlich auch etliche Symbole ihrer Kurzschrift in das Büchlein schreibt.

Als sie letztendlich zufrieden das Buch zusammen klappt, geht die Sonne schon fast wieder auf. Aber ihr Geist lässt sie jetzt bestimmt noch nicht schlafen - nein, das MUSS noch zu Ende gebracht werden. Also brüht sie sich einen kräftigen Tee auf und setzt sich an ihren Tisch um die folgenden Zeilen mit Hilfe der Notizen in ihrem Buch zu verfassen:


Sehr geehrter und nun auch schon geschätzter Herr Golga von Assuan,

ich muss Euch nun wohl zweifach danken. Zunächst natürlich für Eure Antwort auf mein Schreiben aber nun auch dafür, dass ihr nicht bloß geantwortet habt, sondern mir auch den Genuss des Gedankens schenkt. Ein Grundaspekt der Philosophie ist ja nicht nur, sich mit den Fragen der Existenz von Dingen, Wesen und Gegebenheiten auseinander zu setzen, sondern vielmehr seine Antworten auf diese Frage einer
steten Prüfung zu unterziehen. Dies erreicht man nur im Austausch mit Anderen und leider gibt es nicht all zu Viele, die an einem solchen Austausch die selbe Freude empfinden wie ich.

Ich werde Eure Fragen jedoch in einer etwas anderen Reihenfolge beantworten. Denn wer meiner Ansicht nach den Hass verstehen will, der muss zunächst über die Liebe reden.

Liebe
Liebe ist zunächst nicht klar zu definieren, denn wie ihr schon sagtet, jeder empfindet die Liebe anders. Verlassen wir jedoch unsere eingeschränkte, persönliche Ebene und betrachten die Liebe in der Gesamtheit jener, die vorgeben sie zu empfinden, so können wir den Begriff zumindest unterteilen und darüber vielleicht sogar definieren.

Das, was die Meisten als Liebe beschreiben würden, wäre die befriedigende Liebe welche selbst sowohl körperlich oder auch rein geistiger Natur sein kann. Diese umfasst sowohl den Jüngling, der in das Gemach seiner Liebsten steigt als auch die Gelehrten, die Erregung und Erfüllung der Liebe im Zwiegespräch finden. Dazu gehören aber gleichsam jene Formen der Liebe, die sich um das eigene Reich, Macht,
Politik, Ehrgeiz oder Freiheit drehen. Sie alle haben gemeinsam, dass wir ein Bedürfnis verspüren, welches wir zu befriedigen suchen. Dies schließt auch die Selbstliebe mit ein.

Eine weitere Form der Liebe ist die freundschaftliche Liebe, bei welcher die Beziehung selbst zentral ist und nicht das Bedürfnis an sich. Sie ist Abhängig von dem was man gibt und was man dafür bekommt - sei es nun Interesse, Vergnügen oder Anerkennung. Diese Liebe kommt ohne die Befriedigung unserer Gelüste aus. Es wird als Beispiel empfunden von den zwei Damen, die Abend für Abend im Park sitzen und
reden oder den Schwertbrüdern die sich lachend am Lagerfeuer Geschichten erzählen.

Zuletzt kennen wir noch die bedingungslose Liebe. Diese können wir in der Religion beobachten aber auch zwischen Eltern und Kind - wenn auch dort leider nicht so häufig wie manch ein Kind es sich wünscht. Hierbei liebt man ohne die Erwartung etwas dafür im Austausch zu erlangen - auch wenn Letzteres durchaus der Fall sein kann. Der religiöse Aspekt der Liebe ist schwer zu fassen, wo es auch Gläubige gibt, die
für ihre Liebe von ihrem Gott etwas erwarten - aber das wäre eher dann eine Diskussion über echten und unechten Glauben und würde vom eigentlichen Thema wegführen.

Soviel dazu, was die Bücher über die Liebe erzählen. Müsste ich die Liebe aus meinen eigenen Erfahrungen heraus definieren, so würde ich nur die freundschaftliche Liebe nennen können.

Hass
Kommen wir nun zum Hass. Wir setzen den Hass oftmals als Gegenpol zur Liebe. Und so wie wir auch das Leben und den Tod als Gegensätze betrachten, so sind diese beiden Begriffe ebenfalls sehr eng miteinander verbunden. Was nicht lebt, kann auch nicht sterben. Was nicht liebt, kann auch nicht hassen.

Hass kann viele verschiedene Motive haben, aber nur eine Ursache - und jene ist die Liebe. Neid und Gier entsteht aus der (Selbst)Liebe zum Besitz, Kämpfe und Kriege aus der Liebe zu einer Person, einem Land, einem Gott, Ressourcen oder schlichtweg zur Macht selbst. Wir hassen dann dies, was uns die Erfüllung unserer Liebe verwehrt oder bedroht.

Daher stellte ich zu Anfang die kühne These auf "Wer nicht liebt, ist auch nicht in der Lage zu hassen." und mich würde hierbei sehr interessieren, wie Ihr darüber denkt.

Wert des Menschen
Nun zu eurer dritten Frage. Um zu beantworten, ob jeder Mensch gleich viel wert sei, muss man zunächst die Grenzen des Begriffes "Wert" abstecken. "Wert" ist ein sehr subjektives Wesen. Auf einem Marktplatz kann der Wert einer Handelsware für den Händler ein anderer sein, als für den Käufer. Genauso kann eine Person für mich wertvoller sein als für Euch. Betrachten wir das rein sachlich, so hängt der Wert davon
ab, was eine Sache oder eine Person uns bedeutet, einbringt oder kostet.

Allgemein betrachtet kann man durchaus sagen, dass jeder Mensch erstmal den gleichen Wert hat - denn ohne näheres Wissen hat jeder Mensch zunächst das gleiche Potenzial Großes zu leisten sowie aber auch Schreckliches zu vollbringen. Dies ist der grundlegende Wert eines jeden von uns.

Was aber, wenn, wie ihr schon schriebt, ein Mensch zum Mörder wird? In diesem Fall würde sein Wert aus Sicht der Gesellschaft und auch der Hinterbliebenen seines Opfers gemindert werden. Die Gesellschaft muss nun entscheiden, wie sie mit diesem Wertverlust umgeht. Neutral gesehen wäre es unverantwortlich, einem Mörder seinen Wert komplett abzusprechen und somit letztendlich vielleicht selbst zum Mörder zu werden. Doch so einfach ist es selten und jede Antwort, die man in diesem Sinn zu geben vermag, würde weitere aufwerfen. Darf man einen Mörder nicht ermorden, nur weil er vielleicht noch Gutes vollbringen könnte? Können gute Taten schlechte aufwiegen? Wie viel Gutes muss man tun, um einen Mord auszugleichen? Diese Liste an Fragen kann man fast endlos fortführen.

So kommen wir also bei der Betrachtung dieser Frage nicht weiter. Wenn ihr mich nun auffordert, eine greifbare Antwort auf diese Frage zu geben, so würde ich sagen, dass jeder Mensch grundsätzlich den gleichen Wert hat und dieser Wert aller gegebenen Möglichkeit nach erhalten bleiben muss. Einen Mörder muss man nicht zwingend töten. Was man statt dessen macht, muss wohl überlegt sein - aber ihn einfach auch zu töten wird der Komplexität dieser Frage und vor allem dem Wert des Lebens selbst nicht gerecht. Dennoch kann es durchaus sein, dass ein Mensch seinen Wert so stark und nachhaltig tilgt, dass man keine andere Wahl zu haben vermag. Dies sind aber Entscheidungen und Diskussionen, die sich nur schwer allgemein führen lassen.

Gerechtigkeit
Zu eurer letzten Frage, was Gerechtigkeit für mich bedeutet. Gerechtigkeit ist kein minder schwammiger Begriff wie es schon der "Wert des Menschen" ist. Grundlegend gesagt, ist Gerechtigkeit die absolute Erfüllung jener Werte, die wir aufgestellt oder angenommen haben - aber wer bestimmt, ob unsere Werte in sich schon gerecht oder ungerecht sind? Manch einer würde hier nun sagen, dass Gott dies für uns bestimmt. Dies ist mir selbst jedoch zu einfach gedacht.

Um für mich selbst zu entscheiden, was gerecht ist oder nicht, muss ich selbst erst Werte bestimmen, die ich als gerecht erachten kann. Lege ich meine Werte so fest, dass sie nur für mich gelten, kann ich nicht den Anspruch haben, dass sie auch für meinen Nachbarn gelten. Wenn ich entscheide, dass ich die Katze, die meine Hühner riss, töte, dann vermag das für mich gerecht sein - für den Besitzer der Katze mag dies aber ungerecht erscheinen.

Um dieses Problem zu lösen müssen unsere Werte demnach so aufgestellt sein, dass sie nach Möglichkeit für jede Person gelten können. Wenn ich also so handle, wie ich es auch von Anderen erwarte, so handle ich meiner Auffassung nach gerecht.

Dieses Schreiben ist nun wohl ein wenig länger geworden - aber ich denke das habt ihr, wenn man den Charakter Eurer Fragen bedenkt, sehr wohl in Kauf genommen.

Sollte euch gefallen haben, wie ich auf diese Fragen geantwortet habe, auch wenn ihr mit dem was ich antwortete nicht übereinstimmt, so würde ich mich freuen, wenn wir dies bei einem schönen Tee oder Wein in einem persönlichem Gespräch erörtern würden. Ich denke, dass wir durchaus viel zum Reden finden können.

Hochachtungsvoll,


Evelyn Nebelkraut
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