Keine spritzende Gischt, keine heranrollenden Wellen, die unaufhörlich gegen Planken platschten, keine nautischen Befehle, die Seeleute sich über Deck zuriefen – was für eine Wohltat!
Aber nichtsdestotrotz herrschte Chaos in ihrem Kopf. Noch viel zu präsent war der Inhalt des Gesprächs zwischen der Nekromantin und ihr am Abend. Da taten auch das Wiedersehen mit Gerwig – über das sie sich wahrlich gefreut hatte, wenngleich der Zeitpunkt nicht noch ungünstiger gewählt hätte sein können, denn er war mitten in Katherine’s „Beichte“ hineingeplatzt – und das darauffolgende, recht ausufernde Verlustieren mit dem Sturmrufer keinen Abbruch daran, sie blieb aufgewühlt und würde so schnell nicht in den Schlaf finden.
Eine Bewegung auf dem Bett ließ sie im Schreiben innehalten; er hatte ihr das, im Zwielicht dennoch wie gemeißelt aussehende, wunderschöne Gesicht zugewandt und sie betrachtete ihn einige Wimpernschläge lang, während sie sich die Worte Balthasars noch einmal in ihr Gedächtnis rief. Er sprach davon, dass das bedauerliche an diesen Zuständen sei, dass sie Persönlichkeiten vertilgten, in welche man viel Zeit investiert hatte. Skotos hatte sich ruhig verhalten, sie nicht wie üblich mit ständigem Geplapper abgelenkt, sodass sie schon während der Schilderung ihren Gedanken nachhängen und genügend Parallelen ziehen konnte. Es hatte ihr einen Stich versetzt, aber er hatte wohl Recht mit dem was er sagte. Irgendwann - nun, es wäre töricht, dies in allzu weite Ferne zu schieben.. - würde sie sich auch noch einmal damit auseinander setzen müssen. Doch nicht jetzt, nicht hier, nicht heute.
Seelenraub, Seelenkrieg, Seelenverschmelzung, alles verbunden mit unendlich viel Schmerz.. es fröstelte sie.
Sie zog das Laken, mit welchem sie ihre Blöße bedeckte, noch etwas höher, in der Hoffnung, die letzten Zeilen, ohne wie Espenlaub im Wind zu zittern, auf das Pergament bannen zu können.
Es war wichtig, Sorsha so schnell wie möglich über die Erkenntnisse, die sich im Laufe des Gespräch mit Katherine ergeben hatten, zu informieren und sie um ein vertrauliches Gespräch zu bitten. Ein Aufschub war nicht hinnehmbar.
Schnörkellos und unversiegelt ist das einfache Pergament, das Schriftbild wirkt jedoch gewohnt sauber. Ein doppelt genommenes, petrolfarbenes Band hält die Rolle gut zusammen, welche ein Bote Sorsha bei Sichtkontakt übergeben möchte.
In Magica Veritas,
es hat ein wenig gedauert, den geeigneten Moment abzupassen und Katherine unter vier Augen sprechen zu können,
aber wie versprochen habe ich von deinem Problem berichtet und um ihre Expertise gebeten.
Im Gespräch mit ihr hat sich die Dringlichkeit des Ganzen in vollem Ausmaße herauskristallisiert,
weshalb ich dich inständig um ein möglichst zeitnahes Treffen ersuchen möchte.
Sobald es dir möglich ist, suche mich bitte auf, damit wir darüber ausführlicher sprechen können – eines jedoch vorweg,
um dir ein wenig Sorge zu nehmen und Hoffnung zu machen: Katherine hat ihre Hilfe bereits zugesichert.
Lass es mich wissen, wann es deine Verpflichtungen zulassen und du ein wenig Zeit für ein Gespräch einräumen kannst.
Mit den besten Grüßen, ich erwarte baldigst deine Antwort,
X.