Schreiben an Livius

[Elira Raureif]

Werter Livius,

Ich hoffe Ihr verzeiht mir, dass ich Euch in dieser für Euch schwierigen Zeit noch mit Schriftverkehr belaste, doch traf Euch leider weder gestern noch heute bei der Knospe, und will die Neuigkeiten, die ich habe, nicht weiter aufschieben. Es gibt nämlich in der Tat womöglich schlechte, in jedem Falle aber seltsame Nachrichten: Lin wurde anscheinend von jemandem abgeholt. Sie hat keinem von uns Bescheid gesagt, aber die nahe Wache sah wohl, wie sie in einem magischen Portal verschwand.

Aktuell gehen zumindest Fenrik und ich eher nicht von einer Entführung aus: Weder gab es Kampfspuren, noch würde es für jemanden, der Lin zu töten versuchte, Sinn ergeben, sie akkurat und leise zu entführen. Vor allem aber war die Türe ihres Wagens abgeschlossen und der Schlüssel wurde da gelassen. Das wäre nun ein sehr seltsamer Entführer, der sich die Zeit nimmt, den Wagen säuberlich abzuschließen und uns höflich noch den Schlüssel zu hinterlassen.

Tatsächlich vermuten wir daher am ehesten, dass sie sich von ihrer Familie oder anderen Verbindungen in Erinoth abholen ließ. Es erscheint auch nachvollziehbar: Weder war sie auf der Insel glücklich, noch hat sie uns je wirklich als Freunde gesehen, und nun, mit dem Angriff auf sie, was liegt da näher, als endgültig das Handtuch zu werfen und sich möglichst rasch und ohne die Gelegenheit für Diskussionen abholen zu lassen? 

So naheliegend diese Lösung erscheint, so bleibt aber doch eine gewisse Sorge, gerade aufgrund der letzten Ereignisse um sie herum. Ich wollte Euch daher nicht nur informieren, da Ihr Lin ja nun unterrichtet habt, sondern auch erfragen, ob sie Euch gegenüber womöglich solche Absichten äußerte? Auch möchte ich sicher gehen, dass unsere Vermutung überhaupt stimmen kann, und erfragen, ob es denn auch wirklich möglich ist, ein Portal über so weite Entfernungen zu öffnen?

Sofern Ihr Anhaltspunkte habt, wären wir dankbar für Eure Einschätzung.

gez. Elira

[Livius Quintus]

Wissen und Weisheit, Elira

Bei all der Unterstützung, die du und deine Freunde uns zukommen lassen, bedarf es eurerseits keine Entschuldigungen. Wenn, dann liegt es an mir, mich zu entschuldigen, habe ich durch Mangel an Zeit nicht die Möglichkeit besessen, euch schneller zu informieren.

Ihr könnt unbesorgt sein. Lin befindet sich an einem sicheren Ort und kann sich einer stabilen Gesundheit erfreuen. Wie ich bei meinem letzten Besuch in Nebelhafen angemerkt habe, besuchte ich sie um mich über ihren Zustand zu erkundigen. Nachdem niemand auf mein Klopfen hin die Tür öffnete und die Geräusche im Inneren des Wagens auf einen Notfall hinwiesen, erlaubte ich mir den von Cillian überreichten Schlüssel zu verwenden, um mir Zutritt zum Inneren zu verschaffen. Was ich antraf, war eine kaum ansprechbare und dem Leben ringende Lin. Ihr entschuldigt daher sicher, dass ich mich gedrungen sah, sie mitzunehmen und sicherzustellen, dass sie an einem Ort gebracht wird, an dem ihr geholfen werden kann.

Um eine Frage vorab zu beantworten: Nein, ich fürchte ich kann niemanden zu ihr bringen. Der Ort an dem sie sich befindet, Shiras Heimat, ist durch das aktuelle instabile arkane Netz nur durch Intervention höherer Wesen erreichbar und ich habe Eostycals Gemüt mit der Bitte, sie dorthin zu bringen, bereits ausreichend herausgefordert. Es bleibt mir daher einzig, um Geduld zu bitten. Was ich allerdings versichern kann ist, dass sie sich in den besten Händen befindet und sie sicher und gesund zurückfinden wird. Im Anbetracht der unbekannten Attentäter erscheint es mir aber ohnehin besser, den Eindruck zu erwecken, als wäre ihr Auftrag geglückt. Mein Ratschlag wäre daher, die dafür verantwortlichen in die Irre zu führen, statt ihnen nachzustellen.

Selbstredend stehe ich für offene Fragen bereit - vielleicht zu dem gemeinsamen Essen, zu dem du geladen hast.

gez.

Livius

[Elira Raureif]

Werter Livius,

Das sind fürwahr großartige und erleichternde Neuigkeiten. Es beschämt mich, um ehrlich zu sein, dass ich eine Verschlechterung von Lins Zustand an jenem Tag nicht bemerkt habe, aber dann wieder kam ihr Fieber immer wieder erratisch zutage. In jedem Falle also seid bedankt für Euer rasches Handeln und die Hilfe, die Lin nun zukommt.

Ich habe Euer Schreiben auch schon den Anderen gezeigt um sie zu beruhigen, und nun warten wir hoffnungsvoll auf Lins Rückkehr. 

Bis dahin möchte ich die gefallene Einladung derweil fest machen, und Euch fragen, ob Ihr womöglich zu Beginn der kommenden Woche zum Essen kommen wollt? Bis dahin hoffe ich, genug aller möglichen Erden gesammelt zu haben, die als "Sonnenerde" für die Knospe durchgehen könnten - es läge mir da doch sehr am Herzen, diesen Schritt erst zu vollenden. Zur Zeit sieht das Wetter jedoch gut aus, so dass ich guter Hoffnung bin, alles wie geplant erledigen zu können.

gez. Elira