Irgendwann hatte sie entschieden, dass es vergebliche Liebesmüh sei und war dazu übergegangen, wann immer sie dem See zu nah kam und die Elementare übergriffig wurden, sich in die Sicherheit des kleinen Häuschens zu retten und schlicht abzuwarten, bis sie sich von allein wieder zurückzogen und sie ihrer Wege oder der Arbeit weiter ungestört nachgehen konnte.
* * *
Doch an diesem Abend, als sie nach einem ausgedehnten Nachmittagsschläfchen die Beine vom Sofa hob und im Vorraum etwas Obst aus der Schale nahm, beschlich sie ein ungutes Gefühl beim Blick aus dem Fenster, als bisher unvertraute Geräusche an ihr Ohr drangen. Direkt am Uferrand, an welchem sie des Öfteren ein Glas Wein zu trinken pflegte, hatten sich Elementare versammelt. Ungewöhnlich! Schnell fasste sie den Entschluss zu ergründen, was sie so nah an ihr Häuschen getrieben haben könnte. Auf leisen Sohlen bewegte sie sich durchs Unterholz und beschrieb einen Bogen um das Ufer herum. Als sie den Schutz der Bäume verließ, um einen besseren Blick auf das Ufer zu erhaschen, fuhren zwei der Elementare jedoch auch schon herum und ließen Wasserzauber auf sie herniederprasseln. Instinktiv fuhren die Hände in die Hosentaschen, erfühlten die darin befindlichen kläglichen Reagenzienreste und einen Augenblick später fand sie sich inmitten des Kistenraumes der Schwarzen Feste wieder. Das, in dem charakteristischen Rot des Magierbundes eingefärbte Mieder klebte am Oberkörper der Frau, die Haare ungeordnet und strähnig nass, der Blick gehetzt, rundete das Bild der Attacke der Elementare ab, als sich zu ihren Füßen bereits eine beachtliche Wasserlache bildete.
Khalia und Radjan, die sich mit Balthasar im Gespräch befanden, verstummten und wurden Zeuge von Nimues, recht aufgebracht, vorgetragenem Bericht über das kürzlich Erlebte.
Wenig später, nachdem Nimue mit trockenen Gewändern versorgt war und man sich mit diversen Schutzzaubern gewappnet hatte, brachen drei Streiter des Bundes zu der Hütte im Wald auf, um gemeinsam dort nach dem Rechten zu sehen. Just vor der Türe angekommen, konnte man auch schon wieder die Elementare, die rastlos am Ufer entlang rasten, ausmachen.
Angriffslustig stürmten sie heran und beschworen zur Unterstützung viele weitere Gefährten, die die Magier auf Trab hielten und welche sich einer wahren Wasserschlacht ausgesetzt sahen.
Doch schnell hatte man die Gegner mittels Steinwällen zurückgedrängt und konnte sich am Ufer genauer umsehen.
„War das schon immer hier? Besorgniserregend. Sowas habe ich noch nie zuvor gesehen.“
„Nein, für gewöhnlich sitze ich dort und trinke meinen Wein. Gestern war es noch nicht dort, das wäre mir aufgefallen. Die Elementare siedeln eigentlich am gegenüberliegenden Ufer.“
„Das sieht jedenfalls beunruhigend aus. Beinahe als würde es kochen.“ Der Nekromant legte sich bäuchlings ins Gras, tippte den Finger hastig ins Wasser und gab ein „Hmpf“ von sich. „Nicht warm.“
„Welch‘ seltsames Blubbern. Ob es von magischer Natur ist?“
Scheinbar über Nacht hatte sich in Ufernähe eine Art Geysirwelle gebildet, von der laute, blubbernde Geräusche ausgingen. Als die magischen Mauern im Begriff waren sich aufzulösen, verlegte man das Gespräch ins Innere des Häuschens.
„Nun, Nimue. Die Elementare waren schon immer hier?“
„Nein, ich lebe nun schon einige Jahre hier am See. Die Elementare tauchten erst vor gut einem Jahreslauf hier auf.“
„Also konntest du mehr oder minder gut mit ihnen leben, bis heute?“
„Wie man es nimmt. Sie waren mir von Anfang an ein Dorn im Auge- vorbei war es mit den Bädern in der Abendsonne. Auch wenn mich dieser Umstand nicht sonderlich erfreute- wäre es nur dabei geblieben, hätte ich mich damit arrangieren können.. doch sie gingen auch dazu über mich anzugreifen, wenn ich Holz für den Kamin schlug und mich dem Ufer nicht einmal näherte.“
„Doch heute sind sie in ihrem Verhalten anders, sowie eine neue Welle auf dem See?“
„Ja, ganz recht. Dass sie sich so nah an die Hütte heran wagen hat mich stutzig gemacht und die Geräusche haben mich schließlich vor die Türe gelockt. Ich wollte dem auf den Grund gehen.“
„Mh. Hast du irgendwelche Hinweise? Ansatzpunkte, eine Idee, irgendwas?“
„Ich hatte in der Vergangenheit bereits mit einigen Elementaristen gesprochen – Vincent, Ronbor und auch bereits einmal kurz mit Balthasar vor längerer Zeit – wie er auch vorhin schon sagte, zumeist liegt dem wohl eine Anomalie zugrunde, doch um ehrlich zu sein, ich weiß über derlei Dinge, die Elemente im Speziellen, bedauerlicherweise viel zu wenig.“
„Das könnte wirklich ein Problem sein, wir werden uns wohl elementartheoretischen Aspekten widmen müssen.“
Khalia nickte einige Male verstehend, während Nimue Getränke ausgeschenkt und inzwischen wieder Platz genommen hatte. Das filigrane Glas wurde an die Lippen herangeführt und einen Augenblick lang durchgeschnauft.
„Mh. Balthasar?“
„Wäre ein gewisser Elementarist nun nicht damit beschäftigt, bereitwilligst Licht ins Dunkel, die Magokratie betreffend, zu bringen..“ Nuschelnd verlor sich der Rest der Worte im Weinglas, als ein weiterer Schluck getrunken wurde.
Ein leiser Seufzer und ein knappes Nicken Khalias quittierte Nimues Worte.
„Vermutlich ist er aber die beste Quelle für diese Angelegenheit.“
Radjan, der eine Weile skeptisch aus dem Fenster geblickt hatte, beteiligte sich nun wieder am Gespräch.
„Ob das Wissen über die Magokratie wohl eine höhere Dringlichkeit besitzt, als das da draußen? Ich mag es anzweifeln. Aber sein Wort deutete ja an, dass wir uns dem wohl morgen in Gänze widmen wollen.“
„Natürlich. Wenn mein Zuhause am morgigen Tage noch existiert!“ Aufgebracht warf sie die Hände mit einer dramatischen Geste in die Luft und ließ den Kopf in den Nacken fallen.
„Schlafen solltest du jedenfalls in der Festung. Auch wenn ich deiner Wohnstätte natürlich nur das Beste wünsche.“
Khalia lenkte wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Wir sind uns einig, dass wir hier ein magisches Problem haben?“
Ein kurzer Blick wurde mit Radjan getauscht, ehe Nimue Khalias Vermutung bestätigte. „Ja, das würde ich durchaus als solches deklarieren. Die Frage ist also folgende: Was hat die Elementare an den See gebracht- und vor allem, was hat diese.. Geysirwelle förmlich über Nacht entstehen lassen? Am Anfang bin ich unermüdlich um den See herum patrouilliert und habe jedes Wasserelementar vernichtet – aber recht schnell begriffen, dass kaum einen Augenblick später ein neues an die Stelle seines Vorgängers nachrückt. Schließlich habe ich es aufgegeben und bin ihnen, so gut es eben ging, aus dem Weg gegangen – doch dies ist nun offenbar nicht mehr möglich, wo sie beinahe vor meiner Haustüre wachen.“
„Also müsste die Quelle versiegen, um das Problem zu lösen.“
„Nur bekämpfen scheint nicht zu reichen.“
„Ist diese hier oder irgendwo am Flusslauf?“
„Aber meinen See und mein Zuhause aufzugeben ist keine Option!“ Entschieden wurde an dieser Stelle der dunkelblonde Schopf geschüttelt, ein trotziger Blick schlug den Beiden entgegen.
„Das stand nie zur Debatte Nimue, wir werden es lösen. Die Frage ist, ob die Quelle am Ort der Geysirwelle ist, oder ob sie woanders aufzufinden ist. Vom Gefühl her sollte zuerst das Augenscheinliche untersucht werden.“
„Ein Bach führt hier vorbei. Er entspringt am Dorf der Barbaren und mündet in den Binnensee soweit ich weiß. Hmm, dann sollten wir morgen nach der Versammlung vor Ort nachsehen – wenn ein Teil sich darum kümmert, die Elementare in Schach zu halten, könnten wir versuchen, die Quelle ausfindig zu machen. Mit einer Handvoll weiterer Magier sollte dies doch gewiss zu realisieren sein.“
„Vermutlich ist dies der beste Weg.“
Mit einem Seufzer erhob sich die Illusionistin, stützte die Hände auf den Kommoden ab und blickte missmutig aus dem Fenster.
„Für heute habt ihr gewonnen.. Ich werde einige Dinge einpacken und erst einmal in der Schwarzen Festung nächtigen, bis sich geklärt hat, was hier vor sich geht.“
„Wir würden dich so oder so mitnehmen, unabhängig von deinem Wunsch.“
Grinsend wandte sie sich den Gefährten zu und hob die rechte Augenbraue. „‘Ist ja schon gut. Ich beuge mich. Aber wir sollten aufbrechen, sie machen mich unruhig.“
Schnell fanden einige Habseligkeiten ihren Weg in ihre Tasche, eine zweite wurde hervor geholt und ein Wolfswelpe für die Dauer der Reise hineingesetzt.
In der wunderbaren Sicherheit der Festung angekommen wurde noch ein wenig darüber philosophiert, welche Gründe es für das Auftauchen der Elementare geben könnte. Könnte die Nähe zum alten Kloster, das bereits des Öfteren Schauplatz unheimlicher Phänomene gewesen war, etwas damit zu tun haben? Oder möglicherweise die Dämonenportale, die sich derzeit in Silberburg und vor Ansilon öffneten? Ein Schauer überlief sie, als Khalia etwas gänzlich anderes zur Sprache brachte.
„Ich glaube an keine Zufälle meine Liebe, es gibt vermutlich einen Grund für diese Wesen an genau diesem Ort. Entweder sind sie da, weil der Ort etwas Besonderes an sich verbirgt oder aber..“
„Oder aber..?“
„Interesse an dem Bewohner der Umgebung. Jede Eventualität muss ausgeschlossen werden.“
„Du willst damit andeuten, dass sie meinetwegen aufgetaucht sein könnten?“
Ein leises Geräusch gab sie von sich und deutliches Unbehagen konnte man von ihren Gesichtszügen ablesen, ehe der Blick gen Radjan strich und sie mit trotzigem Blick und in die Hüfte gestemmter Hand fragte:“ Was, denkst du, ist der Grund?“
„Zunächst einmal brauchen wir einen klaren Kopf. Den haben wir aber. Grundsätzlich stimme ich Khalia zu. Wir müssen alles prüfen, um alles ausschließen zu können. Sollten diese Biester deinethalber da sein, finden wir es heraus. Und wir werden verhindern, dass sie dir irgendetwas anhaben. Sollten sie nicht deinethalber da sein, umso besser. Ehrlicherweise weiß ich nicht, aus welcher Motivation heraus ein Wasserelementar handelt. Bei einem Troll sehe ich das vielleicht noch ein. Aber bei einem Elementar? Keine Ahnung.“
„Es wäre nicht das erste Mal, das mir jemand nach dem Leben trachtet. Man wollte mir damals weis machen, dass es ein Paladin war. Aber die Art und Weise, die Worte, derer man sich bediente, das passte alles nicht so recht zusammen. Ich habe nie einen Beweis für meinen Verdacht erbringen können, aber seitdem bin ich auf der Hut.“
„Das solltest du auch bleiben. Nun ich werde mich zurückziehen und nochmal die wenigen Informationen überdenken. Ich würde spontan vermuten, dass es im nächsten Schritt Sinn machen würde, die Geysirwelle zu analysieren und mit ihr den Ursprung des Geysirs selbst. Doch gönne den Gedanken etwas Ruhe.“
„Ich teile deine Meinung diesbezüglich. Ziehen wir uns erst einmal zurück. Etwas Ruhe wird uns guttun, ich habe diese grässlichen Geräusche noch immer im Ohr. Doch will ich nicht versäumen euch zu danken – dafür, dass ihr meine Worte ernst genommen und mit mir gegangen seid.“
„Selbstredend.“
„Auf uns kannst du dich immer verlassen.“
Und dann war auch noch zur Komplettisierung ihres Glückes Davion erschienen, der die Verabschiedung des Grüppchens mitbekommen hatte und sich auf Nimues Leichenbittermiene hin erkundigte, ob etwas vorgefallen sei.
„Es hat sich etwas Beunruhigendes zugetragen. Ich weiß nicht recht, ob ich es dir gegenüber jemals erwähnt habe, aber seit gut einem Jahreslauf werde ich an meinem See von Wasserelementaren terrorisiert. Über Nacht tauchten sie auf und sämtliche Bemühungen meinerseits, sie zum Verschwinden zu animieren, brachten keinen Erfolg.“
„Nun hast du meine Neugierde doch geweckt. Balthasar weiß davon?“
Bei der Erwähnung des Magiers verengten sich die Augen ein klein wenig. Sie nickte und bejahte die Frage.
Davion, dem das Verengen der Augen nicht entgangen war, fragte überrascht nach.
„Alles in Ordnung zwischen euch?“
Mit gewisser Dramatik in der Stimme antwortete sie. „Oh, doch, natürlich. Während diese Wasserelementare nun rast- und ruheloser als jemals zuvor sind und sich ein Wasserwirbel aus dem Nichts heraus gebildet hat, diese Kreaturen mich und mein Heim angreifen, hält Balthasar den Bellamy-Gören einen Vortrag über die Magokratie – wie könnte da zwischen uns etwas nicht in Ordnung sein?“
Das fröhliche Lachen Davions hatte zur Folge, das Nimues Augen sich nun weiter schlitzten.
„Aahahaha.. Der Gute weiß sicher noch nicht mal was er da getan – oder nicht getan hat. Verzeih.“
Mehrfach winkte er ab. „Ach Nimue, Nimue, Nimue.“
„Spar dir dein „Ach Nimue, Nimue, Nimue..“ Die Angesprochene murrte ungehalten.
Eine Flasche Drachenblut – ihr bevorzugter Wein, eine aufmerksame Geste, um das erhitzte Gemüt abzukühlen – wurde ihr gereicht und noch eine Weile versucht, der Dunkelblonden ins Gewissen zu reden, doch letztlich stieg sie die Stufen zu ihrem Turmzimmer mit der Erkenntnis empor, dass der Magier dem Freund lediglich zur Hilfe geeilt war, indem er versuchte, ihr klar zu machen, das man Wissen vermittelte, um die Hallen mit weiteren Streitern zu füllen und damit entschuldigte, dass man die Bellamy Geschwister ihr vorgezogen hatte.
Was hatte sie auch erwartet, war das zu fassen?
Sie lag noch eine Weile wach und betrachtete den Wolfswelpen, den sie mit in die Festung genommen und der sich zu einem Knäuel zu ihren Füßen zusammengerollt hatte, der Kopf voller schwerer Gedanken. Was würde der morgige Tag für Erkenntnisse mit sich bringen?