Das Recht der hohen Jagd (Kurzgeschichte)

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Shazhazzyl
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Registriert: 20 Sep 2020, 05:03

Das Recht der hohen Jagd (Kurzgeschichte)

Beitrag von Shazhazzyl »

Kurz nachdem sich die Nebelschwaden an diesem Morgen im Dschungel der neuen Welt aufgelöst hatten wurde mir der Auftrag zuteil eine Überprüfung durchzuführen. Südöstlich des Schimmerstromes hatte eine Gruppe Menschen ihr Lager aufgeschlagen. Einzelne Wanderer waren an der Tagesordnung aber eine lagernde Gruppe bedurfte besonderer Aufmerksamkeit. Nicht selten handelte es sich hierbei um Wilderer oder Abenteurer. Nichts davon war im Nahbereich des Ch`klann gerne gesehen. Gerade im Hinblick auf das neuerdings erlassene Betretungsverbot.

 Zwar war das besagte Gebiet noch weit außerhalb der für Fremde verbotenen Zone. Eine gesunde Neugierde schien jedoch in Anbetracht der kriegerischen Vergangenheit unserer beider Rassen angebracht. Ich machte mich also auf den Weg. Meine Füße trugen mich lautlos und nahezu unsichtbar durch das tropische Terrain. Am Leib trug ich lediglich meinen Reagenzienbeutel in Form einer Umhängetasche. Nichts ungewöhnliches denn Kleider waren in Anbetracht des vorhandenen Schuppenkleides nicht erforderlich. Nach wenigen Minuten erreichte ich ein kleines Lager nahe den Ausläufern der Trollberge. Dort befand sich die besagte Menschen-Gruppe. Es handelte sich um zwei Männchen, einer mit blonder und einer mit dunkler Mähne sowie ein Weibchen. Sie waren in exotische Lederrüstungen gehüllt. Auf den Rücken trugen die Männer jeweils einen Bogen inklusive Köcher sowie einen Säbel am Gürtel. Womöglich war die Dreier-Gruppe lediglich auf der Durchreise. Ich entschied mich dazu abzuwarten und sie weiter zu beobachten. Bis zum Einbruch der Dunkelheit verbrachten die beiden Männer ihre Zeit damit das Lager auszubauen indem sie Holz für die bereits entfachte Feuerstelle sammelten und ein Zelt aus Blättern und Ästen zusammenbanden. Das Weibchen kümmerte sich um die Einrichtung der Lagerstelle indem sie die Schlafstätte zurechtlegte und einen mittelgroßen Topf mit Wasser zum Kochen brachte. Mir fiel auf, dass lediglich zwei Schlafstätten hergerichtet wurden.

 Vermutlich war eines der Männchen mit dem Weibchen auf eine Paarung aus. Als die Dunkelheit hereinbrach bestätigte sich meine Vermutung. Der dunkelhaarige Mann zog sich mit dem Weibchen in eine der Schlafstätten zurück während der andere am Feuer Wache hielt. Den Geräuschen nach zu urteilen war das Paarungsritual geglückt. Ich beschloss ebenfalls zu rasten.

Am nächsten Morgen folgte ich der Gruppe weiter in Richtung Norden. Sie kamen dem Sumpfdelta bedrohlich nahe. Stoppten jedoch an einem kleinen Flussausläufer. Bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass der Dunkelhaarige wohl etwas aufsehenerregendes entdeckt hatte. Ich musste vorsichtig sein denn ich war sehr nahe an die Menschen herangeschlichen. Eine offene Konfrontation war auf Grund ihrer Bewaffnung nicht beabsichtigt. Es gelang mir mich unbemerkt hinter eine Wand aus Gebüschen und Ästen zu schleichen von welcher aus es mir möglich war die Entdeckung der Menschen in Augenschein zu nehmen. Es bot sich mir ein seltener Anblick. Im trüben, seichten Wasser lag eine dunkelbraun schimmernde Riesenschlange. Um sie herum befanden sich mit Sicherheit zehn Jungtiere. Züngelnd witterte die Schlange mit weit geöffnetem Mund ihre Beobachter. Mir wurde sofort klar, dass von der Schlange momentan keine Gefahr ausgehen würde. Viel zu erschöpft schien sie von der mit Sicherheit nicht lange zurückliegenden Geburt ihrer Jungen. Im Vergleich zu kleinen Schlangen legen Riesenschlangen keine Eier sondern gebären die Jungtiere in lebendem Zustand.
 Auf Anweisung des Dunkelhaarigen Menschen rannte das Weibchen zurück in Richtung Lagerstätte. Die beiden Männchen verharrten bei den Kriechtieren und musterten diese mit zufriedenen Blicken. Es dauerte nicht lange bis das Weibchen mit einem großen Korb auf dem Kopf zurückkehrte. Sie nahm den Deckel ab und stellte den Behälter auf den Dschungelboden. Mit mit Haken besetzten Stöcken begannen die Männchen damit, die Jungtiere einzufangen und in den Korb zu legen. Hierbei hielten sie das Muttertier stets wachsam im Blick. Nachdem die Reptilien allesamt verstaut waren schleppte das Weibchen den Korb zurück zum Lager. Der Dunkelhaarige holte nun ein Maßband hervor und legte dieses der noch übrig gebliebenen Riesenschlange abschätzend auf den massigen Schädel. Dann schüttelte er den Kopf und winkte mit einer respektlosen Geste ab. Der Blondhaarige setzte sich mit all seinem Gewicht auf den Körper der Schlange während der andere an seinen Gürtel griff und den Schädel fixierte. Mein Blick gefror als dieser seinen Säbel zog und zum Hieb ausholte. Auf Grund des beachtlichen Durchmessers musste der Mann drei mal mit aller Kraft zuschlagen bis sich der Kopf schließlich vom Körper der Schlange löste. Jedes halbwegs empathische Wesen konnte den Schmerz des Tieres mit anfühlen. Ein markerschütterndes Stechen durchfuhr meinen Körper. Ich schüttelte mich leise und beobachtete das weitere Vorgehen. Einige Teile des massigen Körpers wurden daraufhin durch die beiden Schlächter zerteilt und in einen Lederbeutel gepackt. Den Rest des Körpers überließen sie an Ort und Stelle dem Verfall. Was für eine Verschwendung stieg es mir in den Kopf. Ich begab mich wütend zurück zum Lager der Menschen und sinnierte währenddessen über das Gesehene. Ich selbst hatte bereits zahlreiche Opferungen zu Ehren der Weltenschlange miterlebt aber niemals war der Antrieb pure Gier oder einfach nur die Lust am Töten gewesen. Stets war es von äußerster Wichtigkeit gewesen das globale Gleichgewicht zu erhalten. Sicher war es nicht im Sinne der Weltenschlange, dass solch ein widernatürliches Verhalten in der Heimat ihrer Kinder geduldet wird. Meine Entscheidung war gefallen. Diese Wilderer störten das Gleichgewicht zwischen Räuber und Beute. Sie hatten der Riesenschlange ohne ersichtlichen Grund den Tod gebracht und nun war es an der Zeit, dass sie ihre gerechte Strafe dafür erhielten. Ich entschied mich dazu nun auch meine Umhängetasche abzulegen und begab mich einzig im Schuppenkleid zurück zur Lagerstätte der Menschen.

 Wie bereits am Vortag geschehen waren die Männchen ausgezogen um Holz für die nächtliche Feuerwache zu sammeln. Das Weibchen ruhte sich unterdessen am Schlafplatz aus. Lautlos glitt ich durch den an dieser Stelle trüben Fluss. In Krokodil -manier tauchte ich zuerst mit dem Schädel und darauffolgend mit dem Rest meines Körpers aus dem Wasser auf. Auf Grund der angeborenen Verstohlenheit war es für mich ein leichtes unbemerkt hinter das Weibchen zu treten. In dem Augenblick als die Frau sich erschrocken umwandte hatte sich bereits mein rechter Arm wie der Körper einer Schlange um ihren Hals geschmiegt. Mit der linken Klaue blockierte ich zeitgleich Mund und Nase sodass Atmung oder lautes Schreien nur noch bedingt möglich waren. Umso weniger Blut in ihr Gehirn transportiert wurden desto geringer wurden ihre Versuche mit Tritten und Bissen auf mich einzuwirken. Der Griff war bereits zu fest angebracht als dass Schläge und Tritte ihr noch helfen würden. Nachdem die letzten aufbäumenden Abwehrbewegungen ihres Körpers verebbt waren und sie schlaff in meinen Klauen zusammenfiel drapierte ich den Kadaver in Löffelchenstellung auf einer Schlafmatte des Lagers. Nun musste ich lediglich auf die Rückkehr der beiden Männchen warten und zog mich in den Fluss zurück. Langsam versank ich im trüben Wasser sodass lediglich Teile meines Schädels noch über die Wasseroberfläche hinaus ragten.

 Ich nutzte die Zeit um Kontakt mit den ansässigen Sumpfbewohnern aufzunehmen. Glücklicherweise hielt sich in unmittelbarer Nähe ein Krokodil auf welchem ich meinen Willen aufzwingen konnte. Den Überfall alleine durchzuführen wäre töricht gewesen. Es dauerte eine ganze Weile bis die beiden Menschen voll bepackt mit Hölzern und Blättern in das Lager zurückkehrten. Sorgsam luden sie das Gesammelte nahe der Feuerstelle ab. Kurze Zeit später widmete sich der Dunkelhaarige seinem Weibchen. Auf den ersten Blick schien ihm nicht aufgefallen zu sein, dass es sich nur noch um einen Kadaver handelte. Einen Augenblick später war der Moment perfekt um den Überfall einzuleiten. Der Blonde Mann stand gefährlich nahe am Flussufer sodass es für meinen opportunistischen Freund ein leichtes war explosionsartig an den Rand des Gewässers zu gelangen und sich im Unterkörper des Mannes zu verbeißen. Ein Überlebenskampf entbrannte in welchem der Mensch vergeblich versuchte sich von den Schraubzwingen ähnlichen Kiefern des Tieres loszureißen. Jedoch vollführte das Tier mit der Kraft seines Schwanzes eine Rolle und brachte den Mann hiermit vollkommen aus dem Gleichgewicht sodass dieser nun gänzlich unter Wasser gezogen wurde. Ich war mir sicher, dass der Blonde seinen letzten Atemzug getan hatte und richtete mein Augenmerk auf den noch verbliebenen Menschen. Dieser hatte natürlich mittlerweile bemerkt, dass das Lebenslicht seines Weibchens erloschen war und blickte scheinbar in Schockstarre zum Fluss an welchem sein Begleiter in diesem Moment von einem Krokodil zerfleischt wurde.
Verängstigt wanderte sein Blick herüber auf meinen immer noch kaum über Wasser ragenden Schädel. Der Gesichtsausdruck des Dunklen wandelte sich eine hasserfüllte Fratze. Ich bewegte mich heraus aus dem Wasser, hinauf auf den feuchten Dschungelboden. Zunächst auf allen vier Klauen und nahm schlussendlich eine aufrechte Haltung ein. Das braune trübe Wasser tropfte herab von meinem bestienhaften Körper und ich bemerkte wie der Mensch einen Moment lang inne hielt. Womöglich hatte er mit einem weiteren Krokodil gerechnet. Ich stellte meinen Kopf in drohender Haltung so weit wie möglich auf. Mein Maul öffnete sich gänzlich und laut zischend sowie fauchend schnappte meine gespaltene Zunge nach der Witterung des Menschen. Den Schwanz zog ich angriffsbereit in Peitschposition. Dann, im nächsten Augenblick, schnellte ich nach vorne in Richtung meines Gegenübers. Glücklicherweise entschied sich das Männchen dafür davonzurennen. Durchaus geschickt sprang der Mann über Wurzel und durch Büsche. Stets unter Zuhilfenahme seines Säbels. Nach etwa zwei Speerwurfllängen gelang es mir aufzuschließen. Mit einem beherzten Sprung gelangte ich an den Rücken des Flüchtigen und riss ihn zu Boden. Es war mir nur unter größter Kraftaufwendung möglich das Männchen unten zu halten. Mehrere Schnitt- und Stichwunden zog ich mir hierbei an Armen und Brustpanzer zu. Von dem Schmerz aufgestachelt geriet ich in einen wahrhaften Rausch. Mit Hilfe meiner Reißzähne, Klauen sowie dem stachel-bewährten Schwanz gelang es mir jedoch schlussendlich das Männchen zu töten. Sofern der Kampf nicht im vertrauten tropischen Gelände stattgefunden hätte wäre der Mann mit seinem gewetzten Säbel sicher eine größere Herausforderung gewesen. Er hatte die Fehlentscheidung getroffen zu Fliehen. Dies war ihm zum Verhängnis geworden.

Nachdem das Adrenalin des Kampfes abgeklungen war verfiel ich in einen berauschten und befriedigten Gemütszustand. Im Geiste sandte ich der Weltenschlange meine Danksagungen und widmete mich nun den immer noch in einem Korb eingesperrten Schlangenkindern. Nachdem ich den Deckel angehoben hatte erkannte ich am Boden des Behälters ein Knäuel aus vielen Jungtieren. Ihre Augen funkelten wie kleine Bernsteinfarbene Edelsteine in der Dunkelheit des Korbes. Schließlich hielt ich die rechte Klaue in den Behälter und wartete bis sich die Tiere um meinen Arm schlängelten. Ein wohliges Gefühl beschlich mich und ich platzierte die Jungen allesamt auf dem Erdboden. Sogleich schlängelten die Tiere über meine krallen bewährten Füße hinweg in die Freiheit des Dschungels. Mit einem wohligen Gefühl im Bauch trat ich den Heimweg an. Insgeheim hoffte ich den Reptilien eines Tages erneut zu begegnen. Mir war jedoch bewusst, dass nur ein Bruchteil den brutalen Überlebenskampf im Dschungel überleben wird. Seither begegneten mir während meiner Streifzüge durch das Sumpfdelta auffallend mehr Schlangen als vorher. Ich beschloss fortan für mich selbst die Schlange als Seelentier in meine Träume aufzunehmen.
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