Eine getragene Bürde

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Mayla
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Eine getragene Bürde

Beitrag von Mayla »

Vergangenheit - Schon etwas länger her
  
Noch Tage nach dem Treffen der Ihren saß sie an ihrem Arbeitstisch. Vor sich einige Notizen, Bücher und Schriftstücke, unbeachtet.
Ihre Gedanken kreisten.
Kreisten um diese junge Frau, diesen jungen Welpen.. ihre Aussagen und die Gefahren, die daraus entstehen mochten. Es hatte schon lange niemand mehr gewagt, derlei auszusprechen. Sie wollte sich womöglich dem Feind ausliefern, mit ihm paktieren, nur um Heilung zu erfahren, die es nicht gab. Gewäsch eines dummen Kindes, könnte man fast meinen. Wäre da nicht der Wille in ihren Augen gewesen, in die Tat umsetzen zu wollen, was sie da sprach.
Erst als sie zur Tat schritt und diesem Rotzlöffel ganz offen und direkt damit gedroht hatte, ihr Sein hier und jetzt zu beenden, kam der Welpe halbwegs zur Vernunft. Das war normal nicht ihre Art, derlei zu tun. Zumindest für gewöhnlich nicht. Wo war Sion, wenn man ihn brauchte!?
Das sie zur Not strafen konnte, hatte sie mehrmals unter Beweis gestellt.
Amran, Fahlya, Nagron, sie alle erfuhren die Strafen aus ihrer Hand. Sie war die Hüterin des Rudels und hatte dafür Sorge zu tragen, dass Schaden von den Ihren abgewendet wird. Auch wenn der Schaden aus den eigenen Reihen droht. Sion wäre sicher Stolz auf sie gewesen. Er hätte wohl so etwas gesagt wie: "Endlich wirst du deiner Position und dem Kodex gerecht. Du hättest jedoch zum Schluss nicht zögern sollen..!" Doch wo Sion ab einem gewissen Punkt nur noch blinde Wut kannte, alles in Schutt und Asche legt, war es an ihr, Milde und Nachsicht walten zu lassen. Das hatte auch er erkannt und deshalb folgt er ihr, wenn es darauf ankam. Manchmal.

Doch um einen Punkt kam sie bei ihren Überlegungen nicht herum. Ihr fehlte die Macht Sions. Mit einem Fingerschnippen löschte er wenn nötig Leben aus. Auch das der Ihren. Da sie in etwa so magsich wie ein Stein war, wäre in absehbarer Zeit auch nicht damit zu rechnen, sich solche Mächte anzueigenen. Aber sie war, wie sie schon richtig festgestellt hatte, eben nicht Sion.
Ihre Methoden waren andere, daraus ergaben sich aber auch andere Möglichkeiten.

Sie nahm etwas Pergament und einen Kohlestift zur Hand. Geübt huschte der Stift über die Oberfläche und erschuf eine Skizze von dem, was sie zu erschaffen gedachte. Am Rand machte sie sich einige wenige Notizen, um später nichts zu vergessen.

Als sie fertig war betrachtete sie einige Zeit lang das Gekritzel.

Ein Schnauben entwich ihr.

Da hatte sie sich ja etwas schönes vorgenommen.

Skizze.JPG
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Mayla
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Re: Eine getragene Bürde

Beitrag von Mayla »

Vergangenheit - Erst vor kurzem
  
Sie fing mit etwas harmlosem an. Harmlos vielleicht aber wichtig. Wichtig für sie. Es würde das bewahren, was auf der Skizze zu sehen war. Es war ein Schutz, für den Gegenstand und für sie selbst.
Das Leder war bereits geschnitten. Bewusst ausgesuchte Sehnen, ausgiebig behandelt, um sie geschmeidig und haltbar zu machen, lagen daneben. Eine Ledernadel, frisch geschliffen, ebenso.
Sie nahm zwei Lagen robusten Leders und vernähte diese. Eine Lage hätte es wohl auch getan aber sie traute dem Ganzen nicht. Die Naht führte sie auch doppelt, es sollte halten. Eine schwer zu öffnende Schnalle zur Sicherung fügte sie an. Der Knopf ging gerade so durch das Loch im Leder.
Fett wurde auf das Werkstück aufgetragen und gewissenhaft eingerieben.
Sie ertappte sich dabei, dass sie immer wieder eine andere Stelle neu einrieb, obwohl alles schon ausreichend behandelt war. Sie schob etwas vor sich her, sie wollte das eigentlich nicht.
Es half nichts. Das Lederwerkstück wurde zum trocknen mit einer Schnur an einen Balken gehangen.

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Dolchscheide.JPG (8.13 KiB) 1001 mal betrachtet

Sie packte ein paar wenige Dinge zusammen und machte sich dann zu Fuß auf den Weg. In Gedanken über das Kommende setzten ihre Füße Schritt um Schritt selbstständig ihrem Ziel entgegen.
Der Reisemagier, wie immer die Freundlichkeit in der Person, öffnete ihr ein Tor zum genannten Ort.
Sie nahm ihre Hacke aus der Truhe und stapfte missmutig in die ihr so vertraute Mine Winterbergs. Wie viele Stunden, Tage und Nächte sie hier schon verbracht hatte. Ihr Gespür hatte sie oft auf die richtigen Wege geführt und ihr den ein oder anderen Brocken mit Wertvollem offenbart. Heute war es sogar noch leichter. Sie brauchte sich gar nicht groß anstrengen, Gespür brauchte sie keines. Sie fühlte körperlich die Anwesenheit dessen, was sie suchte. Graues Erzgestein. Ein ungeschultes Auge mochte es als taubes Gestein abtun. Hielt man es in richtigem Winkel ins Licht, konnte man erkennen, was man dort in Händen hielt.

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Es dauerte nicht lange und sie hatte genau so einen Brocken gefunden. Sie ersparte es sich, dieses Ding im Licht hin und her zu wenden. Es gab für sie keinen Zweifel daran, dass der gesuchte Inhalt in diesem Brocken war. Eine weitere Suche war ebenso unnötig, sie würde nur wenig dessen benötigen, was darin verborgen war.

Silbererz.JPG
Silbererz.JPG (9.57 KiB) 1001 mal betrachtet

Die Hacke wurde wieder ordentlich verstaut und ihre Füße fanden den Heimweg ebenso zielsicher, wie sie den Hinweg gefunden hatten.
Die Esse in ihrem Keller wurde entfacht, der Brocken lag daneben auf dem Arbeitstisch.
Die Farbe der Glut zeigte an, dass die Temperatur für das Unterfangen genügen würde. Mit einer Zange und ausgestrecktem Arm wurde der Brocken in die heißen Kohlen bugsiert. Sie trat etwas zurück und wartete. Die eisgrauen Augen starr auf ihr Arbeitsgerät gerichtet.
Es verging einiges an Zeit, ehe sie den Auslass an der Esse öffnen konnte. Rotglühend blubberte eine zähflüssige Masse heraus in eine viereckige längliche Form.
Als kein Metall mehr nachfloss wurde der Auslass wieder verschlossen und die Form mit einer Zange von der Esse weggezogen. Angewidert betrachtete sie das Schälchen.

Silberbarren.JPG
Silberbarren.JPG (8.6 KiB) 1001 mal betrachtet

Das würde etwas Zeit brauchen, bis es soweit abgekühlt war, um es aus der Form zu lösen.
Fast fluchtartig verließ sie den Keller. Heute würde sie ihr Vorhaben nicht beenden können.
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Mayla
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Re: Eine getragene Bürde

Beitrag von Mayla »

Gegenwart - heute
 
Sie war erneut in ihren Keller hinabgestiegen. Die grobe Schmiedschürze war angelegt, die Esse war mit Kohlen gefüttert und fauchte ihre rotweiße Glut hinaus. Feinsäuberlich lagen neben dem Amboss Werkzeuge parat. Der Schmiedehammer mit dem Cobaltkopf ebenso wie Zangen, Stangen, Öl und Wasser. Auch lange Lederriemen lagen bereit.

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Schürze.JPG (12.8 KiB) 965 mal betrachtet
 
Wie immer und überall trug sie Handschuhe. Heute wurden sie dringender benötigt denn je. Mit Widerwillen nahm sie aus ihrem Lager einen einzigen silbrig glänzenden Barren hervor. Pures Silber, ein Graus. Wer schön sein will muss leiden, zuckte ihr es kurz durch den Kopf. Traf wohl eher im übertragenen Sinne zu. Mit einem missmutigen grunzen packte sie das Metall mit einer Zange und schob es in die Esse unter die heißen Kohlen.
 
Direkt daneben tauchte Sie mehrere Eisenbarren in die rotfauchende Glut. Diese würde sie auch für ihr Werk benötigen.
Später stoben rotglühende Funken durch den Keller, als der Cobaltkopf des Schmiedehammers mit gezielten Schlägen auf Metall hinab sauste. Dick in Leder eingepackt am ganzen Körper, mit Handschuhen, Schal bis über die Nasenspitze, Kopftuch und einer Brille geschützt formte sie mit gekonnten Handgriffen erst einen Klotz.
Das sah für den Laien nach nichts aus. Ein Stück plumpen Metalls.
Doch dieses Stück, ein Gemisch aus einem Barren Silber und vier Barren Eisen, trieb sie immer und immer wieder in die Länge, erhitzte es erneut, faltete es dann und begann wieder von vorne. So lange, bis sich Silber und Eisen in feinen Lagen übereinandergelegt und vermischt hatten, unzertrennlich. Statt Lagenstahl aus hartem und weichem Eisen hatte sie das weiche Eisen durch Silber ersetzt.
Als sie soweit zufrieden war mit der Faltung und der Maserung, trieb sie ein Loch in den Block, nahm eine vorgefertigte kurze Eisenstange und pflanzte den Klotz darauf. Beides verschmolz erneut in der Esse, zu einem Klotz auf einem Stiel. Sah irgendwie ulkig aus. Hernach fertigte sie daraus einen kleinen Dolch, so wie ihn fast jeder in den Landen mit sich führt.

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Schmieden.JPG (25.71 KiB) 965 mal betrachtet

Das sollte ihrer Meinung nach ausreichen. Genügend wenig des Metalls, um es ohne größere Gefahr in einer Lederscheide mit sich führen zu können. Genügend viel des Metalls, um Meinungen hinreichend und nachdrücklich zu ändern oder, sollte es notfalls dazu kommen, den Kodex in seiner äußersten Auslegung zu vollstrecken.
Als das Werkstück ein letztes Mal unter dem Hammerschlag erbebte, tauchte sie es mit der Zange haltend erst in Öl, dann in Wasser, um es danach zum Entspannen nochmals in die abkühlende Glut der Esse zu stopfen. Einige Zeit später zog sie den kleinen Dolch dann aus den erkalteten Kohlen hervor.
Die langen Lederriemen wurden nun sorgfältig um das Griffstück gewickelt. So würde sie dieses unliebsame Ding gefahrlos für sich packen und führen können, um es seinem Zwecke zuzuführen. Hoffentlich sollte das nie der Fall sein. Aber lieber man hat, als man hätte.
Das Klingenblatt wurde abschließend erst am groben Schleifstein geschliffen, ehe sie per Hand und etwas Wasser der Klinge mit immer feiner werdenden Schleifsteinen den finalen Schliff gab. Wenn er zum Einsatz kommen sollte, sollte es nicht an der nötigen Schärfe fehlen. Das Wechselspiel aus hartem Eisen und weichem Silber wäre der Schneidkraft weiter zuträglich.
 
Sie saß wieder an ihrem Arbeitstisch. Vor sich dieser merkwürdige Dolch. Er unterschied sich lediglich durch sein böses, feines schimmern von ihrem gewöhnlichen Dolch aus Eisen. Zudem war das Leder um den Griff vielleicht etwas dicker, als nötig. Man wusste ja nie.
Mit einem verächtlichen Laut steckte sie den silbrig glänzenden Dolch in die Lederscheide, die sie vor kurzem gefertigt hatte, sicherte ihn und machte die Dolchscheide an ihrem Bein fest.
So gleich vermeinte sie, ein Ziehen und Stechen an der Seite zu spüren.
Unsinn, schalt sie sich.
Reine Einbildung, wie früher, wenn sie Silbermünzen in der Tasche hatte.
Trotz besserem Wissens wich das Gefühl aber nicht.
Sie hoffte, dass sie sich über die Zeit daran gewöhnen würde.
Manchmal musste man eben seine Bürden tragen.
Ganz wortwörtlich..
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