... im Unterreich
Es gibt Dinge auf dieser Welt, die sehr selten passieren. Wenn sie dann doch einmal eintreten, erklärt man sich diese Geschehnisse entweder zu Zufällen oder man reagiert sehr überrascht, ob man nun direkt betroffen ist oder etwas dergleichen einfach nur beobachtet. Von all den Zeitgefährten verschiedenster Art, die sie für eine unterschiedlich lange Weile in ihrem Leben begleiteten, hätte wohl kaum einer nicht mit Verwunderung reagiert. Ob nun einer der zahlreichen Feinde, die sie sich über die Jahre hinweg gemacht hatte, eine jener vielleicht zu nachsichtigen Seelen, die sie in irgendeiner Form bemitleideten, oder jemand, der ihren Schelm im falschen Augenblick nicht durchschaute und ihr auf den Leim ging, oder eine jener flüchtigen Bekanntschaften, die nach einem Zusammentreffen mit ihr die Welt ein wenig schlechter verstanden. Irgendwo in den tiefsten Ecken des Unterreichs sass sie auf einem Felsbrocken. Stunden-, vielleicht auch schon Tagelang völlig regungslos und selbst das selten um Worte verlegene Plappermaul war für einmal still. Nur ihre Mimik verriet, dass der untote Leib nicht doch endlich zur Ruhe gekommen war. Wenn man sie lange genug beobachtete, konnte man nämlich sehen, dass sich diese hin und wieder veränderte. Mal legte sich die Stirn in Falten, mal verengten die Augen sich zu einem skeptischen Blick, mal wurde der Kopf zur Seite gelegt, mal verdrehte sie die Augen, als würde sie irgendetwas quälen.
«Hör jetzt mal mit dem Kopfreden auf, dummes Ding! Du weisst, dass mich das ärgert!» erklang die entnervte Stimme dann auf einmal und hallte noch durch die endlosen Kavernen, als die Stimme wieder erhoben wurde, dieses Mal klang sie allerdings anders. Ruhiger, bedachter, aber auch etwas mechanischer, als hätte der Rotschopf auf einmal verlernt, wie sie ihre Stimmbänder gebrauchen konnte. «Ich rede doch auch sonst immer so mit dir?»… «Ja, aber dann sind eben andere da und ich stell mir einfach vor, dass du auf deren Schulter sitzt und mit mir redest!» «Du stellst dir mich… wie genau vor?» «Na wie dein anderer Teil, einfach kleiner und mit Beinen! Von all meinen bisherigen Mitbewohnern bist du manchmal der einfältigste!» «Kleiner? ‘Er’ ist ein Teil von mir, nicht andersrum. Und warum mit Beinen?» Abermals herrschte kurz Stille, ehe der Rotschopf völlig entnervt in die Dunkelheit hinausschrie. «Warum solltest du auch keine Beine haben, du bist ja schliesslich kein Fisch! Genug jetzt, du hast gesagt, ich soll hier ein Loch graben, weil du wissen wolltest, wie dieser riesige Haufen aus Gestein und Dreck noch viel tiefer drinnen aussieht. Also habe ich gegraben und gegraben und nochmals gegraben, warum fragst du nebliger Nichtsnutz nach mehreren Stunden, warum ich grabe?»
«Stunden?»
Etwas irritiert neigte Luinil den Kopf zur Seite, sie konnte sich zu ihrem eigenen Erstaunen nicht wirklich daran erinnern, wann sie mit der Graberei angefangen hatte. Darüber war der neblige Nichtsnutz wiederum nicht wirklich erstaunt. Er kannte seine Mitbewohnerin inzwischen gut. Meistens entschied sie aus einer Laune heraus, ob sie sich an eine Sache erinnern wollte, oder eben nicht. Oder sie erfand Dinge, an die sie sich dann erinnerte. Unschlüssig schaute sie sich um, die sie umgebende Dunkelheit mit ihrem Blick durchbrechend. Tatsächlich hatte sie ein beachtliches Loch gegraben, dass selbst für einen erfahrenen Bergmann – was sie keineswegs war – weit mehr als ein Tagewerk wäre. Einige Schaufeln und Picken lagen herum und hinter ihr ging es gefährlich steil nach oben. Losgelöste Steine, Felsbrocken und lockeres Erdreich gaben einen gefährlichen Weg nach Oben frei. «Mein Gefühl für… Zeit… ist hier unten schlechter als es ohnehin schon ist. Aber mindestens eine Woche. Und ja, ich habe dich darum gebeten.» Ihre Augen verengten sich leicht und sie wartete still ab. «Ich glaube du hast vorerst genug gegraben, wir könnten ja mal wieder zur Akademie gehen, du magst es dort doch, nicht?» Nun nahm ihre Mimik umso skeptischere, gar misstrauische Züge an. Die Stirn wurde in Falten gelegt und offenbar angestrengt fing ihr Oberstübchen an zu rattern.
Nach einer Weile veränderte sich die Mimik dann wieder, wechselte einige Male zwischen Zorn, Überraschung und Ärger hin und her, offenbar konnte sie sich nicht recht entscheiden. «Sag mal, nimmst du mich auf den Arm, bevor wir hierhergekommen sind, hast du mich auf die Suche nach möglichst kleinen Fischen geschickt! Ich mag Fische nicht und die kleinen sind noch viel glitschiger als die grösseren!» … «Das ist bedeutend länger her…» … «Dann war es die Sache mit den Elfen, du wolltest mir einfach nicht glauben, dass es keine Waldelfen gibt!» … «Noch viel länger her als die Geschichte mit den Fischen, aber wer hat dich denn mit Pfeilen beschossen, als wir da im Wald waren?» … «Ich habe jedenfalls keinen Waldelfen gesehen, das war wohl einer dieser Waldläufer, die wären nur gerne so, wie Waldelfen eben sind, aber werden dabei nicht mal ansatzweise Grün» ein spottendes Kichern erklang.
«Wer hat etwas von Grün gesagt?» «Na warum sollten die nicht Grün sein? Es wären ja Waldelfen, nicht etwa graue Steinelfen, die es übrigens auch nicht gibt. Und der Wald ist immerhin mehrheitlich grün. Stell dir mal vor, die wären Blau, man hätte sie längst gefunden, wenn es sie denn gäbe. Am besten wäre, wenn es gar keine Elfen gäbe… Aber was haben wir denn gemacht, bevor wir hierhergekommen sind?» Ärger begleitete nun die Stimme in ihrem Kopf «Wie kommst du jetzt auf Grau… und Blau? Aber… Du hast gesagt, dass niemand so lange schlafen kann wie du und wolltest mir das unbedingt beweisen.» «Stimmt! Weil ich es nicht muss, also, sehr selten nur und dann ist eher so etwas wie ambitioniertes Nichtstun!»
«Du bist einfach nur dagelegen und hast dich im Erdreich eingebuddelt…» Nun sprang sie vom Felsbrocken auf und nahm eine Schaufel zur Hand, welche sie ziellos umherschwang und hin und wieder dem Felsbrocken einen Hieb verpasste. «Aber war es nicht grossartig? Nichts sehen, nichts riechen bis auf die Erde, nichts hören bis auf die Kopf-Stimme. Du hast gesagt du hörst mir gerne zu und da habe ich halt auch mit Kopfreden angefangen. Nun kennst du immerhin all meine Freunde! Ich könnte dir noch mehr von denen erzählen…»
Dann blieb es wieder eine Weile still und Luinil fing an, etwas unmotiviert mit der Schaufel im Erdreich herumzustochern. «Mir wäre es lieber, wenn wir zur Akademie gehen würden. Du weisst, ich will schon länger mehr über Magie erfahren. Genau genommen hast du es mir versprochen, mir Unterricht zu ermöglichen, wenn ich uns ‘herumzauber’ was ich ja auch tue. Deine Worte, nicht meine.» Für den Moment entschied sie sich, ihn zu ignorieren. Irgendwo in den Windungen ihres Hirns war ihr zwar klar, wie sinnlos diese Entscheidung war. Immerhin waren die beiden mehr oder weniger zu einem einzigen Wesen verschmolzen, die «Kopf-Stimme» war nichts anderes als seine Gedanken. Sie hatte zwar die Oberhand was verschiedene Funktionen ihres Körpers anging, doch da sie ihn ja nicht bewusstlos schlagen konnte, würde seine «Stimme» kaum versiegen. Griesgrämig setzte sie sich wieder auf den Felsbrocken, warf die Schaufel ins nächste Eck und scharrte unmotiviert mit den Füssen im Erdreich herum.
«Du könntest mir ja wieder eine Aufgabe geben, du willst ja sicherlich noch anderes über diese Welt lernen, nicht?» «In erster Linie möchte ich mehr über Magie erfahren, das würde uns beiden helfen. Aber sag nun, warum willst du nicht zurück zur Akademie?» «Erinnerst du dich an den schönen Kerl?» … «… Balthasar der Schöne?» Wieder blieb es eine Weile lang still. «Der gehört zum Magierbund und hat uns… in erster Linie mir, die Elemente demonstriert, nicht?» «Ja genau, der Magierbund, Ysam… irgendwas. Die haben im Übrigen einen ziemlichen Grössenwahn, was ich mag, aber viel zu ernst… und ja, der hat dir Elementarmagie demonstriert, als das mit dem Kopfreden noch nicht so recht funktioniert hat. Du vergisst dabei, dass ich ihm seither einen Gefallen schulde und enttäuschen möchte ich ihn lieber nicht!» … «Und deswegen willst du nicht zur Akademie? Und warum willst du ihn nicht enttäuschen, dass wäre eher deine Art…?» … «Du hast ja gesehen was der kann, könnte böse enden! Und zur Akademie will ich nicht, weil er die leitet!» … «Bist du dir da sicher?» … «… nein, ich verwechsle ihn manchmal mit… ach Mist, der Akademieleiter ist ein anderer, ein Vampir! Aber ich habe seinen Namen vergessen.» gut hörbar patschte sie sich die flache Hand gegen die Stirn.
Resigniert erhob dann wieder ihr Mitbewohner die Stimme. «Dann lass uns immerhin wieder an die Oberfläche zurück, ich mag es hier bedeutend weniger als dort. Du hast dich in den vergangenen Monden entweder in den entlegensten Ecken der Welt, oder in den verwinkelten Kavernen des Unterreichs aufgehalten, lass uns doch mal nach Ansilon zurück, dort hast du doch immer noch welche getroffen, die du magst, nicht?» «Hmm…» Tatsächlich, so wurde ihr bewusst, hatte sie sich die vergangenen Monde vor allem auf die von ihrem Mitbewohner gestellten Aufgaben konzentriert und dabei völlig vergessen, dass es noch andere Leute auf der Welt gab, darunter auch tatsächlich welche, an deren Präsenz sie sich erfreute, oder die sie in irgendeiner Form amüsierten. Erst langsam, dann immer schneller, kehrten Erinnerungen, Namen und Bilder in ihren Kopf zurück. Ohne bestimmte Reihenfolge, teils von ihrer Wahrnehmung verzerrt oder erfunden, aber es fanden sich auch reihenweise wirkliche Begebenheiten wieder.
Dadurch ging auch langsam die Ruhe verloren, derer sie sich gar nicht so recht bewusst war, die ihr Freund wiederum umso mehr genoss. Sie nahm einen gedanklichen Seufzer wahr, als sich langsam ein Kribbeln in ihr ausbreitete und tief aus der Brust heraus seinen Weg in alle Glieder fand. Wie ein kalter Schauer durchfuhr sie das Gefühl und sie schüttelte sich einige Momente lang, von freudigem Jauchzen begleitet. «Na gut, na gut, hopp hopp! Ab nach Ansilon! Kal Ort und so, wie ging das nochmal?» Mit den Finger schnippsend unterstrich sie ihre Forderung. «Du suchst das Wort Por. Hast du Reagenzien mitgenommen?» Vergebens suchte er akribisch ihre Taschen ab, viel mehr als Unrat fand sich dort nicht. Die dafür vorgesehenen Reagenzienfächer waren, bis auf eines, leer. Dort fand er nur eine zerknüllte Notiz: «Magiekram sammeln!». Dieses Mal war der Seufzer im Unterreich zu hören. «Wir machen wohl einen Spaziergang, oder besser gesagt, du»
Die wiedergewonnene Lust darauf, anderen den Tag zu verschönern, hatte sie aber noch nicht losgelassen, so kommentierte sie sein Tun nur salopp: «Ich weiss zwar nicht, wo wir sind, aber dann kann ich dir ja erzählen was wir alles so tun werden, bevor wir zur Akademie gehen!» Ohne wirkliches Ziel vor den Augen kletterte sie aus dem Loch heraus und marschierte los. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Weg zurück an die Oberfläche finden würde.
Es gibt Dinge auf dieser Welt, die sehr selten passieren. Wenn sie dann doch einmal eintreten, erklärt man sich diese Geschehnisse entweder zu Zufällen oder man reagiert sehr überrascht, ob man nun direkt betroffen ist oder etwas dergleichen einfach nur beobachtet. Von all den Zeitgefährten verschiedenster Art, die sie für eine unterschiedlich lange Weile in ihrem Leben begleiteten, hätte wohl kaum einer nicht mit Verwunderung reagiert. Ob nun einer der zahlreichen Feinde, die sie sich über die Jahre hinweg gemacht hatte, eine jener vielleicht zu nachsichtigen Seelen, die sie in irgendeiner Form bemitleideten, oder jemand, der ihren Schelm im falschen Augenblick nicht durchschaute und ihr auf den Leim ging, oder eine jener flüchtigen Bekanntschaften, die nach einem Zusammentreffen mit ihr die Welt ein wenig schlechter verstanden. Irgendwo in den tiefsten Ecken des Unterreichs sass sie auf einem Felsbrocken. Stunden-, vielleicht auch schon Tagelang völlig regungslos und selbst das selten um Worte verlegene Plappermaul war für einmal still. Nur ihre Mimik verriet, dass der untote Leib nicht doch endlich zur Ruhe gekommen war. Wenn man sie lange genug beobachtete, konnte man nämlich sehen, dass sich diese hin und wieder veränderte. Mal legte sich die Stirn in Falten, mal verengten die Augen sich zu einem skeptischen Blick, mal wurde der Kopf zur Seite gelegt, mal verdrehte sie die Augen, als würde sie irgendetwas quälen.
«Hör jetzt mal mit dem Kopfreden auf, dummes Ding! Du weisst, dass mich das ärgert!» erklang die entnervte Stimme dann auf einmal und hallte noch durch die endlosen Kavernen, als die Stimme wieder erhoben wurde, dieses Mal klang sie allerdings anders. Ruhiger, bedachter, aber auch etwas mechanischer, als hätte der Rotschopf auf einmal verlernt, wie sie ihre Stimmbänder gebrauchen konnte. «Ich rede doch auch sonst immer so mit dir?»… «Ja, aber dann sind eben andere da und ich stell mir einfach vor, dass du auf deren Schulter sitzt und mit mir redest!» «Du stellst dir mich… wie genau vor?» «Na wie dein anderer Teil, einfach kleiner und mit Beinen! Von all meinen bisherigen Mitbewohnern bist du manchmal der einfältigste!» «Kleiner? ‘Er’ ist ein Teil von mir, nicht andersrum. Und warum mit Beinen?» Abermals herrschte kurz Stille, ehe der Rotschopf völlig entnervt in die Dunkelheit hinausschrie. «Warum solltest du auch keine Beine haben, du bist ja schliesslich kein Fisch! Genug jetzt, du hast gesagt, ich soll hier ein Loch graben, weil du wissen wolltest, wie dieser riesige Haufen aus Gestein und Dreck noch viel tiefer drinnen aussieht. Also habe ich gegraben und gegraben und nochmals gegraben, warum fragst du nebliger Nichtsnutz nach mehreren Stunden, warum ich grabe?»
«Stunden?»
Etwas irritiert neigte Luinil den Kopf zur Seite, sie konnte sich zu ihrem eigenen Erstaunen nicht wirklich daran erinnern, wann sie mit der Graberei angefangen hatte. Darüber war der neblige Nichtsnutz wiederum nicht wirklich erstaunt. Er kannte seine Mitbewohnerin inzwischen gut. Meistens entschied sie aus einer Laune heraus, ob sie sich an eine Sache erinnern wollte, oder eben nicht. Oder sie erfand Dinge, an die sie sich dann erinnerte. Unschlüssig schaute sie sich um, die sie umgebende Dunkelheit mit ihrem Blick durchbrechend. Tatsächlich hatte sie ein beachtliches Loch gegraben, dass selbst für einen erfahrenen Bergmann – was sie keineswegs war – weit mehr als ein Tagewerk wäre. Einige Schaufeln und Picken lagen herum und hinter ihr ging es gefährlich steil nach oben. Losgelöste Steine, Felsbrocken und lockeres Erdreich gaben einen gefährlichen Weg nach Oben frei. «Mein Gefühl für… Zeit… ist hier unten schlechter als es ohnehin schon ist. Aber mindestens eine Woche. Und ja, ich habe dich darum gebeten.» Ihre Augen verengten sich leicht und sie wartete still ab. «Ich glaube du hast vorerst genug gegraben, wir könnten ja mal wieder zur Akademie gehen, du magst es dort doch, nicht?» Nun nahm ihre Mimik umso skeptischere, gar misstrauische Züge an. Die Stirn wurde in Falten gelegt und offenbar angestrengt fing ihr Oberstübchen an zu rattern.
Nach einer Weile veränderte sich die Mimik dann wieder, wechselte einige Male zwischen Zorn, Überraschung und Ärger hin und her, offenbar konnte sie sich nicht recht entscheiden. «Sag mal, nimmst du mich auf den Arm, bevor wir hierhergekommen sind, hast du mich auf die Suche nach möglichst kleinen Fischen geschickt! Ich mag Fische nicht und die kleinen sind noch viel glitschiger als die grösseren!» … «Das ist bedeutend länger her…» … «Dann war es die Sache mit den Elfen, du wolltest mir einfach nicht glauben, dass es keine Waldelfen gibt!» … «Noch viel länger her als die Geschichte mit den Fischen, aber wer hat dich denn mit Pfeilen beschossen, als wir da im Wald waren?» … «Ich habe jedenfalls keinen Waldelfen gesehen, das war wohl einer dieser Waldläufer, die wären nur gerne so, wie Waldelfen eben sind, aber werden dabei nicht mal ansatzweise Grün» ein spottendes Kichern erklang.
«Wer hat etwas von Grün gesagt?» «Na warum sollten die nicht Grün sein? Es wären ja Waldelfen, nicht etwa graue Steinelfen, die es übrigens auch nicht gibt. Und der Wald ist immerhin mehrheitlich grün. Stell dir mal vor, die wären Blau, man hätte sie längst gefunden, wenn es sie denn gäbe. Am besten wäre, wenn es gar keine Elfen gäbe… Aber was haben wir denn gemacht, bevor wir hierhergekommen sind?» Ärger begleitete nun die Stimme in ihrem Kopf «Wie kommst du jetzt auf Grau… und Blau? Aber… Du hast gesagt, dass niemand so lange schlafen kann wie du und wolltest mir das unbedingt beweisen.» «Stimmt! Weil ich es nicht muss, also, sehr selten nur und dann ist eher so etwas wie ambitioniertes Nichtstun!»
«Du bist einfach nur dagelegen und hast dich im Erdreich eingebuddelt…» Nun sprang sie vom Felsbrocken auf und nahm eine Schaufel zur Hand, welche sie ziellos umherschwang und hin und wieder dem Felsbrocken einen Hieb verpasste. «Aber war es nicht grossartig? Nichts sehen, nichts riechen bis auf die Erde, nichts hören bis auf die Kopf-Stimme. Du hast gesagt du hörst mir gerne zu und da habe ich halt auch mit Kopfreden angefangen. Nun kennst du immerhin all meine Freunde! Ich könnte dir noch mehr von denen erzählen…»
Dann blieb es wieder eine Weile still und Luinil fing an, etwas unmotiviert mit der Schaufel im Erdreich herumzustochern. «Mir wäre es lieber, wenn wir zur Akademie gehen würden. Du weisst, ich will schon länger mehr über Magie erfahren. Genau genommen hast du es mir versprochen, mir Unterricht zu ermöglichen, wenn ich uns ‘herumzauber’ was ich ja auch tue. Deine Worte, nicht meine.» Für den Moment entschied sie sich, ihn zu ignorieren. Irgendwo in den Windungen ihres Hirns war ihr zwar klar, wie sinnlos diese Entscheidung war. Immerhin waren die beiden mehr oder weniger zu einem einzigen Wesen verschmolzen, die «Kopf-Stimme» war nichts anderes als seine Gedanken. Sie hatte zwar die Oberhand was verschiedene Funktionen ihres Körpers anging, doch da sie ihn ja nicht bewusstlos schlagen konnte, würde seine «Stimme» kaum versiegen. Griesgrämig setzte sie sich wieder auf den Felsbrocken, warf die Schaufel ins nächste Eck und scharrte unmotiviert mit den Füssen im Erdreich herum.
«Du könntest mir ja wieder eine Aufgabe geben, du willst ja sicherlich noch anderes über diese Welt lernen, nicht?» «In erster Linie möchte ich mehr über Magie erfahren, das würde uns beiden helfen. Aber sag nun, warum willst du nicht zurück zur Akademie?» «Erinnerst du dich an den schönen Kerl?» … «… Balthasar der Schöne?» Wieder blieb es eine Weile lang still. «Der gehört zum Magierbund und hat uns… in erster Linie mir, die Elemente demonstriert, nicht?» «Ja genau, der Magierbund, Ysam… irgendwas. Die haben im Übrigen einen ziemlichen Grössenwahn, was ich mag, aber viel zu ernst… und ja, der hat dir Elementarmagie demonstriert, als das mit dem Kopfreden noch nicht so recht funktioniert hat. Du vergisst dabei, dass ich ihm seither einen Gefallen schulde und enttäuschen möchte ich ihn lieber nicht!» … «Und deswegen willst du nicht zur Akademie? Und warum willst du ihn nicht enttäuschen, dass wäre eher deine Art…?» … «Du hast ja gesehen was der kann, könnte böse enden! Und zur Akademie will ich nicht, weil er die leitet!» … «Bist du dir da sicher?» … «… nein, ich verwechsle ihn manchmal mit… ach Mist, der Akademieleiter ist ein anderer, ein Vampir! Aber ich habe seinen Namen vergessen.» gut hörbar patschte sie sich die flache Hand gegen die Stirn.
Resigniert erhob dann wieder ihr Mitbewohner die Stimme. «Dann lass uns immerhin wieder an die Oberfläche zurück, ich mag es hier bedeutend weniger als dort. Du hast dich in den vergangenen Monden entweder in den entlegensten Ecken der Welt, oder in den verwinkelten Kavernen des Unterreichs aufgehalten, lass uns doch mal nach Ansilon zurück, dort hast du doch immer noch welche getroffen, die du magst, nicht?» «Hmm…» Tatsächlich, so wurde ihr bewusst, hatte sie sich die vergangenen Monde vor allem auf die von ihrem Mitbewohner gestellten Aufgaben konzentriert und dabei völlig vergessen, dass es noch andere Leute auf der Welt gab, darunter auch tatsächlich welche, an deren Präsenz sie sich erfreute, oder die sie in irgendeiner Form amüsierten. Erst langsam, dann immer schneller, kehrten Erinnerungen, Namen und Bilder in ihren Kopf zurück. Ohne bestimmte Reihenfolge, teils von ihrer Wahrnehmung verzerrt oder erfunden, aber es fanden sich auch reihenweise wirkliche Begebenheiten wieder.
Dadurch ging auch langsam die Ruhe verloren, derer sie sich gar nicht so recht bewusst war, die ihr Freund wiederum umso mehr genoss. Sie nahm einen gedanklichen Seufzer wahr, als sich langsam ein Kribbeln in ihr ausbreitete und tief aus der Brust heraus seinen Weg in alle Glieder fand. Wie ein kalter Schauer durchfuhr sie das Gefühl und sie schüttelte sich einige Momente lang, von freudigem Jauchzen begleitet. «Na gut, na gut, hopp hopp! Ab nach Ansilon! Kal Ort und so, wie ging das nochmal?» Mit den Finger schnippsend unterstrich sie ihre Forderung. «Du suchst das Wort Por. Hast du Reagenzien mitgenommen?» Vergebens suchte er akribisch ihre Taschen ab, viel mehr als Unrat fand sich dort nicht. Die dafür vorgesehenen Reagenzienfächer waren, bis auf eines, leer. Dort fand er nur eine zerknüllte Notiz: «Magiekram sammeln!». Dieses Mal war der Seufzer im Unterreich zu hören. «Wir machen wohl einen Spaziergang, oder besser gesagt, du»
Die wiedergewonnene Lust darauf, anderen den Tag zu verschönern, hatte sie aber noch nicht losgelassen, so kommentierte sie sein Tun nur salopp: «Ich weiss zwar nicht, wo wir sind, aber dann kann ich dir ja erzählen was wir alles so tun werden, bevor wir zur Akademie gehen!» Ohne wirkliches Ziel vor den Augen kletterte sie aus dem Loch heraus und marschierte los. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie den Weg zurück an die Oberfläche finden würde.