Der Geruch von Scheiße und Schweiß stieg ihm in die Nase, selbst hier mehrere hundert Meter entfernt. Wenn er seine untoten Sinne anstrengte, konnte er leises Stöhnen und rasselnde Ketten hören. Das Problem war, das er genau so einfach wieder weg hören konnte. Lugs saß auf einer Bank in Heredium und starrte. Er saß dort schon lange genug, das die patrouillierenden Guhle begannen ihm verstohlene Blicke zu zu werfen. Vielleicht lag das allerdings auch daran, das er mit sich selbst redete.
"Ich habe den Kerl dreist angelogen, was?"
Einer der Guhle sah herüber und eilte erleichtert von dannen, als er sah das Lugs zur Höhlendecke sah. Slatrack blieb ihm, wie so oft, eine Antwort schuldig. Seufzend entkorkte er eine Flasche Rum und starrte weiter auf die Sklavenpferche, aus dessen Venen das Blut floss, das Heredium am laufen hielt.
Er hatte Malvor erzählt das er nur auf eine Gelegenheit warten würde, dieses Gefängnis zu stürmen und jeden darin zu befreien. Er hatte gelogen, beinah schon aus Reflex. Wenn er ehrlich war, hatte er diesen Ort für einen großen Teil seines Unlebens einfach vergessen.
Er wusste nicht was er von dem jungen Vampir halten sollte. Er wirkte sympatisch, war Sänger. Genau die Art verlogener Bastard mit dem man in Rostanker einen Rum kippen konnte. Gleichzeitig waren da die Dinge die ihm Robin über seine Vergangenheit erzählt hatte... und er war sich beinahe sicher das Malvors Rechtfertigungen nur ein Teil der Wahrheit gewesen waren. Er würde ihn im Auge behalten, besonders weil Sam ihn zu ihrem Projekt gemacht haben schien. Wenn er ihr etwas vormachte, würde ihm das Ergebnis nicht gefallen.
Auch wenn seine restlichen Worte vielleicht völliger Unsinn gewesen waren, mit einer Sache hatte Malvor jedoch ins Schwarze getroffen. Er sprach von Freiheit und einem Leben ohne Ketten, während nebenan Menschen wie Tiere gehalten wurden. Er hatte Lugs mit der Nase auf den Haufen gestoßen, den er bisher erfolgreich übersehen hatte. Jetzt bekam er den Geruch nicht mehr aus der Nase.
Er spielte mit dem Gedanken hinein zu gehen. Die erbärmliche Hüttenstadt war nur eine Brücke und ein bewachtes Gittertor entfernt. Die Wache würde ihn nicht aufhalten. Er trank noch einen Schluck und verwarf den Gedanken wieder. Im Besten Fall würden die armen Schweine da drin heillose Angst vor ihm haben... im schlimmsten Fall kamen sie noch auf die Idee sich ihm zu Füßen zu werfen. Wollte er überhaupt schon wieder in so ein Wespennest stechen? Vor knapp zwei Wochen war er noch tot gewesen... oder zumindest so richtig nah dran.
"Das passiert eben wenn man mit Nekromantie herumspielt. Was schaust du so... such dir deine eigene Flasche!"
Er zog den Rum etwas näher an sich, als die nächste Wache an ihm vorbei ging. Sie gab sich alle Mühe starr geradeaus zu sehen.
Es war lange her, das er mit Alandra versucht hatte ins Totenreich zu gelangen. Er hatte da drüben damals etwas wütend gemacht. Irgendeiner Art... Wächter. Dieses Vieh war geduldig und gerissen. Es hatte ihn sich nach einem Kampf geschnappt, als er geschwächt gewesen war. Ehe er es sich versah hatte er im Meer gelegen. Festgenagelt mit einem silbernen Dolch. Gefangen irgendwo zwischen Leben und Tod. Er hatte noch nicht einmal abkratzen können um diesen Gefängnis zu entrinnen. Dieses Ding hatte also nicht nur genug über ihn gelernt um zu wissen was Silber mit ihm anstellte, sondern auch noch was sein schlimmster Albtraum war.
"Ich wirklich kein Freund von Ketten." Wie auf Kommando rasselte es aus Richtung der Pferche. Er schielte zur Decke. "Sehr witzig Slatrack"
Ohne Sam und Robin würde er wohl immer noch am Grund des Meeres liegen und langsam verrückt werden. Es war passend das die zwei Lichtblicke in seinem Unleben, das erste gewesen waren was er gesehen hatte, als er aus der Tiefe hoch gekommen war. Ausgerechnet Vyktorya und Rorek hatten wohl auch eine Hand in seiner Rettung gehabt - und jetzt hatte er offiziell mit dem Adel Frieden geschlossen. Allzu lange wollte er über diesen, besonderen Punkt allerdings nicht nach denken. Es fühlte sich immer noch merkwürdig an, auch wenn er zugeben musste das die Eiskönigin und ihr stereotyper Fingerfuchtler, sich durch und durch anständig verhalten hatten. Mehr als das - sie hatten Sam das Leben gerettet.
Als Guhl hatte sie nicht überleben können, mit ihm als Nadelkissen am Grund des Meeres. Also war sie mehr geworden, so viel mehr... und Vyktorya hatte ihr dabei geholfen. Insgeheim war er froh darüber, das er Sam nicht selbst hatte töten müssen. Er wusste nicht ob er es gekonnt hätte, selbst um sie unsterblich zu machen. Als er verstanden hatte das sie jetzt genau so mausetot war wie er, waren tausend Dinge gleichzeitig durch seinen Kopf geschossen. Wilde Freude, schließlich hatten sie jetzt eine Ewigkeit zusammen! Schuld, denn er war in der härtesten Zeit für einen frischen Untoten nicht bei ihr gewesen. Bewunderung dafür das sie den Schritt gemacht hatte, vor dem sie solche Angst gehabt hatte... und Sorge. Sie war zurückhaltend was ihr neues Wesen anging. Setzte das Blut nur selten und scheinbar ungerne ein. Er versuchte ihr bei jeder Gelegenheit zu zeigen, was für ein unglaubliches Geschenk ihr neues Leben war. Er glaubte Fortschritte zu machen, aber ihr Hunger war Sam immer noch nicht geheuer. Diese Sache würden sie als nächstes angehen. Wie immer, zusammen.
Hunger war auch das was Robin im Moment umzutreiben schien. Als er die Kleine nach seinem Tauchgang wieder gesehen hatte, waren es sofort wie früher gewesen. Er zog sie auf, sie knallte ihm einen Spruch um die Ohren. Zwei Verrückte, ein Gedanke. Er konnte nicht umhin ein klein wenig Stolz zu sein, wenn er sah wie sie Vyktorya Paroli bot, oder Pläne schmiedete um den Werwölfen auf den Schwanz zu treten. Natürlich durfte er ihr das niemals sagen... das würde sie ihn nämlich nie mehr vergessen lassen.
Er war überrascht und ein wenig erschreckt gewesen, als sie ihm auf dem Schiff erzählt hatte wie ihre letzten Jahre verlaufen waren. Kontrollverlust, Leichen, ein Kampf mit sich selbst. Er musste sich wohl eingestehen, das er ihr in Sachen Hunger nicht gerade der Beste Lehrer gewesen war. Er hatte es leicht gehabt mit Sam an seiner Seite... und hatte gleichzeitig Zurückhaltung gepredigt. Er war jetzt klüger was das Ding anging das in ihnen allen steckte. Er hatte selbst erlebt, wie es war die Kontrolle abzugeben. Wie verlockend einfach das Leben wurde. Er hatte Robin versprochen ihr die Geschichte zu erzählen sollte sie fragen. Zum Glück hatte sie genau das noch nicht getan. Es wurde wirklich Zeit das er mit der Kleinen mal wieder etwas Dummes anstellte. Mahribar an einen Mast zu nageln, würde sie sicherlich für eine Weile ablenken.
"Siehst du, du hast doch genug Probleme. Dinge die du erledigen kannst. Warum genau sitzt du dann hier und starrst dieses Wespennest an?"
Die Rumflasche war inzwischen leer und der Sklavenpferch hatte sich nicht plötzlich in Wohlgefallen aufgelöst. Er fluchte und spuckte neben sich auf den Boden. Er hatte immer sein Bestes getan, kein Monster zu sein - und sei es nur um allem was Silber trug und sich für gerecht hielt den Finger zeigen zu können. Er wusste das diese Stadt verrückt werden würde, sollte er sich entschließen etwas zu unternehmen. Die Frage war, wie sehr ihn das kümmerte. Er war kein Freund von Ketten...
Kein Freund von Ketten
Kein Freund von Ketten
Mit zwei kräftigen Hammerschlägen trieb Lugs den Nagel in das morsche Holz und sprang anschließend von der Leiter herunter, um sein Werk zu bewundern. Um ihn herum hatte sich eine eine kleine Menge gesammelt. Abgerissene Gestalten die noch den Geruch einer durchfeierten Nacht an sich hatten, ehemalige Matrosen mit viel zu nervösem Blick und Halsabschneider die dachten nichts könnte sie mehr überraschen - kurz gesagt, die bunte Mischung der Bewohner von Rostanker. Lugs rückte seine Maske zurecht und schob sich kommentarlos durch die Leute, die jetzt näher drängten um einen Blick auf das Schild zu erhaschen das er aufgehängt hatte.
"Ist der Alte jetzt völlig übergeschnappt?" "Muss einmal zu viel an seine eigenen Mittel gegangen sein" "Wenn er unbedingt kein Gold nehmen will dann..." "Irgendwo muss da ein Haken sein!" Lugs ließ die streitenden Stimmen hinter sich und steuerte auf die Küste zu. Er konnte nur vermuten das überall im Lager gerade ähnliche Diskussionen geführt wurden... und bald schon würden die ersten Leute zu dem alten Feldscher von Rostanker strömen. Er grinste unter der harten Schale seiner Schnabelmaske. Die Bewohner des Lagers würden keinen Haken finden. Rufus würde jeden behandeln den er vermochte und keine mickrige Münze dafür nehmen. So war es abgesprochen. Die Münzen bekam er von Lugs. Für seine Arbeit, für sein Schweigen und für eine weitere Kleinigkeit. In Rostanker wurde gestorben, vielleicht noch ein wenig mehr als in jeder anderen Stadt. Immer wenn Rufus für einen arme Hund nichts mehr tun konnte, würde er den Körper im Schutz der Nacht an einer ganz bestimmten Stelle ablegen.
Lugs stand jetzt genau an dieser Stelle und ließ sich die Brandung um die Stiefel spülen. Die frisch Verstorbenen und Betten voller bewusstloser Piraten, die ihre morgendliche Schwäche auf ihre Verletzungen und Krankheiten schieben würden. Blut für die Crew und Blut für das Schiff, ohne das ständig jemand dafür drauf gehen musste. Zumindest niemand für den die Würfel nicht ohnehin schon gefallen waren. Er nahm seine Maske ab und setze sich in Sand. Felsen schirmten die kleine Bucht ab. Hier unten würde ihn keiner sehen - oder das was hier bald beginnen würde. Er war zufrieden: Ein erster Schritt.
Er hatte Heredium und seine Sklavenpferche nicht vergessen, auch wenn Slatrack entschlossen schien ihn so lange mit anderen Angelegenheiten zu bewerfen bis er es tat. Die Wölfe, die Wandlung seiner Prima, jetzt ein verfluchter untoter Drache und Ar'dran. Trotzdem hatte er weiter nach einem Weg gesucht die tote Stadt mit Blut zu versorgen, ohne den Schandfleck vor ihren Toren. Die Idee dafür die Heilerhäuser des Landes zu unterwandern war seine gewesen. Der Plan damit doch erstmal an ihrer Türschwelle anzufangen, kam von Svenja. Der Anstoß es endlich tatsächlich zu tun, waren Sam und Ar'dran.
Er war sich ziemlich sicher das Slatrack den hünenhaften Kerl getötet hatte, auch wenn Sam es gewesen war die ihn zum Vampir machte. Zu viele Zufälle rankten sich um seinen Tod, als das es anders seien könnte. Zuerst hatte er seinem Gott dafür vors Schienbein treten wollen, ziemlich hart. Sam machte sich Vorwürfe weil sie Ar'dran nicht anders hatte helfen können und Robin war einfach nur durch den Wind. Sie hatte mit ihrer Vergangenheit und mit ihm abgeschlossen gehabt, und jetzt war sie dank Slatrack schlagartig wieder von ihr eingeholt worden. Trotzdem war seine Wut auf seinen Gott mehr und mehr verraucht, je mehr er nachgedacht hatte. Der riesige Waldläufer war ihrem Geheimnis vor seinem Tod sehr nah gewesen. Hätte Ar'dran irgendwann die Puzzleteile zusammen gesetzt, wäre es hässlich geworden. Vielleicht hatte Slatrack ihnen das erspart indem er ihn getötet hatte, bevor die Crew das hätte tun müssen.
Was auch immer der Grund gewesen war, er war jetzt genau so tot wie sie alle - und Sam war für ihn verantwortlich. Sie hatte testen wollen wie sehr er seinen Hunger bereits im Griff hatte. Auf die gleiche Art wie Vyktorya und Rorek das damals mit ihr getan hatten. Indem sie ihm einen Menschen vorsetzte. Einen Menschen aus den Sklavenpferchen. Lugs hatte zuerst protestieren wollen... bis ihm eine Idee gekommen war. Sie wussten eigentlich nichts über die Menschen die auf der kleinen Insel zusammen gedrängt waren. Ar'dran war der perfekte Vorwand einen von ihnen dort runter zu holen. Nur so konnte er wissen ob sie überhaupt noch zu retten waren.
So begann der vielleicht denkwürdigste Abend im Leben von Doyle. Der alte Mann war wohl einmal Fischer gewesen, wie Sam und er später aus ihm heraus holten. Er war schon sehr sehr lange hier unten und der einzige Wunsch der ihm geblieben war, war ein friedlicher Tod. Ar'dran hätte ihm diesen Gefallen beinah getan, wenn auch alles andere als friedlich. Der Blutdurst war zuviel für ihn gewesen und Lugs hatte ihn durch den Raum werfen müssen, damit er Doyle nicht einfach auslöschte. Das Ar'dran die Kontrolle verloren hatte machte ihm dabei keine Sorgen, er war schließlich kaum ein paar Wochen tot. Das er anschließend nicht mal gefragt hatte ob er den alten Mann getötet hatte, beunruhigte ihn schon viel eher. Wie gut kannte er den Hünen eigentlich, den er mal seinen Freund genannt hatte?
Dieses Erlebnis war eine widerliche Erinnerung mehr für Doyle. Einen von vielen, wie Lugs bald feststellen sollte. Er musste wissen ob man das Gedächtnis von Herediums Blutsklaven noch löschen konnte, oder ob sie zuviel gesehen hatten. Ob nur noch eine leere Hülle zurück bleiben würde, wenn er ihnen so viel von ihrem Geist nahm. Doyle war die einzige Gelegenheit das herauszufinden, die er bekommen würde. Also war er in den Geist des alten Mannes getaucht und hatte verschleiert, getilgt und ausgelöscht was er finden konnte. Bilder die Lugs so schnell nicht vergessen würde, aber an die sich Doyle gnädigerweise jetzt nicht mehr erinnerte. Am Ende war sein Geist beinah so weiß und leer, wie die hypnotisierenden Augen in die er gestarrt hatte. Nur seine Zeit vor den Monstern war noch übrig - und das Bild von ihm in einem Fischerboot, friedlich auf den Wellen.
In Rostanker fragt niemand nach deiner Vergangenheit. Selbst wenn du keine hast:
Lugs hatte keine Ahnung ob der alte Mann den Rostanker überstehen würde, aber das war auch nicht der Punkt. Doyle hatte jetzt wieder eine Chance. Er war frei - ab jetzt war alles seine Sache. Mehr hatte er nie erreichen wollen.
Einer der Sklaven war zu retten gewesen. Das hieß sie waren alle zu retten. Wenn Rufus und sein Feldhospiz funktionierten, wenn genug Blut für die Crew und die unersättliche Prinzessin floss, dann konnte vielleicht auch Herediums Hunger so gestillt werden. Vielleicht war es dann Zeit auf einer ganz bestimmten Insel die Gittertüren einzutreten.
Kostenlose Heilerkunst im Feldhospitz von Rufus dem Gütigen.
Säbel dort wo es wehtut?
Gebrochene Knochen wegen großer Klappe?
Das sollte aber wirklich nicht diese Farbe haben?
Kommt zum Feldhospitz von Rufus dem Gütigen und lasst euch kurieren.
Keine Münzen - kein Problem!
"Ist der Alte jetzt völlig übergeschnappt?" "Muss einmal zu viel an seine eigenen Mittel gegangen sein" "Wenn er unbedingt kein Gold nehmen will dann..." "Irgendwo muss da ein Haken sein!" Lugs ließ die streitenden Stimmen hinter sich und steuerte auf die Küste zu. Er konnte nur vermuten das überall im Lager gerade ähnliche Diskussionen geführt wurden... und bald schon würden die ersten Leute zu dem alten Feldscher von Rostanker strömen. Er grinste unter der harten Schale seiner Schnabelmaske. Die Bewohner des Lagers würden keinen Haken finden. Rufus würde jeden behandeln den er vermochte und keine mickrige Münze dafür nehmen. So war es abgesprochen. Die Münzen bekam er von Lugs. Für seine Arbeit, für sein Schweigen und für eine weitere Kleinigkeit. In Rostanker wurde gestorben, vielleicht noch ein wenig mehr als in jeder anderen Stadt. Immer wenn Rufus für einen arme Hund nichts mehr tun konnte, würde er den Körper im Schutz der Nacht an einer ganz bestimmten Stelle ablegen.
Lugs stand jetzt genau an dieser Stelle und ließ sich die Brandung um die Stiefel spülen. Die frisch Verstorbenen und Betten voller bewusstloser Piraten, die ihre morgendliche Schwäche auf ihre Verletzungen und Krankheiten schieben würden. Blut für die Crew und Blut für das Schiff, ohne das ständig jemand dafür drauf gehen musste. Zumindest niemand für den die Würfel nicht ohnehin schon gefallen waren. Er nahm seine Maske ab und setze sich in Sand. Felsen schirmten die kleine Bucht ab. Hier unten würde ihn keiner sehen - oder das was hier bald beginnen würde. Er war zufrieden: Ein erster Schritt.
Er hatte Heredium und seine Sklavenpferche nicht vergessen, auch wenn Slatrack entschlossen schien ihn so lange mit anderen Angelegenheiten zu bewerfen bis er es tat. Die Wölfe, die Wandlung seiner Prima, jetzt ein verfluchter untoter Drache und Ar'dran. Trotzdem hatte er weiter nach einem Weg gesucht die tote Stadt mit Blut zu versorgen, ohne den Schandfleck vor ihren Toren. Die Idee dafür die Heilerhäuser des Landes zu unterwandern war seine gewesen. Der Plan damit doch erstmal an ihrer Türschwelle anzufangen, kam von Svenja. Der Anstoß es endlich tatsächlich zu tun, waren Sam und Ar'dran.
Er war sich ziemlich sicher das Slatrack den hünenhaften Kerl getötet hatte, auch wenn Sam es gewesen war die ihn zum Vampir machte. Zu viele Zufälle rankten sich um seinen Tod, als das es anders seien könnte. Zuerst hatte er seinem Gott dafür vors Schienbein treten wollen, ziemlich hart. Sam machte sich Vorwürfe weil sie Ar'dran nicht anders hatte helfen können und Robin war einfach nur durch den Wind. Sie hatte mit ihrer Vergangenheit und mit ihm abgeschlossen gehabt, und jetzt war sie dank Slatrack schlagartig wieder von ihr eingeholt worden. Trotzdem war seine Wut auf seinen Gott mehr und mehr verraucht, je mehr er nachgedacht hatte. Der riesige Waldläufer war ihrem Geheimnis vor seinem Tod sehr nah gewesen. Hätte Ar'dran irgendwann die Puzzleteile zusammen gesetzt, wäre es hässlich geworden. Vielleicht hatte Slatrack ihnen das erspart indem er ihn getötet hatte, bevor die Crew das hätte tun müssen.
Was auch immer der Grund gewesen war, er war jetzt genau so tot wie sie alle - und Sam war für ihn verantwortlich. Sie hatte testen wollen wie sehr er seinen Hunger bereits im Griff hatte. Auf die gleiche Art wie Vyktorya und Rorek das damals mit ihr getan hatten. Indem sie ihm einen Menschen vorsetzte. Einen Menschen aus den Sklavenpferchen. Lugs hatte zuerst protestieren wollen... bis ihm eine Idee gekommen war. Sie wussten eigentlich nichts über die Menschen die auf der kleinen Insel zusammen gedrängt waren. Ar'dran war der perfekte Vorwand einen von ihnen dort runter zu holen. Nur so konnte er wissen ob sie überhaupt noch zu retten waren.
So begann der vielleicht denkwürdigste Abend im Leben von Doyle. Der alte Mann war wohl einmal Fischer gewesen, wie Sam und er später aus ihm heraus holten. Er war schon sehr sehr lange hier unten und der einzige Wunsch der ihm geblieben war, war ein friedlicher Tod. Ar'dran hätte ihm diesen Gefallen beinah getan, wenn auch alles andere als friedlich. Der Blutdurst war zuviel für ihn gewesen und Lugs hatte ihn durch den Raum werfen müssen, damit er Doyle nicht einfach auslöschte. Das Ar'dran die Kontrolle verloren hatte machte ihm dabei keine Sorgen, er war schließlich kaum ein paar Wochen tot. Das er anschließend nicht mal gefragt hatte ob er den alten Mann getötet hatte, beunruhigte ihn schon viel eher. Wie gut kannte er den Hünen eigentlich, den er mal seinen Freund genannt hatte?
Dieses Erlebnis war eine widerliche Erinnerung mehr für Doyle. Einen von vielen, wie Lugs bald feststellen sollte. Er musste wissen ob man das Gedächtnis von Herediums Blutsklaven noch löschen konnte, oder ob sie zuviel gesehen hatten. Ob nur noch eine leere Hülle zurück bleiben würde, wenn er ihnen so viel von ihrem Geist nahm. Doyle war die einzige Gelegenheit das herauszufinden, die er bekommen würde. Also war er in den Geist des alten Mannes getaucht und hatte verschleiert, getilgt und ausgelöscht was er finden konnte. Bilder die Lugs so schnell nicht vergessen würde, aber an die sich Doyle gnädigerweise jetzt nicht mehr erinnerte. Am Ende war sein Geist beinah so weiß und leer, wie die hypnotisierenden Augen in die er gestarrt hatte. Nur seine Zeit vor den Monstern war noch übrig - und das Bild von ihm in einem Fischerboot, friedlich auf den Wellen.
In Rostanker fragt niemand nach deiner Vergangenheit. Selbst wenn du keine hast:
Lugs hatte keine Ahnung ob der alte Mann den Rostanker überstehen würde, aber das war auch nicht der Punkt. Doyle hatte jetzt wieder eine Chance. Er war frei - ab jetzt war alles seine Sache. Mehr hatte er nie erreichen wollen.
Einer der Sklaven war zu retten gewesen. Das hieß sie waren alle zu retten. Wenn Rufus und sein Feldhospiz funktionierten, wenn genug Blut für die Crew und die unersättliche Prinzessin floss, dann konnte vielleicht auch Herediums Hunger so gestillt werden. Vielleicht war es dann Zeit auf einer ganz bestimmten Insel die Gittertüren einzutreten.