Elamshin – der Wille Lloths

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Falynidil
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Elamshin – der Wille Lloths

Beitrag von Falynidil »

Gerade hatte Falynidil ihr tägliches Ritual, für welches sie sich in den Tempel Lloths zurückzog und betete, abgeschlossen. Nachdem sie die Glaubensstätte durch das Haupttor verlassen hatte, war sie innerhalb eines Wimpernschlages zur Filifarfestung gereist. Dort angekommen, wiegelte sie den auf sie zu kommenden Wachmann lapidar ab: der Tag hatte sie erschöpft, sie hatte nun keinen  Nerv mehr für Entscheidungen, die genauso gut morgen oder in einem Monat getroffen werden konnten. Diese nichtsnutzigen Wachmänner waren nicht einmal dazu imstande, einfachste Lösungen zu erarbeiten. Nachdem sie vor ihrer Oberinnenkammer angekommen war, signalisierte sie dem Gardisten, der stets vor ihrer Kammer stationiert war, mit einem einzigen Handwink, dass sie für den heutigen Tag keine Störung mehr wünsche. Das Narbondel Sold’orbbs war währenddessen im Inbegriff zu erlöschen, das Feuer zu verlieren, dass es wenige Sekunden zuvor noch ausgefüllt hatte. Der Tag war zu Ende und Ruhe kehrte in die Stadt ein. Falynidil verweilte noch einen Moment auf dem Balkon, von dem sie die Stadt überblickte, ehe sie Sold‘Orbb vollends sich selbst überließ und ins Innere ihrer Gemächer trat. Sie hielt inne, als sie ihr Schreibpult mit dem darüber befindlichen Spiegel passierte und betrachtete daraufhin ihr Spiegelbild. Zögerlich entledigte sie sich ihrer Kaputze, woraufhin ihr elfentypisches Gesicht besser von den umliegenden Kerzen ausgeleuchtet wurde. Sie hatte es zuletzt gemieden dieses zu betrachten, da es sie an eine Begebenheit erinnerte, indem sie die Kontrolle über etwas verloren hatte, was sie selbst ausgelöst hatte. 

Um überhaupt erst die Möglichkeit zu erhalten, die Stadt Winterberg zu unterwerfen, war sie seinerzeit Beschreibungen aus dem Foliant ihrer Vorgängerin gefolgt. Diese  verwiesen auf einen Dämon, welcher in der alten Mine des Kontinents gefangen gehalten wurde. Man hatte, so wurde es übermittelt, nur eine Liste von Gegenständen zu beschaffen und den Bannkreis zu zerstören, der den Enapere-Dämon gefangen hielt. Doch war eine unbekannte Variable, die im Verborgenen gelegen hatte, der Priesterin zum Verhängnis geworden. Die Gegenstände, die, laut Beschreibung von verschiedensten Personen und Kreaturen beschafft werden mussten, dienten dem Dämon nach seiner Befreiung als Ankerrelikte, um ihre ursprünglichen Besitzer aufzuspüren. Der Enapere war nach seiner Befreiung stark ausgemergelt und fand durch das Entziehen von Kräften seiner Opfer schließlich zu alter Stärke zurück. Falynidil hatte er sich für ganz zum Schluss  aufgehoben, die Kirsche auf der Torte, die große Pointe eines gemeinen Witzes. Er nutzte die Ilharess, um sich die metaphorische letzte Ölung zu geben, ehe er im Vollbesitz seiner Kräfte und somit bereit für das Unterfangen zur Vernichtung der Wachmannschaft Winterbergs war. Natürlich hatte die Priesterin bis zu diesem Zeitpunkt bereits alle Hebel in Bewegung gesetzt und neben der Mobilisierung des eigenen Heers, auch ein Bündnis mit Orks geschmiedet, die bei dem Unterfangen unterstützen sollten. Einerseits war sie also abgelenkt gewesen mit Vorbereitungen, andererseits wäre ein Rückzieher zu diesem Punkt unmöglich gewesen, weswegen Falynidil den gierigen Enapere gewähren ließ. Allerdings auf Kosten ihrer Jugend und damit  verbundenen Schönheit. Es war das typische Spiel: alles hatte seinen Preis.

Mit aneinandergelegten Zeige- und Mittelfinger fuhr sie sich über die Wange und wanderte an ihrem noch immer fein geschnittenen Wangenknochen empor. Ihr Blick verengte sich leicht, als sie über das bittere Versprechen einer baldigen Falte nahe der Augenpartie glitt. Sie hob die Finger an und starrte einen Moment lang einfach nur auf ihr Spiegelbild. Sie hätte diesen Makel vor keinem Wesen dieser oder einer anderen Welt thematisiert, niemals. „Du hast dich durch deinen Machthunger um einige Jahrzehnte betrogen, närrisches Ding.“, flüsterte eine Stimme in ihr, die zuletzt öfters immer lauter geworden war. Sich vor einer inneren Stimme zu verstellen, sich selbst zu täuschen, dies war selbst den Meistern der Täuschung, den Dunkelelfen, fremd. Falynidil entschied sich stattdessen der Stimme ihren Nährboden zu entziehen und wand den Blick vom Spiegel ab. Es war schließlich spät und morgen wartete erneut ein arbeitsreicher Tag auf die Ilharess. Nachdem sie sich gewaschen hatte und ihre Kleidung und Geschmeide pedantisch akkurat an den dafür vorgesehenen Platz gelegt hatte, huschte sie in ihr opulentes Bett. Sie weigerte sich, weitere Gedanken, geschweige denn Blicke, an den Spiegel zu verschwenden. Nach einer letzten Lobpreisung der dunklen Mutter, schlug sie die mit Spinnensymbolen bestickte Decke über sich und schloss die Augen, um wenig später in einen tiefen Schlaf zu sinken. 

Nach einigen Kurzträumen, die Begebenheiten rekapitulierten, die sie die letzten Tage beschäftigt hatte, träumte sie von einer Diskussion mit ihrer persönlichen Hausspinne, die zumeist nicht über die Schlafgemächer der Ilharess hinaus kam. Dieses Szenario hatte Falynidil schon häufiger durchträumt, da sie Abraxa als einen enge Vertraute verstand. Natürlich konnte die Spinne nicht wirklich reden, aber was scherte einen dies schon in seinen Träumen? Sie plauderten über die Ereignisse in der Eishöhle zuletzt, bei der eine Frau ein grausames Ende im Magen eines Riesenkäfers gefunden hatte. Falynidil hatte dieser Amalia eigentlich ein noch furchtbareres Schicksal zugedacht, als sie Abraxa davon erzähle, dass sie sie in einem Ritual in eine Chitin verwandeln lassen wollte (beziehungsweise dies bei einer Yochlol, einer Dienerin Lloths, erflehen wollte), um sie anschließend, nachdem man sie entsetzlich entstellt und somit die Möglichkeit zur Flucht genommen hatte, vor Winterberg zur Schau stellen zu lassen – lebend verstand sich, als Mahnmal für den Widerstand. Beide, Falynidil und Abraxas, lachten heiter bei dieser Vorstellung. Als hätte diese Amalia jedoch gewusst, dass alles als der  Tod nur noch schlimmer für sie sein würde, hatte sie sich bereits vorher in den Selbstmord gestürzt. Gar nicht so dumm gewesen, für eine Rivvil.
Aufeinmal hielt Falynidil inne und unterbrach die muntere Unterhaltung, als sie auf eine Anomalie in der Ecke des Raumes aufmerksam wurde. Die dort befindliche Leuchtkugel, die das Schlafgemach ursprünglich des Nachts in ein schummriges Licht hüllte, war erloschen und plötzlich von größerer Finsternis erfüllt, als die allgegenwärtige Nacht des Unterreichs. Wie ein Strudel schien sie nun jede Lichtreflexion dem Raum zu entziehen. Auch stellte Falynidil fest, wie das Lachen Abraxas erstarb und alles um sie herum nach und nach ebenso in Schwärze gehüllt wurde. Ein grüner Nebel umwog die Dunkelelfe nun  und als er sich lichtete, war sie nicht mehr auf dem Bett ihres Schlafgemaches. Sie saß auf einem Schlachtfeld des Unterreichs, umringt von zwei Heeren, rundherum durch bedrohlich wirkende, magische Lichtquellen beleuchtet. Beklommenheit und Paralyse machten sich gleichermaßen in ihr breit.
Zu ihrer linken: eine Armee von Spinnen verschiedenster Gattungen: Riesenspinnen, Spinnenköniginnen, schwarze Spinnen, Großspinnen mit verschiedensten Musterungen. Dahinter, Falynidil hatte sie beinahe übersehen, schwebten 8 Augen, die scheinbar einer gigantischen Spinne gehörten. Doch wo war ihr Leib? Falynidil kniff die Augen zusammen, dann erkannte sie. Der Leib der Spinne hob sich nur leicht von der hinter ihr befindlichen Felswand ab. Ein durchsichtiger Spinnengigant? Das konnte nur eines bedeuten: Brutmutter Arianwen – die unsichtbare Traumweberin. Falynidil erinnerte sich gut. In der Arach Tinilith hatte sie einst einem Vortrag gelauscht, der von den Champions und Dienerinnen Lloths handelte. Arianwen war eine davon, galt für lange Zeit verschollen und als zurückgezogen im Unterreich lebend. Fasziniert starrte Falynidil zu ihr herüber, welch Ehre sie auch nur in einem Traum (mehr oder weniger) zu Gesicht zu bekommen. Furchtbares Kampfgebrüll durchbrach Falynidils Bewunderung und zog ihre Aufmerksamkeit auf das gegenüber stehende Heer: ebenfalls eine imposante Ansammlung, jedoch von verschiedensten Dämonenarten. Gargoyle, Teufelchen, Beobachter, niedere Gehörnte und noch viele mehr. Doch Falynidil schenkte ihnen keine einzige Sekunde Aufmerksamkeit. Ihr Blick war sofort auf den Dämon gefallen, der als Heerführer hinter der Armee stand. Der Enapere-Dämon. Sein lauernder Blick lag auf Arianwen. Es gab keinen Zweifel, er wollte ihren Tod – es stand ihm ins Gesicht geschrieben. Der Enapere nickte seinem Hauptmann zu und griff zu seinem Schwert. Der Hauptmann verbeugte sich ergeben und blies das Horn, woraufhin Falynidl erschauderte. Ein Geräusch wie der Todesschrei von 1000 Kämpfern ertönte. Erst als die Dämonen sich in Bewegung setzten, erkannte sie die Überzahl, die sie den Spinnen im Vorteil waren. Dies würde keine Schlacht werden, dies entsprach einer Hinrichtung. „Was du entfesselt hast, bringst du in Ordnung.“- eine schrille Stimme drang an ihr Ohr, deren Ursprung nicht auszumachen war. Falynidil verstand nicht – was könnte sie tun? Dieser Ort war ihr gänzlich unbekannt, das Unterreich unendlich groß, unterteilt in verschiedenste Ebenen. Dieser Ort war Überall und Nirgends. Erschwerend kam hinzu, dass sie doch gar nichts darüber wusste. Warum kämpften beide Armeen gegeneinander? Was hatte zu diesem Konflikt geführt? Sie verzweifelte innerlich. Sollte sie in diesem Alptraum mitansehen, dass sie für die Vernichtung Arianwens verantwortlich werden sollte? War dies die Art der dunklen Mutter, der Dunkelelfe das Ende der Gunst, die Falynidil zuletzt zu Teil geworden war,  zu kommunizieren. „Nau.“, protestierte Falynidil und klammerte sich mit all ihrem Glauben an einen möglichen Ausweg, der doch so fern erschien. Noch bevor sie einen weiteren Gedanken, als den bloßen Protest in Form eines Schreies, folgen lassen konnte, verblasste die Szenerie in dem Nebel, in der sie erschienen war. Der Schreck saß noch immer tief in Falynidil und sie spürte, dass das Erwachen aus diesem Alptraum, von dem die Priesterin wusste, dass es eher als Vision der Spinnengöttin zu deklarieren war, kurz bevorstand. „Besuche Arianwen – schlichte – du allein.“, es war dieselbe schrille Stimme, die Falynidil nun noch mehr in den Ohren schmerzte. Dann erwachte sie.

Falynidil richtete sich auf. Der Gardist, der wohl wegen Schreien in das Zimmer geeilt war, blickte sie mit aufgerissenen Augen an und stammelte: „Ve..ver..verzeiht Herrin – ich dachte..“. Mit  einem grimmigen Blick, begleitet von einem Murren, entließ sie den Gardisten, der sich unter mehrmaliger Verbeugung ergeben zurückzog. Die Priesterin rieb sich die Augen, nachdem er ihre Kammer  verlassen hatte und blickte nachdenklich an einen unbestimmten Punkt, während sich ihr Puls langsam beruhigte.  Nach und nach ordneten sich ihre Gedanken. Sie lenkte den Blick im Raum umher und hatte gerade im Ansatz darüber nachgedacht, wie sie Arianwen finden könnte. Als sich ihr Blick verengte. Etwas in ihrer Kammer war anders, als üblich. Sie besaß ein vorzügliches Gedächtnis, eine Eigenschaft, die unter von Neid und Missgunst zerfressenen Wesen überaus praktisch war. Genauso wie der Attentäterdolch, der unter der Kleidung des sonst so elegant gekleideten Zauberers durchdrückte, konnte genauso gut eine Falle in ihrer Kammer platziert worden sein. Sicher nicht einfach so, aber sie war sich sicher, dass es immer Mittel und Wege gab. So sah sie erneut durch den Raum, zum Schreibtisch, Regal und zur Garderobe. Wieder zum Regal zurück. Da war es. Ein Objekt. Ihr Blick schärfte sich und schon während sie sich erhob murmelte sie die Gebetsformeln, die mittlerweile für sie Routine waren, wenn sie sich im Freien aufhielt. Am Rand der mittleren Borte war sonst immer ein Freiraum gelassen worden, damit sie die einzelnen Folianten bequem heraus ziehen konnte. In dieser Lücke klemmte nun etwas, eine Kugel. „Faer Alu Har’dro.“, sie hatte die Formel kaum gedacht, da war sie schon ausgesprochen. Mit einem Ruck hob sich das Objekt daraufhin an und schwebte durch die Luft, wo Falynidil es zunächst betrachtete, ohne es physisch zu berühren. Eine Portalrune, beschriftet mit dem Wort „Sa’lak“ (übersetzt: schlichten). Das war kein Zufall, hierbei konnte es sich nicht um den perfiden Plan eines Widersachers handeln. Oder hatte ein Illusionist ihr diese Vision eingepflanzt? Nein, zu viele Details, viel zu komplex. Die Vision hatte sie eindeutig mit der Aufgabe betraut, den bestehenden Konflikt zwischen Arianwens mit dem Enapere-Dämon, dessen Freiheit Falynidil zu veantworten hatte, zu schlichten. Die Aufschrift der Rune bestätigte dies einmal mehr. Ein ausgedehntes Ausatmen folgte. Sie nahm die Portalrune an sich, erledigte die nötigsten morgendlichen Pflichten einer Mutter Oberin und zog sich daraufhin für das Gebet in den Tempel zurück. Sie würde all ihre Kräfte zusammen sammeln, ehe sie diese Mission, die, wenngleich sie wohl nicht direkt übermittelt wurde, von Lloth persönlich stammen musste. Arienwen galt als legendär. Falynidil hatte nicht vor in die Geschichtsbücher als diejenige einzugehen, die für den Tod dieser Legende verantwortlich war. Zudem war es der Wille der Göttin – welch weitere Motivation war schon nötig? Sie aktivierte die Portalrune, ein Lichtkegel erschien und ein Portal öffnete sich. Ihr Blick war nach vorne gerichtet, als sie das Portal passierte. 

Sie fand sich auf einem Knotenpunkt des Unterreichs wieder. Recht karg sah es hier aus, von Spinnen oder Spinnennetzen nicht die leiseste Spur, genauso wenig von dem Schlachtfeld aus der Vision. An einer gegenüberliegenden Wand erspähte sie einen Schriftzug dunkelelfischer Runensymbole, die rasch ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Diese Runen waren lediglich durch Infravision zu erkennen und allem Anschein nach auch von Dunkelelfen an diesem Ort geschaffen worden. Sie gönnte sich einen Moment, um sie zu lesen, nachdem sie nah genug heran gekommen war. „Wer diese Höhlen betritt, erbringe der großen Arianwen ein Opfer – oder werde selber zu einem.“, sie deutete die Runen für alle hörbar, dann trat sie in die Höhle ein. Umso tiefer sie in die Höhle eindrang, umso unruhiger wurde sie. War sie vielleicht schon zu spät? Hatte sie die Vision falsch interpretiert? Sie musste herausfinden, wie es um Arienwen stand. Keine Spinnennetze säumten die Höhle, wie sie es für die Behausung einer solchen Gigantin erwartet hätte. Lediglich die Skelette diverser Humanoiden, darunter auch Elfengebeine waren gelegentlich zu erkennen. Dies war Falynidil nichts Neues, sie wusste, dass solch gigantische Kreaturen auch vor Elfenfleisch nicht Halt machten, sofern diese eine deliziöse Mahlzeit versprachen oder der Hunger dies verlangte. Sie drang immer tiefer in die Höhle ein, deren Größe bemerkenswert war. Unwillkürlich aufkommende Stalagmiten rundeten die Leere, die charakteristisch für diese Höhle war, ab. Als sie sich schon zu fragen begann, ob sie womöglich zu spät war und die Vision lediglich dazu diente, sie in Kenntnis zu setzen, verspürte sie ein Zerren an ihrem linken Fuß. Irritiert schob sich ihre linke Braue nach oben und lenkte den Blick auf das Hindernis. Dunkelelfen waren umsichtige Kreaturen, die insbesondere im Unterreich das Terrain gut abzuschätzen wussten, sodass ein Stolpern eher unüblich war. Sie kniff die Augen verwundert zusammen, als sie feststellte, dass etwas Unsichtbares sie festhielt. Ein Feuerblitz erhellte impulsartig die spärlich beleuchtete Höhle und die Wucht der prompt erfolgten Befreiung ließ Falynidil ein paar Schritte nach vorne taumeln. Sie stieß einen Fluch aus, als sie feststellen musste, dass sie soeben zum Spielball geworden war. Sie fand sich nun gefangen in einem Geflecht wieder, dass genauso unsichtbar war wie das, was sie soeben gefangen gehalten hatte. Ein unsichtbares Netz? Arienwen! Kaum hatte ihr Verstand diese Verbindung geknüpft, verspürte sie ein Zwicken in der Seite. „Oh Arianwen, du gerissene Meisterin.“, dachte sie bei ich und spürte unmittelbar danach, wie die Lähmung durch das Gift einsetzte. „Sa’lak.“, brachte Falynidl atemlos hervor, ehe auch ihre Stimme versagte und das Gift der Gigantin drohte, weitere Funktionen ihres Körpers zu deaktivieren.

Als sie die Augen öffnete, fand sie sich in einem Raum wieder, dessen Begrenzung wie ein unendlich dichtes Geflecht aus Spinnenfäden aussah. Anders als für das Unterreich üblich, war dieser Raum gleißend hell – so weiß wie Schnee an einem Sommertag. Für gewöhnlich hätte dies Falynidils Augen erheblichen Schmerz zufügen müssen, doch das tat es auf mysteriöse Weise nicht. Die Priesterin vermutete, dass es sich entweder um einen durch Magie geschaffenen Ort oder eine Manifestation in ihrem Geist handeln musste. „Ich heiße dich willkommen, Falynidil Filifar.“, die Stimme klang wie ein Flüstern im Wind. Die Priesterin, die in dieser Existenzebene im Vollbesitz ihrer körperlichen Kräfte war, faltete die Hände demütig vor der Brust und sank auf die Knie. „Arienwen – als ich von der schrecklichen Kunde erfuhr, welches Unheil mein Handeln dir beschert hat, machte ich mich so schnell es möglich war auf, um meinen Fehler zu korrigieren.“, brachte sie ergeben hervor und wagte nur den Bruchteil einer Sekunde aufzusehen. Arienwens Erscheinung war die der schwebenden Augen, wie die Ilharess sie auch aus der Vision in Erinnerung hatte. War dies alles real? Unsicherbeit breitete sich in ihr aus. Ein süffisantes Kichern, unterlegt von einem wilden Klackern, war die Antwort auf Falynidils Worte. Diese Reaktion verwirrte die Dunkelelfe, da es den Anschein machte, als wäre sie aus einem anderen Grund her beordert worden. „Du hast Recht, Kind – du bist tatsächlich nicht hier, um irgendeine Schlichtung für mich vorzunehmen. Amüsant, wie du deine eigenen Kompetenzen einschätzt.“. Falynidil ertrug die herablassende Art der Gigantin ohne einen Mucks. So mussten sich also ihre Ergebenen fühlen, wenn sie diese zurechtwies. „Tatsächlich bist du herbeordert worden, um dich einer Prüfung zu stellen – einer Sache, die du mit dir selbst ausfechten musst.“. Kaum waren die Worte verklungen, veränderte sich etwas in dem Raum. Da wo eben noch die Augenpaare Arienwens schwebten, war nun ein Portal, dass eine Szenerie aus Falynidils Vergangenheit zeigte. Weitere Portale öffneten sich im Halbkreis um sie herum, die andere Szenarien präsentierten. Da war der Moment ihrer durch den Enapere herbeigeführten Alterung. Einige andere Szenen waren zu sehen, in denen sie ihr Spiegelbild betrachtet und gleichermaßen ihrer Jugend und Schönheit nachgetrauert hatte. Wieder ein anderes zeigte die Schlacht um Winterberg. Der Atem der Dunkelelfe stockte. Dies waren einige intime Momente der Schwäche, Momente in denen sie sich unbeobachtet gefühlt hatte. Doch es zeigte sich nun, dass sie nie unbeobachtet gewesen war. Scham kam in ihr auf, genauso wie Furcht – Furcht vor Ungnade. Plötzlich drang ein Lachen an ihr Ohr, ein hämisches, schallendes Lachen, dass nicht von der Gigantin stammte. Sie musste über ihre Schulter sehen, um den Ausgangspunkt des Lachens zu erblicken. Ein alter Bekannter. Der Enapere-Dämon, der lauernd zu ihr hinab blickte. Bei genauerem Hinsehen erkannte die Priesterin, dass sich etwas an der Kreatur verändert hatte, seit sie sich zuletzt begegnet waren. Seine Fratze war nun eine widerliche Fusion aus dem Antlitz der jungen Falynidil sowie der eigentlichen Dämonenfratze. Der Dämon hatte sich einen weiteren Teil von ihr genommen und sich selbst einverleibt. Wut und Verlust brandeten in ihr auf. Dieser Dämon hatte noch immer Macht über die Dunkelelfe. Eine Erkenntnis, die sie die Fäuste ballen ließ. Der Dämon hingegen grinste lediglich aus seinem ungleichen Zwillingsgesicht auf sie hinab. „Du wirst sterben, Falynidil Filifar.“, es war Arienwens flüsternde Stimme, „Mein Gift hat deinen Körper durchtränkt und dir bleibt nur noch wenig Zeit, bis dein sterblicher Körper für immer gebrochen sein wird. Du wirst als eine gescheiterte Dienerin Lloths in die Geschichte eingehen – eine von vielen. Ersetzt durch eine Stärkere, die sich auf das wirklich Wichtige zu besinnen vermag.“. Die Worte brauchten einen Moment, bis sie ihre komplette Tragweite in Falynidil entluden und Emotionen in ihr auslösten, die sie lange nicht verspürt hatte: Enttäuschung, Niedergeschlagenheit, Entsetzen – um nur ein paar davon zu nennen. Der Dämon hatte indes einen Feuerring um sich geschaffen, der sich langsam in alle Richtungen ausbreitete. Mit Schaudern musste sie feststellen, dass die weiße Pracht, die mit dem dämonischen Feuer in Berührung kam, vollständig davon vertilgt wurde und einen verbrannten, hässlichen Rest hinter sich zurückließ. Falynidil war zum Handeln gezwungen, doch was konnte sie tun? Den Dämon angreifen? Die Flammen schützten ihn und würden die Dunkelelfe furchtbar verbrennen und noch weiter entstellen. Zudem besaß sie keine Kräuter mehr, die sie Lloth hätte opfern können, um ihn mit klerikaler Magie anzugreifen. – auf das Wichtige besinnen – Die Worte Arianwens brachen aus dem Unterbewusstsein erneut hervor. Was war wirklich wichtig? Der Glaube war zentral, genauso wie Stärke, die die dunkle Mutter stets honorierte. „Eine von vielen?“, Trotz kam in ihr auf, sie konnte nicht akzeptieren, dass ihr Leben so unbedeutend gewesen sein sollte.  Wirklich stark waren nur wenige unter den Dunkelelfen, wahre Macht rar gesät. So fanatisch, dass sie ihr Leben im Namen der Göttin bereitwillig opfern würden, waren selbst nicht alle Priesterinnen. Doch war dies das Mindeste, was Lloth von ihren Anhängern erwartete. Was wirklich wichtig ist. Falynidil rief sich den Leitsatz erneut ins Gedächtnis und klammerte sich daran fest, während ihre Emotionen der Leidenschaft Platz machte. Ihr Geist arbeitete nun unter höchster Anspannung an einer Lösung. Noch lebte sie, noch war der Grabstein mit der Aufschrift „Eine von Vielen“ nicht aufgestellt. 

Die Gesellschaft der Dunkelelfen duldet keine Schwäche, worunter unter anderem auch Äußerliche Makel zu verstehen sind. Schönheit gilt als Indiz für Stärke, um beispielsweise Vorhaben der Verführung oder Überzeugung umzusetzen. Diese Mittel sind zumeist denjenigen recht und billig, die sich vor mächtigen Widersachern erwehren müssen. Aber insbesondere diejenigen, die nicht mit einem angenehmen Äußeren gesegnet sind, versuchen ihre Makel unter Kleidung zu verstecken. Seit dem Vorfall, der sie hatte altern lassen, galt dies auch für Falynidil, die es selbst in den Hallen des Unterreichs vorgezogen hatte, ihr Gesicht die meiste Zeit unter einer Kaputze zu verschleiern. Es war ihre innere Stimme, die sie dazu getrieben hatte. Makel verbergen – hatte sie dies überhaupt nötig? „Falynidil Filifar – Ilharess des ersten Hauses des Außenpostens Sold’Orbbs.“, Falynidil hatte den Gedanken laut ausgesprochen, während sie den Enapere weiterhin ansah, doch waren ihre Gedanken abgeschweift. Niemand hätte es gewagt sie wegen der Makel, die der Dämon ihr zugefügt hätte, zu denunzieren: ihre Maßregelung fürchtete jeder lebende Dunkelelf Sold’Orbbs. Der verweste, stinkende Leichnahm des Ketzers, den sie neben dem Bankhaus Maden und Käfern serviert hatte, er hatte ihren Ruf von Grausamkeit genähert. Letztendlich war es sie selbst (und nur sie selbst), die sich einen Makel, eine Schwäche zugestand. Projiziert auf die meisten Figuren in ihrem Umfeld, hatten diese jedoch keinerlei Bedeutung, wie ihr in diesem Moment gewahr wurde. Die Feuerwelle brannte sich indes weiter einen Weg der Verwüstung. Völlig im inneren Disput gefangen, öffnete sich Falynidils Mund einen Spalt weit, als sie im Begriff war zu verstehen. Die Schwachen sind es, die auf ihre Schönheit zurückgreifen müssen oder eine Illusion durch Kleidung nutzen, um Schönheit zu suggerieren. Sie jedoch war dominant und von hoher Stellung – entsprach dies nicht den Zielen, die durch Schönheit angestrebt werden sollten? War sie nicht also bereits im Besitz der Dinge, für die Schönheit ein Türöffner war? Niemand wagte es ihr gegenüber Häme zu zeigen. War die jugendliche Schönheit, die der Enapere ihr geraubt hatte, also noch von Relevanz. „Bedeutungslos…“, flüsterte Falynidil mit leerem Blick, was, obwohl sie nicht wirklich Notiz davon nahm, Folgen für die Mimik des Enapere zu haben schien. Die sein Gesicht dominierende Häme wich nun und machte einer anderen Gefühlslage Platz:  Aggression. Falynidil hatte nun erkannt, dass sie nicht hierher gerufen wurde, um den Konflikt anderer zu lösen. Diese Manifestation war lediglich ein Abbild dessen, was sie schwächte. Es galt ihren eigenen Konflikt zu lösen, damit sie sich davon befreien und stark sein konnte. Zeitgleich hatte sich ein Leitsatz, eine für sie fortan gültige Doktrin, gefestigt: Ab einem bestimmten Grad an Stärke und Macht, ist  Schönheit  ohne jede Relevanz. Sie schlug die Augen auf und fixierte ihren Peiniger nun unumwunden. Sie sah nicht länger den Enapere, den sie einst als Werkzeug benutzt hatte. Sie sah einen Makel, den es auszulöschen galt. Für Lloth. Etwas hatte sich von ihr gelöst, dass ihr Denken, nein ihre ganze Haltung, zuvor noch beeinflusst hatte. Sie straffte sich und spürte jede einzelne Sehne und jeden Muskel, um sich daraufhin suchend in dem nun zur Hälfte verbrannten Raum umzusehen. Doch sollte sie zunächst nichts entdecken, dass ihr helfen konnte. Auch von Arienwen keine Spur mehr. Plötzlich fiel ihr Blick auf eines der Portale, die noch immer im Halbkreis um sie herum flimmerten. Jenes, welches die kürzeste Distanz von ihr entfernt lag, präsentierte eine Szene, die, wie ihr zunehmend klar wurde, eigentlich gar nicht aus ihrer Vergangenheit stammte. Sie fokussierte besagtes Portal nun. Ein Dolch schwebte inmitten einer undefinierten Schwärze. Der Wille, diesen Dolch zu einer Erinnerung, zu ihrer Vergangenheit hinzuzufügen, kam in ihr auf. Wenn diese Portale waren, wonach sie aussahen, boten sie vielleicht die Gelegenheit. Falynidil vollendete den Gedanken nicht, sondern sprintete auf das Portal zu, dass den Dolch präsentierte. Der Fanatismus trieb sie an, das Streben nach der Gunst der Göttin – selbst wenn jeder Kredit verspielt war. Festhalten am Glauben, bis in den Tod. So wie es ihr und den anderen Priesterinnen in der Akademie, teils unter Schmerzen, eingebläut wurde. Sie streckt die Hand nach der Waffe aus und tatsächlich, es gelang ihr die Waffe zu greifen und sich erneut dem Enapere zuzuwenden. Dessen Aggressionen waren am Siedepunkt, grimmig presste er hervor: „Und nun? Mich abstechen mit dem Zahnstocher? Nur zu… deine Haut wird elendige Verbrennungen davon tragen. Wer wird dann das Monster sein? Mh?“. Die Provokation fand jedoch keinen Zuhörer mehr. Ein kühles Lächeln huschte über ihre Lippen und sie nahm sich einen Moment den Dolch näher zu betrachten. Eine filigrane Waffe mit hübsch gestaltetem Schaft, zweifellos wohnte der Waffe Magie inne. Auf der Klinge waren zudem zahlreiche dunkelelfische Runensymbole eingraviert.  Als hätte sie nie etwas anderes im Leben gemacht, warf sie den Dolch ein Stück in die Luft und fing ihn gekonnt wieder auf. Sie strotzte vor Selbstvertrauen. Flammen allein würden nicht reichen, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. „Äußerlichkeiten – belanglos. Es ist an der Zeit, um ein Geschwür ein für alle Mal heraus zu schneiden.“. Ihre Stimme war erschreckend kühl, was selbst den Enapere einen Anflug von Verunsicherung bescherrte – es war ihm deutlich anzumerken. Etwa 20 Meter trennten Falynidil und ihr Ziel, etwa mittig zwischen den Beiden das Dämonenfeuer, das nun noch höher aufloderte. Kraftvoll drückte sie sich von der Stelle ab und setzte zu einem Sprint an. Sie passierte das Feuer mit einem Satz und obgleich sie daraufhin lichterloh in Flammen stand, spürte sie keinerlei Schmerz. Ein Beobachter hätte zu diesem Zeitpunkt nicht sagen können, ob es sich um eine Dunkelelfe oder nur um einen weiteren Dämon oder gar ein Feuerelementar handelte, so schrecklich war das Bild, das die Priesterin nun abgab. Kurz bevor sie in Schlagdistanz kam, sprang sie ab und machte einen gewaltigen Satz, mit dem Dolch voraus, auf den Dämon zu. Dieser realisierte offenbar nicht schnell genug, dass die fanatische Dunkelelfe sich von Nichts würde aufhalten lassen und reagierte zu spät. Er hatte die Pranken im Ansatz hochgerissen, als der Dolch in die Brust der Kreatur eindrang und ihn in wie ein Mosaik zerplatzen ließ. Der brennenden Falynidil stockte in diesem Moment der Atem und es schien, als hätte just in diesem Moment ihr sterblicher Körper vor dem Gift Arienwens kapituliert. Glückseligkeit und Leichtigkeit dominierten nun ihre Gefühlswelt. Dann war es Schwärze, die sie einsog. Sie würde mit einem Sieg abtreten, mit Stärke und dem Glauben an die dunkle Mutter. Schwärze. 

Röchelnd kam sie wieder zu Bewusstsein und erbrach sich kurz darauf elendig. Sie hing noch immer in dem Geflecht, das mittlerweile dicht wie ein Kokon  gesponnen und an der Höhlendecke befestigt war. Ihr Blick auf den Boden gerichtet, wo sie das Erbrochene sehen konnte, das sie noch eben ausgespuckt hatte.  Obwohl der Kopf der Dunkelelfe fixiert war, konnte sie durch die transparenten Spinnenfäden des Kokons erkennen, dass ihre Haut nicht verbrannt war, wie es sich eben noch überaus realistisch angefühlt hatte. Ihr war lediglich noch immer schlecht, wie sie sich eingestehen musste. Sicherlich kein Wunder, bei der Tortur, die sie hinter sich hatte. „Du hast die Prüfung, die dir auferlegt wurde, zufriedenstellend bestanden, Falynidil Filifar. Vergiss nie, was du heute gelernt hast. Schwäche bedeutet den Tod. Du jedoch musst stark sein und es bleiben.“, es war das Flüstern der Gigantin, die sich nun direkt unter Falynidil positioniert hatte. Kurz darauf konnte Falynidil spüren, wie sich etwas an dem unsichtbaren Geflecht regte, dass sie festhielt. Sie bemerkte, dass es sich löste und langsam abwickelte, woraufhin sie, nachdem Arienwen beiseitegetreten war, zu Boden glitt und offenkundig aus der Fesselung befreit wurde. Sie blickte ein wenig irritiert an sich herab, da ihr Kleid sich anders anfühlte, als noch zuvor. Es war zweifellos schwerer geworden. Das Flüstern der Gigantin zog abermals die Aufmerksamkeit der Ilharess auf sich: „Ich habe ein Andenken an unser Zusammentreffen für dich. Es ist – Elamshin -  der Wille der Lloths....“, sie vollendete den Satz nicht, stattdessen entfuhr ihr ein freudiges Klackern. Falynidil gelang es gerade noch so, ihre Arme aus Reflex hochzureißen, als ein feiner Sprühregen auf sie Niederging. Es war eine fein dosierte, säureartige, neblige Substanz, die Arienwen ohne Vorwarnung, präzise auf das Kleid Falynidil versprühte. Dem Klang des Klackerns nach zu urteilen, handelte es sich um ein ihr innewohnendes Sekret, das durch die Gigantin zu einem feinen Nebel gewandelt wurde. Als das Geräusch verebbte, sah Falynidil an sich herab und Staunen überkam sie. Sie wusste nun, wieso sich ihr Kleid anders angefühlt hatte: es war schwerer geworden und offenkundig mit den transparenten Fäden der Gigantin auf magische Weise verstärkt worden. Demgegenüber waren die seidenen Fasern, aus dem das Kleid zu Großteilen ursprünglich bestanden hatte, vollständig durch den Säurenebel verätzt worden. Trotzdem war es wohlig warm und bot entsprechend Schutz vor Kälte. Dass es Durchsichtig beschaffen war, würde Falynidil ohnehin nie wieder kümmern. Die Botschaft war eindeutig, keinerlei Erklärungen waren nun noch nötig. Sie dankte Arienwen für ihre Lehre und betete kniend zu Lloth, ehe sie sich höflich verabschiedete und die Heimreise antrat. Dieser Tag würde ihr immer in Erinnerung bleiben.
Never trust a smiling Falynidil, you're gonna end up. | When Nathan goes down on his knees, the battle is not over. It has just begun.
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