Vom ungleichen Tanz der Seelen

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Shira'niryn
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Vom ungleichen Tanz der Seelen

Beitrag von Shira'niryn »

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Ich will euch eine Geschichte erzählen. Die Geschichte einer Magierin, deren einst unschuldiger Kern, schon vor vielen Jahren, langsam aber beständig, von kriechenden Schatten verschlungen wurde. Eine Magierin die schon lang nicht mehr Herrin ihres eigenen Körpers ist und sich diesen mit einem uralten, viel zu mächtigen Wesen teilen muss. Eine junge Frau, deren Körper wie Geist von unzähligen dunklen Stunden merklich gezeichnet wurde. Wie erreicht man einen solchen Zustand, wenn alles so unglaublich unschuldig, harmlos – ja gar langweilig begonnen hat?

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Vom Anfang und der neuen Welt
Es ist bestimmt fünfundzwanzig oder gar dreißig Jahresläufe her, dass Shirin zusammen mit ihrer Zwillingsschwester Samara das Licht jener Welt zum ersten Mal im kalten Nordland Feral erblickte. Schwestern die schwer zu unterscheiden waren und nur jene, die sie genauer kannten, wussten dass Samaras Augen wie das azurblaue Meer waren, während die von Shirin an endloses smaragde Wälder erinnerten. Wie man es von Zwilligen erwarten würde, so hielten sie in ihrer Kindheit und Jugend stets zusammen, machten ihren älteren Bruder mit Streichen wahnsinnig und widmeten sich schon früh dem Studium der Magie. Ein durchschnittliches Leben, ohne besondere Vorzüge, ohne nennenswertes Leid oder ähnlich schockierend anmutenden Geschichten. Langweilig würde der aufmerksame Zuhörer wohl gar sagen. Es war letztendlich die fehlgeleitete Eifersucht einer einflussreicheren Frau, sowie viele Komplikationen die daraufhin folgten, weswegen die Zwillingsschwester die Flucht aus ihrem Heimatland antreten mussten... und schließlich auf der Insel landete, die von vielen nur „Die neue Welt“ genannt wurde.

Ein kleines Tavernenzimmer in der „Tänzelnden Bärin“ in Ansilon war in der ersten Zeit ihr Unterkunft und je länger sie in diesem Land verweilten, umso mehr wurde ihnen die Bedeutung hinter dem Namen bewusst. Es war aufregend! Unfassbar viele neue Sachen die es zu erkunden und zu lernen galt, Völker und Rassen von denen sie vorher nur in Büchern gelesen hatten. Es war wie ein kleines persönliches Abenteurer für die Zwillinge, die aus ihrer Heimat immer nur das Wohlbehütete ihrer Familie kannten. Jedoch... Leben bringt Veränderungen mit sich und dieser Wandel brachte den ersten Keil zwischen die Schwestern. Ihre Schwester hatte sich dafür entschieden den Weg der Illusionen und Beschwörungen zu gehen – etwas, was sie in ihrer Heimat niemals gekonnt hätten. Warum? Es war verboten diese Art der Magie zu studieren oder gar auszuüben. Für Shirin war es vollkommen unverständlich, wie ihre Schwester sich so gegen die Werte ihrer Erziehung richten konnte und entschied sich selber für den Weg der Astralmagie. Während Samara immer selbstbewusster und eigenständiger zu werden schien, blieb Shirin das kleine Mädchen, welches folgsam den Lehren ihrer Mentorin Letizia Emerald Caleano folgte. Niemals wäre es ihr in den Sinn gekommen aufzubegehren, sich gegen jemanden zu stellen oder gar etwas verbotenes zu tun. Sie war gut, durch und durch, verkroch sich zwischen ihren Büchern und verbrachte zunehmend seltener Zeit mit ihrer Schwester, die eigenartige Freundschaften geschlossen hatte. Freundschaften die Shirin mit Skepsis betrachtete – warum? Sie waren oft maskiert, umtriebig, eigenartig in ihrer Art und Shirin könnte schwören, dass sie Dreck am Stecken hatten. Zwischen einen von ihnen und Sam entwickelte sich auch deutlich mehr als Freundschaft – aber wer war Shirin, dass sie es ihrer Schwester untersagen könnte? Jedoch sollte sie Recht behalten.

Sie selber hatte Bekanntschaft mit einer eigenartigen Gestalt geschlossen, die den Namen „Dariel“ trug. Getroffen des Nachts, im Mondschein auf einem Spaziergang, ging etwas von diesem Mann aus, was eine eigenartige Anziehungskraft auf sie auswirkte. Angst und Faszination zugleich. Obwohl er ihr mitteile, dass der Umgang mit ihm, ihr nicht gut tun würde, wehrte sie sich dagegen und suchte stets die Nähe des Mannes, der sie gar zwischendrin versuchte zu ignorieren.
Sie war hartnäckig, nicht weil sie intensive Gefühle oder dergleichen für ihn hegte, sondern weil sie wusste, dass er etwas versteckte, ein Geheimnis, welches sie entpacken wollte wie ein Geschenk. Sie hatte Dinge in seiner Nähe gesehen, die ihr die Gewissheit gaben, dass er mehr als nur ein Mensch war und obwohl sie Angst haben sollte, war es kein Grund den Kontakt zu unterbinden. Sie gingen mit der Zeit eine eigenartige Beziehung ein, die wenig bis keine körperlichen Aspekte beinhaltete, sondern darauf beruhte, dass sie viele Stunden in Gesprächen verbrachten, die sich über alles mögliche drehten. Maximal Schulter an Schulter, nur selten berührte er sie, als würde er sich selber nicht trauen – mit der Zeit wusste Shirin auch durchaus warum. Er war jung in seinem Wesen, unkontrolliert, vermutlich nicht weniger verängstigt, als sie es war – vor dem, was er machen könnte, wenn er eben diese Kontrolle verlieren würde.

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Der Bruch
Dann kam dieser Tag, der Tag an dem jene Gruppe, die sich ihre Schwester als „Freunde“ gemacht hatte, von den Paladinorden aus Silberburg als „Gesucht“ betitelt wurde, die Anklage lautete „Untote, Verbrecher, Diebe, Gesindel“. Es war als würde Shirin sich in ihrem Inneren bestätigt fühlen, doch anstatt dass ihre Schwester sich eingestand, dass sie einen Fehler begonnen hatte verschwand sie einfach, spurlos, vermutlich mit ihnen und hinterließ dabei nur eine knappe Nachricht für Shirin.
Enttäuschung, Ärger, Hilflosigkeit und auch Einsamkeit.
Unzählige Gefühle machten sich in dem inneren Mädchen der Magierin breit, die mittlerweile selber so weit war, dass sie unterrichten konnte. Ihre Schwester war verschwunden, ebenso ihre Mentorin und auch Dariel hatte sich vor wenigen Wochen verabschiedet, schlicht weil er der Meinung schien, dass seine Anwesenheit alles Leben und Farbe aus dem Mädchen ziehen würde. Da half kein weinen, kein bitten oder flehen – er verschwand als der Geist, der damals in ihr Leben getreten war. Sie fühlte sich so unerträglich betrogen und verlassen, dass sie die Flucht in ihren Büchern suchte und dann... kam der Tag an dem sie zwei Magier kennen lernte, die ihr ganzes Leben veränderten sollten.
Balthasar und Davion.

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Shira'niryn
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Vom ungleichen Tanz der Seelen

Beitrag von Shira'niryn »

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Der Bund der Magier – Ysam enis Alwanzessar
Für jene Leser, die zur Zeit des Bundes nicht auf dem Kontinent der neuen Welt verweilten, sind die genannten Namen wohl vollkommen ohne Bedeutung behaftet. Doch eben für jene, die alles am eigenen Leib erfahren mussten, sind die Begriffe „Balthasar der Schöne“ und „Davion Sviftflame zu Klingenweiler-Lanzenbach“ wohl weitaus schwerwiegender, als sie nun hier, beim Lesen, den Anschein machen würden. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass diese Namen sich zur gegebenen Zeit so tief und negativ in die Gedächtnisse der Leute brannten und wie kam es dazu, dass sie eine Familie für die Magierin wurden, die doch eigentlich ihr Leben lang einen unschuldigen Pfad ihr eigen genannt hatte?

Wie so vieles in unserem Leben begann es schleichend... unter dem Deckmantel schöner Worte und den Versprechungen einer besseren Welt. Mag es eine gewisse Naivität gewesen sein - geschuldet dem inneren Mädchen, oder die Einsamkeit die Shirin dazu getrieben hatten ihre Zeit mit diesen beiden Elementaristen zu verbringen. Vielleicht war es auch die verzweifelte Suche nach Anschluss, vielleicht auch eine unbewusste Suche nach einer Aufgabe, die ihrer Existenz einen Sinn gab. Letztendlich war es wohl ein Zusammenspiel von diesen und noch vielen anderen Faktoren, die zu unwichtig sind, als dass ich sie hier alle aufzählen werde. Eine unterschwellige Bewunderung für diese, vor Selbstbewusstsein strotzenden, Männern und das Gefühl angenommen zu werden, so wie sie war – eine Magierin, eine Denkerin, ein Mädchen ohne Familie.

Nach kurzer Zeit schon hatte sich ein innerer Kern geformt, aus dem schon bald der Ysam enis Alwanzessar entstehen sollte – der Bund der Magier, unter dem Aspekt die Magokratie wieder in das Land zu bringen. Das bedeutete im Grunde nicht wirklich mehr, als dass jener Bund, geformt aus Magiern, das gesellschaftliche System stürzen und nach ihren Vorstellungen wieder aufbauen wollten, nämlich mit den Magiern an der Spitze. In den Augen der Bundsmitglieder waren Magier mehr Wert als alle andere Kreaturen, simple Krieger waren nur Bauern, Schachfiguren für die Wirtschaft und wenn sie ihre Gefolgschaft verweigerten, so gehörten sie aus dem Weg geräumt.
Natürlich zweifelte Shirin Anfangs, natürlich war es für sie nicht leicht sich gegen andere Menschen zu richten - vielleicht hätte sie gar wieder den richtigen Pfad gefunden, wenn ihre Schwester oder Dariel zu jenem Zeitpunkt im Land verweilt hätten. Doch so wandte sie sich aus vollem Herzen dem Bund zu... und auch wenn sie stets für einen weniger explosiven und aggressiveren Weg war, so hielt sie im Zweifel stets zum Bund. Denn der Bund, indem sie Gründungs- und Ratsmitglied war, war ihre Familie geworden und jene würde sie nicht verraten, nicht verlassen oder enttäuschen.
»Wir kämpfen nicht weil wir böse sind, sondern weil wir die Vorstellung einer besseren Welt haben.«
Ein Satz den Davion stets zu ihr sprach, wenn er merkte dass Zweifel in der jungen Magierin aufkamen und so eingenommen sie zu diesem Zeitpunkt von all dem war, so glaubte sie jene auch. Alles würde gut werden, wenn sie zusammen hielten und zusammen würden sie eine bessere Welt erschaffen, in welcher die Magier über das Volk regieren würden. Alles was bis dahin passieren würde, waren Kollateralschäden... denn der Weg zum Sieg, würde gepflastert sein mit dem Blut jener, die sich gegen ihre Familien stellten.

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Shira'niryn
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Von Licht und Schatten

Beitrag von Shira'niryn »

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Heute ziert kein gehasstes Abzeichen mehr die Kleidung der Magierin, keine kenntlichen Hinweise ihrer Zugehörigkeit, kein schillerndes Blutrot in welches ihr Leib sich kleidet. Man mag sich nun fragen, woran es gelegen hatte, wo nun vorher doch deutlich gemacht wurde, wie wichtig ihr jener Bund war, wie familiär und vertrauensvoll sie ihr Leben diesem gewidmet hatte? Und wieder einmal in dieser Geschichte, kann nicht DER eine Grund genannt werden, kein ultimatives Beweisstück, niemanden dem man die Schuld in die Schuhe schieben könnte. Wieder einmal sind es viele kleine Dinge, die auf den ersten Blick wie unbedeutende Regentropfen in einem stillen See vergehen, bis man mit der Zeit merkt, was sie bewirken.

Unsere Protagonistin ist wohl nicht als eine Person zu bezeichnen, die sich leichtfertig von Emotionen treiben lässt. Die Zeit im Bund formte den unförmigen Tonklumpen des kleinen hilflosen Mädchens zu einer selbstbewussten Magierin, die bereit war mehr als gewöhnlich für Macht und ihre Ziele zu geben. Die Suche nach Macht, die Gier nach Wissen formte nicht nur ihren Geist, sondern kennzeichnete nachhaltig ihren Körper. Immer mehr verschwand von der ursprünglichen Shirin, versteckte sich hinter schwammigen Illusionen einer Person, die sie vorgab zu sein, bis sie gar teilweise nicht mehr wusste, ob sie es war, oder die Gestalt, die sie geschaffen hatte. Es machte es auch sicherlich nicht besser, dass sie die Seele eines Drachens in sich aufnahm, als Folge einer Missinterpretation des eigenen Könnens.
Naurm, eine herrische, schneeweiße Drachendame, die in den ersten Jahren ihres Zusammenlebens nur eines im Kopf hatte: Shirin das Leben so schwer wie möglich zu machen.
Es war als würden sich zwei Personen einen Körper teilen und innerlich gegen die Vorherrschaft über diesem kämpfen. Unerbittlich, mit allen Mitteln, selbst wenn es einen selber Kraft kostete. Auch wenn Naurm nur ein Bruchteil ihrer ursprünglichen Kraft besaß, war ihre Macht erdrückend. Die Gefühle mit welchen sie Shirin versuchte zu bekämpfen, schwappten immer wieder über die Magierin hinweg, die nicht nur selten die Kontrolle über ihren eigenen Körper verlor.

Der Anfang vom Ende.

Kontrolle über Naurm bedeutete die Gefühle zu kontrollieren. Sich selbst zu kontrollieren. Sich selbst bewusst zu formen, bewusst zu handeln und nicht fühlen zu lassen. Sie perfektionierte sie, die absolute Selbstkontrolle. Aber auch das hatte einen Preis. Davion, als eine der wenigen wirklichen Vertrauenspersonen, äußerte sich mehr als einmal in jener Zeit, dass er diesen gefühllosen Brocken, der aus der Magierin geworden war, nicht ihrem alten Ich vorzog. Ihre Schwester wusste ihr nicht gegenüber zu treten, Verbindungen außerhalb des Bundes wurden ausgelöscht. Das Töten und Leiden lassen von Menschen oder Lebewesen berührte sie nicht mehr, nicht mehr auf die Weise, wie zu Anfang des Bundes.

Liest man es so, lässt es auf sich wirken, sollte man meinen, aus ihr wäre der perfekte Bundsmagier geworden. Kaltherzig, zielstrebig, kompromisslos. Allein die engeren Bundmitglieder ließ sie an sich heran, allein den Weißhaarigen vertraute sie sich an. Alle anderen Menschen hatten keine wirkliche Daseinsberechtigung in der verworrenen Sicht der Magierin. Jedoch, Schatten kann nur mit Licht existieren und das Licht konnte sie nicht ewig aus sich ausschließen. Irgendwann, als die Schwärze durch das Verschwinden der Bundsmitglieder sie bedeckte wie dicke und dämpfende Wolle, kam das Licht. Zäh und langsam, eingehüllt in einer strahlenden, goldenen Rüstung. Ein Licht deren Waffe nicht das Schwert war, sondern ein Licht, welches sich allein durch die Worte wusste zu verbreiten. Sie hatte sich schon länger in der Nähe jenes Lichtes aufgehalten, reiner Eigennutz, eine Tarnung, ein Spiel mit dem Feuer zum Gunsten des Bundes, aber ab den Moment, an dem es augenscheinlich keinen Bund mehr gab, war da nur noch das Licht, welches nach und nach Besitz von ihr ergriff.

Das machte sie nun nicht urplötzlich zu einem herzensguten Menschen, ihr Kern blieb. Der Kern einer Magierin, die sich selbst für etwas Besseres hilt, aber auch eine Magierin, die zum ersten Mal seit langem so etwas wie Frieden empfand. Abgelegt wurde das Blutrot der Magierschaft, verstaut das schimmernde Pentagrammabzeichen und verdrängt die Erinnerungen, an das Monster, was sie mal war. Ohne Licht kein Schatten, ohne Schatten kein Licht. Ein Zusammenspiel der Gegensätzlichkeiten und ein Balanceakt des Gleichgewichts, welcher sich eines roten Fadens gleich durch das Leben dieser Magierin ziehen wird.

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Shira'niryn
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Beitrag von Shira'niryn »

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Männerwelt und bleibende Narben
Das Verhältnis unserer Protagonistin zur Männerwelt zu beschreiben, ist als würde man versuchen eine Schneeflocke in ihren Einzelheiten detailliert wiederzugeben. Noch vor der Zeit des Bundes, als kleines Mädchen in ihrem Inneren, lernte sie, wie wir schon im ersten Teil niedergeschrieben hatten, Dariel kennen. Der Mann, der noch jung und unkontrolliert in seinem Wesen war, aber auch der Mann, welchem Shirin zum ersten Mal in ihrem noch jungen Leben so etwas wie ihr Herz schenkte. Eine Beziehung, die weder auf Körperlichkeiten aufbaute, noch viel Nähe zueinander zuließ – aber eine Beziehung, mit der sie glücklich war, selbst wenn er für Wochenläufe, über Jahre hinweg, immer mal wieder verschwand. Loyalität, eine Eigenschaft die für sie wohl immer einen hohen Stellenwert haben würde.
Die Probleme mit Dariel begingen, als sie dem Bund der Magier anschloss, denn der junge Mann schien kein Freund von Renessa, die ebenso im Bund war, noch vom Bund selber zu sein. Auch wenn er beteuerte, dass er sie niemals zu etwas zwingen würde und ihr augenscheinlich die Wahl selber überließ, entschloss er sich zu einer Handlung, welche unsere Magierin noch sehr lange nachhaltig beeinflussen würde.
Seinen Gefangenschaft vortäuschend, in der Gestalt eines Dämons auftretend und davon verkündend, wollte er die Magierin dazu bringen, sich gegen den Bund zu entscheiden. Er gab ihr wenige Tage, in welchen ihr eine... „seine“... abgeschnittene und präparierte Hand zugeschickt wurde und doch konnte sie sich nicht entscheiden. Das Resultat war die Nachricht seines Todes. Die Last der Schuld, Schuld an den Tod eines geliebten Menschen, würde sie noch viele Jahre begleiten, ehe ihr dieser Betrug offenbart werden würde.
Verrat.
Statt sich vom Bund abzuwenden, brachte jenes Geschehen sie noch enger in die Arme der Magierfamilie.

Es sollten einige Jahre und viele Monde vergehen, bis sie erneut für jemanden etwas empfinden würde, was annähernd mit ihren Gefühlen für Dariel zu vergleichen war. Der weißhaarige Bundsmagier, der Bruder, der Flammenschlag, jener der sie rettete. Davion.
Eigentlich war es zu einer denkbaren ungünstigen Zeit, in der ihr Inneres noch viele Scherben trug und die Drachendame ihr das Leben schwer machte. Aber vielleicht war auch gerade das der Grund, warum sie sich hingezogen zu ihm fühlte? Ein Fels in der Brandung, ein sicherndes Seil, eine Stütze und ein Halt in ihrem inneren Chaos. Nicht nur fügte er ein Teil ihres Inneres wieder zusammen, auch stand er an ihrer Seite, als sie sich den Tod ihrer eigenen Eltern auf die Schultern lud. Er war es auch, der sich in die Gefahr begab, sie aus der Gefangenschaft ihrer Heimat zu befreien, von welcher noch heute Narben auf ihrem Körper ein eindrucksvolles Bild zeichnen. Auch die Träume, die aus der Folter resultierten, sind als bleibende Narben bis in die heutige Zeit zu bezeichnen. Man sollte also davon ausgehen, dass das Band, welches diese beiden Magier verband, stark und unzertrennbar wäre. Doch heute sieht es vermutlich anders aus.
Als der Bund verschwand, verschwand auch der Weißhaarige und Shirin blieb zurück. Wut und Verzweiflung, das Gefühl verraten worden zu sein beschäftigten unsere Magierin eine ganze Weile lang, bis sie Trost im Licht des Herrn fand.

Natürlich nicht direkt im Licht des Herrn, das wäre vermutlich ein Ding der Unmöglichkeit, betrachtet man die Grundeinstellungen der Protagonistin, aber es war der Paladin, den man Ghor de Ghal rief, der es schaffte ihr Vertrauten zu gewinnen. Mit einer herzlichen und offenen Art, einer Art, von der man erwarten würde, dass diese Person niemals zu etwas Bösen fähig sein würde. Paladine lügen nicht, Paladine gehen den Weg der Gerechtigkeit und schätzen das Leben. Vermutlich waren das alles kleine Regentropfen, die zusammen einen Teich ergaben, bei dem sich unsere Magierin – die so viel Leid während ihrer Bundszeit erfahren musste - wohl fühlte. Wenn man nun aber denkt, wir sprechen hier von einer klassischen Beziehung, dann muss Ich die Leser wohl enttäuschen, denn die Zweisamkeit welche den Paladin und die Magierin verband, war weder körperlicher noch leidenschaftlicher Natur. Es war eine vertrauensvolle Verbundenheit, das Bedürfnis die jeweils andere Person in Sicherheit zu wissen, selbst wenn es die eigene kosten würde.
Aber wie bei allen anderen 'Beziehungen' so fand auch diese ein merkwürdiges, Narben hinterlassendes Ende. Zu einfach wäre wohl das Leben der Magierin, wenn es einmal im Guten enden würde. Schuld an diesem Mal war jedoch die Drachendame selber, die sich in einem Moment der Unachtsamkeit die Vorherrschaft über Shirins Körper errang.

Eingesperrt in ihrem eigenen Körper befand sich Shirin viele Wochen in diesem Zustand nur beobachten, aber nicht handeln zu können. Egal was sie tat, egal was sie versuchte, um die Vorherrschaft wieder zu erlangen, es funktioniert nicht.
Es war auch jene Zeit, in der Naurm sich mit den Schwingen der Verdammnis auseinandersetze, die Zeit als der Drachenkrieger Livius eine prägnantere Rolle in dem Leben unserer Magierin finden sollte. Getrieben von ganz eigenen Interessen gingen die Drachendame und der Drachenkrieger einen Pakt ein. Einen Pakt der gegenseitigen Unterstützung. Es kam wie es kommen musste, denn Naurm tat in diesen Wochen alles dafür, Shirin zu verletzen, in der Hoffnung, sie würde einfach aufgeben und ihr die Herrschaft überlassen. Genau das war der Grund, warum eines Abends der Paladin Ghor überrumpelt und in den Kellerräumen eines Schwingenmitgliedes gefesselt wurde. Livius, in seiner Art ein eher kaltherziger und pragmatischer Charakter, war die ausführende Hand von Naurms Wünschen. Ghor sollte gefoltert werden, bis sein Licht verstarb und Shirin dadurch leiden. Es dauerte mehrere Minutenläufe, die dem Paladin unter anderem seine Hand kosteten, bis die Wut darüber der Magierin die nötige Macht gab, um die Drachendame zurück zu drängen.
Zwar überwältigte sie Livius und befreite Ghor, doch von dem Moment an, würde das Verhältnis zwischen dem goldenen Licht und der Magierin nie wieder das Gleiche sein und irgendwann würde der Paladin einfach das Land verlassen.
Erneut ein Verlust, erneut eine schwere Last auf den Schultern. Als würde sich das Spiel für die Magierin immer und immer wieder wiederholen, um sie zu belehren, dass diese Dinge des Lebens nicht in ihr Schicksal passen würden.

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Wenn die Zeit davon rinnt
Jedem ist wohl klar, dass das Leben wie wir es kennen, irgendwann ein Ende finden wird. Sei es durch einen schrecklichen Unfall, einer hartnäckigen Krankheit oder dem absehbaren Lebensende, definiert durch den unausweichlichen körperlichen Zerfall. Was ist aber, wenn das Lebensende nicht durch den Körper, sondern durch den Zerfall der Seele bestimmt wird? Man hört nicht auf zu leben, aber hört man dann nicht auf zu existieren?

Im Fall unserer Magierin befand sich der Ursprung des Verfallproblems in der Fusion mit der herrischen Drachendame Naurm. Zwei Seelen, die niemals zueinander hätten finden sollen, eingesperrt und verankert in einem Körper, der viel zu schwach war für die Macht, welche sie zusammen formten. Eng miteinander verknüpft, wie ein Teppich aus einem endlosen, starken Faden, wurde beiden nach einiger Zeit des Kampfes klar, sie mussten sich dem Schicksal fügen. Denn keiner der beiden Seelen würde überdauern, wenn es die andere nicht tat. Nun könnte man sagen, dass es doch in Ordnung ist, dass diese beiden unterschiedlichen Seelen einfach bis zum Ende zusammen existieren könnten – aber es wäre wohl zu einfach, wenn es so wäre.
Die Verknüpfung der menschlichen und der drachischen Seele fand ihren Ursprung in einer alten, von Kristallen verstärkten Magie und niemals war vom Urheber des Zaubers geplant, dass beide Seelen überdauern sollten.

Seelenschmelze.

Der Zustand oder besser ausgedrückt der Vorgang wenn sich zwei Seelen von Grund an immer weiter verbinden, bis sie alle alten Konturen abwerfen würden, um eine einzige, neue, noch niemals dagewesen Seele zu erschaffen. Würde dieser Zustand erreicht werden, so gäbe es unsere Magierin Shirin nicht mehr, aber es würde ebenso wenig noch die herrische Drachendame Naurm geben. Es wäre ein neues Wesen, behaftet mit den Aspekten, die sich aus den zwei Quellen durchgesetzt hätten. Ob den beiden das klar ist? Bedingt.
Es ist ihnen bewusst, dass sie aufhören werden als eigenständiges Wesen zu existieren, wenn die Seelen sich weiter annähern würden, aber das daraus entstehende Resultat ist ihnen unbekannt. Dieses Wissen reichte jedoch auf um verschiedene Wege und Forschungen anzustellen, die alle nur ein Ziel hatten: Den Vorgang der Seelenschmelze aufhalten.
Magierin und Drachin reichten sich die symbolischen Hände und versuchten über Jahre eine Lösung zu finden, wie sie beide weiter existieren könnten. Ein magischer Schutzwall zwischen den Seelen wurde erschaffen, der aber wie ein kleiner Bieberdamm, das Wasser nur spärlich hielt und niemals gänzlich aufhalten könnte. Aber es brachte Zeit.

Zeit, welche die beiden brauchten um weiter nach einer Lösung zu suchen. Egal wo, egal bei wem. Paladine, Wächter, Barbaren, Amazonen, Hochelfen und Waldelfen. Alle wurden aufgesucht, überall das Problem geschildert, überall Hilfe entweder mit weniger Optimismus zugesagt oder gar zugesichert.

Genau diese Zeit war es, wo im stillen Einverständnis mal Naurm, mal die Magierin die Kontrolle über den Körper übernahmen, welcher deutlich unter dem Seelenkampf zu leiden hatte. Mager, Augenringe, fast eine kränkliche Erscheinung, schlicht weil dieser Körper nicht für diese Macht bestimmt war.

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Unstimmigkeiten
Zwischen unserer Magierin und ihrer Bewohnerin Naurm gab es, wie man wohl schon feststellen durfte, von Anfang an prägnante Meinungsverschiedenheiten. Als würde man einen herzensguten Paladin und einen zerstörerischen Wächter in eine Zelle sperren und doch schafften sie es nach Monden sich aufeinander einzustimmen, gezwungen durch das Wissen, dass keiner der beiden überleben würde, wenn es der andere nicht tat.
Das brachte jedoch auch Nachteile mit sich, denn der Drachenkrieger ist weiterhin ein Teil dieser Geschichte. Der Drachenkrieger, der ehemalige Zenturio, das Schwingenmitglied, der Pragmatismus in Person, welcher von Shirin abgrundtief gehasst wurde, von Naurm aber stets geschätzt war. Einst brachte Shirin die Drachendame im Laufe eines Konfliktes dazu, sich gegen den Drachenkrieger zu stellen, wodurch jener hoch durch die Lüfte und zu Boden geschleuderte wurde, in einem Kampf, der stellenweise Ansilon in Mitleidenschaft zog. Aber auch dieser Ärger schwand mit den Monden, denn wenn es etwas gab, das Naurm wie Shirin gelernt hatten, dann waren es Kompromisse einzugehen und sich nicht mehr für so simple zwischenmenschliche Dinge zu interessieren. Das Ziel eine Lösung zu finden, war relevanter als der Hass gegenüber dem Drachenkrieger, was über eine gewisse Zeit dazu führte, dass er, als ein Teil von Naurm, von der Magierin akzeptiert wurde. Widerwillig, nicht ohne Murren - denn mögen würde sie diesen ungeliebten Teil der Drachendame, in Form des Drachenkriegers, wohl nie.
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