Der Lärm des Schlachtfeldes war genau so, wie Fel sich das Aufeinandertreffen wütender Götter vorstellte: Eine kolossale Kakophonie an Schreien und Befehlen, das ununterbrochene Klirren von Stahl auf Stahl, die dumpferen Laute stampfender Schritte, von keuchendem Atem und dazwischen das Flirren von Magie in allen Farben und Formen. Wie orientierte sich irgendjemand hier überhaupt? Die Angreifer trugen eine einheitliche Uniform: Schwarz und Orange, das machte es zumindest einfacher sie zu identifizieren, während die Verteidiger einen bunten Haufen darstellten, so gegensätzlich wie nur möglich in Erscheinungsbild, Auftreten und Strategie.
Und dennoch, so zumindest Fels Eindruck, während sie sich hinter einen Heuballen duckte, schien jeder hier irgendwie eine Ahnung zu haben, von dem was zu tun war. Es war Chaos, aber mit einem Muster darin, das an ihren Sinnen kitzelte: Sichtbar, ja. Aber nicht so deutlich, dass sie in der Lage gewesen wäre sich daran anzupassen.
Ein fehlgeleiteter Pfeil durchschlug den Heuballen ohne Mühe, bohrte sich nur eine Schulterbreite hinter Fel in die Wand des schon lange geräumten Stalls und beendete damit die unschlüssige Tatenlosigkeit. Es gab keinen sicheren Ort hier, nicht einmal am Rande des Getümmels. Die kleine Gruppe in deren Kielwasser sie hierher gekommen war, war schon längst zersprengt, aus den Augen verloren faktisch im ersten Moment des ausbrechenden Kampfes. Vielleicht verletzt irgendwo. Vielleicht tot.
Würde es bei den Zelten sicherer sein?
Der Lärm steigerte sich zu einem Crescendo, der Fel die Ohren klingeln ließ, aber die Bewegung auf dem Schlachtfeld verhieß eine Strömung in Richtung Norden und sie nahm die Gelegenheit war um geduckt in Richtung Osten zu eilen, über die kleine Brücke in Richtung des Hafens. Das plötzliche flaue Gefühl im Magen, der Moment des Zögerns und der Blick über die Schulter zurück, retteten ihr Leben: Ein Pfeil, der zielsicher die Luft dort durchschnitt, wo sie nur einen Moment später gewesen wäre, riss nur den Stoff des Hemdes an der Schulter entzwei, das Zischen der schwarzen Federn lautlos im brodelnden Lärm.
Gnadenlose Augen nahmen Maß, ein weiterer Pfeil wurde auf die Sehne gelegt in einer einzigen, flüssigen Bewegung und Fel riss die Hände hoch, die Geste ausführend, die in den letzten Wochen, noch während der Ereignisse um Hornblume, eingeübt worden war.
"An Ex Por!"
Der Zauber griff bevor der Bogen vollkommen gespannt war, lähmte alle Bewegungen des hünenhaften Bogenschützen und als Fel zurückwich spürte sie neben der Erleichterung eine andere, schwerer zu greifende Zufriedenheit.
"Ich bin keine Mörderin." - das hatte sie Ba'thal entgegengeschleudert und die Wahrheit darin glühte wie ein warmer Punkt in der Mitte ihrer Seele. Auch jetzt, hier, nutzlos auf einem Schlachtfeld, würde sie davon nicht ..
Eine Gestalt in dunkelgrauem Leder nahm die Gelegenheit war, schlang einen Arm um den Kopf des noch immer gelähmten Schützen und zog eine gebogene Klinge so fest am Halsschutz vorbei über die Kehle, dass Fel hätte schwören können die Knochen zu sehen. Nur einen Lidschlag später war es schon vorbei: Noch während die Fontäne aus Blut in Richtung der Brücke sprühte, war der Ledergerüstete schon weiter, wob mit einer Agilität und einem Geschick durch das Kampfgeschehen, als wäre das hier ein natürliches Zuhause.
Davon bekam Fel nichts mehr mit: Ihr sich umdrehender Magen forderte für das nächste Dutzend Herzschläge all ihre Aufmerksamkeit ein, der gute Kanincheneintopf letztlich doch verschwendet.
Ein winziger, eigenwillig abgekoppelter Teil von ihr war amüsiert: Jetzt sahen die Fleischbröckchen in der Tat viel mehr nach Ratte aus.
Gegenwart: Die Neue Welt
Bei Nacht sind alle Katzen grau
Die ersten Rot des neuen Tages zeichnete sich bereits als dünne Linie am Horizont ab, als Fel endlich den Kopf aus ihren Aufzeichnungen hob und damit begann die im Laufe der Nacht verstreuten Blätter wieder einzusammeln und zu ordnen. Wie so oft hatte die Inspiration sich rar gemacht, Raum gelassen für die wesentlich behäbigeren Geschwister namens Verbissenheit und Starrsinn. Eine ganze Zeit lang war das genug gewesen, hatte die Gedanken abgelenkt und ihnen vertraute Bahnen geboten - wenn schon keine neuen Einsichten, dann doch zumindest der Trost von Ordnung im Chaos.
'Die Illusion von Ordnung im Chaos. Wobei selbst das seine Muster hat.'
Dieses Bemühen, so sinnierte Fel, während sie mit müden Augen die eigenen Ausführungen zum Wort der Macht AN überflog, ergänzt um einen ebenfalls aus eigener Hand stammenden, kaum einen Mond alten Kommentar, zog sich wie ein roter Faden durch alles, was sie berührte: Die Notwendigkeit zu begreifen, zu definieren, zu beschreiben.
'Nur, was einen Namen hat, ist wirklich. Die Aufmerksamkeit zieht es aus der Ungewissheit des Möglichen in die kalte Realität und dorthin verblasst es letztlich auch wieder. Nichts ist beständig.'
Die Gedanken hüteten sich die Ereignisse des letzten Abends zu streifen, überwanden stattdessen eine Kluft von vier Jahren und zerrten die Erinnerung an das erste Zusammentreffen mit Arngrimm Jerwalson zurück an die Oberfläche. Dieses Zusammentreffen war geprägt gewesen von ohnmächtiger Machtlosigkeit, erschüttert durch die Hinrichtung von Fels vorheriger Lehrmeisterin im Innenhof der Kaserne, ausgeführt von Soldaten, die die gleiche Uniform trugen, wie sie nun auch. Selbst im Blick zurück fand Fel es unmöglich das Gefühl von Verbitterung und Zorn abzuschütteln, das alle Eindrücke färbte wie getöntes Glas. Die Monate danach waren nicht viel besser gewesen, auch wenn ..
"Du scheiterst, weil du dich selbst von Zweifeln zerfrisst."
Dieser Satz war kein Teil der Vergangenheit, sondern ein Relikt des letzten Abends, emporgestreckt nun wie ein mahnender Zeigefinger. Anderes umgab ihn wie einen Mantel: Die Vergleiche. Die Komplimente. Der Trost. Die bestimmten Berührungen an ihrem Rücken, den Schultern, Armen, nahe der Kehle.
"Du hast eine Familie. Eine, die dich liebt, so wie du bist."
Und irgendwie, all den Lehren der Vergangenheit zum Trotz, glaubte sie daran.
Jetzt, Stunden später, schmeckte die Erinnerung bereits nach Asche.
Die Umarmung war dem Impuls einer überwältigenden Hoffnung und Zuversicht gefolgt, eine törichte Ignorenz gegen alle inneren Warnungen und für einen zeitlosen langen Moment schien es genug. Unvermeidlich, dass es das nicht war, nicht sein konnte: Die Ernüchterung war allzu rasch gefolgt
"Das .. wirst du .. nicht wiederholen."
So ein einfacher Satz, der noch eine halbe Stunde zuvor harmlos an Fel abgeglitten wären, vielleicht mit mehr Verwunderung als Irritation zur Kenntnis genommen. Natürlich. Was auch sonst? Aber jetzt stach es geradewegs durch den vorher weich geklopften Panzer.
Lächeln. Nicken. Funktionieren. Fel hatte Ärgeres überstanden, aber dennoch blieb der Schmerz in den folgenden Stunden ein treuer Begleiter.
Zumindest einen Lichtblick gab es dabei: Er würde die Sache diskret behandeln. Kein Mensch würde je davon erfahren.
'Die Illusion von Ordnung im Chaos. Wobei selbst das seine Muster hat.'
Dieses Bemühen, so sinnierte Fel, während sie mit müden Augen die eigenen Ausführungen zum Wort der Macht AN überflog, ergänzt um einen ebenfalls aus eigener Hand stammenden, kaum einen Mond alten Kommentar, zog sich wie ein roter Faden durch alles, was sie berührte: Die Notwendigkeit zu begreifen, zu definieren, zu beschreiben.
'Nur, was einen Namen hat, ist wirklich. Die Aufmerksamkeit zieht es aus der Ungewissheit des Möglichen in die kalte Realität und dorthin verblasst es letztlich auch wieder. Nichts ist beständig.'
Die Gedanken hüteten sich die Ereignisse des letzten Abends zu streifen, überwanden stattdessen eine Kluft von vier Jahren und zerrten die Erinnerung an das erste Zusammentreffen mit Arngrimm Jerwalson zurück an die Oberfläche. Dieses Zusammentreffen war geprägt gewesen von ohnmächtiger Machtlosigkeit, erschüttert durch die Hinrichtung von Fels vorheriger Lehrmeisterin im Innenhof der Kaserne, ausgeführt von Soldaten, die die gleiche Uniform trugen, wie sie nun auch. Selbst im Blick zurück fand Fel es unmöglich das Gefühl von Verbitterung und Zorn abzuschütteln, das alle Eindrücke färbte wie getöntes Glas. Die Monate danach waren nicht viel besser gewesen, auch wenn ..
"Du scheiterst, weil du dich selbst von Zweifeln zerfrisst."
Dieser Satz war kein Teil der Vergangenheit, sondern ein Relikt des letzten Abends, emporgestreckt nun wie ein mahnender Zeigefinger. Anderes umgab ihn wie einen Mantel: Die Vergleiche. Die Komplimente. Der Trost. Die bestimmten Berührungen an ihrem Rücken, den Schultern, Armen, nahe der Kehle.
"Du hast eine Familie. Eine, die dich liebt, so wie du bist."
Und irgendwie, all den Lehren der Vergangenheit zum Trotz, glaubte sie daran.
Jetzt, Stunden später, schmeckte die Erinnerung bereits nach Asche.
Die Umarmung war dem Impuls einer überwältigenden Hoffnung und Zuversicht gefolgt, eine törichte Ignorenz gegen alle inneren Warnungen und für einen zeitlosen langen Moment schien es genug. Unvermeidlich, dass es das nicht war, nicht sein konnte: Die Ernüchterung war allzu rasch gefolgt
"Das .. wirst du .. nicht wiederholen."
So ein einfacher Satz, der noch eine halbe Stunde zuvor harmlos an Fel abgeglitten wären, vielleicht mit mehr Verwunderung als Irritation zur Kenntnis genommen. Natürlich. Was auch sonst? Aber jetzt stach es geradewegs durch den vorher weich geklopften Panzer.
Lächeln. Nicken. Funktionieren. Fel hatte Ärgeres überstanden, aber dennoch blieb der Schmerz in den folgenden Stunden ein treuer Begleiter.
Zumindest einen Lichtblick gab es dabei: Er würde die Sache diskret behandeln. Kein Mensch würde je davon erfahren.
Hello darkness my old friend
Die Hände brauchten nicht viel Aufmerksamkeit für ihre Arbeit, das erlaubte den Gedanken ganz frei zu fliessen, ganz anders als es noch beim Verfassen des letzten Protokolls der Fall gewesen war. Nun war die Stunde bereits so weit fortgeschritten, dass die Dunkelheit vor dem Zelt nahezu undurchdringlich erschien, nur gestört durch die falschen Sterne des Lichtscheins von der anderen Seite. Von Primus.
Wie die andere Seite wohl war? Welche Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten hatten sich dort miteinander verbunden, um die Geschicke der Welt in eine andere Richtung zu beugen?
Der Name, so entschied die Halbelfe, während Pergamente glattgestrichen, dann sorgsam zwischen Klemmbretter geordnet wurden, war gut gewählt: Mit Primus musste alles begonnen haben, der erste Trieb, der schliesslich zurückgewuchert war, um eine andere Wirklichkeit zu zeugen, durch Interferenz eine Variante zu erzeugen.
'Ab welchem Punkt haben wir tatsächlich begonnen zu existieren? Ich hätte mich wirklich einmal an die Skala machen sollten. Alles wäre einfacher mit meßbaren, quantifizierbaren Aussagen zur Abweichung und Ähnlichkeit.'
Der Gedanke hätte zu einem anderen Zeitpunkt den Eifer Fels angestachelt, aber nicht heute. Nicht hier in einem menschenverlassenen Zelt unter dem erdrückenden Joch der Nacht. Nicht mit einem Gefühl von Bitterkeit auf den Lippen, das sein lächelndes Haupt hob wie zu einem Gruß.
'Willkommen zurück. Hast du mich vermisst?'
Andere Begleiter kamen und gingen, aber das Gefühl war stetig. Nie für wirklich lange fort, immer im Hintergrund der Aufmerksamkeit lauernd. Unmöglich davor davon zu laufen, unmöglich sich davor zu verstecken. Und gerade nun streckte es sich zu allzu vertrauter Pracht, flüsterte von vergangenen Entscheidungen, von Fehlschlägen und Enttäuschungen. Aber auch vom Überleben.
Die Banden. Die Straßen Breitenbachs. Haus Telketh und die dort wartenden Konflikte. Die blinde Seherin. Die Armee und der Handel mit Jerwalson. Der Schiffsbruch schliesslich, der Neuanfang und die damit einhergehenden Anstöße hier und dort. Final die Kollision des letzten, gerade zurückliegenden Abends.
Das Muster war zu vertraut und die Antwort in gleicher Weise, hatte Fel all die Jahre nicht weniger getreu begleitet als die nun würgende Enge im Hals, während Gurte festgezurrt wurden. Es war mehr Gepäck als jemals zuvor, aber nicht soviel, als dass es sich nicht würde bewältigen lassen.
Der dunkle Nachthimmel öffnete sich über der Halbelfe, Ungewissheit verheissend. Aber letztlich würde sich ein Weg finden.
Das Zelt im Hafen Nebelhafens blieb zurück - fast unverändert für das eilige Auge. Nur die persönlichen Gegenstände und die Bettstatt Fels fehlten.
Wie die andere Seite wohl war? Welche Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten hatten sich dort miteinander verbunden, um die Geschicke der Welt in eine andere Richtung zu beugen?
Der Name, so entschied die Halbelfe, während Pergamente glattgestrichen, dann sorgsam zwischen Klemmbretter geordnet wurden, war gut gewählt: Mit Primus musste alles begonnen haben, der erste Trieb, der schliesslich zurückgewuchert war, um eine andere Wirklichkeit zu zeugen, durch Interferenz eine Variante zu erzeugen.
'Ab welchem Punkt haben wir tatsächlich begonnen zu existieren? Ich hätte mich wirklich einmal an die Skala machen sollten. Alles wäre einfacher mit meßbaren, quantifizierbaren Aussagen zur Abweichung und Ähnlichkeit.'
Der Gedanke hätte zu einem anderen Zeitpunkt den Eifer Fels angestachelt, aber nicht heute. Nicht hier in einem menschenverlassenen Zelt unter dem erdrückenden Joch der Nacht. Nicht mit einem Gefühl von Bitterkeit auf den Lippen, das sein lächelndes Haupt hob wie zu einem Gruß.
'Willkommen zurück. Hast du mich vermisst?'
Andere Begleiter kamen und gingen, aber das Gefühl war stetig. Nie für wirklich lange fort, immer im Hintergrund der Aufmerksamkeit lauernd. Unmöglich davor davon zu laufen, unmöglich sich davor zu verstecken. Und gerade nun streckte es sich zu allzu vertrauter Pracht, flüsterte von vergangenen Entscheidungen, von Fehlschlägen und Enttäuschungen. Aber auch vom Überleben.
Die Banden. Die Straßen Breitenbachs. Haus Telketh und die dort wartenden Konflikte. Die blinde Seherin. Die Armee und der Handel mit Jerwalson. Der Schiffsbruch schliesslich, der Neuanfang und die damit einhergehenden Anstöße hier und dort. Final die Kollision des letzten, gerade zurückliegenden Abends.
Das Muster war zu vertraut und die Antwort in gleicher Weise, hatte Fel all die Jahre nicht weniger getreu begleitet als die nun würgende Enge im Hals, während Gurte festgezurrt wurden. Es war mehr Gepäck als jemals zuvor, aber nicht soviel, als dass es sich nicht würde bewältigen lassen.
Der dunkle Nachthimmel öffnete sich über der Halbelfe, Ungewissheit verheissend. Aber letztlich würde sich ein Weg finden.
Das Zelt im Hafen Nebelhafens blieb zurück - fast unverändert für das eilige Auge. Nur die persönlichen Gegenstände und die Bettstatt Fels fehlten.