Zwischen Spiegelbild und Wahrheit
Surom – am Brunnen
Der Stein unter ihm war kühl. Wie so oft, wenn Gedanken schwerer wogen als Worte, saß Baithan still
am Platz des Brunnens in Surom...
Der Markt war leergefegt, das Treiben des Tages verklungen, und
einzig das gleichmäßige Murmeln des Wassers wagte, sich noch zu regen.
Im fernen Winkel der Stadt pochte das Hämmern der Schmiede, stoisch, wie ein Herzschlag, der sich
weigerte, zu ruhen.
Die Gespräche des Tages? Verklungen. Versickert wie Wasser im Sand.
Da sah er sie.
Sein Blick hob sich kaum merklich, verborgen unter dem Schatten der Kapuze.
Sie kam hoch zu Ross – eine Silhouette im Zwielicht. Ihr Gewand schien das Licht zu verschlucken mit
jedem Schritt, den das Pferd tat. Noch ehe sie abstieg, ließ ihr Gang keinen Zweifel:
Hier ritt jemand,
der keine Erlaubnis brauchte.
Katherine...
War das ihr Name? Ja… Katherine Sawyer. Die Erinnerung war wie Nebel: verschwommen in den
Rändern, doch klar in der Mitte.
Hochmaga
Leiterin der Akademie.
Baithan erhob sich. Nicht hastig, nicht zögerlich – vielmehr mit der Bedächtigkeit eines Mannes, der
seine Entscheidung schon vor Minuten getroffen hatte.
Die Worte waren noch nicht bereit. Aber sein Schritt war es.
Was sag ich ihr?
Was, wenn sie... nicht hört? Oder schlimmer – wenn sie antwortet?
Er trat näher. Gesprochene Worte, gesehene Gesten...
Sie blieb stehen. Ihr Blick traf den seinen, nicht kalt, nicht warm – abwartend.
„Bei diesen Nächten, Vorsicht ist ratsam. Paladine durchstreifen die Grenzlande. Sie
suchen nach Gläubigen – oder solchen, die es sein sollten.“
Ihre Stimme war leise, aber bestimmt. Wie ein Messer, das nicht droht, sondern schlicht vorhanden
ist.
Er nickte kaum merklich.
Paladine. Hier? Warum jetzt?
Wieder ruft der Glaube den Krieg wach… wie immer.
Er wollte sprechen, überlegte noch – doch die Worte flossen, klarer als erwartet, wie Wasser aus
einer unberührten Quelle.
„Man sagt, Klarheit liegt in Kraft. Aber vielleicht liegt sie in Ordnung. Vielleicht ist der Glaube selbst
nicht Kraft... sondern Klarheit.“
Seine Stimme war ruhig, doch seine Gedanken rangen.
Ich muss wissen, warum. Warum ich brenne – und nicht verglühe. Warum es mich traf. Und nicht
einen anderen.
Jetzt fragen. Jetzt, oder nie wieder.
Sie musterte ihn einen Moment – kein Urteil, nur Prüfung. Dann nickte sie.
„Manche Antworten“, sagte sie leise, „brauchen Räume, die mehr hören als nur das Ohr.“
Und sie wandte sich ab.
Er zögerte nur einen Atemzug – Was, wenn sie ihn prüft? – doch folgte ihr.
Schweigend...
Die Hallen der Akademie waren still, wie sie nur nachts still sein konnten.
Was tue ich hier? Ich hätte warten sollen.
Nein.
Ich hätte gehen sollen.
Aber vielleicht... vielleicht ist
Direktheit die einzige Wahrheit, die ihr Gewicht trägt.
Sie führte ihn durchs Obergeschoss – nicht in die große Halle, nicht in die Bibliothek, sondern in ein
schlichtes Gemach. Kein sonderlicher Prunk. Kein Tadel. Nur Holz, Stein und Stille, einzig in einem Kamin loderte
das Feuer.
Sie legte die Robe ab und legte sie sorgfältig neben sich, ehe sie sich setzte.
„Setzt Euch“, sagte sie, ohne aufzusehen.
Er setzte sich. Nicht aus Gehorsam – aus Notwendigkeit.
Sie sah ihn an. Direkt...
„Also sprich, Baithan – wie kann ich helfen?“
Ihre Stimme war ruhig, aber nicht leer. Kein Ton des Mitleids, kein Zug von Ungeduld. Nur
Bereitschaft. Und das machte es schwerer, nicht leichter.

Er atmete einmal tief ein, ließ den Blick für einen Moment an der Maserung des Holzes entlangwandern. Worte waren nie das Problem gewesen.
Nur... die richtigen. „Meine Fragen sind drängender als jede Antwort. Und das, was mir einst gewiss schien… zeigt sich nun nur noch als Schattenriss. Eine Andeutung. Keine Wahrheit.“

Warum bricht das, was einst fest war? Warum flackert selbst das, was brennen sollte? Wieder war da dieser Gedanke.
Kelrea...
Ihre Worte hallten in ihm nach, wie Wasser in einer stillen Zisterne. Klarheit. Balance.
Er hatte sie damals kaum verstanden – und nun verfolgten sie ihn. „Ich suche nicht mehr nach Macht.
Ich suche nach dem einen Weg, an dem der Sturm in mir innehält... und die Wurzeln beginnen zu sprechen.“ War das überhaupt möglich?
Dass etwas in ihm Wurzeln schlug, statt nur zu brennen?

Philosophische
Stille senkte sich über den Raum, schwer und zugleich befreiend.
Die Zeit verging, unbemerkt, wie Nebel, der sich verzieht, ohne dass man ihn gehen sieht.
Die Glut im Kamin war inzwischen schwächer geworden, ihr Licht zuckte nur noch gelegentlich über die Wände.
Auch sie - Katherine - war müde.

Doch gerade in dieser Müdigkeit... öffnete sich etwas.
Nicht laut. Kein Riss, kein Aufschrei.
Eine Möglichkeit...
Vielleicht nur eine unter vielen – aber eine, und das genügte… Und Baithan, der so lange gezögert hatte, griff nach ihr.
Nicht mit der Hast eines Verzweifelten, sondern mit der stillen Entschlossenheit eines Mannes, der genug gewartet hat.
Er sprach weiter. Tiefer. Ehrlicher. Es geschah genau das, was er so lange gemieden hatte: Er legte sich selbst offen.
Nicht mit Demut, nicht mit Reue – sondern mit Klarheit.
Seine Seele – bloßgelegt...
Nicht vor Scham...
Nicht vor Stolz...
Nur... wie sie war...
Vielleicht war das die eigentliche Prüfung.

Querverweis - Eine Abhandlung über die Philosophische Sichtweise zu den Wörtern der Macht - Affectus desideri
Nicht das Finden der Wahrheit, sondern das Aussprechen dessen, was man schon längst wusste.
Surom – am Brunnen
Der Stein unter ihm war kühl. Wie so oft, wenn Gedanken schwerer wogen als Worte, saß Baithan still
am Platz des Brunnens in Surom...
Der Markt war leergefegt, das Treiben des Tages verklungen, und
einzig das gleichmäßige Murmeln des Wassers wagte, sich noch zu regen.
Im fernen Winkel der Stadt pochte das Hämmern der Schmiede, stoisch, wie ein Herzschlag, der sich
weigerte, zu ruhen.
Die Gespräche des Tages? Verklungen. Versickert wie Wasser im Sand.
Da sah er sie.
Sein Blick hob sich kaum merklich, verborgen unter dem Schatten der Kapuze.
Sie kam hoch zu Ross – eine Silhouette im Zwielicht. Ihr Gewand schien das Licht zu verschlucken mit
jedem Schritt, den das Pferd tat. Noch ehe sie abstieg, ließ ihr Gang keinen Zweifel:
Hier ritt jemand,
der keine Erlaubnis brauchte.
Katherine...
War das ihr Name? Ja… Katherine Sawyer. Die Erinnerung war wie Nebel: verschwommen in den
Rändern, doch klar in der Mitte.
Hochmaga
Leiterin der Akademie.
Baithan erhob sich. Nicht hastig, nicht zögerlich – vielmehr mit der Bedächtigkeit eines Mannes, der
seine Entscheidung schon vor Minuten getroffen hatte.
Die Worte waren noch nicht bereit. Aber sein Schritt war es.
Was sag ich ihr?
Was, wenn sie... nicht hört? Oder schlimmer – wenn sie antwortet?
Er trat näher. Gesprochene Worte, gesehene Gesten...
Sie blieb stehen. Ihr Blick traf den seinen, nicht kalt, nicht warm – abwartend.
„Bei diesen Nächten, Vorsicht ist ratsam. Paladine durchstreifen die Grenzlande. Sie
suchen nach Gläubigen – oder solchen, die es sein sollten.“
Ihre Stimme war leise, aber bestimmt. Wie ein Messer, das nicht droht, sondern schlicht vorhanden
ist.
Er nickte kaum merklich.
Paladine. Hier? Warum jetzt?
Wieder ruft der Glaube den Krieg wach… wie immer.
Er wollte sprechen, überlegte noch – doch die Worte flossen, klarer als erwartet, wie Wasser aus
einer unberührten Quelle.
„Man sagt, Klarheit liegt in Kraft. Aber vielleicht liegt sie in Ordnung. Vielleicht ist der Glaube selbst
nicht Kraft... sondern Klarheit.“
Seine Stimme war ruhig, doch seine Gedanken rangen.
Ich muss wissen, warum. Warum ich brenne – und nicht verglühe. Warum es mich traf. Und nicht
einen anderen.
Jetzt fragen. Jetzt, oder nie wieder.
Sie musterte ihn einen Moment – kein Urteil, nur Prüfung. Dann nickte sie.
„Manche Antworten“, sagte sie leise, „brauchen Räume, die mehr hören als nur das Ohr.“
Und sie wandte sich ab.
Er zögerte nur einen Atemzug – Was, wenn sie ihn prüft? – doch folgte ihr.
Schweigend...
Die Hallen der Akademie waren still, wie sie nur nachts still sein konnten.
Was tue ich hier? Ich hätte warten sollen.
Nein.
Ich hätte gehen sollen.
Aber vielleicht... vielleicht ist
Direktheit die einzige Wahrheit, die ihr Gewicht trägt.
Sie führte ihn durchs Obergeschoss – nicht in die große Halle, nicht in die Bibliothek, sondern in ein
schlichtes Gemach. Kein sonderlicher Prunk. Kein Tadel. Nur Holz, Stein und Stille, einzig in einem Kamin loderte
das Feuer.
Sie legte die Robe ab und legte sie sorgfältig neben sich, ehe sie sich setzte.
„Setzt Euch“, sagte sie, ohne aufzusehen.
Er setzte sich. Nicht aus Gehorsam – aus Notwendigkeit.
Sie sah ihn an. Direkt...
„Also sprich, Baithan – wie kann ich helfen?“
Ihre Stimme war ruhig, aber nicht leer. Kein Ton des Mitleids, kein Zug von Ungeduld. Nur
Bereitschaft. Und das machte es schwerer, nicht leichter.

Er atmete einmal tief ein, ließ den Blick für einen Moment an der Maserung des Holzes entlangwandern. Worte waren nie das Problem gewesen.
Nur... die richtigen. „Meine Fragen sind drängender als jede Antwort. Und das, was mir einst gewiss schien… zeigt sich nun nur noch als Schattenriss. Eine Andeutung. Keine Wahrheit.“

Warum bricht das, was einst fest war? Warum flackert selbst das, was brennen sollte? Wieder war da dieser Gedanke.
Kelrea...
Ihre Worte hallten in ihm nach, wie Wasser in einer stillen Zisterne. Klarheit. Balance.
Er hatte sie damals kaum verstanden – und nun verfolgten sie ihn. „Ich suche nicht mehr nach Macht.
Ich suche nach dem einen Weg, an dem der Sturm in mir innehält... und die Wurzeln beginnen zu sprechen.“ War das überhaupt möglich?
Dass etwas in ihm Wurzeln schlug, statt nur zu brennen?

Philosophische
Stille senkte sich über den Raum, schwer und zugleich befreiend.
Die Zeit verging, unbemerkt, wie Nebel, der sich verzieht, ohne dass man ihn gehen sieht.
Die Glut im Kamin war inzwischen schwächer geworden, ihr Licht zuckte nur noch gelegentlich über die Wände.
Auch sie - Katherine - war müde.

Doch gerade in dieser Müdigkeit... öffnete sich etwas.
Nicht laut. Kein Riss, kein Aufschrei.
Eine Möglichkeit...
Vielleicht nur eine unter vielen – aber eine, und das genügte… Und Baithan, der so lange gezögert hatte, griff nach ihr.
Nicht mit der Hast eines Verzweifelten, sondern mit der stillen Entschlossenheit eines Mannes, der genug gewartet hat.
Er sprach weiter. Tiefer. Ehrlicher. Es geschah genau das, was er so lange gemieden hatte: Er legte sich selbst offen.
Nicht mit Demut, nicht mit Reue – sondern mit Klarheit.
Seine Seele – bloßgelegt...
Nicht vor Scham...
Nicht vor Stolz...
Nur... wie sie war...
Vielleicht war das die eigentliche Prüfung.

Querverweis - Eine Abhandlung über die Philosophische Sichtweise zu den Wörtern der Macht - Affectus desideri
Nicht das Finden der Wahrheit, sondern das Aussprechen dessen, was man schon längst wusste.