Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

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Pandor Vildaban
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Re: Wolfsspuren - Alte Erinnerungen und neue Wege

Beitrag von Pandor Vildaban »

Pandor stand am Türrahmen ihres Schlafzimmers und betrachtete Mirja im halbdunkel.
Die Schwärze der Nacht lag noch schwer auf dem Hof, aber er hatte den leichten Schlaf eines Mannes, der gelernt hatte, auf jedes Geräusch zu achten.
Als Pan von der Solgardeskorte heimkam, war es das leise, unregelmäßige Atmen und das süße Schnarchen seiner Frau gewesen, das ihn als erstes begrüßte. 
Ihr Kopf war zur Seite gefallen, ihre roten Haare waren wirr über das Kissen verteilt, während die Schwellung um ihre Nase sich bereits ins Violette verfärbte.
Er kannte solche Verletzungen. Hatte seine Frau schon öfters verarztet, entweder nach heftigen Kämpfen, oder bei der Wache, als sie und er ihren Dienst taten und mit Prellungen nach Hause kamen. Aber nie so. Nie in diesem Ausmaß. Nie mit so viel unausgesprochener Geschichte darin.

Langsam trat er näher und setzte sich vorsichtig an den Bettrand. Ihre Rüstung war noch halb an ihrem Körper, als hätte sie nicht einmal mehr die Kraft gehabt, sich vollständig zu entkleiden.
Die Lederriemen hingen lose, der Waffenrock lag zerknittert neben ihr. Seine Finger glitten automatisch über die Kerben und Kratzer in den Panzerungen.
Er wusste, was das bedeutete. Er kannte den Unterschied zwischen dem Verschleiß einer einfachen Auseinandersetzung und den Spuren eines echten Kampfes.
Die Spuren, die sagten, dass sie sich gegen etwas gewehrt hatte, das nicht leicht nachgab.

"Mirja…", flüsterte er, doch sie rührte sich nicht. Der Schlaf hielt sie in eisernem Griff, tief und schwer wie bei jemandem, der zu lange gegen die Erschöpfung angekämpft hatte.

Er fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. Es war nicht das erste Mal, dass er mit diesem Gefühl dalag – dieser Mischung aus Sorge, Wut und Hilflosigkeit.
Er hatte versucht, sie darauf anzusprechen, hatte es immer wieder versucht. Aber es kam stets etwas dazwischen.
Die Kinder, die plötzlich in die Küche platzten, neugierig an den Türen lauschten oder einfach nach Aufmerksamkeit verlangten.
Gäste in der Taverne, das Tagesgeschäft, der Hof – irgendetwas unterbrach ihn immer, wenn er seine Frau zur Rede stellen wollte.
Und wenn nicht, war Mirja selbst diejenige, die ihm auswich. Ein lockerer Spruch, ein Lächeln, eine Ablenkung – sie konnte so geschickt sein, wenn sie wollte.

Aber er war nicht dumm und vor allem war er stur und in Sorge und deswegen unnachgiebig - ein Vildaban eben.

Er wusste, dass das Rudel, vor allem wegen dem Mondstein, der "Erscheinung" und den Vollmondnächten unruhig war.
Dass dort Dinge vorgingen, die selbst Mirja nicht unter Kontrolle hatte. Und wenn er ehrlich war – wie lange würde es dauern, bis es hierher kam?
Bis es vor ihrer Tür stand? Bis es nicht mehr nur Mirja war, die blutend und angeschlagen nach Hause kam?
Er konnte nicht tatenlos bleiben. Er konnte nicht einfach weiter hoffen, dass sich alles von allein löste.

Sein Blick wanderte zur Tür, als er leise Stimmen im Flur hörte. Selenja und Arken. Natürlich.
Die beiden waren alt genug, um zu spüren, wenn etwas nicht stimmte, und neugierig genug, um sich nicht abwimmeln zu lassen.
Leise seufzte er, strich sich übers Kinn und stand langsam auf. Er musste vorsichtig sein – für sie, für Mirja.
Aber wenn es so weiterging … musste er vorbereitet sein, er musste bereit sein, für seine Familie zu kämpfen.
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Pandor Vildaban
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Koboldtag - oder "Wie treibe ich sie alle in den Wahnsinn!"

Beitrag von Pandor Vildaban »

Vor langer langer Zeit, an der malerischen Ostküste Solgards, stand das prächtige Anwesen der Familie Vildaban.
Der zweistöckige Wolfsbau, umgeben von einem riesigen Garten, war nicht nur ein Ort der Ruhe, sondern auch der Heiterkeit – besonders am berüchtigten Koboldtag, an dem Streiche gespielt wurden und die kleinen Fae-Biester die Schuld bekamen. Dieser Koboldtag hat aber bei den Vildaban eine ganz besondere Bedeutung: es ist nicht nur der Tag Kobolde, sondern auch der Geburtstag von Mirja, Arken und Selenja.

 
Wie alt sie werden?
Mirja, wird sowieso nie älter! … Sie ist 29 + irgendetwas, aber die Zwillinge, Selenja und Arken, feiern an diesem Tag ihren 16. Geburtstag.
Schon in der früh hallten die ersten Flüche, Schreie aber auch prustendes Lachen durch den Wolfsbau.
Der Drahtzieher hinter diesem chaotischen Treiben war niemand Geringeres als Pandor, an diesem Tag ... alias ... "ich zahls dir heim", alias "BOHAA Papir!", alias "Wie kannst du nur!", alias "NNNNNEYY ... PAAAnNN!", alias ... *fülle hier bitte ein liebevollen Kosenamen/Schimpfort ein*. Im Grunde ein Pan, der seinem Namen alle Ehre macht - natürlich ein stolzer Krieger und fürsorglicher Familienvater.
Er liebte den Koboldtag über alles und nutzte diesen um seine Familie mit einem Schwall von Streichen an den Rand des Wahnsinns zu treiben – natürlich alles in liebevoller Absicht, denn am Abend sollte eine prächtige Geburtstagsfeier folgen.

Schon früh am Morgen begann der Schabernack.
Für Mirja hatte er sich besonders viel Mühe gegeben.
Als sie nach ihrer geheimen Keksdose griff, schnappte eine kleine Mausefalle zu – glücklicherweise harmlos, aber laut genug, um sie zu erschrecken. Ihre Laute, die sie für ein Morgenlied stimmen wollte, klang plötzlich, als würde ein sterbender Drache gurgeln – die Saiten waren vertauscht und verstimmt. In ihrer Schublade fand sie kleine, realistische Insektenattrappen, und ihre Schuhe und Socken schienen sich gegen sie verschworen zu haben: Die linken Schuhe und rechten Socken waren wie vom Winde verweht. Als sie sich einen Honigkuchen gönnen wollte, biss sie stattdessen in eine ekelige Mischung aus Fusseln – Pandor hatte den Kuchen ausgehöhlt und mit Wollfusseln aufgefüllt und wieder zugepappt. Ihre Haarklammern waren versteckt, ihre Jackentaschen mit Krimskrams aufgefüllt, und sogar ihre Zahnbürste, die plötzlich scharf nach Chilli schmeckte, waren Teil seines Meisterplans. Und als sie ihre Blusen und Hosen anziehen wollte, stellte sie fest, dass die Ärmel und Beine zu einer riesigen, unentwirrbaren Schlange verknotet waren. Selbst Mirjas Köcher war vor Pans finsteren Machenschaften nicht sicher – alle Pfeile waren mit Bolzen vertauscht.
"PAAAAAAAAAAANNNN!", grollte Mirja durch den Bau.
"... schöner Name! ... ich liebe dich auch!“  schallte der Übeltäter zurück, wobei er sich ein verschmitztes Grinsen nicht verkneifen konnte. 

 
Selenja, die ordnungsliebende Möchtegernschützin, hatte ebenfalls alle Hände voll zu tun.
Als sie ihre Stiefel anzog, zerplatzte ein rohes Ei unter ihren Füßen – in jedem ihrer Stiefel ein Ei! Ihre Pfeile, die sie für den Tag vorbereitet hatte, aber auch ihre Finger leuchteten plötzlich in knalligem Pink und Blau und Grün, weil Pandor die Befiederung in abfärbende Farbe getaucht hatte. Ihr Bogen hing unerreichbar an der Decke, festgenagelt mit kleinen Scharnieren, und ihre Socken hatten plötzlich Löcher, durch die ihre großen Zehen wie neugierige Würmer herauslugten. Ein Frosch hüpfte aus ihrer Umhängetasche, ihre heiße Schokolade schmeckte plötzlich sauer von Zitronensaft, und ihre Kommode war ein einziges Durcheinander – alle Schubladen vertauscht. Ihr einziges unangetastetes Schuhpaar klebte am Boden fest, ihr Horn war voller Mehl – würde sie zum Angriff tröten würde das Instrument eine große weiße Staubwolke herausschleudern, und ihre Zahnbürste hatte keine Fransen mehr. Als sie sich abends hinlegen wollte, fand sie statt der weichen Kissenfüllung nur raschelnde Blätter.
„Papir, das wirst du bereuen!“, rief sie ...

 "... ja ja ja ... wers glaubt wird selig ... ähh ... Vildaban!"


Arken, der junge Magier, war ebenfalls ein Opfer von Pandors Einfallsreichtum.
In vielen  Zauberbüchern, die Arken aufschlug fand er statt  mächtiger Zauberformeln nur kitschige Groschenromane. Die Ecken der restlichen Bücher waren mit kleinen Figuren bekritzelt oder angeknickt, sein Zauberhut klebte an der Kommode, und seine Reagenzien im Zauberbeutel waren durch Nüsse, Gemüseschnipsel, Steinchen und Stöckchen ersetzt worden. Seine einheitsblauen Gewänder hatten plötzlich bunte Streifen und Punkte, seine Stiefel waren untrennbar verknotet, und die Kerzen in seinem Zimmer explodierten bei jeder Zündung, weil der Vater diese mit harmlosen Knallfröschen präpariert hatte. Sein Zauberstab hing an der Decke, seine Umhängetasche war voller Fusseln, Brösel und Käfer, und seine Zahnbürste hatte keinen Kopf mehr. Sogar seine treuen Begleiter, Feuerball und die Riesenschlange, waren in bunte Kostüme gepackt und angemalt. Eine Spur aus festgeklebten Reagenzien führte aus seinem Zimmer ins Freie – eine Einladung zum Wahnsinn.
„Das ist doch Magie der übelsten Sorte!“, schimpfte er, doch auch er musste grinsen.
"... ney .... die Kobolde haben wieder zugeschlagen!
"
 
Überall im Haus hatte Pandor kleine Köstlichkeiten versteckt – süße Nusscreme mit färbender Lebensmittelfarbe, die Zungen und Zähne der ahnungslosen Opfer in leuchtenden Farben tauchte.
Als Mirja, Selenja und Arken sich am Abend trafen, sahen sie aus wie eine bunte Truppe von Jahrmarktzauberern, und funkelten den Schergen der dunklen Machenschaften, finster grinsend an. 
Ob sie es ihm jemals heimzahlen würden?


Doch der Tag endete, wie er begonnen hatte – mit Liebe und Lachen und einem Schuss VildaWahnsinns.
Die Vildabansippe versammelte sich im großen Garten, wo die Familie eine prächtige Geburtstagsfeier veranstaltete.
Die Streiche wurden vergessen, die Farben wurden gefeiert, und die Lieder von Mirja, die nun wieder ihre Laute spielen konnte, erklangen klar und schön.
Fenria und ihr Isarius und Sloan saßen zu Tisch und unterhielten sich angeregt über die Geschehnisse der letzten Tage.
Selenja schoss ihre bunten Pfeile in den Himmel, und Arken zauberte – trotz des Chaoses – kleine Feuerbälle wie ein Feuerwerk hoch in die Lüfte.
Pan tanzte mit seiner liebsten Mirja zu einem melodischen Takt, den nur sie hören konnten.
Und so wurde der Koboldtag und der Geburtstag der Vildabans ein Tag, den niemand je vergessen würde – voller Streiche, Farben und unvergesslicher Momente,
naja ... bis zum nächsten
Koboldtag!
 
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Ups – der Erste Teil oder: Von Sturköpfen und Flaschengeistern

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Es war nichts ungewöhnliches, dass Pan die Nacht über wegblieb oder erst in den Morgenstunden nach Hause kam. In den meisten Fällen wusste Mirja wo er steckte, oder ahnte es. Längst hatte sie sich daran gewöhnt und oft genug, war auch sie es, die die Nacht über unterwegs war – auch wenn der Vollmond nicht am Himmel stand. Das war ihrer Beider Art von Freiheit. Das völlige Vertrauen in den anderen und dessen Fähigkeiten und dessen Bindung an die Wesen die derjenige liebte. Sie fanden ihr Zuhause – sich einander und die Kinder – stets aufs Neue. Daher war es für Mirja nun auch an diesem Morgen erst einmal nichts dramatisches, dass Pans Bettseite leer war.
Das war sie auch gewesen, als sie in der Nacht wach wurde, als die Hunde im Garten anschlugen. Auch nichts Ungewöhnliches. Wolfonso war nun mal zum Wachhund ausgebildet und Reika schien sich ein Beispiel an ihm zu nehmen und verteidigte als ehemaliger Straßenhund ihr neues Zuhause mir Herzblut. Da die beiden sich jedoch sehr schnell wieder beruhigten, war vermutlich nur mal wieder einer von Knuts Tavernengästen falsch abgebogen. Das passiert schon mal.
Das Ganze machte erst Sinn, als sie am Morgen noch vor dem Frühstück einen Blick nach den Tieren warf und die Hunde aufgeregt am Briefkasten herumschnüffelten. Dieses Ding wurde so selten benutzt… was war da wohl los? Hatte vielleicht der Trunkenbold von der Nacht eine unliebsame Hinterlassenschaft dagelassen? Mirja verzog das Gesicht und stapfte mit dem Teebecher in der Hand zum Briefkasten. Mit spitzen Fingern öffnete sie das Kästchen, nur um erleichtert aufzuatmen, dass ihr lediglich ein kleiner Brief entgegenkam.
„Für Mirja, dringend! – Moddir“

Seltsam… Wurde der Brief etwa heute Nacht eingeworfen? Die Zeilen waren schnell gelesen und keine Zechhinterlassenschaft der Welt hätte Mirja solch eine widerliche Übelkeit bereitet, wie Fenrias Zeilen.
[…] Pandor sitzt im Kerker, er wird offenbar von einem Wüstengeist kontrolliert und hat mich angegriffen. […]

Mehr konnte sie im ersten Moment nicht aufnehmen. Im Kerker? Fenria angegriffen? Wüstengeist?
Erinnerungen blitzten auf, als dieser Dschinn sie am Brunnen bei der Akademie kurz in seiner Gewalt hatte. Pans Blick auf sie, als sie dort oben im Dschinngriff stand. Und jetzt war er selbst…? Wie war das möglich?

Sie wusste, dass Pan am Vorabend sich einmal mehr dem Heer anschloss, um Livius bei seinem Ritual zu begleiten, damit dieser den Mist zurechtrückte, den er verbockt hatte. Mirja war diesmal zuhause geblieben, um bei den Kindern zu sein. Und sie gab es zu: sie wollte nicht riskieren erneut mit Livius aneinander zu geraten. Nicht, dass sie noch festgenommen wurde. HA!
Guter Witz…

Nun musste sie erst einmal einen Kühlen Kopf bewahren. Selenja und Arken brauchten davon erst einmal noch nichts zu wissen. Nicht, solange Mirja nicht selbst wusste, was genau los war. Die Zwillinge gingen zum Glück ohne große Nachfrage ihrem Tagwerk nach. Währenddessen hatte Mirja Zeit, mehr herauszufinden. An der Garnison kam sie nicht weiter. Die dortigen Wachen waren freundlich, sahen sie auch mit einem gewissen Mitleidigen Blick an, wiesen sie jedoch mit Bestimmtheit ab. Entweder gab es also keinen Befehl sie durchzulassen, oder sein Zustand war so schlecht, dass man sie lieber nicht durchlassen wollte. Mirja musste sich wirklich beherrschen, doch wusste sie selbst, dass diese Wachen nur ihren Dienst taten und sie hatte schon lange keinerlei Befehlsgewalt mehr und so würde sie den Männern und Frauen, die an diesem Vor- und Nachmittag ihren Dienst an der Garnison taten, keinen Ärger machen. Das würde Pan auch nicht weiterhelfen…
Fenria und Sloan waren auch nicht greifbar. Der Abend rückte schon näher, als Mirja erneut bei der Garnison vorsprach, in der Hoffnung, dass inzwischen vielleicht der Hauptmann Darez anwesend sei. Aber die Antwort, die sie erhielt, überraschte sie: Pan sei gar nicht mehr da. Was zur Hölle? Und wo steckte er dann? Er sei gegangen.
Äh… ja? Aha.
Perplex war also auch Mirja wieder gegangen.

Mit Reika an der Leine stand sie verloren vor dem Hof und überlegte, wo Pan nun stecken könnte. Als Selenja auftauchte, frohen Mutes und offensichtlich auf dem Weg irgendwo hin. „Na, ist nicht heute Papans Unterricht?“, fragte die Jugendliche verständnislos zurück, als Mirja wissen wollte, wohin ihre Tochter unterwegs war. Der Unterricht… die Akademie… natürlich. Dieser Sturkopf. Was auch immer passiert war, schien ja nicht so schlimm gewesen zu sein, dass man ihn davon abhalten konnte, den Unterricht zu halten – oder?!

Tja… und dreimal dürft ihr raten, wo Mirja ihren Mann fand… genau. Völlig fertig mit der Welt, aber wild entschlossen den Unterricht zu halten. Obwohl sie diese Sturheit nach all den Jahren zur Genüge kannte – es brachte sie doch stets zur Weißglut. Und manchmal schien es, als würde dieser unverschämt gutaussehende Mistkerl genau das ausnutzen, um sie aus der Reserve zu locken. Jävla…  

Es blieb vor dem Unterricht nur wenig Zeit, um Einzelheiten zu erfahren. Für Mirjas Geschmack viel zu wenig… aber gleichzeitig genug, um zu wissen, dass es ernst war. So hatte sie Pan praktisch noch nie erlebt. Er kämpfte sichtlich noch immer mit den Nachwirkungen, allein dem Entsetzen über Fenrias vermeindlichen Tod – auch wenn er inzwischen wusste, dass es nur eine Illusion war, aber seine Verzweiflung in der Nacht war nun mal echt gewesen und hatte sich tief in sein Herz gegraben und zehrten zusammen mit der Erschöpfung an ihm. Es fiel ihr unendlich schwer, ihre Angst und ihre Sorgen niederzukämpfen, aber heute war es Pan, der sie brauchte. Er würde den geplanten Unterricht durchziehen, koste es was es wolle und nichts hätte ihn heute davon abbringen können… und danach würde sie ihn in Sicherheit bringen, damit die Paladine nicht doch noch auf die Idee kamen, ihn wieder einzusperren oder schlimmeres… sie würde die Kinder einweihen, auch wenn es schwer war, aber sie mussten gewarnt sein, sollte Pan doch noch von diesem Dschinn besessen sein.

Als hätten sie alle nicht schon genug Sorgen mit diesem dämlichen Riss da oben… Magier… am Ende waren es wieder die Magier… die Schuld daran waren und die es allein richten konnten.

Mirja war es so leid…

 
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Ups – der Zweite Teil oder: Gerechtigkeit ist nicht gleich Gerechtigkeit

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Aber wie bei den Vildaban üblich, verlief der Abend dann doch anders als geplant. Pan wollte nach Hause. Essen. Ausruhen. Mirja widersprach ihm nicht, er war so erschöpft, sie spürte förmlich, wie er allein mit der einfachen Geste ihre Hand zu halten, die restliche Kraft aufbrachte, um einfach nur gerade auszulaufen. Also nach Hause. Erst mal. Dann sehen wir weiter.
Dummerweise war ihre Tochter mit zum Unterricht ihres Vaters gekommen und Selenja war ein unglaublich aufmerksames und kluges Kind. Manchmal war es sogar schon unheimlich in welcher Art und Weise sich Mirjas und Pandors Eigenschaften in ihren Kindern widerspiegelten und besonders Selenja, mit ihrem immens starken Gerechtigkeitssinn und Auffassungsgabe, die ihresgleichen sucht, machte selbst den Eltern hin und wieder Angst… Natürlich war dem Mädchen der Zustand ihres Vaters nicht entgangen, immerhin schleppte er Augenringe bis zur Kniekehle mit sich herum und das Schwächezittern seines verletzten Arms konnte er heute deutlich weniger unterdrücken als sonst. Sie versuchte also ihren Vater zur Rede zu stellen, der jedoch wich – wie immer – auf seine Art und Weise aus und versuchte es gewissermaßen herunterzuspielen. Leider hatte er dabei einmal mehr die Rechnung ohne die Wut und Emotionen seiner Frau gemacht, die es einfach nicht mehr ertrug, wenn er so tat, als wäre nichts, während sie sah und spürte, dass es eben nicht so war.
Also erklärte sie an Pans Stelle, was los war, natürlich ohne die näheren Details wie Fenrias Illusions-Tod. Und was soll man sagen? Pan war wenig begeistert, doch zu erschöpft, um seinem Ärger wirklich Luft zu machen. Mirja verteidigte sich dennoch und kurz flammte eine Diskussion auf, die die Vildaban-Eheleute schon seit Jahren immer wieder mal führten, aber stets hatten sie darauf geachtet, dies nicht vor den Kindern zu tun… doch heute stand Selenja mittendrin und plötzlich war sie es, die sich Luft machte.

Voller Leidenschaft, Emotion und einer unfassbar riesigen Portion Frust, platzte es aus ihr die Fassungslosigkeit über die Situation heraus. Es machte sie nicht Fassungslos in was ihr Vater hineingeraten war – nicht das Erste und nicht das letzte Mal. Aber Selenja ertrug es deutlich nicht mehr, dass solche Dinge geschahen durch die Schuld Dritter und diese offenbar keine Konsequenzen erhielten. Und Mirja sah plötzlich ihr knapp 20 Jahre jüngeres Ich vor sich stehen, damals, als sie dem Orden der Ritterschaft beitrat und selbst lernen musste, dass „Gerechtigkeit“ nur auf dem Pergament einfach war und spätestens wenn Politik und Emotionen dazu kamen, es nur noch ein geflügeltes Wort darstellte. Und an diesem Punkt schien Selenja derzeit zu sein. Voller Idealer und noch mit einem ungetrübten Blick auf die Welt, welcher verzweifelt Hoffnung und Gerechtigkeit suchte, die soviel in Solgard gepredigt wurde, die sie einst durch die Zeit im Orden praktisch mit der Muttermilch aufsog. Doch das Bild ihres Ideals passte aktuell nicht auf das Bild der Realität und die beiden Eltern, die schon längst diese Realität kannten und mal mehr, mal weniger mit Zähneknirschen hinnahmen, wussten nicht so recht, wie sie ihrem Kind helfen konnten.
Leider, so schlimm es sich für Mirja und mit Sicherheit auch für Pan anfühlte, musste Selenja und auch Arken, das alles selbst lernen. Sie konnten sie dabei nur begleiten und sie unterstützen, ihre Ideale dennoch aufrecht zu halten, um sich nicht in dieser Welt zu verlieren.

Und das war der Punkt, an dem die Vildaban nun standen: Das Gefühl sie, gegen den Rest der Welt. Aus so vielen Gründen. Livius‘ Dschinn und Riss in Raum und Zeit war dabei nur der Tropfen auf dem Überlaufenden Fass. Immer wieder stellten sie in letzter Zeit fest, dass sie mit ihren Ansichten und Idealen nicht mehr einen Konsens fanden mit den fanatischen Glaubensbrüdern und -schwestern, mit Dingen, die geschahen.

Sie waren damals nach Solgard gegangen, weil es mit zwei kleineren Kindern die bessere Wahl war. Damals waren Selenja und Arken noch nicht alt genug, um sich physisch als auch verbal zur Wehr zu setzen und das, was sie um sich sahen richtig einzuordnen. Und sie wollten nach der Flucht nicht von Fenria und Sloan getrennt werden, wollten ihnen helfen die neue Heimat aufzubauen. Solgard blühte, auch wenn es nicht mehr der Stern war, unter denen die Vildaban blühen konnten und wollten.

Es wurde Zeit, für einen Neuanfang. Zeit, wieder zu ihnen selbst zu finden.

Nachdem die Emotionen in der Nacht sich langsam legten und man entschlossener als zuvor war, welche Schritte man gehen wollte, legte die Familie sich endlich schlafen. Pan hatte für den Familienstreit all seine letzten Kraftreserven mobilisiert und fiel wie ein gefällter Baum ins Bett. Völlig erschöpft schaffte er es noch, sich mit Decke und Mantel förmlich um Mirja zu wickeln, als wäre sie gerade das Zentrum, das er brauchte, um zu existieren. Ob er überhaupt noch ihre Worte hörte, wusste sie nicht, aber heute Nacht war sie es, die über ihn wachte. Mehr als einmal begann er im Schlaf plötzlich gequält zu reden und zu rufen, als durchlebte er abermals die Schrecken der vorherigen Nacht. Und stets murmelte sie ihm leise, beruhigende Worte zu, die sie auch ihren Kindern einflüsterte, wenn diese von Albträumen geplagt kaum Schlaf fanden. Sie hielt ihn fest und strich über sein weißes Haar und sang leise Wiegenlieder, bis sie selbst erst kurz vor Morgengrauen sich erlaubte einzudösen, als er endlich ruhiger dalag…

 
Zuletzt geändert von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem am 18 Mai 2025, 10:46, insgesamt 1-mal geändert.
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Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem
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Ups – der Dritte Teil oder: Von Holzhammermethoden, vollen Schränken und neuen Plänen…

Beitrag von Mirja Vildaban | Vyktorya Alvlem »

Am nächsten Tag ging es Pan sichtlich besser, auch wenn er noch nicht ganz auf voller Höhe war und er hielt sich in der meisten Zeit auch in Mirjas Nähe auf, wobei sie sich ganz bewusst nur über völlig banale Dinge unterhielten oder sich in eine kleine Fachsimpelei über Bogenhölzer vertieften, einfach nur, um irgendwie zumindest kurz die Gedanken von den drohenden Katastrophen und ihren Plänen des Umbruchs abzulenken.
Lediglich als Mirja das Museum der Bewahrer kurz aufsuchte, um dort einen Brief für Livius zu hinterlegen und einen Boten suchte, der eine Nachricht bei der Bank in Nebelhafen abliefern sollte, hatte sie das Haus ohne ihn verlassen. Da Arken und Selenja ebenfalls unterwegs waren, hoffte Mirja einfach, dass alles gut ging.
Denn der Abend kam früh genug, als Sloan, wie schon vor ein paar Tagen angekündigt, zu Besuch kam. Sloan hatte ihr Amt als stellvertretende Statthalterin niedergelegt, praktisch hingeschmissen und Mirja um ein Treffen gebeten, weil sie einen neuen Ansatz brauchte, wie es auch für sie weiter geht. Und natürlich musste sie auf den Neuesten Stand gebracht werden, was den aktuellen Weltuntergang betraf.
Sloan Vildaban: Erholst du dich langsam Pan?
Mirja Vildaban: *fast ein bisschen, als versichere sie sich seiner Gegenwart*
Selenja Aine Vildaban: *sie hält weiter den Arm um Sloan gelegt und verfolgt die große Schmauserei*
Pandor Vildaban: *lächelt Mirja, bei der sachten Berührung liebevoll an*
Pandor Vildaban: *und sieht dann zu Sloan* jetzt wie ein Apportierball von gottgleichen Möchtegerndrachen durch die Gegend
Pandor Vildaban: geworfen zu werden, oder von Golgas Drohungen ganz Solgard zu vernichten,

Sloan Vildaban: *schließt kurz die Augen und seufzt tief*
Pandor Vildaban: oder eine Marionette eines Dschinn gewesen zu sein
Sloan Vildaban: ach du kacke
Pandor Vildaban: oder dass er mich hat glauben lassen, er hätte Fenria vor meinen Augen das Genick gebrochen
Selenja Aine Vildaban: *runzelt die Stirn *
Selenja Aine Vildaban: mooooooment.
Selenja Aine Vildaban: *hebt einen Finger und sieht Mama und Papa kritisch an*
Selenja Aine Vildaban: Das habt ihr nicht erzählt!

Pandor Vildaban: oder dass mich die Paladine wie einen potentiellen Sektenführer Asmondans ansehen ?
Selenja Aine Vildaban: *plustert die backen auf*
Mirja Vildaban: *späht kurz zu Lenja hinüber und nuschelt zwischen zwei Stück Käse irgendwas von 'soviel zu Holzhammer'*
Pandor Vildaban: Such dich was aus
Pandor Vildaban: *ringt sich ein leicht gequältes Lächeln ab*

Sloan Vildaban: oh man, Pan, was für eine Elend
Sloan Vildaban: Erstmal das körperliche, heilt das alles?

Pandor Vildaban: *die Augen leicht zusammengekniffen sieht er aus den Augenwinkeln verstohlen zu Selenja*
Pandor Vildaban: ups ...


Tja nun… der geneigte Leser dieses Schauspiels könnte sich vielleicht denken, dass das pupertierende Wolfsjunge nun in den Angriffsmodus schaltete, aber so schlimm wurde es dann doch nicht. Aber vielleicht wollte das Mädchen auch einfach nicht die Wurs-Käse-Versorgung unterbrechen, die Sloan ihr während des Abends zu Teil werden ließ. Eine Vildaban hatte nun mal auch Prioritäten.

Irgendwann kam die Sprache auch auf die Pläne der Familie. Sloan verstand die Gründe und empfand es zumindest für die vier als den logischen und richtigen Weg. Sie selbst… zögerte noch. Wie gern würde sie neu beginnen, aber Nebelhafen? Konnte sie ihren Glauben dort ausleben? Konnte sie… alles zurücklassen? Man spürte Sloans Zerrissenheit förmlich. Doch zumindest den Punkt mit dem Glauben ausleben konnte Mirja entkräften, nachdem sie sich erinnert hatte, vor Mondläufen die Gesetze Solgards und Nebelhafen abgeschrieben zu haben, um sie vor allem den Kindern zu geben, damit diese gar nicht erst in Gefahr gerieten, wegen Unwissen Ärger mit den Wachen zu bekommen.

Tja, nur wo waren diese verflixten Abschriften? Hrrmm… Die Lösung war der Vildabansche Chaosschrank. Den, den es in jedem Haushalt gibt – mal als Schrank, Schublade oder manchmal auch als Raum getarnt. Der Ort, der kurz geöffnet, Dinge hineingestopft/geworfen/gelegt wurden und dann schnell wieder alles geschlossen wurde. Naja, Vildaban hatten so einen Ort in Form eines Wandschränkchens im Wohnraum, direkt unter den Trophäen.

Selenja Aine Vildaban: *sieht über die Schulter*
Mirja Vildaban: Irgendwo... hm... da... nein... Oh... das Rezept für Käsekuchen! hm.... Aushang Jagd... hm...
Selenja Aine Vildaban: Oh! Das ist meine Mamîr!
Selenja Aine Vildaban: Die habe ich schon gesucht!

Mirja Vildaban: Hä?
Mirja Vildaban: *späht zu Lenja*

 Selenja Aine Vildaban: Da .. die Socke!
Mirja Vildaban: Was ist deine?
Mirja Vildaban: Socke?
Mirja Vildaban: *schaut wieder in den schrank und zupft dann die Socke heraus*

Selenja Aine Vildaban: *deutet zum Schrank bei ihr*
Mirja Vildaban: Aha!
Mirja Vildaban: Oh... ja... äh die wollt ich mal Stopfen.
Mirja Vildaban: *puhlt mit dem Zeigefinger durch ein Loch am Dicken Zeh*

Pandor Vildaban: Socke ?
Selenja Aine Vildaban: *lacht*
Mirja Vildaban: Deshalb ist die da drin...
Pandor Vildaban: *schüttet lachend den KopfÜ
Mirja Vildaban: *wirft die Socke dann einfach in Lenjas Richtung und wühlt weiter*
Mirja Vildaban: HA!
Mirja Vildaban: *entknittert ein Pergament*

Sloan Vildaban: *gluckst amüsiert*
Selenja Aine Vildaban: *fängt die Socke und grinst*

Das lockerte die Stimmung, nachdem diese voller Ernst, Schwermut und Frust im Raum hing. Auch Sloan schien einen Hoffnungsschimmer für sich zu sehen und wollte über alles nachdenken und sicherte den vieren zu, dass sie bei ihrem Neuanfang unterstützen wurde.

Jetzt galt es nur noch sicher zu stellen, dass dieser Dschinn Pan in Ruhe ließ und dass ihnen nicht doch noch der Himmel auf den Kopf fiel… und dann? Dann würden sie Stück für Stück die letzten Seiten des Abenteuerromans „Solgard“ umblättern, um dann in das nächste Abenteuer einzutauchen…  

„Nebelhafen“


 
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