Kapitel 6 - Glut, Dampf und Stein – Vidars Studien in der Vulkanebene
Die Sonne stand hoch, doch ihr Licht verblasste gegen das gleißende Leuchten, das aus den Rissen der Vulkanebene drang. Hier, östlich der staubtrockenen Wüste und jenseits der Prärie, lag ein Land, das zu atmen schien – jedoch nicht mit Luft, sondern mit flüssigem Feuer. Jeder Schritt ließ den Boden erzittern, Schwefeldämpfe stiegen aus Spalten, und selbst der Wind roch nach Asche. Für Vidar war dies der bisher gefährlichste Abschnitt seiner Reise: Die Glut konnte selbst einen Druiden verzehren, und doch lockte ihn die Neugier und der Gedanke an neue Erkenntnisse.
Mit einem feuchten Tuch vor Mund und Nase, den schweren Mantel mit nassen Lagen ausgekleidet, näherte er sich den ersten Lavaströmen. Schwarze Basaltfelsen ragten aus der Ebene wie erstarrte Wellen, dazwischen gurgelten Bäche aus glühendem Gestein. Und inmitten dieser Hölle regten sich Gestalten, die weder Fleisch noch Blut besaßen, sondern Urkräfte selbst –
sie gehörten eindeutig zur 3. Kategorie "Elementare Wesen". Vidar wusste, dass ein einziger unbedachter Laut sein Ende bedeuten konnte. Er wählte jede Deckung mit Bedacht, tastete sich von Fels zu Fels und beobachtete durch die zitternde Hitze der Luft. Drei Wesen erwiesen sich als beherrschend: Feuer-, Wasser- und Erdelementar – jede Spezies eine Verkörperung ihres Elements, jede auf ihre Weise bedrohlich und doch das Risiko wert, eingehendere Feldforschungen zu betreiben.
Zwischen zwei brodelnden Lavaströmen stieg ein Wirbel auf – als würde die Glut selbst Gestalt annehmen. Flammenzungen wickelten sich zu Armen, Funken platzten wie Feuerregen von einer glühenden Silhouette, deren Konturen sich ständig veränderten. In seinem Kern brannte ein gleißend weiß-gelber Lichtkegel, der alles um ihn herum in tanzende Schatten tauchte.
Das Feuerelementar bewegte sich ruhelos, als suche es ständig neues Brennmaterial. Das Wesen stieß immer wieder in eine besonders breite Spalte vor, sog sich an flüssigem Gestein satt und wuchs dabei sichtbar in die Höhe, nur um wenig später lodernd zusammenzusacken und erneut zu kreisen. Einzelne Funken lösten sich von seinem Leib, wurden jedoch sofort von magnetisch wirkenden Flammenfingern zurückgerissen – als sammle es jede Spur von Hitze und wehe sie in sein Zentrum zurück.
Sein Revier war die Grenze zwischen erstarrter Basaltkruste und offener Lava. Dort patrouillierte es wie ein Wächter des Feuers. Zweimal musste Vidar hastig zurückweichen: Schon leichtes Knirschen von Geröll ließ das Elementar abrupt herumfahren. Allein der Hitzeschock seines Blicks ließ Moose auf Vidars Umhang versengen. Ein direkter Kontakt schien ausgeschlossen – er notierte:
„Nähern nur aus Deckung von erkalteter Schlacke; jede reflektierende Oberfläche verrät mich.“
Trotz der Gefahren nahm sich Vidar Zeit, das Verhalten des Feuerelementars sorgfältig zu studieren. In geduckter Haltung, geschützt hinter einem scharfkantigen Lavablock, notierte er jede Bewegung und fertigte mit zitternder Hand eine grobe, aber eindrückliche Skizze der lodernden Gestalt an – ein Versuch, das Wesen aus Hitze und Licht in Linien zu bannen.
Auszug aus seinen Notizen:
Feuerelementar
- Aussehen: Flammenumhüllte Gestalt mit glühendem Kern; humanoide Silhouette - leuchtende Risse und Flammenzungen, die aus dem Inneren schlagen
- Alternative Form: Treten auch in kleineren, niederen Formen auf - diese wirken trotzdem bedrohlich
- Verhalten: Ruhelos, eruptiv; bewegt sich stoßweise, als würde es ständig nach einer neuen Entladung suchen - außerordentlich agressiv
- Lebensraum*: Inmitten aktiver Lavaflüsse; bevorzugt Gebiete mit Magmaseen und Vulkanschloten
- Besonderheit: Sendet Hitzewellen und -säulen aus, die Luft flirren lassen und metallene Gegenstände verformen können
Nahe einer Senke, in der ein unterirdischer Quell auftauchte und als kochender Bach zwischen Lavafeldern dahinzischte, manifestierte sich ein Wesen aus heißem Wasser zu weißem Dampf. Zunächst wirkte es wie ein aufwallender Nebel, doch bald verdichteten sich die Wolken zu einer geschwungenen Gestalt, die an einen schlanken Torso erinnerte. Tropfen kondensierten entlang dieser Form und schimmerten silbrig, bevor sie in Hitzeexplosionen verdampften.
Das Wasserelementar war überraschend anmutig. Er schwebte dicht über dem Boden und tastete mit wabernden, armähnlichen Dampfschwaden nach Rissen, aus denen Wasser quoll. Sobald es einen Zufluss fand, zog es Flüssigkeit blitzschnell in sich hinein – die Gestalt flutete, nahm eine bläuliche Farbe an, wurde kompakter und stieß dann plötzlich eine Druckwelle aus – ein greller Pfiff, gefolgt von peitschendem Dampf, der die Lava knisternd abkühlte und teilweise Gestein sprengte.
Das Wesen hielt sich stets dort auf, wo Wasser und Lava kollidierten: Dampfaustrittstellen, geothermale Quellen, versteckte Spalten. Die beständige Feuchtigkeit um ihn herum ermöglichte Vidar einen riskanten Vorteil: Hinter Dampfvorhängen konnte er sich annähern, ohne sofort entdeckt zu werden. Doch bei jeder Druckentladung schleuderte kochendes Wasser in alle Richtungen – eine einzige Spritzfontäne hätte gereicht, um Haut und Kleidung zu verätzen.
„Beobachtung nur aus erhöhter Position – Gischt wird zum brühenden Hagel“, vermerkte er.
Vidar nutzte eine zerklüftete Felsnase oberhalb der Quelle, um das mit Wasser gefüllte Wesen unbemerkt zu beobachten. Dabei hielt er jede seiner Erscheinungsformen mit schnellen Skizzen in seinem Notizbuch fest und versuchte, das stets wandelbare Spiel von Nebel und Flüssigkeit mit wenigen Strichen zu fassen – begleitet von präzisen Notizen zu seinem Verhalten und seinen Druckentladungen.
Auszug aus seinen Notizen:
Wasserelementar
- Aussehen: Schimmernde, ständig wechselnde Form aus Wasser und Dampf; teilwesie humanoide Silhouette
- Alternative Form: Treten auch in kleineren, niederen Formen auf - diese wirken trotzdem bedrohlich
- Verhalten: Schwankend zwischen ruhigem Fließen und abruptem Zischen; kann sich scheinbar auflösen und neu formieren
- Lebensraum*: Am Übergang von Lava zu Grundwasserquellen; dort, wo Hitze und Feuchtigkeit kollidieren
- Besonderheit: Kann durch Dampfexplosionen plötzlich verschwinden oder die Sicht vollständig vernebeln
Auf einer scheinbar festen Landzunge aus dunklem Obsidian zitterte der Boden. Langsam erhob sich ein grob geformter Koloss – kein scharfer Umriss, sondern gestapelte Brocken vulkanischen Gesteins, die wie von unsichtbaren Fugen zusammengehalten wurden. Glühende Risse pulsierten in seinem Innern – jede Bewegung offenbarte rote Linien, die sogleich wieder verglasten.
Das Erdelementar wirkte träge, aber seine Schritte ließen die Ebene erzittern. Es schob geborstenen Fels vor sich her, stapelte ihn zu barriereartigen Wällen rund um ein Areal von frisch erstarrter Lava. Vidar erkannte darin ein Muster – Territorialverhalten. Zwei Mal stieß der Koloss dumpf auf das Gestein; der Schall wanderte durch die Kruste. Kurz darauf brach an anderer Stelle eine dünne Schicht und heißer Rauch entwich – als prüfe das Elementar die Stabilität seiner Umgebung.
Das Wesen bevorzugte Zonen, in denen Lava zu Basalt erkaltet war, doch noch Hitze in Hohlräumen glomm. Wenn der Koloss stand, verschmolz er nahezu mit der Landschaft – nur die gelegentlichen Glutadern verrieten ihn. Vidar musste weite Bögen schlagen, denn Erschütterungen lockten das Wesen an: Ein fehlgetretener Kiesel, der in eine Spalte stürzte, ließ das Elementar aufhorchen – dann wälzte er sich polternd heran.
„Ruhe ist Überleben; jeder Schritt muss klingen wie keiner“, warnte sich Vidar selbst.
In sicherer Entfernung zwischen zwei eingestürzten Gesteinskämmen verharrte Vidar minutenlang, manchmal gar stundenlang, um die Bewegungsmuster des massiven Wesens zu entschlüsseln. Er zeichnete den groben Umriss des Kolosses und versuchte die gestapelten Felsen detailgetreu aufs Papier zu bringen – seine Notizen spiegelten eine stille Ehrfurcht wider vor der wuchtigen Ruhe, mit der sich dieser Gigant bewegte.
Auszug aus seinen Notizen:
Erdelementar
- Aussehen: Massiver Körper aus grauem oder dunklem Gestein und Basaltplatten; teilweise durchzogen von leuchtenden Adern aus Magma
- Alternative Form: Treten auch in kleineren, niederen Formen auf - diese wirken trotzdem bedrohlich
- Verhalten: Langsam, bedächtig, aber kraftvoll; reagiert nur auf Störungen im Erdreich
- Lebensraum*: Nahe erstarrter Lavazungen, Lavahöhlen oder im Schatten großer Gesteinsformationen
- Besonderheit: Jeder Schritt lässt den Boden erbeben; kann sich in Gestein „verhärten“ und somit unsichtbar werden
Zwischen zwei erkalteten Lavaplatten, am Rand des gesprungenen Magmagesteins, fiel der Blick des Druiden auf etwas Ungewöhnliches. Zwischen dunklem, porösem Brocken schimmerte ein matter rötlicher Glanz. Er kniete sich nieder und hob vorsichtig einen kleinen, gebrochenen Stein auf – rau an der Oberfläche, doch im Inneren war ein winziger Lavakern eingeschlossen, der noch immer schwach glomm. Offensichtlich war die Lava darin einst auf geheimnisvolle Weise zum Stillstand gekommen, ohne ihren Glanz ganz zu verlieren. Für Vidar war dieser Stein ein Sinnbild für die rohe, unzähmbare Macht der Vulkanebene – gebändigt, aber nicht ausgelöscht. Er ließ ihn in einen Beutel gleiten, um ihn als Symbol dieser Expedition aufzubewahren.
Mit diesem Fund beendete Vidar seine Beobachtungen auf der Vulkanebene. Die extreme Hitze, die ständige Bedrohung durch die urgewaltigen Elementarwesen und die unstete Beschaffenheit des Bodens machten einen längeren Aufenthalt unmöglich. Er löschte das Tuch an seiner Stirn mit dem letzten Rest Wasser, beobachtete noch einen Herzschlag lang, wie Dampf, Flamme und Stein in dieser Ebene ein endloses Schauspiel gaben, und zog sich über eine erkaltete Aschenrampe zurück. In seinen Notizen hielt er fest:
„Hier unten herrschen keine Launen, sondern Urinstinkte. Die Feuerseele sucht Brennstoff, die Wasserseele ergießt und verdampft, die Erdseele schützt ihren harten Leib. Ich darf sie weder Feinden noch Freunden nennen – sie sind Kräfte und bewachen ihr Territorium... meine Aufgabe bleibt zu sehen, zu lernen und das Gleichgewicht nicht zu stören.“
Mit pochenden Schläfen und verbrannter Luft in der Lunge ließ er die Vulkanebene hinter sich. Doch das Grollen, das Zischen und das dumpfe Poltern der Elementare klangen noch lange in seinem Geist nach – Vorboten weiterer Rätsel, die dieser lebende Kontinent bereithielt.
*OOC: Lebensraum bezogen auf dieses Kapitel, Vidar wird diese Wesen auch noch in anderen Biomen vorfinden.