Gedankenverloren blätterte Zlata durch das abgegriffene Notizbuch, welches so oft in ihren Händen lag. Der lederne Umschlag war am Rücken und den Ecken glatt gerieben und dunkel. Die vorderen Seiten waren so oft umgeblättert worden, dass sie selbst im geschlossenen Zustand ungleichmäßige Wellen warfen. Jede Seite war von oben bis unten gefüllt mit Skizzen, Schemata und gekritzelten Kurznotizen zu Menschen, Maschinen, Magie und Kuriositäten.
Es war kein Geheimnis, dass die neugierige Rothaarige mehrere Gehirne pflegte. Das in ihrem Kopf, welches zu allen Zeiten bereit war, neugierig alles Wissen aufzusaugen das es finden konnte, und jenes auf dem Papier, welches als Überlauf diente. Ja, es gab nur wenig, das sie mehr liebte als zu lesen und schreiben.
Es war kein Geheimnis, dass die neugierige Rothaarige mehrere Gehirne pflegte. Das in ihrem Kopf, welches zu allen Zeiten bereit war, neugierig alles Wissen aufzusaugen das es finden konnte, und jenes auf dem Papier, welches als Überlauf diente. Ja, es gab nur wenig, das sie mehr liebte als zu lesen und schreiben.
Manche Zeilen jedoch schrieben sich schwerer als andere.
"Werter Bruder," stand dort, auf einem sorgsam vorbereiteten Stück Pergament. Die Tinte dieser Zeile war schon längst getrocknet, doch es war, als läge ein unsichtbarer Backstein auf ihrer Schreibhand. In diesem Moment konnte sie sich kaum etwas Bedrohlicheres vorstellen, als den leeren Brief vor sich.
Wie schrieb man jemandem, der einen hasste? Wie versendete man so einen Brief an ein vergangenes Leben, ohne den Aufenthaltsort oder gar den neuen Namen des Adressaten zu kennen? Wie schrieb man so jemanden, dass man ihn noch verachtete, ja, aber dennoch vermisste? Wie bat man einen Mann um Vergebung, der nicht vergeben konnte? Seufzend legte der schrullige Rotschopf den Federkiel beiseite. Die schlanken Finger legten sich stattdessen an das kleine Köpfchen von Sonnenspringer dem Frettchen, um ihn davon abzuhalten, die Feder unwiederbringlich in eines seiner unzähligen Verstecke zu entführen, die bereits von seinem Diebesgut überquollen. Das Tier reagierte auf die einzig denkbare Weise - mit nackter, zahniger Gewalt.
Während Zlata sanft mit dem Tier rang, griff ihre rechte Hand wieder nach der Feder. "Beim Herren. Nur ein Quäntchen deiner Tapferkeit, Sol...", murmelte sie. Dann begann die Hand wie von selbst schöne, ebenmäßige Lettern auf die Seite zu malen. Diszipliniert und konzentriert, ganz anders als die Kritzeleien im Notizbuch.
"Werter Bruder," stand dort, auf einem sorgsam vorbereiteten Stück Pergament. Die Tinte dieser Zeile war schon längst getrocknet, doch es war, als läge ein unsichtbarer Backstein auf ihrer Schreibhand. In diesem Moment konnte sie sich kaum etwas Bedrohlicheres vorstellen, als den leeren Brief vor sich.
Wie schrieb man jemandem, der einen hasste? Wie versendete man so einen Brief an ein vergangenes Leben, ohne den Aufenthaltsort oder gar den neuen Namen des Adressaten zu kennen? Wie schrieb man so jemanden, dass man ihn noch verachtete, ja, aber dennoch vermisste? Wie bat man einen Mann um Vergebung, der nicht vergeben konnte? Seufzend legte der schrullige Rotschopf den Federkiel beiseite. Die schlanken Finger legten sich stattdessen an das kleine Köpfchen von Sonnenspringer dem Frettchen, um ihn davon abzuhalten, die Feder unwiederbringlich in eines seiner unzähligen Verstecke zu entführen, die bereits von seinem Diebesgut überquollen. Das Tier reagierte auf die einzig denkbare Weise - mit nackter, zahniger Gewalt.
Während Zlata sanft mit dem Tier rang, griff ihre rechte Hand wieder nach der Feder. "Beim Herren. Nur ein Quäntchen deiner Tapferkeit, Sol...", murmelte sie. Dann begann die Hand wie von selbst schöne, ebenmäßige Lettern auf die Seite zu malen. Diszipliniert und konzentriert, ganz anders als die Kritzeleien im Notizbuch.
"...zweifellos wird dir dieses Schreiben augenblicklich jenen Ausdruck ungnädigen Grolls auf das Gesicht zwingen, mit dem Vater uns einst Anstand und Furcht lehrte. Ich weiß, dass ich trotz all unserer Differenzen nicht einmal in Schrift ein Geheimnis vor dir bewahren kann und so will ich es gar nicht erst versuchen. Ich werde fortfolgend kein Bedauern bezüglich Vaters Tod heucheln. Die offiziellen Befunde der Heilkundigen besagen, dass Vaters Hengst beim Besteigen des Harpyienpasses auf dem rutschigen Fels den Halt verlor und in den Abgrund stürzte. Die geläufige Meinung ist, der Ehrgeiz, das Rennen zu gewinnen, habe ihn zur Unvorsicht getrieben. Du jedoch weißt, dass unser Vater weder ein leichtsinniger noch ein ungeschickter Mann war. Es ist wahr, Pferd und Reiter starben durch einen Sturz in den Abgrund, doch die Ursache des tödlichen Sturzes war eine schleichende, lähmende Vergiftung durch ein Gebräu aus Blutmoos und Molchauge."
Zlata schluckte schwer. Der emotionale Backstein war von ihrer Hand in ihr Innerstes gewandert und schnürte ihr nun die Kehle zu. Es war nicht logisch, ein Mordgeständnis zu verschriftlichen. Dennoch schrieb sie.
"Sicherlich hast du bereits deine eigenen Schlüsse gezogen, als ich kurz nach Vaters Tod verschwand. Du weißt, dass es meine einzige Möglichkeit war zu leben. Vater billigte nicht, dass du dich der Todesmagie verschriebst, statt sein Imperium zu übernehmen, doch er duldete es. Ich weiß jedoch mit Sicherheit, dass du genauso gehandelt hättest wie ich, wäre es dein unfreiwilliger und unausweichlicher Lebenszweck gewesen, ultimativ als Braut gegen eine neue Handelslizenz oder Schiffe eingetauscht zu werden."
Die Finger der dürren Frau fühlten sich klamm und kalt an. Es fühlte sich an, als koste jede neue Zeile ihres Geständnisses ein wenig Lebenskraft. Sie war nicht stolz auf das, was sie getan hatte, auch wenn es der einzig logische Schluss gewesen war. Ihr Vater war ein kaltherziger, grausamer Mann gewesen und die Welt war ohne ihn besser dran - doch würde der Herr jemals Vatermord verzeihen können? Wohl nicht. Sanft presste sie den langen, warmen Körper des Frettchen an sich, als dieses an ihr herauf kletterte. Dann schrieb sie weiter.
"Ich habe nun eine neue Heimat in der Stadt Solgard gefunden. Vielleicht erfüllt es dich mit ein wenig Stolz, dass ich mich dort nun dem Studium der Mechanik, Konstruktion, Arkanogenese und Alchemie widme und sogar die Theorie der Magie erlerne. Zum jetzigen Zeitpunkte fordert mich der Bau einer neuartigen Balliste, eines Brandschutzartefaktes für die hiesige Universität, sowie das Intensivstudium der Metallurgie und Kristallomantie. Du siehst, die zahllosen Stunden, in denen ich mich in die Bibliothek gestohlen habe, um die Wissenschaften zu erkunden, statt höfische Manieren und Adelsgeschlechter zu studieren, haben sich also bezahlt gemacht. Danke, dass du stets einer meiner stillen Mitwisser warst.
Solgard ist eine wunderbare Stadt - ein Leuchtfeuer der Wissenschaft, Gemeinschaft und Tugend. Sie ist nicht perfekt und dennoch können meine Worte ihr nicht gerecht werden. Es war hier, dass ich nach reichlicher Überlegung entschied, den Glauben des Herrens anzunehmen. Es ist nicht leicht abzulegen, was unsere gesamte Kindheit bestimmte, namentlich den Glauben an Erfolg, Stärke und Macht. Ich sah jedoch, was es Vater einbrachte; ein einsames, kaltes Grab. Eine Schande, die ich mir nicht auferlegen lassen werde."
Solgard ist eine wunderbare Stadt - ein Leuchtfeuer der Wissenschaft, Gemeinschaft und Tugend. Sie ist nicht perfekt und dennoch können meine Worte ihr nicht gerecht werden. Es war hier, dass ich nach reichlicher Überlegung entschied, den Glauben des Herrens anzunehmen. Es ist nicht leicht abzulegen, was unsere gesamte Kindheit bestimmte, namentlich den Glauben an Erfolg, Stärke und Macht. Ich sah jedoch, was es Vater einbrachte; ein einsames, kaltes Grab. Eine Schande, die ich mir nicht auferlegen lassen werde."
Als die Feder das Ende der Seite erreichte, hielt Zlata inne. Hatte der Brief eben noch gewirkt wie ein unüberwindbares Hindernis, war er nun beinahe völlig mit Inhalt gefüllt, ohne dass sie auch nur einen Moment darüber nachgedacht hatte, was ihre Absicht mit dem Schreiben überhaupt war.
Vielleicht bedurften nicht alle Dinge einer rationalen Erklärung.
Vielleicht bedurften nicht alle Dinge einer rationalen Erklärung.
"Es grüßt - deine Schwester Zlata."