Vollmondtanz - zwei Seelen oder doch nur eine?

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Juran Klangholz
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Vollmondtanz - zwei Seelen oder doch nur eine?

Beitrag von Juran Klangholz »

Wunschkind
  
 Lange Jahre hatte das durchaus sehr gut betuchte Ehepaar Zervan und Jerisla Drebez vergebens versucht ein Kind zu zeugen. Viele Hausmittelchen hatten sie ausprobiert, Mondphasen für die perfekte Zeit studiert, Priestersegnungen durchführen lassen und tonnenweise Gold- und Platinmünzen in diverse Tränke und Salben investiert. Doch bisher war alles ohne Erfolg geblieben. Zervan gab seiner Frau in keinster Weise die Schuld an der Situation, auch wenn sein Vater ihn zunehmend härter dazu drängte sich eine andere Frau zu nehmen. Bisher hatte er jede Forderung seines Vaters stets entgegengesetzt, dass Jerisla eben die Liebe seines Lebens sei und dass eine Neuheirat nur wegen eines Erben für ihn absolut nicht in Frage kam. Nun aber drohte der alte Herr damit sogar den Sohn zu enterben und damit würde der Luxus mit dem er Jerisla täglich auf Rosen betten konnte aufhören. Der kinderlose Edelmann hegte insgeheim die Angst sie dadurch zu verlieren, auch wenn sie im stets beteuerte, das Geld sei ihr nicht wichtig. Doch er hatte lange Zeit um die schöne Tochter des Seidenhändlers geworben und erst als klarwurde das er der einzige Erbe des Edelhauses Drebez sein würde, hatte Jerislas Vater der Heirat zugestimmt. Vor Glück darüber schwebte das Liebespaar im siebten Himmel und die einzige Wolke die diesen Himmel verdunkelte war der unerfüllte Kinderwunsch und die daraus entstehenden Sorgen. Immer öfter sprach Derian dem Branntwein zu und die gesamte Stimmung im Herrenhaus des Paares war schwankend mit Streit und tränenreicher Vergebung getränkt. Jerisla verstand den Kummer ihres Mannes nur zum Teil, denn schon oft hatte sie ihm gesagt, dass - und sie war auch immer noch entschlossen es auch einzuhalten – sie lieber mit ihrem Liebsten im städtischen Armenviertel lebte, als sich von ihm zu trennen. Doch Zervan war ein Mann alter Schule und bestand darauf seine Frau nur mit dem Bestmöglichen zu verwöhnen. Dabei lud er sich selbst einen weitaus größeren Erwartungsdruck auf, als es sein Vater oder der Schwiegervater je vermocht hätten.
  
 Die Situation schien ausweglos und so lies sich der verzweifelte Zervan zu einem grausamen Fehler hinreißen, welcher die Kindheit Jurans stark beeinträchtigen sollte. Er suchte sich auf Anraten eines Zechkumpans einen Mann, welcher ihm vom Äußeren stark glich und traf mit diesem eine Vereinbarung. Der fremde Mann sollte seiner Liebsten stumm beiwohnen, nachdem er dafür gesorgt hatte, das diese ihn nicht erkennen würde. Reichlich Gold wurde versprochen und so geschah der Ehebruch, den nur der Ehemann als solches in Erinnerung behalten würde.
 Mit der Einflüsterung von lüsternen Versprechungen ließ sich Jerisla die Augen verbinden und auch zu, dass ihr Liebster ihre Hände mit den eigenen festhielt. Dass sie sich einem Anderen hingab, auf diese Idee kam sie nicht einmal. Nur die harsche fast grobe Art des Liebesspieles, welche sie aber ihren durch die verbundenen Augen geschärften Sinnen zuschrieb unterschied sich von der gewohnten Zweisamkeit.
 Tatsächlich trug der Plan Früchte und Jerisla platze fast vor Glück, als ihr Leib unter dem ungeborenen Erben anschwoll. Dieses Glück verdeckte alles was ihr hätte seltsam vorkommen müssen. Das sich ihr Mann immer mehr von ihr zurückzog und ihr seit dieser Nacht nicht mehr beilag. Das er immer häufiger trank und nicht selten die Nächte bei Freunden verbrachte. Das man unweit ihres Hauses einen Leichnam fand, welcher ihrem Liebsten erschreckend ähnelte. Das er sich abwandte wenn man ihm zur Schwangerschaft seiner Frau beglückwünschte.
 Zervan s Liebe war in dieser einen Nacht gestorben. Das Bild des Anderen, der sein Heiligstes mit seinem Körper beschmutzte und die grausamen Schuldgefühle, die ihn deswegen plagten.
 Doch er ging nicht soweit, seine daran unschuldige Gattin, deswegen zu verstoßen. Vielmehr vergrub er sich tagsüber in Geschäften um ihr jeglichen Luxus zu bieten. Mehrere Hebammen kümmerten sich bereits in den letzten drei Monaten ununterbrochen um Jerisla. Der bereits 38 jährigen, werdenden Mutter, machte die Schwangerschaft sichtlich zu schaffen. Sie ruhte viel und litt ständig unter Scheinwehen, die jedes Mal den gesamten Haushalt in Aufruhr versetzten nur um sich dann wieder zu legen. Einige Tage nach dem genau neun Monate nach dieser verhängnisvollen vergangen waren, entschlüpfte der kleine Juran dem Leib seiner Mutter und sein Schicksal nahm seinen Lauf.
 Das Glück, welches Jerislas Augen während der Schwangerschaft bereits verschleiert hatte, nahm mit der Geburt eines Stammhalters nur noch an Intensität zu. Sie kümmerte sich unabdinglich um den Säugling und gab ihn auch nicht, wies tatsächlich in ihren Gesellschaftskreisen üblich war zum Stillen an eine Amme. Im Gegenteil, so ließ sie nicht einmal zu, dass sich jemand ihrem Kind ohne ihr Beisein näherte.
 Der kleine Juran war gesundheitlich wohlauf von bester Gestalt und wies bereits, bei der Geburt ein eher dichteres, nahezu schwarzbehaartes Köpfchen vor. Erleichtert hatte das Zervan zur Kenntnis genommen, als er Mutter und Kind nach der Geburt besucht hatte. Das Einzige, was allerdings jedem guten Beobachter auffiel, waren die graublauen Augen, die auch mit dem zunehmenden Alter nicht in das familienübliche Braun umschwingen wollten.
 
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Mutterliebe oder Zwangsstörung?
  
 Was viele noch, als starke Mutterliebe bezeichneten verblasste auch in den folgenden Jahren nicht. Mancher begann hinter vorgehaltener Hand zu tuscheln, wenn der mittlerweile Fünfjahrige seine Mutter überallhin begleitete. Sie wies Einladungen zu abendlichen Gesellschaften und Festen ab, die ihren Sohn vom Schlafen abgehalten hätten. Sie achtete darauf was er zu essen bekam und überhäufte ihn mit Geschenken. Sobald er eigenständig laufen konnte, ließ sie ihn bei sich im Bett schlafen und verriegelte die Zimmertür des nächtens um zu verhindern, dass er sich ein Leides tun konnte, indem er aus ihrer Reichweite gelangte. Die ganze Körperpflege ihres Kindes übernahm Jerisla selbst und liebte vor allem die dichte Haarpracht ihres kleinen Engels. Nur ungern setzte sie die Schere an und so wurde der kleine Bub, gerade in den jungen Jahren oftmals mit einem Mädchen verwechselt. Mit zunehmendem Alter veränderte sich der Kleidungsstil, mit dem sie ihn bedachte und bald schon war es, trotz der langen Haare, eindeutig erkennbar.
 So sehr wie sich Zervan bereits vor der Geburt von seiner Frau distanziert hatte, so ignorierte er beinahe schon schmerzlich die Existenz seines Sohnes, wenn dieser zu ihm tapste. Dieser Umstand wiederum fiel Jerisla kaum auf. Eigentlich war es ihr sogar ganz lieb, wenn ihr Mann keinen Anspruch an ihrem Sohn anmeldete. Zervan überließ stillschweigend die Erziehung komplett seiner Frau. Die Male, in denen er sich einmischte ließen sich gänzlich an einer Hand abzählen.
 Mit Erreichen des siebten Lebensjahres fing für Juran der Ernst des Lebens an. Hauslehrer besuchten die Familie Drebez um ihm das Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen. Ebenso erhielt er Tanz-, Gesangs-, Flöten und Reitunterricht. Selbstverständlich war er auch dort niemals alleine mit den Lehrern. Stets blieb Jerisla bei ihrem Augenstern um dafür zu sorgen, dass ihm kein Leides geschah. Nicht das er jemals in Gefahr gewesen wäre. Im Gegensatz dazu sorgte die Übermutter durch ihre Vernarrtheit eher dafür, dass man ihn als verhätschelt und unselbstständig bezeichnen musste. Juran dagegen fiel es wenig auf, da er es nicht anders kannte. Den Reitunterricht liebte er heiß und innig. Er war fasziniert von den Pferden, welche ihm nicht so verhalten begegneten, wie die Erwachsenen um ihn herum es aus Angst vor seiner Mutter taten. Eher mit Sorge beobachtete die Mutter Jurans Pferdeliebe, denn diese Tiere waren in ihren Augen jederzeit dazu in der Lage ihren Liebling zu zertrampeln. Ihre nie abnehmende Angst davor wurde an einem Nachmittag dann schließlich bestätigt. Ein Gewitter zog auf und schon bald sollte es anfangen zu regnen. Gerade als sich Jerisla erhob um die Reitstunde vorzeitig zu beenden fuhr ein Blitz in der näheren Umgebung des Anwesens herab. Ein ohrenbetäubendes Donnern folgte kurz darauf und ließ das Pferd sich panisch aufbäumen. Natürlich so unvorhersehbar für den Jungen auf dessen Rücken, dass dieser aus dem Sattel rutschte und auf dem Boden der Weide landete, die man als Unterrichtsort ausgewählt hatte. Erschrocken schrien Mutter und Sohn auf und der Knecht traf gleichzeitig mit Jerisla beim benommenen dreinschauenden Juran ein. Entsetzt und schockiert schrie Jerisla abwechselnd auf den Knecht und einen Diener ein, währenddessen presste sie ihren Sohn an sich, welcher bis auf ein paar blaue Flecke eigentlich unversehrt war und das auch immerzu beteuerte.
 Das erste Mal in Jurans bisherigen Leben wurde er Zeuge eines Streits zwischen seinen Eltern, als seine aufgebrachte Mutter von ihrem Mann forderte den Reitunterricht einzustellen. Ohne lange zu fackeln wies Zervan einen Bediensteten an Juran aus dem Zimmer zu bringen, was Jerisla durch den unterschwellig dunklen Ton in der Stimme ihres Mannes gewarnt, unbehaglich zuließ. Von draußen hörte der Junge deutlich wie der Streit anschwoll bis ihn eine Magd mit einem Stück Kuchen in sein Zimmer lockte. Jurans Blick fiel auf das Kinderbettchen, das immer noch in dem Zimmer stand, da er nach wie vor im Bett seiner Mutter schlief. Dann jedoch genoss er seinen Kuchen und unterhielt sich das erste Mal ohne die Anwesenheit seiner Mutter mit einem anderen Menschen. Zwar wurden an diesem Tag nur oberflächliche Worte gewechselt, doch dem jungen Stammhalter wurde deutlich bewusst, wie sich die Stimmung ins Lockere veränderte, sobald die Mutter nicht anwesend war.
 Die Einmischung des Vaters hatte Erfolg und die Reitstunden wurden, nach einem Wochenlauf Unterbrechung, fortgeführt. Allerdings war es ein neuer Reitlehrer und ein anderes Pferd, mit denen er nun arbeitete. Auf seine Frage wo die vorherigen geblieben waren, antwortete Jerisla lediglich im eisigen Ton, dass gefährliche und fahrlässige Dinge entfernt gehörten.
 Schluckend verspürte Juran einen leisen Stich in seiner Brust, schwieg aber darüber.
  
 Nach dem Streit der Eltern änderte sich einiges, jedoch nicht die stete Kontrollsucht seiner Mutter. Der Vater gab nun oft Gesellschaften und Feste. Er sorgte stets dafür sich selbst Ablenkung zu verschaffen. Es war auch oft der Fall das Schausteller und Bänkelsänger über Wochen oder gar Monate auf dem Anwesen blieben. Viele für den mittlerweile 10 jährigen Juran, interessante Dinge, blieben ihm jedoch durch die Mutter verwehrt. So durfte er nie die Gaukler bei ihren Darbietungen beobachten, aus Angst das er es ihnen nachmachen könnte. Die lyrischen Darbietungen der Barden durfte er sich ansehen und so lernte er sie lieben. Jedoch vertrieb die stete Anwesenheit der Mutter die meisten Gesangkünstler jedes Mal schnell aus den Unterhaltungen, was nicht zuletzt an den deutlich feindlichen Blicken Jerislas lag, die Jurans Aufmerksamkeit nur ungern mit anderen teilte.
 Selbst Gästen und Familienfreunden gegenüber, die dem Zehnjährigen Geschenke brachten, war die Hausherrin da recht frostig. Kleine Haustiere verschwanden meist über Nacht aus den Armen des Jungen und niemand schien zu wissen, wo sie abgeblieben waren.
 Mit zunehmendem Alter Jurans wurden auch die Streitgespräche der Eltern häufiger, die hin und wieder damit endeten, dass er alleine in das Bett vorgeschickt wurde, während die Mutter den Festen länger beiwohnte. An solchen Abenden schlüpfte er meist wieder hinaus und stahl sich in die Nähe der Dienerschaft oder der Bänkelsänger. Diese erzählten ihm dann weitaus bereitwilliger und unzensierter von ihren Abenteuern und Erlebnissen, als in der Anwesenheit der Mutter. Immer deutlicher wurde ihm bewusst wie falsch diese Vernarrtheit seiner Mutter ihm gegenüber eigentlich war.

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Die Tür des goldenen Käfigs
  
 Den ersten Zusammenstoß mit seiner Mutter hatte er jedoch erst, als er kurz nach seinem achtzehnten Geburtstag einen Barden beim Techtelmechtel mit einer der Mägde erwischte. Neugierig wurden in den kommenden Nächten seine Fragen nach dem Beobachteten gestillt und ihm dadurch begreiflich gemacht, dass das Bett der Mutter nicht sein Schlafplatz sein sollte.
 Als er daraufhin forderte sein eigenes Bett zu bekommen, regte sich die mittlerweile sechsundfünfzigjährige Mutter fürchterlich auf. So sehr das sie daraufhin zusammenbrach. Die Schuldgefühle lasteten schwer auf Juran und so fragte er sie nicht wieder danach. Geschlagen akzeptierte er es aus Rücksicht auf ihre Gesundheit weiterhin im selben Bett zu schlafen. Was ihm jedoch entging, war der zufriedene Ausdruck auf dem Antlitz der Mutter, als er, die Forderung widerrufend, an ihrer Seite saß. Auch war ihm nicht klar wie gut die listige ältere Frau im Vortäuschen geworden war, nur um ihn zu lenken. Der Barde jedoch wurde hinausgeworfen und man untersagte ihm jemals wieder in das Anwesen zurück zu kehren.
  
 Doch seine heimlichen Gespräche mit den Schaustellern brachen nie wirklich ab. Genau wie der einmal geweckte Freiheitsdrang in ihm immer überschäumender hochkochte. Aber er musste nun auch deutlich vorsichtiger vorgehen, um die angeblich schwache Gesundheit seiner Mutter nicht zu gefährden. Einmal war sie – selbstverständlich rein zufällig - erwacht und hatte ihn völlig aufgelöst gesucht. Als sie ihn bei der Gauklertruppe sitzend fand, musste er sie danach ins Anwesen zurücktragen. Seltsamerweise, waren am nächsten Tag die Gaukler verschwunden und man fand später die Reste ihres Wagens in der Steppe, wo man befand das ein Trupp Orks sie überfallen habe. Lange Zeit hegte Juran keinerlei Misstrauen an den Anfällen seiner Mutter. Erst als ein weiterer Bänkelsänger, der sich mit dem Erben der Drebez angefreundet hatte, zufällig an einer Treppe stolperte und sich das Genick brach als er hinabfiel, war das Maß voll. Neugierig beobachtete er die Reaktionen seiner Mutter auf gewisse Dinge. Schüttelte er beispielsweise einem neu angekommenen Künstler die Hand, fiel das Gesicht der Mutter in einer hässlich verzerrten Fratze zusammen. Nahm er einen Hundewelpen mit sich wenn er sich zur Ruhe legte, stellte er sich nur schlafend und bemerkte wie das kleine Wesen unsanft in der Nacht gepackt und weggebracht wurde. Von da an war dem mittlerweile dreiundzwanzig Jahre alten Mann klar, dass die Frau die ihn geboren und aufgezogen hatte, eine giftig eifersüchtige Liebe zu seiner Person in den Jahren seines Heranwachsens entwickelt hatte. Nahezu schmerzhaft überkam ihn die Panik in ihrer Gegenwart, welche sich mit jedem Augenblick schwerer unterdrücken ließ. Rasch fasste er seinen Entschluss und verließ beim nächsten Bankett, unter der Vorgabe austreten zu müssen, den Saal. Hastig machte er sich mit einer Flöte, einem Beutel Gold und einem Pferd davon. Völlig unerkannt, da er nahezu nie das Anwesen verlassen hatte, erkannte kaum ein Dorfbewohner Juran, als er durch die Stadt zum Hafen ritt. Dort verkaufte er das Pferd an einen Mietstall und bestieg er das erstbeste, gerade ablegende Schiff. Mehrere Tag segelte er damit direkt nach Ansilon.
 In der Stadt der gemischten Kulturen quartierte er sich unter seinem neuen Namen Juran Klangholz in der ansässigen Taverne ein.


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Der Geschmack der Freiheit
 
 
 
In den ersten Tagen nach seiner Ankunft erkundete Juran neugierig die Stadt. Der riesige Markt blendete ihn regelrecht mit seinen, sich überbietenden Marktschreiern. Ein Lama erstehend gab er dieses beim hiesigen Mietstall ab, um im Notfall jederzeit flüchten zu können. Dann besorgte er sich Kleidung, denn außer der , die er am Leibe trug, hatte er keine mit sich genommen. Sich immer noch neugierig umblickend verließ er den Markt in Richtung der Bank. Anders als in dem Anwesen seiner Vergangenheit, strotzte dort das pure Leben. Passanten diskutierten auf den Straßen, im Bankhaus begrüßte ihn ein vorlauter Papageienschnabel. Am Tresen wurde er von einer wildfremden Frau angesprochen, die ihn jedoch bereits bei den ersten paar Sätzen an seine Mutter erinnerte. Hastig schob er eine Verabredung als Ausrede vor und erntete daraufhin ihren Spott. Die Bank verlassend fiel sein Blick auf einen jungen Mann, der entweder zu arm für ordentliche Kleidung oder zu unkultiviert dafür erschien. Man konnte deutlich den bloßen Oberkörper unter der Weste hervorblitzen sehen. Auch der andere hatte Notiz von Juran genommen und sprach ihn nun grüßend an. Unmöglich den Blick von der nackten Haut nehmen könnend, wies ihn der junge Mann erst einmal auf seinen Missstand hin. Das schien den aber gar nicht zu jucken. Also war er doch ein Barbar. Seufzend wandte sich Juran ab um seines Weges zu gehen und stellte mit Entsetzen fest das ihm der Barbar folgte. Kurz wurde dem Dreiunzwanzigjährigen übel, als er sich fragte ob dieser Mann von seiner Mutter angeheuert sein könnte. Diese Vermutung verwarf er doch recht schnell wieder. Jede Pore jeder Zoll dieses Kerls vor ihm schrie förmlich schlechter Umgang in der Stimme seiner Mutter. Dadurch beruhigt ließ er sich gerade deswegen auf eine Unterhaltung mit dem Wilden Kerl ein. Dieser hasste enge Räume und gab sofort zu in der Wildnis geboren zu sein. Nagron, wie er sich nannte, erzählte ihm im Laufe ihrer Unterhaltung auch, dass er lange Zeit in Gefangenschaft verbracht hatte, was die Sympathie in Jurans Brust erweckte. Dennoch gab er ihm mehrmals den Ratschlag sich lieber ein Hemd zu zulegen. Sie trennten sich als die Nacht hereinbrach. Nagron zog sich in die Wildnis zurück während Juran das gemütliche Bett in der Taverne vorzog. Doch so sehr der junge Mann die neuen Erlebnisse der Freiheit genoss - die erste Nacht in Ansilon war ein Desaster. Juran, der bisher niemals allein geschlafen hatte, wälzte sich unruhig im bequemen Bett hin und her. Auf dem Schiff hatten alle unter Deck in einem Raum genächtigt, hier war er das erste Mal in seinem Leben völlig allein. Kurz fragte er sich was wohl aus seiner Mutter geworden war dann verbrachte er den Rest der Nacht damit Melodien zu summen. Erst als der Morgen langsam das Tuch der Nacht hob, schlummerte der junge Mann völlig erschlagen in seinem Zimmer ein, dabei die Flöte fest umgreifend.
 
 
 
Freiheit. Wie episch sich das anhörte! Weniger episch waren die vielen Entscheidungen und Erledigungen die mit diesem Wort auf den selbsternannten Barden einstürmten. Er entschied in welchen Farben er sich kleidete, er musste sich um seine Mahlzeiten selbst kümmern. Mit wachem Auge blickte er über den Inhalt seines Goldbeutels, der in nahezu rasender Geschwindigkeit dahinschmolz. Doch wozu hatte er diesen Weg gewählt, wenn er ihn nun nicht betrat? Die ersten Versuche sich mit seiner Stimme eine Einnahmequelle zu schaffen endeten eher kläglich. Nicht weil er es nicht konnte, nein eher weil er sich nicht recht traute. Seufzend schlich er durch die Stadt und gen Hafen. In untergehenden Licht der Sonne erblickte er eine – ihm bekannte – Silhouette. Nagron saß am Peer. Kurz musterte Juran den Steppenkrieger. Muskelbepackt und ohne jegliche Sorge flätzte er dort und blickte aufs Meer. Für einen Moment erinnerte er Juran an einen faul in der Abendsonne liegenden Vierbeiner. Schmunzelt setzte er sich daneben und ließ sich auf ein weiteres Gespräch ein. Dieses Gespräch wurde durch eine junge Frau unterbrochen, die von äußerst ansehnlicher Gestalt gesegnet ward. Sie unterhielten sich eine Zeit lang wobei Juran bemerkte, wie ablehnend der Krieger sich der jungen Frau gegenüber gab. Als Nagron dann frühzeitig das Beisammensein unterbrach und wieder seiner Wege zog, zeigte Juran der jungen Dame noch ein wenig die Stadt. Der zweite Tag endete mit einer weiteren qualvoll schlaflosen Nacht.
 
 
 
Um sich etwas zu verdienen bot er sich an, einige Pilze und Kräuter aus den umliegenden Wäldern zu sammeln. Na was konnte dabei denn auch schon schwierig sein? So dachte er und wanderte am dritten Tag ohne jegliche Arg in den umgrenzenden Wald. Nun ein jeder, welcher nicht so wohlbehütet aufgewachsen war, kannte das Problem das man sich in Wäldern durchaus leicht verirren konnte, und Juran stellte sich als ein Meister der Orientierungslosigkeit heraus. Nachdem er fünf Stunden durch Gebüsche gekrochen, mit den Haaren an Ästen hängengeblieben und jedes Rascheln sich langsam in seinen Ohren wie ein potentieller Meuchelmörder anhörte stieß er auf eine Lichtung. Erschöpft setzte er sich auf den dortigen Felsen und nahm an, sein letztes Stündlein würde auf dieser Lichtung sein Ende finden. Gen Himmel blickend, welcher sich bereits wieder in Richtung Abendrot verfärbte hörte er einen verwunderten Ton. Nagron stand auf der Lichtung und blickte Juran einen kurzen Moment an, als hätte er ihm die Suppe versalzen. Als sich dieser erklärte wurde ihm erklärt wie er aus dem Wald herausfinden konnte. Dann legte sich der junge Steppenkrieger einfach ins Gras um ein Schläfchen zu machen. Erneut drängte sich das Bild eines großen Hundes in Jurans Kopf, ehe dieser die Lichtung verließ um sich zurück nach Ansilon zu wenden. Doch wieder seiner Erwartung blieb auch trotz der körperlichen Anstrengung des Tages der Schlaf bis auf einige Momente des vor sich her Dösens aus.
 
 
 
Am vierten Tag erwartete ihn Nagron mit einer Überraschung vor der Tavernentüre. Die anfängliche Verwunderung, den Krieger nahezu täglich zu sehen schwand, als dieser sich tatsächlich das erste Mal ein Hemd überzog. Neugierig was diese Überraschung zu bedeuten hatte, folgte er diesem zu dem städtischen Portalmagier, welcher den beiden nörgelnd ein magisches Tor öffnete. Wie der Übertritt in eine andere Welt erlebte Juran den ersten Schritt in die helle Stadt namens Silberburg. Mit leuchtenden Augen verliebte er sich auf Anhieb, in die Bauweise und blühte regelrecht auf in dieser Stadt voller Sitte und Regeln. Auch Nagron konnte deutlich spüren wie sich Juran das erste Mal entspannte. Das erste Mal erzählte der junge Mann jemanden Bruchstückhaft von seiner Jugend und seiner Mutter. Das dies aber die Weichen neu stellte ahnte Juran nicht, denn was dem Steppengeborenen dabei ohne jegliche Frage klar wurde und Juran bisher immer noch nicht begriffen hatte, war die Einfalt und Hilflosigkeit, die eine riesige Gefahr für den Dreiunzwanzigjährigen darstellten. Euphorisch durch den schönen Tag überredete Juran seinen Begleiter bei ihm zu schlafen und so legten sich die Beiden in einem Doppelzimmer zur Ruhe. Kaum war er nicht mehr allein und konnte das regelmäßige Atmen eines anderen Menschen hören, wiegte eben dieses Juran in einen tiefen, traumlosen Schlaf.
 
Als er am nächsten Morgen erwachte, blickte er auf Nagron, der sich einmal quer im Schlaf durchs ganze Bett räkelte.
 
Grinsend und gut gelaunt erzählte er neckend dem Krieger, wie sehr er ihn von den Bewegungen an einen Hund erinnerte. Dieser gewaltige Fettnapf schluckte den jungen Juran und brachte eines zum anderen. Sie stritten, was damit endete, dass Juran wie er es von seiner Mutter kannte, das Zimmer verließ, es bezahlte und im Schankraum bei der großen Harfe versuchte, sich im Spiel zu beruhigen. Nagron jedoch verließ das Gasthaus ohne ein weiteres Wort und verschwand für einige Tage spurlos.
 
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Gefühlskarussel der Gedanken
  
 Nachdem Juran bemerkt hatte das Nagron ohne weiteres Wort davon gestürmt war, brodelte die Wut erneut in ihm hoch. Er verstand einfach nicht was seinen Freund so in Rage gebracht hatte. Noch immer nahm er dem Krieger übel, dass er ohne mit der Wimper zu zucken Jurans Vergangenheit als Waffe im Streit gebraucht hatte. Tief in den zornigen Gedanken verwoben, ging er in den Wald. Irgendwie liebte er eindeutig den Duft der Bäume im Sonnenlicht, das Getöse der vielen Lebewesen darin. Denn eines war ein Wald nicht, hatte er in seinen ersten Streifzügen festgestellt: Still. Doch jeder Felsen, der sich dort aus dem Erdreich empor drückte, ließ ihn an die Lichtung und Nagron denken.
 Frustriert sank er in die Hocke und überdachte das Ganze erneut. Hatte er nun wegen dieser Lappalie seinen einzigen Freund verloren? So still wie er da saß war es wie meist und die kleineren Tiere des Waldes kamen neugierig näher, wohl wissend, das Juran keine Gefahr für sie darstellte. Ein Eichhörnchen mit Sonnenblumenkörnern fütternd, erzählte er den Tier von seinen Sorgen. Sich mehr für die Körner interessierend blickte es mit den dunklen Augen zu ihm hoch. Schon wollte er es als neuen Freund deklarieren als ein vorbeiziehendes Raubtier den kleinen Nager mit einem Haps verschlang. Zunächst erschrocken starrte Juran den Wolf an. Kurz überlegte er sich wie sinnlos das Leben in Einsamkeit doch war. Jedoch fing er sich als er die Reste seines Eichhornfreundes liegen sah und ging zurück in die Stadt.
 Die Tage und Nächte waren elendig lang, wenn man dauernd an einen verlorenen Freund dachte. So quälte sich Juran durch unzählig wirkende – drei um genau zu sein – Tage ehe er Nagron erneut sah. Dieser stand in der Bank zu Silberburg was ihn zunächst die Flucht ergreifen ließ.
 Was sollte er sagen? Viel mehr hatte er Angst davor, was Nagron sagen würde. Oder würde er nichts sagen? Innerlich zerrissen wartete er draußen um eben jenen anzusprechen sobald er vorbeikam.
 Entgegen seiner Befürchtungen hatte Nagron nichts gegen eine Aussprache. Wohl wollte dieser nicht als willenloser Diener eines Herrchens bezeichnet werden. Einerseits verstand Juran diesen Einwand, hatte aber das Gefühl, dass seine eigene Empfindung für den treusten Freund bei Nagron nicht ganz auf Verständnis stieß. Resignierend ließ Juran es gut sein um seinen Freund zurück zu erhalten. Dennoch blieb für diesen Tag eine seltsame Distanz zwischen den beiden bestehen was ihn zur Überlegung brachte was sie eigentlich verband. Im Gegensatz zu ihm selbst schien sich der Steppenkrieger nicht wirklich damit geplagt zu haben Juran nicht mehr zu sehen. Mit dem Plan ihn am kommenden Tag darauf anzusprechen legte sich der junge Spielmann in einen halbherzigen Schlaf.
  
 Am folgenden Tag reiste er gen Nordhain. Immer wieder hatte der muskelbepackte Krieger ihm von diesem Ort erzählt und so hoffte er ihn dort zu finden. Tatsächlich war seine Schlussfolgerung richtig und so fand er diesen, unter einem Baum dösend, vor. Innerlich kam erneut das Bild eines trägen Hundes in Jurans Kopf und so ging er vor Nagron in die Hocke. Dieser öffnete nur müde die Augen ehe er ihn fragte was sein Begehr war. Sie fanden ins Gespräch und Juran versuchte ihm begreiflich zu machen, was er für ihn an Stellenwert besaß. Kurz kam die Frage auf ob sie sich gegenseitig anziehend fänden, welche aber beide als nicht relevant abtaten.
 Nachdem das geklärt war führte Nagron den jungen Mann zu einem Haus, welcher als das seine benannte. Zusammen betraten sie es und der kleine unruhige Teufel in Jurans Brust schrie vor Pein auf, als sich Nagron müde auf sein Bett legte, wohl mit der Absicht den Tag im süßen Nichtstun zu vergeuden. Fahrig versuchte er den trägen Krieger ein wenig aufzurütteln und in dem freundschaftlichen Gerangel schienen sich die Gesichter der beiden fast zu berühren. Wie erstarrt verharrten die beiden, sich gegenseitig im Blick des anderen verlierend. Quälend langsam verging die Zeit bis sich die Lippen so nahe waren um sich zu berühren, rasend galoppierte sie, als sie es schließlich taten.

 
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Juran Klangholz
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Beitrag von Juran Klangholz »

Liebe und andere Plänkeleien
  
 Frisch verliebt vergisst man alles um sich herum, wenn man zu zweit ist. Nur mühsam beherrschten sich die beiden jungen Männer um es wie sie es nannten langsam anzugehen. Immer wieder jedoch wurden Gespräche durch Küsse unterbrochen oder gar beendet. Dennoch bestand Nagron darauf, dass sich Juran weitere Freunde und Bekanntschaften suchte, auch wenn diesem einzig die Anwesenheit des Liebsten genügte. Darum ging Juran des öfteren nach Silberburg und Ansilon um Freundschaften zu schließen.
 So auch an dem Tag als er Bedall traf. Bedall sprach ihn an und sie fanden rasch heraus, dass sie beide der selben Berufung folgten. Juran war jedenfalls nach wie vor fest entschlossen dazu und Bedall wiederum wies bereits Erfahrung darin auf. Nagron fand die beiden sich eifrig darüber austauschend als er Juran für eine weitere neue Erfahrung an der Ansiloner Taverne abholen kam.
 Hierbei handelte es sich um die Jagd auf Ungetüme, welche sich als sehr ertragreich bewiesen hatte. Juran war aufgeregt, noch nie hatte er versuch etwas zu töten oder bewusst zu jagen. Bedall wiederum kannte auch das schon weitaus besser.Vor allem das Gold hatte es dem renommierten Bänkelsänger angetan und so schloss er sich den zweien an. Nagron selbst hätte nur zu gerne auf den, für ihn unangenehmen, Bedall verzichtet, doch um seinem Liebsten eine Freude zu machen arrangierte er sich mit Bedall. Tatsächlich schaute sich Juran so einiges von seinem Kollegen ab und lernte dadurch schneller.
 Eine weitere Jägererfahrung konnte er für sich verbuchen, als er eine Horde von Barbaren begleiten durfte, nachdem eine wunderschöne Amazone ihm das angeboten hatte. Sie beeindruckten ihn, indem sie ihre Reiteisbären lenkten und dadurch noch um einiges imposanter wirkten, als sie es sowieso schon waren. Diese geborenen Kampfbestien würde er sein Lebtag nie mehr vergessen. Für sie galt der Leitspruch : Was nicht tötet härtet ab! Und nach diesem Prinzip schienen sie gut zu leben. In ihrer Begleitung war es ihm vergönnt auf Drachenjagd zu gehen und noch im Nachhinein würde er sich immer fragen wieso er das überhaupt überlebt hatte.
 Trotz aller aller Erfahrungen in diesem Bereich, fand er nicht die richtige Lust daran dauernd in die Berge und Höhlen zu steigen. Schließlich war ihm die Kunst das drängendere Bedürfnis.
 Ja von der Kunst einen Menschen allein mit dem Klang einer Stimme zu bezaubern, davon träumte Juran als Lebensziel. An einem der Tage in Ansilon hatte er tatsächlich sein persönliches Ziel in einer Gestalt von überirdischer Schönheit und Perfektion zu sehen – nein vielmehr zu hören bekommen. Juran traf auf die erste Hochelfe seines Lebens. Die Stimme allein war, indem sie einen einfachen Buchstaben aussprach bereits eine Melodie in sich selbst. Wäre der Junge Mann nicht bereits verliebt gewesen hätte er an diesem Tage wohl sein Herz verloren. Da dieses aber bei seinem Geliebten in sicherer Verwahrung ruhte konnte er lediglich seine Liebe zu ihrer Stimme bekunden. Geschmeichelt und amüsiert darüber fütterte die Elfe den jungen Barden mit Erdbeeren und ließ ihn in seiner absoluten Verzückung in Ansilon zurück.
 
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 Weich und doch so teuflisch
  
 Eine einprägsame Erfahrung jedoch, würde der junge Mann nie vergessen. Seine Streifzüge durch die Umgebung Ansilons brachte ihn zu einem Gehöft vor der Stadt. An einem Schild standen die Namen zweier Schwestern, mit den Namen Frida und Freke Sayn. Dort erblickte der junge Bänkelsänger ein einzelnes Schaf außerhalb des Gatters, in dem die anderen Schafe sich drängten.
 Jurans Sinn für Ordnung schrie alarmiert auf und so versuchte er das Vertrauen des verlorenen Tieres zu erschmeicheln. Eher dürftig der Erfolg bis ihn eine Frau ansprach. Im Zuge des Gespräches kamen Juran und das Fräulein Sayn sich darin überein, dass er das Schaf ins Gatter bringen dürfe, solange er keines der anderen entkommen ließ. Glücklich mit der Aussicht auf weiche Schafswolle machte er sich erneut daran das Vertrauen des Tieres zu gewinnen. Nun das klappte auch recht schnell und er ging mit dem flauschigen Wesen zur Gattertür. Kaum hatte er es jedoch in seiner Naivität geöffnet, strömten die Schafe heraus und überrannten Juran samt seines wolligen Kollegen. Sich aufrappelnd wurde er sich der Bescherung voll bewusst. Nun hätte er einfach davongehen können, doch so war der junge Mann nicht. So blieb ihm nur sich verzweifelt bei jedem einzelnen Schaf einzuschmeicheln es hineinzuführen und dabei zuzusehen wie ihn erneut die Flut übermannte und in Grund und Boden trampelte. Verzweiflung machte sich in seiner Brust breit. Schließlich konnten jederzeit wilde Tiere die entwischten Schafe reißen. Schuldgefühle machten sich in ihm breit und so verbrachte er zwei Tage und die zugehörigen Nächte damit die Schafe innerhalb des Gatters gefügig zu bekommen um sie dann an dem einen Ende anzubinden. Langsam wurden seine Schmeicheleien nicht mehr so glaubwürdig und er entwickelte mit jedem weiteren Schaf, eine heftigere Abneigung gegen diese. Ein junger, gepflegter Mann, half ihm an einem dieser Abende, am nächsten war nur ein geldgieriger Passant sein Los. Jedoch mangels Barem zog dieser weiter und Juran blieb in seinem furchtbaren Martyrium zurück. Am Abend des dritten Tages erschien eine weitere Dame, welche sich ihm als Freke Sayn vorstellte. Auf ihre Nachfrage, was er da zwischen ihren Schafen treibe, hin, erklärte er ihr die verfahrene Situation. Sie verstand sofort und eilte dem sowohl nervlich als auch körperlich stark angeschlagenen jungen Mann zu Hilfe. Ein paar Winke mit einem Wunderstab wurden getätigt und innerhalb von wenigen Augenblicken waren alle Schafe im Gatter. Unendlich erleichtert dankte er der Dame Sayn überschwänglich und ihm schien es ganz so, als blitzten die Augen der Schafe heimtückisch durch das Holz des Gatters zu ihm hin. Nie – ganz bestimmt niemals – wieder würde Juran Schafe als unschuldige, weiche Tiere sehen.   

 
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 Wie eine Nadel im Heuhaufen
  
 Ein weiteres Mal kühlten die beiden Geliebten ihre Glut in dem Wassertrog vor dem Haus um nichts zu überstürzen. Sie hatten einander versprochen sich ausgiebig Zeit zu lassen um sich gegenseitig zu erkunden und noch hielten sie sich daran, auch wenn sich hin und wieder das Verlangen als räudigster Feind entpuppte.
 An diesem Abend hatte Nagrons Gesicht eine düstere Aura welche ihn stets in Gedanken abschweifen ließ. Etwas ließ ihm einfach keine Ruhe, so schien es. Jurans Nachfragen wich er aus und meinte schließlich in den Wald blickend, dass er schon viel zu lange in der nunmehr gemeinsamen Wohnung genächtigt habe. Ihn würde es hinaus ziehen um den Boden des Waldes unter sich beim Schlafen zu spüren. Juran blickte ihn bedauernd an und erklärte daraufhin freimütig, dass er ruhig tun solle nach was ihm begehre. Jedoch würde er nicht mit ihm dort schlafen, wo ihn Insekten bekrabbeln konnten und es keine Zudecke gab. Dann küsste er seinen Liebsten zum Abschied und beobachtete, wie dieser mit vor Freude strahlenden Augen im Wald verschwand.
  
 Nunmehr zwei Wochenläufe waren jetzt vergangen und Nagron war nicht eine einzige Nacht in Jurans sehnsüchtigen Arme zurückgekehrt. Langsam machte sich der junge Mann deutliche Sorgen. So lange blieb man doch nicht verschwunden! Es musste ihm etwas zugestoßen sein! Was wenn er bereits tot im Wald lag? Bei diesem letzten Gedanken rollten die Tränen aus den graublauen Augen Jurans. Unruhig lief er im Haus auf und ab. Verzweifelt raufte er sich die langen Haare ehe er das Haus verließ und die Tür hinter sich zuzog.
 Hastig rannte er in den Wald, der in den Abendstunden düsterer als je zuvor wirkte. Stunde um Stunde drängte er sich durch die Baumleiber und rief immer wieder den Namen seines Liebsten. Schlussendlich war seine Kehle staubtrocken und der Hals wund vom Rufen. Sich an einem Baumstamm abstützend beugte sich der Barde vorneüber um die Luft in japsenden Zügen tief einzusauen. Mit einem leichten Schwindel blickte er erschöpft wieder auf. Ein Rascheln im Unterholz begleitet von einem tiefen grollenden Knurren. Vor Panik zog sich Jurans Brust schmerzhaft zusammen und er ergriff die Flucht, welche ihn nur tiefer in den Wald führte.
 Doch die Suche blieb vergebens. Als er nach 5 Tagen wieder aus dem Wald trat, nahm er verwundert zur Kenntnis, dass es ihn direkt vor Silberburg verschlagen hatte.
 Müde und zerrissen kehrte er in die dortige Taverne ein um neue Kräfte zu sammeln.
  
 Am darauf folgenden Tag setzte er sich an den See vor der strahlenden Stadt um ein wenig zu angeln und sich dabei weitere Schritte zu überlegen. Kaum hatte er sich gesetzt und die Angel ausgeworfen hörte er ein fürchterliches Donnern und panische Schreie aus der Stadt zu sich heran schallen. Die Angel wegwerfend rannte er zur Stadt zurück und fand sich inmitten einem Chaos aus flüchtenden, verletzten Menschen und widernatürlichen Kreaturen vor. Diese Kreaturen wirkten wie seltsame Walrösser aus grobem Quarzsteinen geformt. Doch anstatt das zu tun was Quarzfiguren zu tun pflegten, griffen diese die hilflosen Bürger Silberburgs an. Ohne lange darüber nachzudenken warf er sich mit seinem Schellenkranz ins Gefecht, sich einer berittenen Rittersfrau anschließend. Mutig schlugen die beiden diese Kristallwesen zu Splittern und säuberten bis zum Ende des Tages die Stadt von diesen. Nun ja, vielmehr schlug die Rittersfrau, während Juran sie lediglich mit seinen Melodien aufmunternd begleitete. Erschöpft stellte der junge Barde am Ende des Tages fest, das er kaum Zeit gehabt hatte, sich um den Verbleib seines Geliebten zu kümmern und so nahm er sich dieses, für den kommenden Tag wieder fest vor.
 
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