Der Wein ist süß, das Zahlen bitter

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Samara
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Re: Der Wein ist süß, das Zahlen bitter

Beitrag von Samara »

Sie konnte es immer noch nicht so recht glauben, dass der Plan aufgegangen war. Hatte man es überhaupt wirklich einen Plan nennen könnten? Zumindest hatten sie abgesprochen, wie alles in ihrer Wunschvorstellung ablaufen sollte.

Als Laura hatte sie dem Paladin eine Botschaft übermittelt. Sie würde wieder mit ihm auf eine Schatzsuche gehen. Von Ansilon aus, war sie mit ihm zu den Nordbergen in der Nähe des Seefestung gereist um von dort aus mit ihm einen kleinen Fußmarsch zu laufen. Der kleine Marsch hatte ihn in Sicherheit wiegen sollen. Genauso wie die Tatsache, dass sie immer wieder währenddessen auf eine Karte blickte. Eine Karte, die sie selbst kurz noch vorbereitet hatte, falls er hätte selbst einen Blick drauf werfen wollen.

Als Laura hatte sie ihn zu einem vor Blicken geschützten Platz zwischen den Felsen geführt, so dass niemand von weiter Weg sie so schnell ausmachen würde. Und als sie schließlich dort gestoppt hatten, sirrte ein Bolzen auf das Bein des Paladins und es schälte sich kurz darauf ein Mann mit Armbrust und einer knöchernen Maske aus den Schatten. Mit ihren Zaubern blendete sie den Krieger, vernebelte seine Sinne damit der Angreifer, mit dem dieses kleine Schauspiel abgesprochen war leichteres Spiel hatte. Bis zu diesem Punkt war alles noch so verlaufen, wie sie es abgesprochen war.
Womit sie nicht gerechnet hatten war, dass der Paladin mit seinen Gebeten den gerufenen Dämon wieder dorthin zurückschickte, woher er gekommen war. Er hatte den Krieger festhalten sollen und doch hatte sich das Blatt, vermutlich eher aus Zufall, wieder zu ihren Gunsten gedreht.

Der Schütze sprach den Krieger auf jenes Ereignis an, dass vor einigen Umläufen in der Nähe, im Lager am der Küste geschehen war. Damals, als die Crew und all jene gejagt wurden, zu denen sie nun selbst gehörte. Die Magierin konnte sich noch zu gut daran erinnern, wie sie damals um all ihre Freunde aus der Crew und vor allem um ihren Barden gebangt hatte. Die Aushänge mit ihren Gesichtern, die überall hingen, die Leute, die beim betreten und verlassen der Stadt mit Silber geprüft wurden… es war definitiv keine angenehme Zeit gewesen. Wie lange war das nun eigentlich her? Anscheinend wirklich lange genug. Der Paladin hatte keine Ahnung, wovon sie sprachen.
Und doch, er wäre ebenso an der Seite seiner Brüder gestanden, wäre er zu jener Zeit bei ihnen gewesen. All seine Worte zeugten davon, dass er nicht eine Minute gezögert hätte. Die Gerechtigkeit des Herrn. Für sie war diese Gerechtigkeit lediglich eine Schneise der Verwüstung. Was wussten die Paladine schon von Mitgefühl und Opferbereitschaft? Hatten sie nicht gezeigt, dass solange etwas nicht ihren Idealen entsprach sie nichts davon besaßen? Sie hatten die Vampire ohne jegliches Mitgefühl damals verfolgt. Dabei hatten jene ihren eigenen Kampf, den sie täglich mit sich führten. So wie sie selbst es tat.

„Dir frieden Schenken.“, diese Worte hallten immer noch durch ihren Kopf. Es waren die Worte gewesen, die ihr den letzten kleinen Schubs gegeben hatten doch nicht zu zögern. Hätte sie dieses Mal die Kontrolle verloren, wäre es kein Verlust gewesen. Und doch hatte sie es geschafft, sie hatte dieses gierige Wesen unter Kontrolle gebracht. Obwohl der Geschmack, der sich in ihrem Mund ausgebreitet hatte eine ganz eigene Faszination hatte. Nicht wie das Blut der Tiere oder das des Brunnens, von dem sie sich normal nährte. Zugleich fühlte sie sich kräftiger. Selbst noch einige Stunden danach, aber vielleicht kam dies auch von dem Erfolg dieses kleinen Abenteuers. Sie konnte und wollte dieses Gefühl im Augenblick gar nicht näher Ergründen. Wenn sie dies tat, würde das, was in ihr lauerte vielleicht mehr davon wollen.

Der Barde hatte gesagt, dass die Erinnerungen des Paladins zerstreut waren. Aber zugleich, dass er es schwer hatte, den Krieger zu brechen. Sie erinnerte sich selbst noch daran, wie damals ihr eigenes Unterbewusstsein gegen die Veränderung ihrer Erinnerungen gekämpft hatte. Sie hoffte wirklich, dass der Geist von Nathan Jaro nicht auch diesen Kampf nun führen würde. Es würde kein gutes Ende nehmen. Zumindest nicht für das Lager.

Aber es gab auch noch andere Dinge, die aktuell ihre Aufmerksamkeit forderten. So vieles was in ihren eigenen Gedanken umhergeisterte. Was planten die Wölfe. Waren sie wirklich alle so grausam, wie jene um sie herum berichteten? Oder gab es doch den ein oder anderen der nicht von diesem animalischen Trieb zu zerstören gelenkt wurde? Wie konnte sie gemeinsam mit dem Barden, den Gefangenen aus Heredium ein gutes Leben schenken? Und was hatte es mit der Tochter von Shinori auf sich? Dies alles wollte in der nächsten Zeit irgendwie geklärt werden.
 
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Falynidil
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Re: Der Wein ist süß, das Zahlen bitter

Beitrag von Falynidil »

Nathan hatte keinen Anlass gehabt, den Worten Lauras nicht zu vertrauen. Die Zauberin hatte ihn vor ein paar Zehntagen zu einer Schatzsuche begleitet und gemeinsam mit einem zweiten Zauberer, Alex Monthares, Dämonen bekämpft. SIe war freundlich gewesen und schien ihr Herz am rechten Fleck zu tragen. Aber der Paladin sollte sich irren...

Nachdem sie sich an der Bank getroffen hatten, reisten sie mittels Magie zu den Nordbergen. Dort hatte Laura die Karte hervorgeholt und Nathan hatte sie den Weg weisen lassen. Am Zielort angekommen, hatte ein versteckter Schütze den Paladin mit einem Bolzen am Bein verwundet und ist daraufhin auf ihn losgegangen, um ihn zu entwaffnen. Zur Verwunderung des Schurken, der sich als alles, aber nicht als Schatzwächter herausstellte, hatte der Paladin den Säbel nicht fallen gelassen und ihm stattdessen einen mächtigen Fausthieb mit der freien Hand verpasst. Dies lies den Attentäter zurückweichen und seine Reaktion lies Grund zur Annahme, dass sein eigentlicher Plan an dieser Stelle bereits vereitelt war. Was folgte war Improvisation, schmerzhafte Improvisation zum Leidwesen des Paladins.

Zwar war der Bolzen nicht vergiftet, dennoch hatte er einen Wirkungstreffer erwirkt. Nathan hatte die Gelegenheit nutzen wollen, nachdem er den Attentäter zurückgedrängt hatte und wollte Heilung durch die Kraft des Herrn erbeten, doch Laura sollte dies vereiteln. Mit einem Zauber irritierte sie den Paladin so sehr, dass dieser geblendet wurde und das Gebet fehlschlug. Es folgte ein beschworener Dämon, der Nathan zu packen versuchte. Doch dieses mal konnte er das Ungetüm mit der Macht des Herrn bannen. Panisch zog der Schurke wieder seine Armbrust und drückte erneut ab. Der Bolzen traf, dieses mal in den Arm, woraufhin Nathan den Säbel fallen lies. Er war geschlagen und kauerte auf die Hände gestützt im Gras.

Der Schurke konfrontierte den Legaten mit für Nathan wirren Anschuldigungen. Ein Lager, Paladine hätten deren Bewohner niedergemäht. Sie sprachen von Unrecht und von falschen Idealen, denen sein Orden folgen würde. Nathan konnte nicht folgen. Diese Begebenheit lag vor seiner Zeit auf der neuen Welt, als er noch im Süden gelebt hatte. Empfand er dies als ungerecht? Zu büßen für die Taten von früheren Ordensbrüdern und Schwestern? Nein. Es war offensichtlich, dass diese Verbrecher nicht an wahrer Rechtschaffenheit interessiert waren. Die Worte des Schurken, der daraufhin das Sprechen übernahm, während Laura stumm im Hintergrund verharrte, machten dies deutlich. Nathan erkannte eigene, verquere Regeln und Wertvorstellungen, die nicht das Wohl der Allgemeinheit, sondern das des Individuums in den Fokus rückten. Was auch immer diesen Leuten geschehen war: sie waren nicht unschuldig daran. Die List und Tücke dieser Tat ließen keinen anderen Schluss zu.

Doch Nathan unterdrückte den Drang, sein zweites Schwert zu ziehen und die Beiden frontal anzugreifen. Sie unterschätzten ihn und insbesondere die Ausrüstungsgegenstände, die er bei sich trug. Diese war derer der Beiden überlegen und mit Hilfe der Kaputze des Schnitters, die ihm einen Moment Zeit verschaffen würde, um sich mit Tränken zu heilen und den Segen des Herrn zu erbeten, hätte er zumindest einen der beiden, wenn nicht gar beide, töten können. Aber das war nicht der Weg, nicht sein Weg. Er wollte sie zur Vernunft bekehren, ihnen die Einsicht schenken. Er glaubte zu erkennen, dass diese Menschen nicht gänzlich übel waren. Er hegte gar Hoffnung für sie und wollte Mitgefühl zeigen. Doch er lag falsch.

Der Schurke, der eine gute Menschenkenntnis zu haben schien, musste dies erkannt haben. Er fragte, ob der Paladin ihn für ein Monster halte und Nathan erklärte ihm indirekt, dass der Schurke seine eigenen Entscheidungen treffen würde und dass er nicht unweigerlich böse sein müsse. Da grinste der Schurke den Paladin an und zeigte demonstrativ seine Eckzähne. Er war ein Vampir. Ein Monster. Binnen eines Sekundenbruchteils erkannte Nathan, dass er falsch lag und dass alle Hoffnung für diesen armen Teufel vergebens war. Doch er hatte zu lange gewartet. In der Hektik, die sich durch die neue Situation und die Offenbarung des Bösen ergeben hatte, hatte Nathan seinen Plan, des Schnitters Andacht zur Ablenkung einzusetzen, vergessen.

Sein Arm schnellte zum Waffengurt an seinem Rücken, doch die Blutungen durch die Bolzen und die einhergehende Schwäche hatte ihn langsamer werden lassen. Laura gelang es ihn mit einem Schlag davon abzuhalten und nun setzte der vampirische Schurke ihm auch mental zu. Obwohl er sich mit allen Kräften gegen den Einfluss des Vampirs wehrte, gelang es diesem letztlich Nathan in seinen Bann zu ziehen. Der Paladin war nicht länger Herr seines eigenen Körpers und empfand die Situation wie als schaue er von außen, als Unbeteiligter, auf sich selbst. Kurz darauf offenbarte sich auch Laura als Vampir und Nathan empfand bitteres Mitleid für das Schicksal der Beiden. Wenn er gekonnt hätte, er hätte die beiden auf der Stelle geheilt. Mit dem Schwert. Sie sollten Frieden finden, denn der Herr würde ihnen nach dem Tod vielleicht vergeben. Doch an diesem Tage sollte kein Vampir dem wahren Tod zugeführt werden. Tatsächlich triumphierten die Unsterblichen, als sie sich am Blut des Paladins labten und ihren perfiden Plan doch noch glücklich umsetzen konnten.

Nathan hingegen wurde zurückgelassen. Mit vernebeltem Geist wurde ihm die Wahrheit mit der Lüge verwischt. Er würde sich an einen Raubüberfall erinnern, in den Laura ihn geführt hatte und den er vereiteln und die Schurken vertreiben konnte. Die blutrünstigen Augen des Schurken jedoch, blieben tief in seinem Bewusstsein vergraben und sollten ihm nicht mehr in den Sinn kommen.

Nathan schlief die nächsten Tage sehr unruhig. Tote, leere Augen quälten ihn, die er nicht zuordnen konnte. Ein Alptraum.
Never trust a smiling Falynidil, you're gonna end up. | When Nathan goes down on his knees, the battle is not over. It has just begun.
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Lugs
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Re: Der Wein ist süß, das Zahlen bitter

Beitrag von Lugs »

Lugs hatte gute Laune. Er pfiff wo her hin ging und trug ein selbstzufriedenes Grinsen spazieren. Es war immer so, für die ersten paar Tage danach. Er spürte das Blut des heiligen Kriegers noch immer. Trotzig und brennend wie der härteste Fusel aus Rostankers Hinterzimmern, aber so unendlich zufriedenstellend. Er fühlte sich als könnte er sich mit der ganzen Welt anlegen - und zwar gleichzeitig. 

Dabei war ihr Überfall auf den Paladin knapper gewesen, als er sich eingestehen wollte. Er hätte blind und taub seien sollen nach Sams magischer Breitseite. Danach ein Schlag aufs Handgelenk, ihm seine Waffen abnehmen. Vielleicht noch einen Stich in die Rippen, nur zur Sicherheit. Stattdessen hatte ein versilberten Panzerhandschuh nähere Bekanntschaft mit seinem Gesicht geschlossen. Danach war alles etwas... wild geworden. Selbst als sie ihn endlich am Boden hatten, hätte er ihnen fast noch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Was er im Geist von Nathan Jaro vorgefunden hatte glich einer Festung. Inklusive Wassergraben und wütender Garnison.  Nur der Blutverlust und Sams nagende Zauber, hatten es ihm letztendlich erlaubt die mentale Verteidigung des Kriegers zu durchbrechen. 

Und doch... bei Slatracks blankem Hintern, es hatte gut getan sich dem Paladin entgegen zu stellen! Er hatte nicht damit gerechnet wie wütend es ihn machen würde ihn dort zu sehen. In seiner dreimal verfluchten Rüstung, nur wenige hundert Meter vom Piratenlager entfernt. Sofort waren die Bilder wieder da gewesen. Eine geifernde Meute vor Rostankers Mauern. Wölfe, Ritter... Paladine, in das Licht ihres Herren gehüllt, die Kameraden und Freunde niederstreckten. Damals hatte er nur weglaufen können. Diesmal war es anders.

Es war ihm in dem Moment egal das Nathan nicht selbst mit dabei gewesen war. Er hätte mit seinen Brüdern gekämpft, ohne darüber nachzudenken. Und jedes Wort des heiligen Kriegers gab ihm Recht. Als er von Gerechtigkeit sprach, der die Piraten damals zugeführt worden seien und von der Lugs und Sam sich willentlich abgewandt hätten, hätte er am liebsten noch einen Bolzen in ihn gejagt. Er hatte es leicht von Gerechtigkeit und einem richtigen Weg zu sprechen - wenn er und seinesgleichen diejenigen waren, die festlegten was als gerecht und richtig galt.

Etwas hässliches war in ihm wach geworden, als der Paladin forderte das sie die Waffen niederlegten, um ruhig über alles zu reden. Er glaubte er könnte ihnen Erlösung und Wiedergutmachung bringen, ja? Er wusste wie dieser Weg endete, er hatte ihn seine Prima gehen sehen. In einer Zelle und dann am Galgen. Er wollte seine ausgestreckte Hand nicht nur ausschlagen, sondern ausreißen. Also hatte er alle Masken fallen lassen. Ihm blass, tot und hungrig ins Gesicht gestarrt. Es war dumm gewesen, geradezu spektakulär unklug,  aber der plötzliche Schreck in den Augen des Paladins würde ihm noch lange ein gehässiges Grinsen ins Gesicht zaubern.

Danach hatten sie sich sein Blut genommen - und Sam hatte nicht gezögert. Er hatte sie nicht aus den Augen gelassen während sie trank und für einen Moment war er sich sicher gewesen, das er würde eingreifen müssen. Sam war eine gute Seele und er liebte sie dafür. Für jeden Funken Mitgefühl, jedes bisschen Umsicht und Verständnis. Es war eine Seltenheit überhaupt mal etwas wie Ärger in ihren Augen zu sehen. In dem Blick den sie Nathan Jaro zugewandt hatte, war mehr als Ärger gewesen... und für einen Moment hatte er sich sorgen gemacht, ob sein Plan nicht vielleicht ZU gut funktioniert hatte. 

Doch Sam hatte dem Biest in sich Ketten angelegt. Später hatte sie ihm gestanden, das sie noch immer Zweifel hatte, das sie hatte mehr trinken wollen, aber für ihn gab es ab diesem Moment keine Frage mehr. Sie war stärker als dieses Ding in Ihr. Das hatte sie in seinen Augen dort an der Küste bewiesen. 

Bevor sie verschwunden waren, hatte er die Erinnerungen des Paladins verwischt so gut es ging. Dann hatte er den nahen Heiler alarmiert, das ein Verwundeter am Wasser lag. Er war kein Mörder, nicht wenn es sich irgendwie vermeiden lies. Ganz anders als die 'gerechten' Männer und Frauen, zu denen der Krieger sich zählte.  Außerdem, was sollte schon passieren? Schließlich erinnerte er sich nicht mehr. Schon gar nicht an zwei tote, leere Augen...

Warum bloß hatte er dann das Gefühl, das er den Paladin wieder sehen würde?
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Samara
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Re: Der Wein ist süß, das Zahlen bitter

Beitrag von Samara »

Zusammen mit Lugs hatte ich die Angst vor mir selbst überwunden. Ich wusste, dass ich das was in mir lauerte überwinden konnte. Aber da diese Angst weg war, klopfte es erneut an. Leise flüsterte es, sprach mir gut zu und sagte mir, dass ich mehr davon kosten sollte. Das es gut für mich war. Und je mehr ich mir einreden wollte, dass es etwas war das in mir schlummerte musste ich es einsehen. Es waren ganz alleine meine eigenen Gedanken. Der Hunger, nach gutem Essen.

Als ich sterblich war, hatte ich bereits gerne gutes Essen gegessen. Seit ich eine Unsterbliche war, hatte ich mich mit wenig nahrhaften Dingen ernährt. Und wie es auch bei normalen essen war, so stärkte ein Stück Brot nicht so sehr wie ein Braten es tat. Das wurde mir nun deutlich bewusst, nachdem ich von dem Blut des Paladins gekostet hatte. Ich hatte es zwar erst abgetan als Einbildung und Rausch, der nach dem Abenteuer angehalten hatte, aber der Gedanke hatte mich nicht losgelassen.

Ich ging nach Heredium, während ich eine Diskussion mit mir selbst geführt hatte. Ich wollte die Menschen nicht als mein Opfer ansehen. Auch wenn es im Grunde der Wahrheit entsprach. Wir nahmen ihnen einen kostbaren Schatz. Das Elixier, dass unserer Art das Überleben sicherte.

Meine Schritte führten mich in den Keller des Gasthauses. Seit ich damals der Frau ihr Leben genommen hatte, hatte ich diesen Ort nicht mehr betreten und es wunderte mich nicht, dass die sterblichen vor mir zurückwichen. Sie hatten mich als grausame Bestie erlebt.
Ich steuerte die Gittertür an, hinter der sich ein Mann befand an. Er wich vor mir zurück. Ich lächelte ihm lediglich offen und warmherzig entgegen. Jedes Wort, dass ich an ihn richten würde, wäre sinnlos, er würde mir nicht glauben. Als ich schließlich bei ihm in der Zelle war, suchte ich seinen Blick. Die Türe zu seiner Seele und zu seinen Gedanken. Das kräftige Azur meiner Augen verschwamm vor seinem Blick. Die Farbe verschwamm zu einem trüben, milchigen Ton. Tote Augen. Die Barrikade zu den Gedanken zu durchbrechen war so viel einfacher als es bei der Bardin zuvor gewesen war. Ich spürte seine Angst, konnte seine Verzweiflung selbst sehen. Leise sprach ich auf ihn ein. Versuchte gute Gedanken und schöne, zärtliche Erinnerungen für diesen einen kurzen Moment zu geben. Er sollte sich nicht an den Biss erinnern, der ihn schwächen würde.

Als meine Fänge sich durch seine Haut und Fleisch bohrten und ich den köstlichen roten Saft schmecken konnte, hatte ich meine Bestätigung. Es war ähnlich wie bei dem Paladin, wenn auch nicht gleich. Ich hatte meine eigenen Theorien dazu, die ich aber für mich behalten würde. Von diesem kleinen Besuch hier mussten nicht zu viele Bescheid wissen. Und ich fühlte mich genug gestärkt, für meine nächsten Pläne.

Im Laufe der Jahre hatte ich mir selbst immer mehr Grenzen gesetzt. Ich war jemand, dem die Leute vertrauen konnten. Zumindest wollte ich dies sein. Ich wollte mir selbst vertrauen. Aber da schlummerte tief in mir auch noch eine andere Seite. Eine Seite, die das Abenteuer mochte und die Welt weiter erforschen wollte. Aber diese Seite war nicht mit der Samara vereinbar, welche die Menschen um sie herum kannten.

Zuhause angekommen suchte ich nach einer kleinen Kiste, die ich lange verstaut hatte. Ich hatte einst auf einer Reise erhalten und den Umgang damit gelernt. Zeiten in denen es nicht einfach für mich gewesen war. Zeiten in denen ich mich selbst gesucht hatte. Ich versuchte mich zu erinnern, war es vielleicht sogar die Zeit, in der sich Lugs selbst in Gefahr brachte um nach mir zu suchen? Es war möglich. Es war ein verschwommener Teil meiner Erinnerungen, an den ich mich nur schwer erinnern konnte. Und vielleicht hatte dieses kleine Kistchen genau aus diesem Grund so lange an einer Stelle geruht an dem es lediglich Staub sammeln konnte.

Ich öffnete den Deckel des dunklen Holzkistchens. Die Karten ruhten dort genau so, wie ich sie hineingelegt hatte. Mit der Rückseite nach oben die mir in einem dunklen Lilaton entgegenschimmerten. Es müssten genau 78 Karten sein. Davon 22 aus der großen Arkana und 56 die zu der kleinen Arkana zählten. 
Sein eigenes Leben sollte man selbst bestimmen. Es war gefährlich, sich auf einen ungewissen Kompass zu verlassen. Und doch war es verlockend schlichtweg einen Wegweiser zu haben, nach dem man sich richten konnte. Vielleicht würde dieser Wegweiser mir dabei helfen, einen weiteren Weg zu beschreiten.

Ich mischte die Karten sorgsam. Konzentrierte mein inneres und meine Gedanken auf sie. Und fächerte sie etwas auseinander. Danach zog ich, scheinbar wahllos drei aus dem Stapel heraus und legte sie nebeneinander vor mich hin. Ich atmete leise und ruhig durch.

Die erste Karte deutete auf das Vergangene hin. Die mittlere Stand für das Gegenwärtige und die dritte würde mir Zeigen was ich für die Zukunft zu erwarten hatte. Langsam drehte ich die Karten um. Vor mir offenbarten sich die Acht der Kelche, Sechs der Münzen und Drei der Schwerter.

Die acht Kelche auf der Vergangenheit, die Karte stand für eine Neuorientierung. In meinem Fall deutete mir die Karte vermutlich meinen Weg in die Unsterblichkeit an. Ich hatte mich für einen ganz neuen Weg entschieden und diesen aus eigenem Antrieb gewählt. Es war an der Zeit gewesen von meinem normalen Weg abzukommen und die sterblichen Fesseln zu verlassen.

Auf der Gegenwart die Sechs der Münzen. Normalerweise Stand diese Karte dafür, dass man nicht nur an sich selbst dachte. Tatsächlich versuchte ich im Moment für so viele mehr da zu sein als nur für mich selbst. Ich half jedem, der meine Hilfe entgegennahm. Ganz gleich ob es Lugs, Malvor, Shinori, Rorek oder jemand ganz anderes war. Ich fühlte mich gut dabei, wenn ich einfach für die Menschen da sein konnte, die mich umgaben.

Und in der Zukunft warteten auf mich die Drei der Schwerter. Die Karte stand für auf mich zukommenden Kummer, Schmerzen oder Ängste. Was würde auf mich zukommen. Hatte es mich den Paladinen zu tun? Mit dem was ich war oder würde den Personen, die mir wichtig waren etwas zustoßen? Wichtig würde sein, dass ich vorbereitet war. Die Karten bestärkten mich somit nur weiter in meinem Vorhaben.

Mit der letzten Karte in der Hand machte ich mich auf den Weg in mein kleines Bad und stellte mich vor den Spiegel. Ich erblickte die helle Haut, azurblaue Augen, die mir entgegenblickten und das goldblonde Haar lockte sich sanft bis in meinen Rücken hinab. Es war die gutmütige und überlegte Samara die vor mir stand, die alle kannten. Diese dachte zuerst nach und war immer um den Anschein bemüht. Sie wollte in einem guten Licht stehen, nicht zuviel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und ganz gewöhnlich wirken. Und doch… in der letzten Zeit hatte ich immer mehr das Bedürfnis verspürt auch offen mir einigen Fakten umgehen zu können. Wie zum Beispiel meiner Magie.

Zwar hatte ich dank meinen Illusionen die Möglichkeit, dass die Leute sie nicht erkannten, aber sie war einfach nicht gut genug, dass eine Verschleierung der anderen glich. Immer war irgendetwas anders. Auch wenn es manchmal nur kleine Unterschiede waren. Selbst diese konnten für einen genauen Beobachter verräterisch sein.

Ich blickte noch einmal hinab auf die Karte. Sie konnte auch darauf hinweisen, sich mehr auf sein Herz als den Verstand zu verlassen. Mein Verstand riet mir, weiterhin vorsichtig zu sein, auf mich aufzupassen. Aber zugleich flüsterte er mir zu, dass es eine Möglichkeit gab. Ich hatte es oft bei Lugs gesehen. Ich hatte es auch bei Robin gesehen und ganz gewiss war ich auch dem ein oder anderen dem ich kannte, in einer anderen Gestalt begegnet, ohne es wirklich zu wissen. 

Ich beruhigte meinen Atem, ließ ihn bis auf ein Minimum abklingen um mich auf mein Vorhaben zu konzentrieren. Ähnlich wie bei der Vorbereitung eines Zaubers versuchte ich ein Gedankenkonstrukt zu bauen, stellte mir vor meinem inneren Auge vor, was ich erreichen wollte. Doch statt Sylabeln und Paraphernalia griff ich auf die Kraft, die in mir ruhte zurück. Mein Blut, die Vitae die mir in meiner Unsterblichkeit so vieles ermöglichte. Und einiges davon schlummerte noch tief in mir.

Was zuerst nur vor meinem geistigen Auge als Bild zu sehen war, formte sich langsam auch vor mir in meinem Spiegelbild. Die Haut nahm einen dunkleren, haselnussbraunen Ton an. Wie von jemandem der es gewohnt war viel und oft in der Sonne zu sein. Die Augen nahmen eine dunkelbraune Farbe an in denen man sich fast schon verlieren konnte und die Haare lockten sich nun schwarz wie die Nacht um das Gesicht. Und auch die Gesichtszüge hatten sich verändert. Die Erscheinung, die mir nun entgegen blickte hatte fast schon etwas Fremdländisches an sich.

Ein leichtes lächeln breitete sich auf meinen Zügen aus. Es war fast so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Tatsächlich hatte ich schon länger mit den Gedanken gespielt es zu versuchen. Aber erst nun hatte ich einen wirklichen Grund gefunden. Vor mir Stand nicht mehr Samara Shanaz. Vor mir Stand nun Farida Nihalan. Kartenlegerin. Jemand der einen Platz im Lager bei dem Schiff finden konnte. Jemand dem es egal sein konnte, Illusionen zu wirken. Illusionen gehörten zu ihrem Handwerk, vervollständigten den Blick auf die Zukunft. Und sie würde die sterblichen genug in ihrem Bann ziehen können… um sich in form von Blut eine angemessene Bezahlung für den Blick in die Zukunft geben zu lassen. Nur, dass niemand sich an diesen Preis erinnern können würde.
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