Totgeglaubte leben länger

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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Hölzer, Husten und die Disziplin

Seine Schritte führten ihn durch den Wald im Westen von Silberburg. Der Blick ging hier und dort über die Bäume, die Äste und das Holz welches am Boden lag und schon eine Weile getrocknet sein könnte. Während er so an den Eichen, Buchen, Weiden und Pinien vorbeiging wanderten seine Gedanken an den vergangenen Abend zurück:
Der besondere Stab

Und so machte sich Thamion auf den Weg ein geeignetes Holz zu finden.

Zurück in dem Hier und Jetzt ging sein Blick auf eine Trolleiche. Robust mit langer Haltbarkeit, witterungsbeständig und kaum Verzug über die Zeit, Eichenholz war ein idealer Kandidat. Zumindest das grau-braune Kernholz war geeignet, das umgebende Splintholz war kaum zu gebrauchen. Auch für die Bearbeitung war es wunderbar, immerhin sind die Jahresringe deutlich zu erkennen und können durch einen geübten Schnitzer herausgearbeitet werden.
Der Baum, etwa ein Dutzend Schritt entfernt, war vor einiger Zeit von einem Blitz getroffen worden. Er sah den zu einer Seite geöffneten Stamm, ausgebrannt, ebenso wie das Innere des Baumes. Der Blitz hatte gut getroffen und einen Großteil der Rindenhülle stehen gelassen. Das und die blätterlosen Äste zeugten von einem toten Baum. Das sparte viel Zeit, waren die oberen Äste doch langsam getrocknet und geeignet für eine baldige Bearbeitung. Wie bei dem Bogenbau würde eine zu schnelle Trocknung zu Rissen im Material führen. Und so wie der Orden sollte der Heroldsstab die Zeit überdauern, stark und robust.
Es gab nur ein Problem: Rund um die Eiche herum war der Boden trocken, abgestorben und an einigen Stellen schwarz. Ein Gefühl, das er die letzte Zeit öfter gespürt hatte, besonders in der Nähe vom Hafen. Die Eiche stand auf einer kleinen, grünen Insel inmitten eines Seuchenfeldes. Der Boden direkt am Baumstamm war gesund, das konnte er erkennen, doch würde er ein halbes Dutzend Schritte über den verseuchten Grund tun müssen um ihn zu erreichen.

Die Auswirkungen kannte er bis auf Fenrias Erkrankung nur durch Erzählungen: Hochansteckend, nervig aber nicht tödlich.
Er fasst den Entschluss und kehrte zurück nach Hause. Dort hinterließ er eine Notiz auf dem Boden im Eingangsbereich, nahm einen Trinkschlauch mit frischem Wasser und etwas Brot als Proviant mit. Die Axt, ein Geschenk von seinem Waffenbruder Dirion, war das einzige Werkzeug das er brauchte.
Als seine Füße ihn über die verdorbene, kranke Erde trugen, spürte er wie die Magie an ihm heraufkroch, sich in seinen Körper grub und dort niederließ. Nicht einmal seine Verbindung zum Mond hielt es auf, obwohl er seit seiner Wandlung damals kein einziges Mal krank gewesen war. Auf dem einsamen, grünen Fleck angekommen, kletterte er den Baum hoch um an einen besonders vielversprechenden Ast zu kommen. Kurze Zeit später hatte er diesen über das Seuchenfeld hinweg in Sicherheit gebracht. Ein erstes Husten entrang seiner Kehle, kaum war er aus dem verseuchten Bereich getreten. Er kannte den richtigen Ort um niemanden anzustecken. Das Grab des Ritters.

Drei Tage Disziplin
Früher war er hierher gekommen, wenn er als Großmeister schwere Entscheidungen treffen musste. Das Grab, eine Halle mit wenigen aber eindrucksvollen Verzierungen, erfüllte ihn stets mit Demut und Ruhe. Eine handvoll Schilde, acht Podeste mit Symbolen für Tugenden, ein Sarkophag sowie zwei Steintafeln und zwei Ankh-Zeichen zierten den sonst leeren Raum. Wie früher schritt er zu der Mitte, legte sein Hab und Gut beiseite und ging auf die Knie. Er entschloss sich hier unten zu bleiben, bis die Krankheit vergangen war. So würde er niemanden anstecken, niemanden gefährden.
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Reglos und in Gedanken versunken kniete er, Atemzug für Atemzug, Stunde um Stunde, vor dem Sarkophag. Die Stille, unterbrochen nur durch gelegentliches Husten, legte sich wie eine Decke um ihn. Sein Atmen klang dort wie die Brandung des Meeres, gleichmäßig, langsam und beruhigend. Kein Wort kam ihm über die Lippen und er merkte, wie sein Körper im Takt seines Herzschlages feine Bewegungen machte.
Er spürte wie in seinem Inneren der ewige Kampf stattfand, zwischen zwei Seiten, zwischen zwei Wölfen. Er konzentrierte sich auf den einen, spürte wie der Zorn, die Wut, die Kraft in ihm brodelte, heißer und heißer wurde, sein Körper zitterte, seine Muskeln und seine Haut sich spannten und die Wandlung zu seiner wilden Form kurz bevorstand. Und dann, ließ er die Ruhe auf sich wirken, wie eine zärtliche Berührung fegte es die Hitze fort, die Anspannung und der Zorn verflogen und zurück blieben .. er und die Brandung seines Atems.

Im Laufe von zwei Tagen wiederholte er dies immer wieder, reizte jedes Fünkchen seiner inneren Flamme aus und erholte sich anschließend in der Stille. Seine Wahrnehmung hatte sich verändert, seine Sinne waren empfindlicher. Obwohl fast kein Licht durch den Tunneleingang fiel, konnte er jedes Detail des Sarkophags vor sich erkennen, jeden Riss in den Steinen, jeden einzelnen Faden mit denen die Spinnen ihre Netze spannen. Er konnte genau hören wie am Morgen des zweiten Tages eine Maus durch den Eingang kam, entlang der Mauern und zu den Steinen huschte, keine zwei Armeslängen von ihm entfernt. Sie schenkte ihm kaum Beachtung, kniete er doch wie ein Teil des Sarkophags vor diesem und rührte sich nicht. Die Maus wühlte in den Steinen, eine Flut aus Geräuschen, und kam wieder hervor. Eine Walnuss in ihrem Mund haltend, blickte sie ihn direkt an, legte den kleinen Kopf schief und lief dann mit kleinen trippelnden Schritten zum Ausgang. Ein Lächeln ging über seine Lippen. Er fühlte sich langsam besser. Das Husten hatte abgenommen, das Zittern gar ganz nachgelassen. Doch spürte er noch immer die Magie der Krankheit in sich. So hielt er weiter Wacht, schweigend und mit seinem Inneren allein, schützte die Welt vor sich und den Folgen seiner Entscheidungen.

Am Mittag des dritten Tag, zumindest schätzte Thamion dies aufgrund des wenigen einfallenden Lichtes, fiel ihm auf, dass er seit einer Weile nicht mehr gehustet hatte. Der ständige Wechsel von heißer Wut und kühler Ruhe hatte seinen Körper erschöpft. Das Brot war bereits gestern aufgebraucht, der Trinkschlauch enthielt nur noch einen Schluck Wasser. Er schloss die Augen, fühlte in sich, suchte die Zeichen der Krankheit, die Zeichen der Magie. Er fand nichts. Er spürte nichts mehr von diesem Kribbeln, diesem störenden Gefühl als wäre ein Eindringling in seinem Geist und seinem Körper.
Langsam, als wären seine Gliedmaßen in eine dünne Schicht porösen Stein gefasst, stand er auf. Die Muskeln schrien auf, die Gelenke schmerzten und aus seiner Kehler kam eine Mischung aus Knurren und Seufzen. Seine Hände gingen nach oben, er streckte sich, bewegte seinen Oberkörper erst in die eine, dann in die andere Richtung, jeweils begleitet von einem Knacken. Ein letztes Ausschütteln der Beine um das letzte taube Gefühl loszuwerden und er griff sich seine Ausrüstung.
Es ging nach Hause.
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Thamion de Montagor
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Die Tugend der Demut

Beitrag von Thamion de Montagor »

Magie. Eine wundersame Sache, für manche der Inhalt ihres Lebens, für andere der Grund warum sie noch am leben sind. Und für wieder andere ist es eine Art der Droge. Nach heute Abend konnte er es ein wenig verstehen. Wie einfach war es doch ein anderer zu werden. Die Bücher neu zu schreiben, die Leute aus einer anderen Position kennenzulernen. Und das alles nur wegen einem Amulett. Ein letzter Blick in den Spiegel. Der Bart hatte wieder seine normale Länge und Farbe. Der Zauber war vorbei. Jetzt konnte er beruhigt ins Bett.
  
 Der Morgen
 Heute würde er die Aufgabe von Peredur weiterführen. Im Kopf ging er nochmal die einzelnen Tugenden durch. Gerechtigkeit, Disziplin, Ehrlichkeit, Standhaftigkeit, Zielstrebigkeit, Etikette und Demut. Letztere war es, die heute seinen Tag bestimmen sollte. Ein Tag, an dem er in die Haut eines anderen schlüpfen würde, eines Bürgers der Stadt oder eher, der Straße. Während er aus der Kleidertruhe einige alte Stücke zog, dachte er über einen Namen und eine Geschichte nach.
 Tom Tommen, Obdachloser, Bettler.
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 Ein wenig lockere Kleidung, kurze Hose, ein halb-zerrissenes Hemd und ein Paar Stiefel. Alles aus einfachen Stoffen und günstigem Leder. Als er sich fertig gekleidet hatte ging er zum Briefkasten. Die Lieferung lag darin, ein Beutel mit Amuletten. Es hatte nicht lange gedauert, bis er einen vertrauenswürdigen Händler dafür gefunden hatte.
 Nicht einmal seine Frisur konnte ihn vor den Blicken der Wachen verstecken, dafür war er zu bekannt in der Stadt. Also mussten diese magischen Amulette nachhelfen. Er legte eines an, merkte wie ein Kribbeln durch seinen Körper fuhr, die Haut und das Fleisch darunter leicht veränderte. Etwas Erde verhalf ihm zu der passenden Dreckschicht auf Kleidung und Gesicht und langsam ging er in die Stadt.
  
 Der Tag
 Was folgte waren Stunden voller Staunen. Er unterhielt sich mit ein paar Menschen, einfache Bürger, Händler, dem Reisemagier, den Stadtwachen, selbst der Köchin aus der Taverne. Reisende aller Art traten durch den Bogen und ab und an unterhielten auch sie sich mit ihm. Oder besser – er versuchte es. Die meisten ignorierten ihn, scheuchten ihn weg wie einen streunenden Hund. Eine Stadtwache trat sogar nach ihm, als er auf der Treppe der Bank saß und die Füße etwas ausruhte. Mit dem würde er in den kommenden Tagen ein ernstes Wörtchen reden, während der Mann rannte, im Kreis, mit einem Rucksack voller Steine. Zu Mittag hatte er ein paar Münzen von allen möglichen Leuten erhalten und wollte in die Taverne, sich etwas kaufen. Doch kaum war er durch die Tür getreten, wurde er mit einem Besen begrüßt und rausgeworfen. Nur dank der Küchenmagd, die das ganze mitbekommen hatte und ihm ein Tablett mit ein paar Speisen rausstellte, musste er für den Mittag keinen Hunger leiden. Als Dank pflückte er ein paar Blumen und legte diese auf das Tablett bevor er sich einen ruhigen Ort für eine Rast suchte.
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 Im Schlaf wurde er von einer Bewegung wach. Jemand näherte sich versucht leise. Thamion stellte sich weiter schlafend, bewegte sich nicht und nutzte sein Gehör- und Geruchssinn. Es war ein Mensch, schon länger nicht gewaschen, wahrscheinlich männlich. Etwas zog an seinem Stiefel, erst sachte und langsam, dann etwas kräftiger, bis das Leder von seinem Fuß glitt. Dann der andere. Schritte entfernten sich, langsam dann rennend. Thamion blickte der Gestalt hinterher, erkannte einen der Flüchtlinge aus dem Hafen und lächelte.
  
 Der Abend
 Über den ganzen Tag verteilt hatte er immer wieder gehört, dass zum Abend hin hoher Besuch erwartet wurde. Besonders die Paladine waren eilig unterwegs, überprüften die Kirche, die Sauberkeit der Straßen, dass es auch ein guter Eindruck werden würde. Wer oder was kommen sollte, konnte Thamion … Tom Tommen nicht erfahren. Aber er wusste dass er mit zum Pier gehen würde.
 Als er am Pier ankam sah er drei Gruppen. Eine Reihe Gerüsteter, darunter auch Pandor und Leona. In Reih und Glied standen diese vor einer Traube an leuchtenden Kriegern in dessen Mitte ein Mann in weißer Robe stand. Der hohe Besuch war also ein Priester. Etwas Abseits standen Amelie und ein Mann in einer schlichten Robe gehüllt. Die Ansammlung zog bald schon in Eile durch den Forst nach Silberburg ein, bis hin zur Paladinfestung im Osten der Stadt. Dort wurden dem Besucher die heiligen Schriften gezeigt, 10 Bücher die sorgsam in der großen Halle aufbewahrt wurden. Es folgte ein Abend voller Überraschungen, Ablenkungen und letztendlich mehrerer Kämpfe um neuartige Portale, aus denen Schleime, Dämonen und andere geflügelte Wesen in diese Welt kamen.
 Tom Tommen kämpfte mit einem krummen Stab tapfer an der Seite der Streiter und hielt sich dabei erstaunlich gut, was dem ein oder anderen auffiel. In einer kurzen Pause trat Sloan zu ihm, befragte ihn und beschuldigte ihn schon fast der Grund für diesen unruhigen Abend zu sein. Glaris und Isarius sprachen sich jedoch für ihn aus, was ihn überraschte, aber freute. Er blieb in seiner Rolle, wäre es wohl auch geblieben wenn sie ihn in den Kerker gesteckt hätten. Erinnerungen an ein solchen Vorfall, vor vielen Jahren kamen in ihm auf. Sloan ließ ab von ihm und danach kämpften sie gemeinsam gegen die Wesen. In einer Verschnaufpause nach einem besonders heftigen Angriff ließ Thamion die Magie des Amuletts versiegen. Bart und Haare brauchten noch länger bis sie wieder ihre normale Farbe hatten, doch erkannten seine Gefährten ihn nun wieder. Sloan bestand auf eine Runde auf Thamions Kosten bei nächster Gelegenheit wegen diesem Streich. Doch zuerst galt es zu kämpfen, während Isarius mit Gebeten versuchte die Tore zu schließen. Der Strom an Wesen versiegte nicht völlig, wurde aber stark abgeschwächt, während die anderen ihn schützten.
 Müde und erschöpft schleppte sich jeder zu seiner Ruhestätte, nicht bevor noch Befehle ausgesprochen wurden. Diese Portale mussten bewacht werden.
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Thamion de Montagor
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Sand, Asche und Kreide

Beitrag von Thamion de Montagor »

 Es hatte lange gedauert, bis er das richtige Rezept erhalten hatte. Zuerst suchte er in den Bibliotheken der Städte, dann fragte er einige Handwerker seines Vertrauens, doch schlussendlich war es ein Wachmann, der ihm ein Familienrezept gab. „60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen und 5 Teile Kreide und Ihr erhaltet Glas“, so habe es sein Großvater an seinen Vater und der an ihn weitergegeben.
  
 Sand und Meerespflanzen, beides würde er einfach bekommen. Ein Ritt an die Strände könnte er sogleich mit einer Inspektion der Echidna verbinden, sehen wie die Vorbereitungen liefen. Um das Ufer herum sammelte er Sand auf, dazu noch umherliegende Algen und angeschwemmte Pflanzenstücke. Sobald er genug hatte machte er sich mit der Beute auf den Weg zurück. Kreide würde er in der Stadt bekommen.
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Einige Eisenbarren hatte er noch, ebenso genügend Kohle für sein Vorhaben. Es dauerte eine Weile bis er alles vor dem Hochofen der Burg hatte. Zuhause hielt er zwar auch einen kleinen Hochofen, doch würde dieser nicht die notwendigen Temperaturen erreichen oder im gleichen Schritt das Haus entzünden.

 Aus Steinen baute er auf dem Kohlebett einen kleinen Raum, der die Hitze weiter stauen sollte. Anschließend füllte er Kohle und einige Holzscheite ein, entzündete diese und wartete am Blasebalg, bis das Feuer bereit war. Immer wieder bließ er frische Luft in die glühende Kohlen, bis die Hitze ihm entgegenschlug. Auf dieser ersten Hitzestufe musste er den Ofen eine Weile lassen um sich das richtige Werkzeug herzustellen. Er legte einige Stücke Eisen, etwas Stahlschrott und eine weitere Zutat in einen Tiegel und hievte ihn auf die Glut. Erneut bediente er den Blasebalg, bis der Inhalt vom Gefäß nur noch aus flüssigen Bestandteilen bestand. Er goß alles in eine Form für kleine Stäbe, setzte diese unter einen zweiten Blasebalg und bediente danach beide. Den für den Hochofen so, dass die Temperatur gehalten wurde, den auf die Stäbe immer und immer wieder. Die Luft sorgte dafür, dass die Hitze in den Stäben erhalten blieb und sie sich nicht abkühlten. Dazu führte sie zu einer Verbindung und Veränderung des Materials. Aus Eisen wurde Stahl.

 Als er mit dem Ergebnis zufrieden war, stellte er diese Form auf Seite und kümmerte sich erneut um den Hochofen. Neue Kohle wurde eingelegt, der Blasebalg bedient und die Glut noch weiter erhitzt. Inzwischen stand er nur noch in kurzer Hose vor dem Hochofen und fühlte sich so, als würde er ein Bad in einem Lavafluss nehmen. Nachdem er zufrieden mit der Hitze war füllte er die Wasserpflanzen in den Schmelztiegel. Diesen stellte er auf die Glut und wartete bis der Gestank aufgehört hatte. Den Tiegel wieder von der Glut nehmen blickte er hinein und sah reine Asche. Dazu rieselte er den Sand und die zermahlte Kreide Alles zusammen wurde auf die Glut gestellt und es folgte die Rauschmelze, der Teil in dem das Gemenge geschmolzen und gemischt wurde. Dann stellte er sich wieder an den Blasebalg, drückte die beiden Holzplatten zusammen, bließ damit die Luft in dem Sack dazwischen in den Hochofen hinein und half der Glut und der Hitze zu atmen.
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 Als einige Zeit verstrichen war führte Thamion noch eine weitere Zutat hinzu, ein Läuterungsmittel. Dieses würde sich bei den hohen Temperaturen zersetzen und Gase bilden. Diese würden alle Verunreinigungen und vorher gebildeten Gase aus dem Material mit nach oben nehmen. Er musste nur noch noch länger Warten und dann die oberste Schicht abtragen.

 Der Blasebalg wurde danach ruhen gelassen. Die Temperatur, die er zur Bearbeitung benötigte, war niedriger als die bei der Schmelze. Das Abstehen des Glases dauerte seine Zeit, in der Thamion einen Wasserschlauch am Brunnen füllte und direkt wieder leerte.

 Nach einer Weile nahm er sich dann ein weiteres Werkzeug zur Hand. Nachdem der Tiegel aus der Glut genommen wurde hielt er die Glasmacherpfeife hinein, nahm eine kleine Menge geschmolzenem Glas auf und wälzte es auf dem Holzblock hin und her. Marbeln wurde dieser Schritt genannt und es führte zu der groben äußeren Form. Als das Glas etwas abgekühlt war führte Thamion das Rohr an die Lippen und bließ vorsichtig hinein. Anschließend hielt er das Ende mit dem Glas wieder in den Hochofen, drehte es in der Luft ohne Unterlass, damit das Glas nicht in die Glut tropfte. Als der Tropfen wieder orange glühte holte er das ganze wieder heraus, drehte und bließ. Ab und an nutzte er kleine Holzbretter um das Glas weiter zu formen.

 Mit einem kleinen scharfen Messer zog er an dem Glas entlang, einmal außen an der Verbindung zu der Glasmacherpfeife entlang, sanft schlug er anschließend darauf und ließ das Glas sanft auf den Holzblock ab. Mit einer Zange nahm er das Gut auf und hielt es erneut mit dem unteren Ende an die Glut. Sobald auch hier ein ausreichendes Glühen zu sehen war, nahm er es aus der Hitze, kniff mit einer Zange hinein und zog es langsam und gleichmäßig. Im oberen Bereich wurde erneut das Messer angesetzt und der Deckel des Ganzen abgehoben. Man konnte nun wirklich den Kelch erahnen, der am Ende entstehen sollte. Aus Sand, Pflanzen und ein paar Stücken Kreide wurde etwas so besonderes. Es war spannend den Prozess in der Gänze zu erleben, zu formen, zu gestalten.

 Die Form war größtenteils vollendet, nun galt es den Feinschliff anzusetzen. Erneut in die Hitze gehalten, diesmal nicht bis zur Verfärbung, drückte Thamion immer wieder mit kleinen Holzstäben dagegen um die scharfen Kanten abzurunden, die Form zu vollenden und jegliche Unebenheiten langsam verschwinden zu lassen. Dieser Schritt dauerte, wollte er doch nicht durch eine zu schnelle Bearbeitung sein Werk zerstören. Geduld musste er haben.

 Einen ganzen Tag von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang stand er so an dem Hochofen. Schlussendlich hatte er zehn Kelche gefertigt, mit denen er zufrieden war. Etwa zwei Dutzend lagen zerbrochen oder unförmig in einem kleinen Fass. Die zehn wurden eingepackt, die Reste entsorgt und die Reise nach Hause angetreten. Er wird sich heute auf die Felle vor dem Kamin legen. Die Treppen schaffte er wohl kaum mehr. Schon allein das Aufziehen der Türen fiel ihm schwer, so müde waren seine Arme. Die Augen schlossen sich kurz bevor er die Felle berührte und erst am Mittag des nächsten Tages wagten sie sich wieder sich zu öffnen.

 An diesem Tag fing er nach dem Frühstück mit dem Schleifen der Stahlstäbe an. Der eine wurde zugespitzt, der andere mit einer kleineren breiten Schneide versehen. Das andere Ende sägte er ab und feilte es glatt. Dann schnitzte er aus einem weichen Holz eine Form, die man am ehesten als Keule für Kinder bezeichnen könnte. Ein langgezogener Tropfen, etwa so lang wie eine Hand. Dann setzte er sich hin und setzte einen Kelch in eine Halterung aus weichem Holz. Langsam setzte er den Meißel an, schlug sanft mit dem Holztropfen auf das Ende und .. klirr. Da waren es noch neun Kelche.

 Er musste noch langsamer vorgehen, vorsichtiger als er es ohnehin schon getan hatte. So zog sich auch dieser Tag hin und am Ende hatte er einen Kelch vollendet. Über die nächsten Tage setzte er sich hin, streichelte fast jeden Meißel mit dem Holztropfen um die Gravuren in die Kelche zu bringen. Am Ende hatte er sechs Stück fertiggestellt, jeder Kelch mit dem Wappen des königlichen Ritterordens versehen. Die restlichen waren zerstört und entsorgt.
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 Eine Holzkiste wurde mit Stroh und Stoff ausgekleidet, die Kelche hineingelegt und die Holzkiste verschlossen. Er würde sie bei nächster Gelegenheit an seinen Ziehvater geben. Durch sie konnte man sehen was darin war, wie voll der Kelch war und auch was dahinter lag. Die gravierten Stellen verdeckten ein wenig, jedoch nie so viel dass man nichts mehr erkennen konnte. Eine Darstellung der Ehrlichkeit.
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Thamion de Montagor
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Die Welt wird dunkler

Beitrag von Thamion de Montagor »

Der Abend verging wie im Fluge und Thamion kam es vor wie ein Traum.
Er kniete auf dem Sandstein, spürte die feinen Unebenheiten der Oberfläche und die angenehme Wärme des Bodens. Seine Hände waren im Schoß gefaltet, sein Blick ruhte auf der goldenen Statue vor sich. In den Stunden seit Samira und die anderen gegangen waren hatte er jedes kleine Detail aufnehmen können. Es war eine Meisterarbeit und mehrmals hatte er fast geglaubt, Ali'shondra könnte von dem Sockel steigen und sich zu ihm setzen. Doch das würde sie nicht mehr tun. Wie hatte Samira es ausgedrückt?
"Mit Miw ist ein Sonnenstrahl untergegangen."

Totenwache.jpg

Der Abend war ein schöner gewesen. Samira hatte ihn zuhause besucht, abgeholt, als fürchte sie, er könne es verpassen. Berechtigt, wenn er sich überlegte, wie selten er in letzter Zeit in der zivilisierten Welt gewesen war. So brachen sie zusammen auf in die goldene Stadt, Asmae'toria. Die Wachen, alles Schwestern Nyames, grüßten ihn freundlich. Eine Erinnerung kam in dem Moment auf.

Ali'shondra, die ihn an der Hand durch das Tor der Stadt führte, die Wachen, die ihn verwirrt musterten. Er hatte sich damals denken können, was sie dachten: Was will die Megala Ierea mit so einem schmächtigen Manthossum? Er war gerade erst aus den Fängen Ba'muths entkommen. Abgemagert, schwach, verwirrt. Die Narben an seinem Rücken noch mit Schmerz verbunden, der tiefer ging als alle Klingen, die sie verursachten. Ali'shondra hatte ihn aufgenommen, ihm erlaubt in der goldenen Stadt ihres Volkes zu ruhen, zu Kräften zu kommen, sich selbst zu finden. Es war eine Zeit, die viel zu schnell verging und doch so lange währte. Am Anfang kam er sich vor wie ein Tier in einer Ausstellung, die Schwestern Nyames begegneten ihm mit Vorsicht und Misstrauen. Mit der Zeit und nach vielen Gesprächen mit Mîw kam er der Kultur näher, verstand sie etwas mehr und hatte sich und sein Verhalten angepasst. Er hörte zu, lernte, nahm jedes Wort und jede Regung in sich auf. Mit einer Geduld, wie sie nur eine Anführerin haben konnte, beantwortete sie ihm alle Fragen, lehrte ihn und zeigte ihm die Wunder Nyames. Sie war seine Retterin, Lehrerin, Führerin, Freundin.

"Du bist mein großer Bruder und warst immer für mich da. Ego kann und konnte immer zu dir kommen."
Samira saß am Feuer, leicht versetzt zu ihm selbst. Die warme, trockene Luft der Wüste vermischte sich hier mit der des Dschungels und des Meeres. Eine wunderbare Symphonie für seine Nase, wohltuend und ein steter Quell Erholung. Sie reichte ihm ein Medaillon an einer Kette, aus Gold gefertigt. Ein weiterer Unterschied der Völker. Wenn ein Mensch so viel Gold zur Schau tragen würde wie die Schwestern es taten, so wäre er ein Gockel seinesgleichen. Doch hier war es ein Zeichen der Verbundenheit, mit Nyame und mit ihren Schwestern. Und nun auch ein Stück mit ihm.
"Ego habe sie Sonnenstrahl genannt."

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Ein Zeichen der Freundschaft, der Verbundenheit, der Familie.

Einige Zeit später standen sie an der Schmiede, Lise - einst Taraa - begrüßte sie beide dort. Sie kündigte einen Besuch bei ihm an, als hätte sie etwas sehr wichtiges zu teilen. Er stimmte zu und musste an den Tag denken, als er ihr das erste Mal begegnet war. Die erste Begegnung mit einer Schwester Nyames. Er war im Wald der Harpyien unterwegs, bereits einen großen Sack Federn über die Schultern. Seine Waffe war der Bogen, seine Heimat der Wald und sein Rang war erst seit Kurzem der eines Knappen. Unweit der letzten Harpyie trat diese wunderschöne Kriegerin in seinen Weg. Er fürchtete um sein Leben, nicht wegen ihr, sondern weil er solche Wesen nur aus seinem Glauben kannte. Edle Kriegerinnen, die die tapfer Gefallenen vom Schlachtfeld mitnehmen und in die große Halle führen. Doch er lebte noch und sie verlangte seine Dienste als Holzfäller. Wie auch immer er es damals schaffte, er konnte sie überzeugen dass er ihr keine Hilfe wäre. Wäre er damals mitgegangen, so hätte er die Wunder der goldenen Stadt schon so viel früher gesehen.

Nachdem sie sich in Silberburg mit den anderen trafen, führte Samira sie alle zu einem Ort an der Küste, unweit von Asmae'toria. Sie wurden alle Zeuge eines Dienstes an Nyame, einer Messe zu Ehren der Göttin und des verlorenen Sonnenstrahls. Während der Geschichte um Löwe und Fuchs musste Thamion daran denken, dass die Füchsin Minni und er, ein Wolf, seit langer Zeit gemeinsam in seinem Haus lebten. Wo lag der Unterschied zwischen dem Löwen und ihm selbst?


Ein Portal öffnete sich in seiner Nähe und Samira trat heraus, in ihrer neuen Gestalt. Er lächelte ihr zu und sie setzte sich zu ihm. Sie sprachen kein Wort, blickten beide auf die goldene Statue. Nach einer Weile schaute Thamion noch einmal zu seiner Freundin, die mit stolzem Haupt und in stillem Gedenken auf die Statue ihrer Schwester blickte und ihre eigenen Worte kamen ihm nochmal in den Sinn.
"Mit Miw ist ein Sonnenstrahl untergegangen und mit mir als neue Megala Ierea ein anderer auf."
Es war beruhigend, dass die Welt, auch wenn sie etwas dunkler geworden ist, noch immer Licht in sich hält.
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