Totgeglaubte leben länger

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Thamion de Montagor
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Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Mit gemischten Gefühlen trat Thamion in sein Haus. Er war lange nicht mehr hier gewesen. Seine Reise hatte ihn fast vergessen lassen, wie es hier aussah und welche Bedeutung es für ihn hatte. Ein Anker in der Stadt, eine Zuflucht zwischen der Natur und der Zivilisation, ein Ort, der nach seinen Vorstellungen entstanden ist.

Damals war er gefangen gewesen in dem Zwiespalt zwischen Wald und Stadt, Waldläufer und Großmeister, Wolf und Mensch, Liebender und Einsamkeit. Was von alledem war heute noch aktuell? Die Welt hatte sich in den Jahren seiner Abwesenheit verändert, er sich ebenso, nur .. anders.


Wald und Stadt

Nach seiner Rückkehr in diese Welt, auf diese Ebene, auf diesen Kontinent führte es ihn zu allererst in die Burg des Ordens. Seine Aufgabe, der er nahezu alles geopfert hatte, war endlich beendet. Seit er den goldenen Reif gefunden hatte, wagte er nicht mehr an Schlaf. Wie er sich auf den Beinen halten konnte war ihm selbst ein Rätsel. Einzig Fenria wusste damals davon, was er tun musste. Das Verschwinden des Königs zu untersuchen und seinem Weg folgen, wohin auch immer dieser führte.

Es war nicht leicht gewesen. Alirion wusste seine Spuren zu verschleiern und für Thamion, der unfähig in der arkanen Kunde ist, waren die größten Hürden die Sprünge zwischen den Welten zu verfolgen. Wie viele verschiedene hatte er nun besucht? Er konnte sich nicht an die Zahl erinnern. Weltenwanderer könnte er an die Liste seiner Titel hängen, wenn er darauf Wert gelegt hätte. Und alles hatte mit dem Dämonenfürst Ba’muth angefangen. Seiner Gefangennahme, seiner Folter, seiner Flucht aus dessen Reich.

Langsam zog er den blauen Mantel des Ordens, die Uniform und seine Kleidung aus. Jemand hatte sich um sein Heim gekümmert, war doch kaum Staub zu sehen. Sie hatten die Hoffnung wohl nicht aufgegeben. Verwunderlich, wenn auch nicht überraschend. Er suchte eine leichte Waldkleidung zusammen. Odin und Zeus würde er besonders bei seinen Spaziergängen schmerzlich vermissen. Während er sich so anzog, kreisten seine Gedanken zurück.


Waldläufer und Großmeister

Den Ring des Großmeisters des königlichen Ritterordens zu Silberburg hatte er vor seiner Abreise abgelegt. Er konnte nicht beides tun, den König suchen und den Orden leiten. Er wusste ihn in guten Händen. Mirja und die anderen würden sich, wenn auch ungern, die Pflichten und Rechte teilen und dafür sorgen, dass der Kodex weiterlebt.

Heute wusste er, dass seine Erwartungen nicht enttäuscht wurden. Von dem Ordenstreffen hatte er von einer Stadtwache erfahren. Es war eine gute Möglichkeit gewesen seine Last abzulegen, seine Aufgabe als gescheitert zu bekunden und die Krone nach Hause zu bringen.

Die Krone von Alirion oder .. die Krone des nächsten Königs zu Silberburg, lag nun wieder in der Burg, sicher verwahrt von Fenria und dem Orden.

Bruchstücke des Abends ging er in Gedanken noch einmal durch. Den Kinnhaken von seiner Schwester hatte er erwartet. Ebenso die Umarmung, die diesem folgte. Telas als Großmeister war eine Überraschung, aber keine unwillkommene. Er wusste noch genau, wie es ihm damals ging. Als Knappe wurde er zum Großmeister ernannt, in einer Zeit voller schwieriger Entscheidungen und als der Orden wenig Unterstützung hatte. Neben Fenria, die ihm ebenso begegnete wie er sie aus der Vergangenheit kannte, wenn auch etwas geschwächter, waren ein paar neue Gesichter an der Tafel. Wachstum war gut, zeugte es doch von Pflege und einem nährhaften Boden.

Wie stand es wohl um die Welt? Wie wurde sie gepflegt? Gab es noch Söhne des Gleichgewichts, die das Efeublatt mit Hingabe und Leidenschaft trugen? Er würde es herausfinden. Alte Bande mussten neu gewoben werden. Einige Briefe mussten geschrieben und Treffen erbeten werden um ein Verständnis dieser neuen Welt zu erhalten.


Wolf und Mensch

Seine Gedanken gingen vom Orden und seinen Brüdern zu seiner anderen Familie. Wie mag es um das Rudel stehen? Seine .. Natur .. hatte ihm oft genug in den vergangenen Jahren das Leben gerettet. Wurden sie ebenso von der Seuche betroffen? Und hatten die Vampire etwas mit den Untoten zu tun? Der Hafen war verbarrikadiert, aber einen Weg würde er schon finden. Die Mauer oder das Wasser.

Aber zuerst musste er sehen, was in der Zwischenwelt vorging. Gab es offene Kämpfe, hatte sich viel verändert und gab es jemand der sich um die Welpen kümmerte – oder wurden sie sich selbst überlassen? Als er eine leichte Tunika überzog fuhr er über die Narben an seinem Rücken. Ba’muth hatte in seinen Bemühungen Informationen zu erhalten schnell herausgefunden, dass normales Metall nicht die gewünschte Wirkung hatte. Die Narben, teils chirurgisch fein, teils wütend und wild hinzugefügt, die seinen Rücken komplett zierten, hatten ihm Stärke gegeben zurückzukehren. Neben der Pflicht gegenüber dem Orden war die Wut auf Ba’muth ein guter Quell der Motivation gewesen. Ein tiefes, animalisches Knurren fuhr aus seiner Kehle. Dann entspannte sich sein Ausdruck, wurde sanft, als seine Gedanken weitergingen.


Liebender und Einsamkeit

Immer wieder auf seinen Reisen hatte er die Gesellschaft vermisst, besonders seit er seine beiden Gefährten verloren hatte. Auch jetzt, obwohl er gerade in der Ordensgemeinschaft war und seine kleine Schwester wiedergesehen hatte, spürte er die Einsamkeit in dem Haus. Leise summte er eine Melodie zu einem Lied, das ihn an lang verlorene Bande erinnerte. Er würde wohl einen Ausflug in den Wald im Norden machen. Ein weiter Weg, der ihn am Ende zu dem Hügel am Bach führen würde.

Hinter sich schloss er die Tür. Langsamen Schrittes ging er an dem Haus vorbei und bog gen Norden ab. Eine Weile würde er von Magie die Finger lassen, besonders was Reisen angeht. Seine Schritte auf der Erde, bald das sanfte Auftreffen der Pfoten im Unterholz war das einzige, das er an dem Abend noch brauchte.
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Im Zeichen des Mondes
  
 Sein Tag hatte ruhig begonnen, war er doch in seinem Bett, seinem Haus, seiner Stadt erwacht. War es noch seine Stadt? Das würde er herausfinden.
  
 Doch zuerst musste er ein wenig die Beine vertreten, den Kopf frei bekommen. Es zog ihn in Richtung der Ogerberge. Der Gestank, der ihm entgegenflog, ließ ein Knurren aus seiner Kehle steigen. Er entschied sich, die Jagd frei von jeglichen Banden zu führen, sodass er seiner Natur freien Lauf lassen konnte. Kurz nachdem er in das Unterholz ging, trat ein brauner Wolf heraus, der einem ausgewachsenen Mann bis zur Schulter reicht.
 Einige Oger später hielt der Wolf die Nase in die Luft und zog die Gerüche ein. Sonnenstrahlen, feine Kräuterbäder, die Düfte der goldenen Stadt erkannte er. Eine Tochter Nyames war in der Nähe. Langsam trottete er dem Duft nach und fand die Amazone im Kampf mit drei Ogern. Es sah nicht aus als würde sie Hilfe bennötigen, so wartete er in gebührendem Abstand. Er beobachtete die geschickten Bewegungen, wie sie mit ihrem Degen die verletzlichen Stellen der Dicken fand und abwechselnd den kräftigen Schlägen auswich oder sie mit ihrem Schild abfing. Die Anmut dieses Volkes hatte ihn schon früher fasziniert.
  
 Die Oger fielen schnell und die Amazone bemerkte den Wolf, hielt aber einen respektvollen Abstand, oder einen in dem sie sich noch gut verteidigen konnte. Bevor er ihre Reaktion und Verhalten ihm gegenüber vollends einschätzen konnte, nahm er einen seiner Art wahr. Ein rotfuchsfarbener Wolf trottete durch das Gebirge. Er war noch sehr jung und Thamion fragte sich, wo sein Rudel oder Leitwolf war? Nachdem die Tochter Nyames sich erst langsam, dann schneller zurückgezogen hatte, führte der braune Wolf nach Osten – tief in den Wald hinein, wo sie ungestört reden konnten.
 Kurz blitzte der Gedanke auf, sich vollends zurück zu wandeln, doch die Gefahr war noch zu groß. Er kannte den anderen nicht und wusste nicht, ob der Zusammenhalt und das Rudel noch immer so war wie früher. Einige Momente voller schmerzerfülltem Knurren später standen sich zwei Wolfsmenschen gegenüber, der eine braun wie die Buchen im Wald – der andere rot wie die Füchse in der Steppe.
  
 Sie unterhielten sich eine Weile dort, geschützt vor den Blicken Fremder. Der junge Wolf war sehr offen, erzählte von seiner Wandlung und wie er die Regeln des Rudels verletzt hatte, indem er eine Frau wandelte. Er hatte einen Splitter tragen müssen als Strafe. Die Zeiten hatten sich wohl auch hier geändert – damals wäre seine Tat einem Todesurteil gleichgekommen. Dennoch, der junge Wolf war eben dies: Jung und unerfahren, ein Kind das nicht wusste wie heiß ein Feuer sein konnte. Sein Erschaffer hatte ihn im Stich gelassen und wie sollte er sich dann unter Kontrolle haben? Wie sollte er wissen, was die Regeln für sie als Wächter des Zwielichts waren? So erzählte Thamion ihm das Wichtigste und bot an, auch der jungen Frau, die der rote gewandelt hatte, davon zu unterrichten. Der Rote war einverstanden und sie verabredeten sich in Winterberg.
  
  
 Die Wärme in der kalten Stadt
  
 Einige Zeit später trat Thamion, in braun und grün gefärbter Kleidung gehalten, durch die Stadttore von Winterberg. Die Kälte erinnerte ihn an seine Heimat, die Nebelinseln weit im Norden. Ein Mann empfing ihn, gekleidet in eine schwarze Kampfrobe, mit bernsteinfarbenen Augen und fast 20 Fingerbreit kleiner als er. Durch den Geruch erkannte er den rotfuchsfarbenen auch in dieser Gestalt und nickte ihm freundlich zu.
 Sie gingen einige Schritte durch die Straßen. Es hingen viele Banner des königlichen Ritterordens an den offiziellen Häusern. Auch die ein oder andere Wache erkannte er. Eine interessante Entwicklung, das würde er bei einem der nächsten Ordenstreffen ansprechen.
 Sie hielten letztendlich vor einem Haus und der Mann klopfte an.
 Eine junge Frau mit gebräunter Haut, braunen Augen und in ein grünes, feines Kleid gehüllt öffnete die Tür. Ihr Empfang war kühl, etwas verärgert. Sie war nicht gut auf den rotfuchsfarbenen zu sprechen wie es schien. Thamion ergriff das Wort und stellte sich kurz vor, erklärte den Grund für sein Erscheinen mit Worten, die das Geheimnis keinem Vorbeigehenden verraten würden. Daraufhin entspannten sich ihre Züge etwas und sie bat beide in ihr Haus.
 Die darauffolgenden Stunden flogen dahin, während sich Thamion mit seinesgleichen unterhielt. Es waren nicht nur der rotfuchsfarbene und die junge Frau dort, sondern auch eine hochgewachsene Frau in einem roten, hoch geschlitzten Kleid sowie ein junger, schmächtiger Mann in einer grün-roten Brokat-Robe. Alles waren sie Kinder des Mondes, obwohl sie in der Welt unterschiedliche Ursprünge hatten. Es war lange her, dass Thamion so viele an einem Ort sah, oder überhaupt welche, wenn er seine Reise mit betrachtete.
  
 Die Gesprächsthemen wanderten von einer anfänglichen Vorstellung über Geschichten und Mythen bis hin zu dem Kodex der Jäger, den Werten die ein jedes Kind in sich tragen sollte und am Ende zu einigen Theorien, woher die Kräfte kamen, die sie alle verband.
 Sie saßen bis spät in die Nacht dort und nach und nach verabschiedeten sich die anderen, bis nur noch die junge Frau im grünen Kleid und er blieb. Xapoa, so hatte der rotfuchsfarbene sie genannt. Vorgestellt hatte sie sich nicht. Sie hatte gerade am Anfang eine gesunde Menge an Vorsicht gezeigt, eine Eigenschaft die sie vor einigen Problemen behüten würde.
 Sie lud ihn vor den Kamin ein, als sie noch zu zweit waren. Dort erzählten sie beide mehr über sich und er erfuhr, dass sie häufig in Aura Asamae'toria zu Besuch war – gar dort eine Zeit lang lebte. Die Zeit verging zu schnell, waren die Gespräche doch angenehm und Xapoa’s Ansichten schienen vernünftig und erstaunlich weise für eine solch junge Frau.
  
 Als er sich aufmachen wollte, überraschte sie ihn, indem sie einen Beutel mit Speisen für die Reise fertigmachte. Die verschiedenen, angenehmen Düfte, die der Inhalt verströmte, verhießen ihm eine leckere Mahlzeit am nächsten Morgen. Sie verabschiedete ihn mit den Worten „Gebt gut auf Euch acht“. Er musste lächeln, erinnerte ihn das doch stark an seine Schwester Mirja. Als würde er auch nur eine Entscheidung in seinem Leben danach treffen, dass er in Sicherheit war.
  
 Am nächsten Tag führte ihn sein Weg kurz zurück nach Winterberg. Ein kleines Bündel, zusammengebunden und mit einem einzelnen Efeublatt darauf, wurde auf dem Fass vor Xapoa’s Haus abgelegt.
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Der Hafen, der Nebel und weitere volltote Untote
Stück für Stück gewöhnte er sich daran an einem einzelnen Ort zu sein. In einer Ebene, wohl eher. Die Abstinenz von magischen Reisemitteln tat gut, oder vielleicht war es auch nur die frische Luft, die er auf den Wegen einatmete. Wobei genau hier ein großes Problem lag. Der Hafen von Silberburg war voller Untoter und ein seltsamer Nebel stieg dort auf, trug den Gestank der Wandelnden mit sich. Thamion ging in den letzten Tagen öfter die Wehrgänge entlang und blickte auf das Treiben herab. So gerne würde er einen gerüsteten Trupp dort hinein führen und all diesen verdorbenen und knöchernen Abschaum zerschlagen. Aber die Krankheit verhinderte dies. Er würde zuerst alleine erkunden, nach Hinweisen suchen, warum gerade der Hafen betroffen war. In Ansilon hatte er keine betroffene Stelle an den Docks gefunden. Bei seinen Spaziergängen über die Mauer suchte er nach möglichen Eingängen. Es gab noch die ein oder andere Stelle, an der man mit etwas Glück gut hinunter klettern konnte. Die normalen Ausgänge waren alle ordentlich geschlossen worden, da hatte die Stadtwache gute Arbeit geleistet. In Gesprächen mit ein paar der Männer konnte er die üblichen Wege und Wachabläufe einschätzen. Er musste nur noch ein wenig mehr über das Ganze herausfinden, dann würde er einen Ausflug wagen.
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Sein Weg führte ihn nach Norden. Der Nebel wabberte langsam von dort bis an den Fluss heran. Auf der anderen Seite waren einige untote Knochenwesen, großen Hunden gleich. Als er der Spur des Nebels immer weiter folgte und immer mehr dieser Knochenhunde als Haufen hinter sich ließ, bemerkte er, dass dieser über dem Gebirge hing - über dem alten Kloster. Woher sollte auch sonst eine untote Plage kommen. Gab es dort Hinweise oder war es doch nur ein Zufall?
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Auf dem Rückweg fand er ein kleines Ruderboot am Ufer befestigt. Wassertüchtig war es wohl nicht mehr, hatte es doch zuviele Risse und fehlende Planken. Aber mit etwas Arbeit wäre es eine Möglichkeit hinüberzukommen, wenn sich keine Gelegenheit für die Mauer gab. 


Die Schlange im Wald
Genug von der Stadt machte er sich auf den Weg in den Wald. Als er am Tag zuvor Briefe bei den Wald- und Hochelfen abgegeben hatte ist ihm an einer Stelle im Wald ein übler, unnatürlicher Geruch in die Nase gestiegen. Die kleine Insel, die inmitten des Waldes lag, hatte er früher schon öfter besucht gehabt. Nicht immer allein. Auch heute schien es, als wäre er nicht allein. Vorsichtig schlich er sich im Schutze der Ruinen näher und entdeckte eine Gruppe von untoten Kämpfern, Lichen und Geisterwesen. Sollte er zurück in die Stadt, sich rüsten und ordentlich gewappnet wieder hierher kommen? Nein, dann hätte der Trupp nur mehr Zeit etwas anzustellen. Sorgsam schichtete er seine Kleidung und Ausrüstung und konzentrierte sich auf seine innere Wut, seine animalische Seite. Der Gestank der Untoten half ihm sich schnell zu wandeln. Schmerzhaft war es dennoch, jedes einzelne Mal. Aus dem Unterholz sprang der große Wolf den ersten Krieger an, zerriss die Sehnen und Muskeln, die Knochen und Gelenke zusammenhielten. Stück für Stück, Untoter für Untoter wurde der Trupp von ihm auseinander genommen. Dort wo er konnte, zerfleischte er die Leichname. Falls dies hier eine Art Lager sein sollte, so würde er eine Nachricht hinterlassen, die selbst die Spatzenhirne verstehen würden. Auf dem Dach der Ruine war eine Statue erst vor Kurzem aufgebaut worden. Ein weiterer Hinweis auf einen Kult oder einen Versammlungsort vielleicht. Sorgsam stapelte er die Köpfe seiner untoten Opfer neben der Statue. 
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Shira'niryn
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Shira'niryn »

Natürlich hatte sie das Versprechen, ihre Pflicht gegenüber Maeryn nicht vergessen und so trugen ihre kristallinen, durchschimmernden Schwingen sie bei Einbruch der Nacht wieder tief in den Nordwald. Es war eine angenehme Nacht. Der kühle Wind strich über die, den Mondschein reflektierenden, Kristallschuppen des kleinen Drachenleibes und eine angenehme Stille herrschte. Fast vergaß sie sich in ihren Gedanken bis sie etwas jedoch zur Besinnung rief. Sobald sie sich der Ruineninsel näherte konnte sie die Präsenz dort spüren - doch etwas war in dieser Nacht anders. In einem gleichmäßigen Sinkflug sank sie tiefer hinab, kreiste um die Statue Toir'easas und es dauerte nicht lange, da sah sie die Veränderung.

Köpfe, offenbar auf brutale Art von ihren untoten Leibern getrennt, stapelten sich zu 'Füßen' der Lindwurmstatue. Ein heißer Schwall breitete sich in den Gliedern aus, deren Ursprung ein zorniges Brodeln in ihrem Kern war. Die filigranen Flügel ausgebreitet, schnappte sie sich einen Kopf nach dem anderen, um ihn schließlich in einen hohen Bogen in das Dickicht der Umgebung zu befördern. Mit einem dumpfen Geräusch und begleitet von einem entsprechenden Rascheln kamen sie dort in der Dunkelheit auf - doch das war nicht alles. Ein süßlich, muffender Geruch wurde vom nächsten Windhauch mitgetragen und ließ das intensiv grüne Augenpaar des Kristalldrachens zur Seite schnellen. 
 
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Mit wenigen, kräftigen Flügelschlägen war sie am Boden, nicht unweit der Ruine entfernt und hatte somit den Ort des 'Massakers' gefunden. Die Kadaver einiger untoter Kreaturen, teilweise zerfetzt, enthauptet und anders entstellt, als hätte jemand seine ganze Wut an Ihnen ausgelassen. Kurz sah sie die schemenhafte Gestalt der Drachenmagierin zwischen den Bäumen, doch ihrem Blick nach zu urteilen, ärgerte sie sich nicht weniger darüber, als Shira'niryn es tat. Maeryn war das nicht gewesen, doch ehe sie ihr eine Frage stellen konnte, verschwand sie wieder und hinterließ nur einen faden Beigeschmack des Zorns.

Knurrend verharrte sie noch einen Moment, ihren Umut zum Ausdruck bringend, ehe sie sich soweit gefasst hatte, dass sie die magische Gestalt eines wesentlich größeren Drachens mit holzbraunen Schuppenkleid annehmen konnte. Mit den Klauen und dem Schwanz wurden die Kadaver an den Rand der Insel verfrachtet, wo sie unter Einsatz eines Drachenodems einen Scheiterhaufen für jene formte. Das Feuer erhellte in dieser dunklen Nacht vermutlich auf eine beachtliche Entfernung den Nordwald um die Ruineninsel herum und es dauerte Stunden bis die letzten Rauchschwaden sich in kleinen Kringeln am Himmel aufgelöst hatten. Die ganze Zeit über verharrte sie im Dickicht, beobachtend und sichergehend, dass das Feuer sich nicht weiter ausbreitete.
 
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Wie kamen die Untoten in diese Ruine und wer hatte sie beseitigt, sich dann aber erdreistet, ihre Köpfe vor der Statue des Lindwurms zu stapeln? Derjenige würde kein zweites Mal die Statue Toir'easas oder gar die Insel entweihen.
»• She wears strength and darkness equally well, the girl has always been half goddess, half hell. •«
~ Nikita Gill
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Erinnerungen

Er lag auf dem Tisch aus Lavagestein. Sein Kopf war seitlich fixiert, seine Hände und Füße gefesselt. Sein Rücken war nach oben zur Decke hin gewandt, er fühlte sich nass uns klebrig an. Einige Momente vorher war der Dämon, Fürst der 66zigsten Legion, aus der Folterkammer gegangen. Seine Instrumente lagen noch so, dass Thamions sie sehen konnte.
Messer aller Arten, kleinste Skalpelle bis zu Sägen und Fleischermessern, Haken, Pinzetten, Zangen, Spreizer und kleine Stäbe aus verschiedenen Metallen, blutgetränkt. Diese haben Ba'muth den letzten Hinweis gegeben, welches Metall ihn am meisten schmerzte, welches Metall seine Regeneration blockierte und ihm noch mehr Qual bereitete. Sein Rücken war übersäht von frischen und eingetrockneten Wunden, feine chirurgische Schnitte an verschiedenen Stellen. Hier und dort waren es Symbole und Schriften, mal waren es wilde Schnitte und Schläge, die die Haut aufgerissen haben. Heute waren es nur die Schnitte unter denen sich die Metallstücke befanden hatten. Der Fürst war zufrieden, auch wenn er immer noch kein einziges Wort aus dem Krieger bekommen hatte, so hatte er eine neue Methode gefunden, ihm Schmerzen zu bereiten. Er hatte sich aufgemacht, mehr Werkzeuge aus Silber herstellen zu lassen.

Einige Wochen später baumelte er an silbernen Ketten aufgehängt. Die ersten aus Eisen hatte er zerrissen, die zweiten aus einem schwarzen Metall ebenso, als er seine Gestalt verändert hatte. Unter ihm war eine große Wanne aufgestellt, in der sich eine rote Flüssigkeit befand. Thamions linkes Auge war zugeschwollen, seine Haut an vielen Stellen aufgeplatzt und zerrissen. Noch atmete er, Gedanken hielten ihn fest an diesem Leben.

Seine Systir - Mirja war nicht seine richtige Schwester, doch hatte er sie lieb gewonnen wie eine. Ihre aufbrausende Art, ihre Leidenschaft im Kampf, ihre Ansichten wie die Welt sich zu verbessern hatte und nicht unwichtig, ihre Herkunft aus dem Norden, wie die seine. Ihre Götter waren seine Götter, obwohl sie von einer  anderen Welt kam. Einmal wollte er noch ihr Lachen hören, sie umarmen und ihr sagen dass alles gut würde. Auch ihren Weg mit Pandor wollte er beobachten, fügten die beiden sich doch zusammen wie füreinander geschaffen.

Seine Bruder des Mondes und Waffenbruder zugleich - Dirion. Auch ihn vermisste Thamion schmerzlich. Für ihn musste er stark bleiben, falls er eines Tages zurückkehrte.

Die restlichen Mitglieder des Ordens die auf ihn zählten, wohl seit seines Kampfes mit Ba'muth nach ihm suchen oder  versuchen ihn zu befreien.

Zu guter letzt wanderten seine Gedanken zu der Druidin - Amran. Lange blieben sie dort, sogar ein kurzes Lächeln huschte über sein Gesicht, in all dem Blut und Schmerz. Dann vertrieb er die Gedanken an sie, er war es noch nicht würdig, wenn jemals wieder, die Erinnerungen an sie als Anker zu nutzen.

Als er sich wieder auf das Hier und Jetzt konzentrierte, die Schmerzen aushielt und das Tropfen seines Blutes in die Wanne vernahm, sah er ein gleißendes Licht in einer Ecke. Es wurde größer, als würde jemand einen langen Tunnel entlang kommen. Sein zugeschwollenes Auge machte ihm zu Schaffen, doch langsam erkannte er eine Gestalt in dem Licht. Eine Frau in goldener Rüstung, mit rotblondem Haar und zwei weißen Flügeln trat in diesem Licht an seine Seite. Ihr Blick war versteckt hinter einer goldenen Augenmaske und doch hatte Thamion die Gewissheit, sie könne ihn sehen. Zuerst musste er an die Töchter Nyames denken, waren sie ihr doch sehr ähnlich. Doch dann fiel ihm ein Wort aus lang vergangener Zeit ein, ein Name einer Gruppe von Botinnen. Walküren.
Valkyrie_Gondul.png
Sie war hier um ihn zu holen, seiner Folter ein Ende zu setzen und seinen Weg an einen anderen Ort zu führen. Ihre Hand, zart und stark zugleich hielt sie ihm hin, als könne er aus den Fesseln danach greifen.
Thamion aber schüttelte den Kopf. "Nein - ich bin hier noch nicht fertig."
Sie lächelte einen Moment und erwiderte: "Du tapferer Wolf. Die Götter beobachten Dich. Vielleicht werden sie mich nicht noch einmal schicken."
Erneut erschien ein Lächeln auf seinem Gesicht als er ihr hinterherblickte, wie sie langsam in das Licht stieg und verschwand. Morgen würde er fliehen.
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Weitere Erinnerungen

Sie hatte ihn kurz vor einem Treffen des Ordens getroffen. Seit er zum Großmeister ernannt wurde, hatten sie noch weniger Zeit zusammen als vorher. Jeder Moment, jeder Atemzug, den sie zusammen hatten, musste genutzt und genossen werden. Wie hätten sie auch wissen sollen, dass es so bald zu Ende ging?

Amran und er hatten beide Nachforschungen angestellt, zumeist über Ba’muth, Heerführer der 666zigsten Legion, und seine Dämonen. Natürlich hatte das Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Aber mit diesem Ausmaß – wer hätte damit rechnen können?
Das Gespräch damals floss so natürlich wie ein Bach sein Wasser an mehreren Steinen vorbei geleitete an mehreren Themen entlang. Neben den Dämonen war es auch das Tanzen, das Mirja ihnen beibringen sollte. Leider kamen sie nie wirklich dazu, weder zu dem Unterricht, noch zu einer Möglichkeit so etwas auf einem Fest zu versuchen. Vorher stieß der Dämon sein Schwert in Thamion und Amran machte sich auf Reisen, im Glauben ihn auf ewig verloren zu haben.


Der Fuchs

Noch immer nutzte er keinen Reisemagier und auch wenn er die Rune nach Silberburg immer dabei hatte, blieb sie ohne die aktivierende Berührung in einer Tasche verborgen. Ziellos wanderte er durch den Wald. Seine Gedanken kreisten um Gespräche mit Amran, wie so oft seit er wieder hier war. Sie war stets sein Ruhepol gewesen, seine Möglichkeit die Welt in einer Umarmung zu vergessen. Nach seiner Rückkehr aus Ba’muths Gefangenschaft konnte er sie nicht finden. Er suchte jeden Fleck im Wald ab, jeden Ort an dem er sie vielleicht hätte finden können, selbst die Wüstenstadt hatte er besucht gehabt, ebenso wie den Untergrund voller Dämonen. Nirgends war sie zu finden.
Nun, nach seiner zweiten längeren Abwesenheit, hatte er die Suche aufgegeben. Ihm blieben die Erinnerungen, an Gespräche, an Spaziergänge, an ihren Duft. Wie lange es her war, dass er diesen gerochen hatte. Diese einzigartige Mischung aus Wald, frischer Erde und Kräutern.

Seine Füße wurden nass. Abrupt blieb er stehen und bemerkte zum ersten Mal seit längerem seine Umgebung. Er stand mitten in einem Bach in einer Furt. Hinter ihm war das Ufer mit Bäumen gesäumt und vor ihm lag eine kleine Lichtung, mit einzelnen Bäumen und einem kleinen Hügel. Er wusste wo er war. Hatte er hier doch unzählige dieser eben noch gedachten Momente erlebt. Vielleicht war Amran jetzt zuhause. Er musste nur die letzte Hälfte des Baches überqueren und zu der Tür gehen. Anklopfen, eine einfache Bewegung. Sie würde die Tür öffnen und ihn in den Arm nehmen. Wie früher.

Nein.

Thamion kämpfte die Hoffnung nieder, während das Wasser seine Beine umspülte. Er war damals zu oft hier gewesen, hatte an der Tür gesessen, stundenlang, tagelang gewartet. Gerade als er sich umdrehte, hörte er ein leises Bellen aus Richtung des Hügels. Mit gerunzelter Stirn ging er langsam doch auf das Ufer zu, den leichten Anstieg hinauf und sah dort ein kleines Fuchsjunges, wie es an einen Stein geschmiegt war und bellte. Langsam näherte er sich dem Tier, griff ein Stück Fleisch aus einer Tasche an seinem Rucksack und legte es dem Fuchs hin. Nach kurzem Beschnuppern verschlang es das Stückchen und blickte ihn erwartungsvoll an. Gut dass er immer etwas Fleisch dabei hatte, aus Gewohnheit, war er doch so oft mit seinen beiden Wölfen unterwegs gewesen. Jetzt würde der Kleine hier das Vergnügen bekommen.

Nachdem der Fuchs ihm sein Vertrauen geschenkt hat, machte sich Thamion auf die Suche nach der Mutter oder dem Bau. Beides fand er, aus der Harmonie gerissen durch einen umgefallenen Baum.
„Du wirst wohl eine Weile bei mir bleiben, Kleiner.“ sagte er zu dem Fuchs und machte sich mit ihm auf nach Silberburg.


Die Waldblume

Einige Tage lang war das Fuchsjunges bei ihm und er hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß gehabt und gleichzeitig so viel geflucht. Wie wild lief der Kleine durch das Haus, hüpfte von Kissen zu Fell zu Kissen, vorbei an dem Kamin, rauf auf den Stuhl, dann den Tisch und wieder zurück. Er wusste, wie er ihn nennen würde. Minni. Das Wort hatte zwei Bedeutungen in seiner alten Sprache. Kleiner und Erinnerung.

Gerade als er diesen Entschluss gefasst hatte, hörte er ein Klopfen an der Tür. „Du bleibst hier, Kleiner“ sagte er, in dem Wissen dass Minni sowieso nicht hören würde. Der Fuchs war schon halb an der Tür. Es gab einige Bewohner Silberburgs und auch Stadtwachen, die zu seinem Haus kamen um zu sehen, ob er wirklich wieder da war. Jeder wollte hören, was es mit der Krone auf sich hatte, ob er nun seinen alten Posten wieder einnehmen würde. Die meisten verscheuchte er, mal etwas freundlicher, mal bestimmter unter Androhung verschiedener Strafen. Heute würde er freundlich darauf hinweisen, dass er einen dienstfreien Tag hatte und sie ihn in der Burg aufsuchen sollten, wenn es nicht irgendetwas lebensbedrohliches wäre.

So zog er die Tür auf, die Worte bereits auf den Lippen, doch wurde kein einziges davon gehört. Vor ihm, am unteren Ende der Stufen zu seiner Tür, stand eine Frau, gehüllt in eine grüne Robe, das rote Haar locker über eine Schulter gelegt, die Füße nackt auf dem Boden. Amran. Er starrte gebannt auf die Gestalt vor sich, bar jedes Blinzelns, könnte doch die kleinste Bewegung diesen Traum beenden. Das war es doch, ein Traum, oder? Minni drückte seinen Kopf zwischen Thamions Beinen durch um den Besucher begutachten zu können. Die Berührung weckte ihn aus seiner Trance, wohl auch Amran, die ebenso überrascht zu sein schien wie er. „Ich … Du … das … „ mehr brachte sie eine Weile nicht heraus und sprach Thamion damit aus der Seele. Langsam näherten sich beide dort an der Tür zu seinem Haus an, gedanklich und körperlich. Er konnte es nicht fassen, dass sie dort war, bei ihm, sie ihn gefunden hatte. Und erst als ihre Fingerspitzen seine Wange berührten konnte er die Augen schließen, ohne Angst sie würde verschwinden wie die Landschaft in dickem Nebel. Nur widerwillig und langsam lösten sie sich aus der Umarmung und traten in das Haus.

Was folgte war ein stundenlanges Gespräch über die vergangenen Jahre, was sie erlebt hatten, was sich verändert hatte und was gleich geblieben war. Die Art wie sie miteinander umgingen, wie sie miteinander lächelten und lachten, grinsten und Späßchen machten – das war als wäre kein Tag vergangen.

Und doch war noch so viel Ungewissheit zwischen ihnen, sie würden sich erst wieder aneinander gewöhnen müssen. Während Thamion es sich auf den Fellen vor dem Kamin gemütlich machte, hörte er die leisen Schritte ihrer Füße auf der Treppe nach oben zum Schlafzimmer. Während er noch überlegte, ob er die Nacht wach bleiben sollte, um sicher zu sein, dass sie gut schliefe, sank er in einen ruhigen, friedlichen Schlaf.
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Amran Annir
Beiträge: 29
Registriert: 27 Dez 2020, 14:45

Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Amran Annir »

Als ihre Schritte sie durch Silberburg führten, oftmals völlig in Gedanken und alten Erinnerungen gefangen, hörte sie zwei Stadtwachen miteinander reden.
  
 „Hast du gehört?“
 „Eh? Was'n?“
 „ Der ehemalige Großmeister hat die Krone gefunden“
 „Soso, was is'n mit dem König?“
 „Naja, der hing nicht' dran, ich weiß nich' „
  
 Wie in Trance blieb sie stehen, Großmeister, König, Krone, sie sah zu dein beiden Recken.
  
 „Naja, war lange weg, der Glatzkopf“, sagte der eine und zuckte mit den gepanzerten Schultern, was ein typisch metallisches Geräusch von sich gab.
  
 Großmeister, König, Krone, Glatzkopf..... nein, das konnte nicht sein, er konnte den Kampf gegen Ba'muth nicht gewonnen haben, er konnte nicht..... nein?
 Konnte er nicht?
 Oder vielleicht....... doch?
 Ein verloren geglaubtes Gefühl schlich sich wieder in ihre Brust, ein Stich, ein Reißen, ein.....pochen.
 Ihr Herz pochte so wild, das sie dachte, man könne es von außen hören, so wenig hatte sie es unter Kontrolle.
 Es könnten sicher viele andere Glatzköpfige Großmeister sein.... sie war immerhin schon lange weg gewesen, und es hätte jeder sein können.
  
 Während sie sich selbst versuchte, alle Hoffnung auszureden, begann ihr inneres trotziges Waldmädchen zu rebellieren.
 Gucken würde nichts kosten, nur ein bisschen Zeit, und von der hatte sie gerade noch genug.
 Sie trottete durch die Straßen, besah sich die Häuser, und bei einem blieb sie stehen.
 Auf dem Schild stand „Thamion de Montagor“
 Tatsächlich!
 Sie wollte sich schon abwenden, und wieder gehen, doch es zog sie zu dieser Türe.
 Angeklopft war schnell, immerhin schien der Kamin zu brennen.
  
 Als die Türe sich öffnete, stand er da. Groß, bärtig, glatzköpfig und barfuß.
 Auch wenn sie nicht damit gerechnet hatte, stand sie da, wie in einer Schockstarre. Es dauerte, bis sie gestammelte, unzusammenhängende Worte von sich geben konnte.
 „Ich.... du.....das....“
 Er nickte nur.
  
 Es dauerte, bis beide sich aus der Starre lösen konnten.
 Nachdem sie die Finger ausgestreckt hatte, um zu ertasten,ob er echt oder ein Phantasiegebilde war, schlang er die Arme um sie.
 Der gleiche Geruch, das gleiche Gefühl.
  
 Was folgte, war stundenlanges Reden, über alles. Die Vergangenheit, was beide erlebt hatten, was gerade aktuell war.
  
 „Achso, ich muss dich warnen, das Hafenviertel ist abgesperrt, Untote und eine mysteriöse Krankheit, welche schon einige befallen hat, grasieren dort.
 Ich hab ja vor, über die Mauer zu klettern und mich dort um zu gucken“, erklärte er ihr ganz ruhig und sachlich.
 „Gut, dann gib mir ein bisschen Zeit, mich vorzubereiten, dann komme ich mit“
 Der Blick, den er ihr zuwarf, war der gleiche wie früher. „Kann ich dir das ausreden?“
 Sie schüttelte nur den Kopf.
 Natürlich konnte er das nicht. Sie hatte ihn einmal alleine in Gefahren laufen lassen, das würde nicht noch mal passieren.
  
 Er gab sich geschlagen, und nachdem er ihr das ganze Haus gezeigt hatte, was.... riesig.... war, gab er ihr einfach den Schlüßel.
 Damit sie ein Dach über dem Kopf hatte.
 Und vermutlich, damit sie nicht wieder verschwand.
  
 So vertraut die Gespräche und die Art und Weise auch waren, es waren Jahre vergangen, beide hatten voneinander geglaubt, sie seien Verschwunden oder Tod, also blieb doch ein klein wenig Abstand.
 Er hatte sie gebeten, oben im Bett zu schlafen, während er unten auf den Fellen vor dem Kamin blieb.
 Als sie sich in das weiche, warme Bett legte, gingen ihr noch einige Dinge durch den Kopf.
 Eigentlich war sie Schuld an der ganzen Misere.
 Sie hatte angefangen, sich von Golga mitziehen zu lassen, Dämonologie zu forschen, etwas, was nicht ihrem Gebiet entsprach.
 Ja, Golga hatte recht gehabt, man sollte wissen, mit was man es zu tun hatte, man sollte wissen, wie man gegen sie agieren konnte.
 Aber Ba'muth war ihre Schuld gewesen.
 Und damit sein Leiden. Seine Folter.
  
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Von Tugenden und anderen Pfaden
 
Seine Gedanken kreisten um die acht Tugenden und den Kodex. Peredur, sein Mentor und der, der dem Begriff Vater am Nähsten war, hatte Telas und ihm eine Aufgabe gegeben. Er selbst hatte damals als Großmeister diese Aufgabe ähnlich gestellt, mehrfach, und nun saß er auf der anderen Seite.
 
Finde etwas für jede der Tugenden, eine Tat, ein Gegenstand, ein Ort, ein Gefühl, das Dich mit dieser verbindet, das diese Tugend für Dich darstellt.
 
Es klang einfach und doch war der Anspruch nicht der eines Knappen, der mit nur ein paar wenigen Sätzen jede Entscheidung erklären musste. Er war jahrelang Großmeister des Ordens gewesen, hatte diesen durch mehrere schwere Zeiten geführt. Noch gut konnte er sich an die Ordenstreffen erinnern, in denen er mit seinen damaligen Waffenbrüdern an der steinernen Tafel saß. Marius Equester, Dirion Thin Elin.. nur zwei der Namen von damals. Sie hatten unzählige Herausforderungen gemeistert, mit wenig Recken und noch weniger Unterstützung von Außen. Ob es nun ein Angriff der Konstrukte war, die Besuche der Dame des Spielmannes oder Morde, die es aufzuklären galt. Das wichtigste in all den Jahren war doch die Gemeinschaft des Ordens – Mitglieder die sich aufeinander verlassen konnten, im Frieden wie im Krieg.
 
War es noch der gleiche Orden wie damals? Er war sich nicht sicher. Als er mit Peredur bei dem Rat von Ansilon vorgesprochen hatte, erschien es ihm wie früher, als wäre kein Tag vergangen. Sie beide sprachen die gleiche Sprache der Tugenden, der Ehre, der Menschheit. Doch als der Rat einen Wochenlauf später in der Burg erschien, auf die Einladung von Peredur und Thamion hin, wurde das Gastrecht mit Füßen getreten. Nur aufgrund eines Abzeichens und einer persönlichen Erfahrung wurde die Diplomatie zur Seite geworfen und die Gespräche fanden einen Abbruch. Und als Begründung wurde das Stadtverbot und eine Fehde vor ewigen Jahren genannt. Das Stadtverbot galt seit jeher erst ab den Toren, war doch so ein Weg für die Diplomatie offen. Und für die Schwingen gab es nicht mal ein aktives Verbot, davon hatte er sich auf dem Weg nach Hause vergewissert. Und wegen einer Fehde in der Vergangenheit die Möglichkeit eines Bündnisses zu ignorieren oder gar derart zunichte zu machen, konnte Thamion nicht verstehen. Und IHM wurde der Bruch der Tugenden daraufhin vorgeworfen!? Vor den Knappen die er auszubilden hatte. Wenn das den Orden darstellen soll, wie er heute ist, so hat die Truchsess keine gute Wahl getroffen ihn als Ausbilder zu wählen. Er würde seiner Ausbildung folgen, den Tugenden des Ordens, dem Kodex.
 
 
Gerechtigkeit
 
Meist symbolisiert durch eine Waage ist die Gerechtigkeit die Tugend, die besagt das Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden soll. Sie gilt als die wichtigste Tugend des königlichen Ritterordens. Der Kodex sagt hierzu: „Gerechte Menschen fällen keine Vorurteile und bilden sich Meinungen über jemanden immer nach seinen Taten, nicht aufgrund seiner Erscheinung oder seines Rufes. Sie wägen Gefühle gegen Logik ab, um ihre Umgebung zu beurteilen.“
 
Was bedeutete das nun? Wenn ein überführter Mörder vor mir steht, ist es dann meine Pflicht der Gerechtigkeit ihn als unschuldig zu betrachten? Nein, immerhin hat er durch den Bruch der Gesetzte einen Teil seiner Rechte eingebüßt. Zudem ist ein bewiesenes Urteil kein Vorurteil mehr.
 
Es bedeutet aber, dass ich versuche jegliche persönlichen und gefühlsbedingten Punkte nicht in mein Handeln einfließen zu lassen. Vielleicht habe ich das Opfer gekannt, vielleicht bin ich mit dem Täter befreundet. Dennoch muss ich in den Ermittlungen, der Festnahme, dem Verfahren und der Vollstreckung so handeln, als wäre ich unbeteiligt, eine Waagschale ohne Gewichte.
 
Gerecht handeln, das heißt: handeln nach gleichem Recht. Neben den eigenen, persönlichen und gefühlsbedingten Einflüssen müssen also auch die der Täter und Opfer betrachtet werden. Wie ist es um den Stand der Beiden? War der Täter arm und das Opfer reich? Oder andersrum? Diese Umstände könnten Hinweise auf Mens Rea sein, die Intention des Täters, die Beweggründe, aber Actus Reus, die Tat ist dennoch die gleiche. Und es gilt sie ebenso zu handhaben, nach den gleichen Gesetzen, dem gleichen, geltenden Recht.
 
Die Festlegung des Strafmaßes hingegen darf unterschiedlich sein, so ist eine Strafzahlung von 1.000 Goldmünzen für einen reichen Bürger nicht störend, aber mag für einen armen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Hier ist vor Allem der Unterschied zwischen Gleichheit und Gerechtigkeit zu sehen. Eine gleiche Strafe wäre in diesem Falle also nicht gerecht.
 
Da wir miteinander und untereinander leben kann durch das volle, unbeschränkte Ausüben einer Freiheit die Freiheit einer anderen Person eingeschränkt werden, als Beispiele seien hier Diebstahl, Gefangennahme oder Mord genannt. In einer geregelten Gesellschaft kann die größtmögliche Freiheit für alle nur dann existieren, wenn die Freiheit der einzelnen eingeschränkt ist. Als logische Grenze der Freiheit des Einen steht die Freiheit des Anderen.
 
Nehmen wir die Gesetze als eine Manifestation der Grenzen, so sehen wir, dass der Orden die Grenzen schützt, indem er die Gesetze gerecht vertritt. Durch den Schutz der Grenzen wird die größtmögliche Freiheit des Volkes gewahrt.
 
Und so ist ein gerechtes Handeln unabdingbar um die Ziele des Ordens, das Wohl – die Freiheit – den Schutz und den Frieden des Volkes, zu erreichen und zu wahren.
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Das Zuhause voller Leben

Es war erst wenige Wochen her, dass er von seiner Reise zurückgekehrt war. Doch auch wenn sich in der Zwischenzeit um sein Haus gekümmert wurde, so war es dennoch recht einsam und kühl, leblos.

Anfangs hatte er diesen Umstand auf die Stadt geschoben. Natürlich waren Wände aus Stein nicht so aktiv und warm und lebend wie die Wurzelwände, die durch Magie in Formen gelegt wurden und weiterhin die Bäume und Pflanzen versorgten. Aber das war es nicht, was das kalte Gefühl verursachte. Auch nicht die Umgebung, die nun nicht mehr aus Hunderten von Bäumen, Flüssen und Wiesen bestand, unzählige Tiere beherbergte und sich im natürlichen Rhythmus des Waldes bewegte, sondern eben aus Häusern, Straßen und dem natürlichen Rhythmus einer Zivilisation. Beides waren in sich ruhende Welten, mit eigenem Gleichgewicht.

Erst mit dem Erscheinen von Amran wusste er, dass ein Gebäude gleich welcher Machart, nicht für sich zu einem Zuhause werden konnte. Es benötigte Leben, Beschäftigung, kleine und große Zeichen von Nutzung. Ob dies nun die Spuren der nackten Füße waren, der Duft von frisch gebackenen Keksen oder die umgeworfenen Gegenstände von dem kleinen Fuchs. Früher kam er in das Haus und es war für ihn ein Ort der Nutzbarkeit. Er konnte hier in Ruhe schreiben, schlafen und arbeiten. Mehr war es selten gewesen, höchstens in den wenigen Fällen als Besuch kam. Häufig zog es ihn eher in die Natur, auf Abenteuer oder in Gefahr um der Kälte zu entkommen. Nun reicht der schwache Duft nach Kräutertee aus um jegliche Kälte und Lasten von ihm abfallen zu lassen.

Bald schon würden sie aufbrechen. Der Beutel mit den wichtigsten Dingen war fertig gepackt. Ein paar Tage in der Natur und von der Natur leben würde beiden gut tun, Zeit geben die letzten Jahre aufzuarbeiten, noch etwas mehr zusammenzuwachsen und vielleicht auch den ein oder anderen gemeinsamen Freund zu treffen.

Thamion fuhr sich mit der Hand über den Kopf. Seit Amran zurückgekehrt war hatte er sich nicht mehr den Schädel rasiert. Eine Entscheidung die ihm leicht fiel. Es war Zeit, den Traditionen seiner Heimat zu folgen.
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Thamion de Montagor
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Re: Totgeglaubte leben länger

Beitrag von Thamion de Montagor »

Pfeile und Pfähle
  
 Zielstrebigkeit
Eine Tugend die entgegen dem bekannten Spruch „Der Weg ist das Ziel“ einen Fokus auf das zu erreichende Ziel legt. Man kann dies gut mit einem Pfeil vergleichen. Abgeschossen vom Bogen fliegt dieser durch die Luft und trifft das Ziel. Was ist nun das wichtige? Der Schuss selbst, bei dem das Können des Schützen, die Qualität des Bogens und die Beschaffenheit des Pfeiles von Belang sind? Oder gar der Flug, in dem Wind und Wetter auf den Pfeil wirken und ihn von der Bahn ablenken könnten? Oder ist es der Moment, in dem die Spitze des Pfeils in die Zielscheibe eindringt? Gibt es gar weitere Abschnitte, die man betrachten muss?

Fangen wir mit der Betrachtung am Anfang an. Jedes Werkzeug, das genutzt werden soll, muss zuerst hergestellt werden. In unserem Falle also der Bogen und der Pfeil. Die Herstellung des Schützen lassen wir außen vor, wobei wir das Training noch betrachten werden. Die Herstellung eines Bogens erfordert Wissen, Geschick und Geduld.

Bogenherstellung
Zuerst muss das richtige Holz gefunden werden, je nach gewünschter Art und Stärke des Bogens. Der Rohling kann aus kleinen Stämmchen von etwa 7 Fingern Breite hergestellt werden. Diese sollten möglichst wenig Seitenäste aufweisen und etwa eine Elle länger sein als der Schütze für den der Bogen bestimmt ist. Man sieht, schon im ersten Schritt finden wir Einflüsse von anderen Aspekten der gesamten Aufgabe. Auch sollte man die Jahreszeit beachten, wenn man das Material für den Rohling erntet, so ist im Frühsommer die äußere Schicht des Holzes noch nicht ausgebildet genug. Und eben diese muss stabil sein, denn sie wird später den Bogenrücken bilden. Beim Entrinden sollte man die Astansätze abschneiden, jedoch nicht zu nah an der Stamm, da sonst der Rücken geschwächt wird. Nun gibt es zwei Wege: Das Spalten des Stammes, wenn er dick genug ist, um anschließend mehrere Monde lang getrocknet zu werden. Oder das direkte Herausarbeiten der Bogenform, was zu einer schnelleren Trocknung führt und die Gefahr von Trocknungsrissen senkt.
Die Bogenform wird derart hergestellt, dass in der Mitte genügend Platz für den Griff unberührt bleibt und oberhalb und unterhalb davon die Wurfarme auf etwa zwei Fingerbreit abgeflacht werden. Zudem werden die Wurfarme verschmälert, so dass sie zu einer kleinen Rundung zulaufen. Auch der Griff wird nun verschmälert und an die Handgröße angepasst. Der Übergang von Griff zu Wurfarm muss hier fließend und nicht abrupt gestaltet werden, da es sonst zu Schwachstellen im Bogen kommt. Der Rohling ist nun fertig.

In der Trocknungszeit des Rohlings können Sehnengarn und ein Tillerstock hergestellt werden. Das Tillern ist der eigentliche Entstehungsprozess des Bogens. Es bedeutet die Wurfarme durch Entfernen von Holz so zu formen, dass sich der Bogen gleichmäßig biegt. Dieser Vorgang geschieht schrittweise, man nähert sich der idealen Form Stück um Stück. Gerade hier wird viel Geduld gefordert, denn nimmt man an der einen Seite zu viel weg, muss man es an der anderen gleichtun oder kann sogar den gesamten Rohling zerstören. Man spannt also den Bogen mit einer Sehne und setzt diesen auf den Tillerstock, einer hölzernen, geraden Treppe.


BogenSchnellanleitung-ErsterTiller.png

Der Bogen wird zuerst nur leicht ausgezogen und die steifen Stellen an den Wurfarmen werden mit einem Stück Kohle markiert. Anschließend wird er abgespannt und an den markierten Stellen wird Holz an dem Wurfarmbauch entfernt. Dieser Vorgang wird häufig wiederholt. Es wird immer nur so weit gespannt, dass erste Unregelmäßigkeiten in den Armen zu erkennen sind. So keine starken Knicke mehr vorhanden sind kann die Sehne nach und nach kürzer geknotet werden, bis die gewünschte Standhöhe erreich ist. Diese liegt meist so, dass zwischen Griff und Sehne die Faust des Schützen mit ausgestrecktem Daumen Platz hat. Ein gut durchgeführtes Tillern ist am Bogen daran zu erkennen, dass die Jahresringe an den Wurfarmen ein Flammenmuster darstellen und die Flammen zur Spitze hin zeigen. Seen, also kreisförmige Jahresringe zeigen Stellen, an denen der Arm dicker und dann wieder dünner wird – Schwachstellen die weiterer Arbeit benötigen.

BogenSchnellanleitung-JahresringeGleichmässig.png

Der letzte Schritt ist das Bearbeiten des Griffes, sodass dieser gut in der Hand liegt. Die Tillersehne wird durch eine passende neue ersetzt und die Herstellung des Bogens ist abgeschlossen.

Wir sehen jetzt schon, dass der Vorgang einen Pfeil in ein Ziel zu lenken, in der Gesamtheit nicht nur eine einfache Bewegung ist, sondern Fehler bereits bei der Herstellung des Bogens Einflüsse darauf haben können, ob der Pfeil das Ziel trifft.

Pfeilherstellung
Bei der Wahl der richtigen Stöcke für die Pfeile sollte ebenso Acht gegeben werden. Es sollten zum Einen nur die geradesten genutzt werden, die zu finden sind, zum Anderen sollten die Pfeile untereinander nicht zu unterschiedlich sein, da sonst jeder Pfeil anders fliegt. Die Länge der Pfeile sollte so gewählt werden, dass sie halb so lang wie der Bogen oder so lang sind, wie der Bogen zurückgespannt werden kann. Immerhin macht es keinen Sinn Pfeile zu haben, die nicht das volle Potential des Bogens nutzen können. Das Holz der Pfeile sollte trocken sein, allerdings rate ich davon ab das Holz über Feuer zu trocknen – es können Risse entstehen und das Harz könnte sich entzünden.
Das Holz der Schäfte gilt es nun so zu bearbeiten, dass es eine glatte Oberfläche hat. Man kann den Schaft auch durch vorsichtiges Erhitzen über Glut begradigen, sollte allerdings vorsichtig sein, dass er nicht verbrennt. An ein Ende des Schafts wird eine kleine Rille geschnitzt, die Nocke, welche zur Aufnahme der Bogensehne dient.
Auf der anderen Seite des Schafts gibt es zwei Möglichkeiten: die Pfeilspitze kann geschärft und in glühender Kohle ausgehärtet werden oder man nutzt eine Pfeilspitze aus Metall oder Stein, die man an der Pfeilspitze befestigt. Steinspitzen können über eine Rille und Schnüre befestigt werden, Metallspitzen ebenso oder auf die unbearbeitete Spitze gesteckt und dann mit dem Holz verbunden werden.
Auch eine Befiederung des Pfeiles ist nicht unbedingt notwendig. Hat man keine Federn zur Hand können ungefiederte Pfeile auch zur Verteidigung oder gar zur Jagd auf kurze Distanz genutzt werden. So kann man ein Seil befestigen, um beim Fischfang das getroffene Tier einfach zurückziehen zu können. So eine Befiederung zur Verbesserung des Flugverhaltens genutzt werden soll, halbiert man die Federn und befestigt drei halbe Federn an das Ende mit der Nocke. Die Befestigung kann durch Harz erfolgen oder es werden kleine Einkerbungen geschnitzt, in die die Federn eingesetzt und dann mit Faden befestigt werden.

Übung des Schützen
Nachdem nun der Bogen und Pfeile hergestellt wurden, können wir uns mit der Ausbildung des Schützen beschäftigen.

Zunächst sollte dieser einen gefüllten Krug in der schwächeren Hand und mit fast ausgestrecktem Arm halten. Diese Übung erhöht seine die Stärke der Hand, die den Bogen später halten wird. Hierbei sollte darauf geachtet werden, dass der Ellbogen nicht nach unten zum Boden sondern nach außen zeigt. Je früher dies geübt wird, desto seltener wird die Bogensehne an den Unterarm schlagen und den Schützen verletzen. Natürlich gibt es auch Schutzschienen aus Leder, die man tragen kann. Doch ich halte es für sinnvoller die richtige Handhabung zu lernen, statt sich auf zusätzliche Gegenstände zu verlassen.

Eine weitere Übung, dieses Mal für die Zughand, ist folgende: Der Schütze legt sich auf einen Tisch, eine Bank oder etwas anderes erhöhtes, sodass seine rechte Hand nach unten hängen kann. Nun gebt dem Schützen in diese Hand etwas Schwereres. Ein Stein oder später ein Eimer mit Wasser, der mit fortlaufendem Training immer weiter befüllt wird. Nun hat der Schütze die Hand mit dem Gewicht daran nach oben zu ziehen, bis das Handgelenk etwa auf Höhe der Schulter ist. Ein Halten von zwei Atemzügen und langsames Absetzen verstärkt die Wirkung dieser Übung. Hier wird die Zugkraft trainiert.

Anschließend geht es an den Bogen selbst. Der Schütze hält ihn in der schwächeren Hand, mit fast ausgestrecktem Arm, der Ellbogen nach außen gedreht. Die starke Hand hält den Pfeil zwischen zwei Fingern und legt diesen auf die Sehne. So der Pfeil eine Befiederung hat, sollte der Bereich der an dem Bogengriff entlang fliegen wird, keine Feder aufweisen. Der Pfeil liegt am Griff entweder in einer speziellen Rille oder auf der haltenden Hand an dem Griff. Der Schuss selbst ist in zwei Phasen unterteilt. Der Zug, in dem die Zughand über das Zusammenziehen das Schulter und Zurückziehen der Hand an die Wange geführt wird und der Schuss selbst, in dem die Finger an der Sehne diese loslassen und den Pfeil so auf den Weg schicken. Dazwischen gibt es eine mögliche weitere Phase, das Zielen.

Beim Zielen wird mit dem Auge, das zu der Zughand hin liegt, über den Pfeil hinweg das Ziel anvisiert. Je nach Entfernung muss der Bogen nun angehoben werden, damit die Flugbahn berücksichtigt wird. Bei Wind muss der Bogen gegebenenfalls zur Seite gelenkt werden, sodass der Pfeil durch den Wind in das Ziel gelenkt wird. Während dem Zielen bleiben beide Augen geöffnet, einzig der Fokus wird auf ein Auge gelenkt.

Geübte Schützen können intuitiv schießen, das heißt sie benötigen das Zielen während der Bogen gespannt ist nicht. Um diesen Zustand erreichen zu können werden allerdings viele geschossene Pfeile benötigt, auf verschiedene Entfernungen und bei verschiedenen Verhältnissen. Erst damit lernt der Körper selbst die Entscheidung zu treffen, wie der Bogen gehalten werden muss, damit der Pfeil sein Ziel trifft.

Warum nun habe ich dieses Beispiel für die Zielstrebigkeit genommen?

Zum Einen zeigt es, dass das zunächst einfach klingende Ziel, mit einem Pfeil zu treffen, mehr inne hat, als nur richtig zu zielen. Teilweise sind es sogar Umstände, die den Treffer verhindern, die nicht in der Macht des Schützen liegen. Zum Zweiten mag es einem Schützen vergleichsweise schnell gelingen, einen Pfeil in das Ziel zu lenken, doch sollte es niemals das Ende des Trainings sein. Am Ende sollte es nicht so sein, dass der Schütze das Ziel treffen kann, sondern so, dass der Schütze das Ziel nicht mehr verfehlt. Die Geduld, die Arbeit und das Wissen die bis dahin benötigt werden, zeugen von der Zielstrebigkeit des Schützen. Er hört mit dem Training nicht beim ersten Treffer auf, auch nicht beim zweiten. Tatsächlich übt er sich sein ganzes Leben lang in der Kunst des Bogenschießens.

Das Ordensmitglied hat in jeder Aufgabe, jedem Handwerk, jeder Waffenkunst die Zielstrebigkeit zu sehen, ein Pfad zur Perfektion, welcher niemals ein Ende hat und doch jeden Schritt belohnt.



Thamion setzte die Feder ab und blickte auf den geschriebenen Text. Als erste Anleitung für jeden angehenden Schützen in dem Orden mag dies genügen, ebenso für die Rekruten und Knappen, die sich unter der Tugend der Zielstrebigkeit nichts vorstellen können.

Er blickte auf die Notiz von Belbrind, die er im Briefkasten der Burg gefunden hatte. 200 Meter Seil, 100 Pfähle und einige Schilder. Die Pfähle hatte er schon in Auftrag gegeben, Schilder gäbe es noch in der Burg so meinte Telas. Nun blieb noch das Seil. Eine Aufgabe die der Zielstrebigkeit ebenfalls zuzuordnen wäre. Es galt Garn zu besorgen, dieses zu flechten und zu flechten, bis die notwendige Menge fertig war. Er fuhr sich mit der Hand durch die kurzen Haare auf seinem Kopf. Es wuchs schneller als er erwartet hatte. Andererseits hatte er noch nie in seinem Leben beobachten können, wie es wächst, hatte er sich seit seiner Jugend doch jeden Tag den Kopf rasiert, so er nicht gerade in Gefangenschaft bei einem Dämon lag. Und da hatte er andere Sorgen gehabt.

Sobald das Seil, die Pfähle und die Schilder beisammen waren, konnten sie sich um die Absperrung dieser verdammten Seuchengebiete kümmern. Ein Schafshirte hat in den letzten Tagen erneut einige seiner Tiere verloren, weil die Krankheit sie dahingerafft hatte.

Ihm fiel noch etwas ein, um das er sich kümmern musste. Noch am gleichen Tag kam ein kleiner Handwerkstrupp vorbei und baute eine kleine Esse in den Keller des Hauses. Von nun an würde er in Ruhe an einem Objekt arbeiten können, das erst nach Fertigstellung von Peredur erblickt werden sollte.
 
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