Das Ende einer Ära

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Xa'Velle Belin
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Das Ende einer Ära

Beitrag von Xa'Velle Belin »

Was als einer von unzähligen, eintönigen Abenden begann, sollte sich am Ende als ein schicksalsträchtiger herausstellen. Nichts hatte, als sie am späten Nachmittag zur Schwarzen Festung reiste, im Vorfeld darauf hingewiesen. Wie gewohnt lag das imposante Gemäuer aus tiefschwarzem Stein weitestgehend verlassen da. Als sie die Stufen hinabstieg und auf die einzelnen Gebäude zuhielt, neigte Bevan, der Tierwirt, respektvoll das Haupt.
„Komra! Schön Euch zu sehen, Diplomatin.“
„Komra Stallmeister. Ist der Drachenlord zugegen?“
„Nein, ich bedaure. Die Tiere sind versorgt, ich rechne nicht damit, dass sich noch einer der Euren am heutigen Abend hierher verirrt.“  
Wenigstens war auf ihn noch Verlass dachte sie bei sich und dankte dem Mann mit einem gezwungenen Lächeln, doch in ihrem Inneren begann es, wie so oft in letzter Zeit, zu brodeln.
„Bevan, Eure Dienste werden heute Abend gewiss nicht mehr benötigt- Ihr habt gute Arbeit geleistet, ruht Euch aus.“
Der Stallmeister ließ sich dies nicht zweimal sagen und zog sich freudestrahlend ob der unerwarteten Freizeit, Nimue noch ein Lächeln schenkend, rasch in seine Kammer zurück.

Seufzend blickte sie dem, in das auffällige Grün der Schwingen, gekleideten Mann nach.
Alt war er geworden- wie lange er inzwischen schon den Schwingen diente? Jahre, Jahrzehnte?
Belanglos. Zeit hatte für sie an Bedeutung verloren, nachdem das Schicksal sie nicht nur zu einer übernatürlichen Kreatur werden ließ, sondern auch die Inbesitznahme ihres Körpers durch den bösartigen und heimtückischen Drachen Skotos stattgefunden hatte.
Während sie also weiterlief und den Blick über die kargen Mauern streifen ließ, näherte sie sich dem Hauptgebäude und suchte ihre Arbeitsutensilien beisammen.
Für den Fall der Fälle, dass die -unfassbar!- treulosen Brüder und Schwestern sich ihres Schwurs besinnen und das oberste Ziel der Schwingen wieder ins Augenmerk fassen würden, wollte sie eine Vielzahl an verschiedensten Tränken bereitgestellt wissen. Man konnte ja nie wissen, was die Zukunft bereithielt. Flaschen waren jedoch Mangelware, also hatte sie kurzerhand beschlossen, die Herstellung derer selbst in die Hand zu nehmen.

 
Den Hochofen beschickte sie so, dass sich die Kohle gleichmäßig verteilte. Während sie nun ihre Haare zu einem Zopf flocht und darauf wartete, dass der Hochofen seine Höchsttemperatur erreichte, gingen die Gedanken wieder auf Wanderschaft. Was dachten sie sich eigentlich, zum Teufel noch einmal?  
Mit zornigem Gesichtsausdruck wurden verschiedenste Formen prüfend vor die Augen gehalten, nur um sie einen Augenblick später zur Seite zu legen. Verhielt man sich so, wenn man einen Treueschwur geleistet hatte? Arbeitsreiche Stunden, in denen mehr schlecht als recht Glasflaschen angefertigt wurden, verstrichen, bis sich der Schopf Madaras in ihr Sichtfeld schob. Offenbar vom aufsteigenden Rauch des Hochofens, der sich doch dezent vom Geruch der Umgebung unterschied, angelockt, sprach er sie mit den Worten
„Ah, Nimue, du bist es. Aber wen anderes hätte ich auch erwartet..? Ich weiß es selbst nicht.“ an.

Das Lächeln, das sich auf den Lippen Nimues gebildet hatte, verzog sich zunehmend zu einer schieferen Version davon.
„Außer uns beiden verschlägt es derzeit niemanden in die Mauern der Festung, MyLord.“
Wenig Begeisterung über diesen Umstand konnte man deutlich im Gesicht der Dunkelblonden ablesen – aber auch sichtbare Spuren der Schweiß treibenden Arbeit konnte man erblicken. 
„Du scheust dich nicht, dich ein wenig schmutzig zu machen.“
„Ach, das bisschen Ruß.. Der ist schnell wieder entfernt. Würde ich warten wollen, bis einer der Schwingen diese Arbeit übernimmt, wäre ich eine alte Frau!“
„Ich habe tatsächlich auch wenig Hoffnung, dass sich das sobald bessern wird. Wenn es nicht so bedauerlich wäre, wären deine Worte fast amüsant.“
Kurz wurden die Hände an dem ledernen Rock abgestrichen und sich ihm zugewandt.
„Um ehrlich zu sein, habe ich diese Hoffnung inzwischen auch aufgegeben. Aber vielleicht reden wir am Tisch weiter, vor dem Hochofen plaudert es sich weniger angenehm. Ich werde mich rasch etwas frisch machen.“
„Nur zu. Dann besorge ich in der Zwischenzeit ein paar Flaschen Wein.“


Kurze Zeit später fand man im Speisezimmer wieder zusammen, tat kund wie sehr die ausgesuchte Flasche Rotwein mundete, doch es dauerte nicht lang, bis man zum Thema zurück kam.
„Diesbezüglich ist mir womöglich etwas in den Sinn gekommen.. Wir werden unsere Ziele womöglich nie erreichen, wenn wir weiterhin auf dieses faule Pack zählen, jene die sich Brüder und Schwestern nennen und deren Ziele sich offensichtlich weit entfernt von denen der Schwingen abzuspielen scheinen. Folgendes ist mir des Nachts bei stundenlangem Grübeln am Südturm in den Sinn gekommen: Du wirst dich sicherlich noch zurückerinnern können, einst stand ich ebenso in den Reihen der Bundmagier. Und womöglich könnten wir unsere Ziele eher erreichen, wenn wir jene Gemeinschaft für uns nutzen. Was ich damit sagen möchte ist, wir schließen uns ihnen an. Nicht nur als Bündnispartner. Ich bin es leid auf der Stelle zu treten. Ich bin es leid, nur für uns beide die Fahne der Schwingen empor zu halten.“


Nachdem der Lord der Drachen seine Gedanken geäußert hatte, nahm er sich die Zeit, die Reaktion der Diplomatin abzuwarten.
„Ja, an diese Zeit erinnere ich mich noch gut. Du meinst..?“ Die feinen Augenbrauen hoben sich an und einen Augenblick lang starrte sie ihrem Mentor stillschweigend entgegen, doch dann zeichnete sich ein feines, nach weiteren Herzschlägen an Intensität gewinnendes, Lächeln auf den Lippen ab.

 
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„Mein Vorschlag also diesbezüglich: Wir schließen uns den Bundmagiern vollkommen an. Wir gewähren ihnen den Zugang zur Schwarzen Festung.. so dass sie ihrer eigentlichen Aufgabe endlich wieder gerecht wird. Und wir beide nutzen das Wissen und ihre Kampfeskraft, um unsere Ziele zu erreichen.“

Für die Dauer einiger Herzschläge schlenkerte der Blick aus den eisblauen Augen ziellos durch den Raum, über die tiefschwarzen Mauern der Festung hinweg, um sich dann schließlich wieder auf Madaras Antlitz zu festigen.
„Das hätten wir vermutlich schon viel früher in Betracht ziehen sollen.“
„Nichts destotrotz, verbinden mich und dich womöglich ohnehin viele Punkte mit den Magiern.“
Ein breites Grinsen stahl sich auf ihre Gesichtszüge, als der Drachenlord die Bezugspunkte zwischen den beiden Gemeinschaften ansprach. Nach einem neuerlichen Griff zum Becher, zwinkerte sie Madara zu.
„Nun..sagen wir es einmal so: Ich hätte nichts dagegen einzuwenden, mehr Zeit mit ihnen zu verbringen als bisher. Besonders mit einem, ganz speziellen, Bundmagier.“
Die letzten Worte nuschelte sie in ihren Becher, bevor sie noch einen weiteren Schluck Wein zu sich nahm. Madara hatte dies womöglich nicht einmal vernommen, da er bereits wieder das Wort erhoben hatte.
„Ich dachte mir bereits, dass dir diese Idee gefallen könnte. Dennoch wird die Frage sein, wie die Bundmagier selbst dazu stehen werden. Wir verbringen ohnehin äußerst viel Zeit mit ihnen, vor allem auf dem Schlachtfeld. Ich sah keinen der unsrigen zuletzt an meiner Seite im Kampfe. Ach was, die letzten hundert Male schon nicht.“
Das leichte Schmunzeln, dass die feingeschnittenen Gesichtszüge Nimues schmückte, verblasste und hinterließ zu einer Grimasse hinabgezogene Mundwinkel.

„Ja, durchaus. Das ist richtig. Besonders beschämt und vor allem wütend gemacht hat mich, dass zu deiner Befreiung nur die wenigsten herbeigeeilt waren. Man sollte doch meinen, dass in solch einer misslichen Lage dieses treulose Gesinde wenigstens zur Stelle ist. Dafür werde ich ewig in der Schuld der Magier des Bundes stehen. Allein wäre mir das nicht geglückt.“
Ein leises Schmatzen gab sie von sich, die Züge um ihre Mundpartie verhärteten sich.
„Die Bundmagier und du haben mich befreit. Irgendwie wäre ich schon aus den Fängen der Dorfdirne Glaris herausgekommen. Aber dennoch war es ein eindrucksvolles Beispiel für die fabelhafte Zusammenarbeit zwischen den Bundmagiern und uns.“   
Galant das Thema wechselnd, vor allem um Madara davor zu bewahren sich noch weiter in Rage zu reden, bedankte sie sich beiläufig für das Auffüllen ihres Glases und sprach ihre Gedanken aus.

„Ich halte deine Idee für die einzig richtige. Wir sollten die Fesseln der Untätigkeit und Warterei abstreifen.“
„Da hast du recht. Wir stagnieren zu sehr, als dass wir die Situation der Schwingen so weiterführen können.“
„Ich war am gestrigen Abend mit Balthasar, Davion und drei weiteren Magiern gemeinsam unterwegs. Eine kleine Jagd, es hat mich fast an frühere Zeiten erinnert.“
„Wie lang mögen diese Zeiten hergewesen sein?“ Der Magier seufzte.
„Jahre, ganze Jahresläufe, womöglich ein Jahrzehnt. Selbst zur Hoch-Zeit Berinnors gab es immer wieder Phasen der Untätigkeit, des Stillstandes, der ziellosen Herumstreiferei. Aber wir haben uns nach einer Weile immer darauf besonnen, was für Ziele wir haben. Der Geist der Drachen hat sein Übriges dazu beigetragen.“
„Sie sind alle viel zu weitläufig verstreut.. zu faul, zu gesättigt, als dass es sie interessiert. Aber was bringt es uns an die alten Zeiten zu denken, wo sich die Schwingen noch für die höheren Ziele interessiert haben? Wir müssen an uns denken und daran, welche Ziele wir noch haben. Welche Ziele hast du Nimue?“

Auf Madaras Frage wurden die Wangen aufgeblasen, geräuschvoll die Atemluft einen Augenblick später wieder ausgestoßen und, der Bequemlichkeit halber, die Arme vorm Oberkörper verschränkt. Sich mit dem Rücken gegen die Stuhllehne schmiegend, begann sie ihre Ausführung.
„Nun, da gibt es einige. Allem voran unser erklärtes oberstes Ziel, natürlich. Außerdem würde ich gern diesen verflixten Quälgeist aus meinem Inneren heraus befördern. Er setzt mir in letzter Zeit wahrlich mehr und mehr zu, seit dem.. Nun..“
Grinsend löste sie die Verschränkung der Arme, um sich kurz am Kinn zu kratzen.
„Ich bin fast sicher, es ließe sich leicht beheben, indem ich mich.. dem regen Kontakt mit Balthasar verwehre, aber dies zu tun bin ich nicht gewillt."
Die Augenbrauen ihres Gegenübers zuckten kurz empor. „Er hat es dir wohl durchaus angetan, liebste Nimue.“
Dem ersten Impuls, abzuwiegeln, widerstehend, befühlte sie kurz ihre Stirn, rieb sacht darüber und lachte schließlich.
„Angetan sein ist kein Ausdruck für das, was dieser Schuft an Gefühl in mir hervorruft.“
„Alles mögliche an Gefühlen vermute ich.“ Sagte Madara und stimmte in ihr Lachen ein.
„Da liegst du richtig. Du kennst mich nun einmal viel zu gut. Bislang gebe ich mir die größtmögliche Mühe, es ihm gegenüber nicht allzu deutlich zu zeigen, aber ach.. Ich begreife allmählich, dass alles Gesträube und all der Widerstand zwecklos sind.“
Der Magier konnte sich offenbar ein Grinsen nicht verkneifen, doch bevor das Thema auf den Elementaristen ausgeweitet werden würde, winkte sie jedoch ab und fuhr fort, um noch einen letzten, wichtigen, Punkt anzubringen.
„Zuguterletzt möchte ich noch das Studium meines Magiepfades anführen. Es genügt mir nicht, mich auf meinem jetzigen Wissensstand auszuruhen.“
„Das Bedürfnis haben wir beide. Ich strebe nach deutlich mehr Macht. Dazu bedarf es aber etwas an Unterstützung fürchte ich, die ich hier, von dir abgesehen, einfach nicht erhalten werde.“

„Ich hoffe du weißt, dass du immer mit meiner Unterstützung rechnen kannst. Ganz gleich, in welcher Gemeinschaft wir uns befinden oder welche Positionen du oder ich innehaben werden.“
„Das weiß ich tatsächlich. 


Das Ende einer Aera 2.png


Madara wurde ob seiner Worte mit einem warmen, beinahe liebevollen Lächeln bedacht.
„Nun, wie gehen wir vor? Bitten wir Balthasar und Davion um ein Treffen?“
„Benötigst du noch Zeit, deine Entscheidung zu überdenken oder soll ich sogleich im Anschluss ein Schreiben an Davion aufsetzen, in welchem ich um eine Unterredung bitte?“
„Tatsächlich fällt mir dieser Schritt gar nicht so schwer, wie erst befürchtet. Es gibt wenig Gründe zurückzublicken, da du an meiner Seite bist und wir gemeinsam in diese Zukunft gehen. Setz ein Schreiben auf.“
 
Noch eine Weile saßen die Beiden im Speisezimmer der Schwingen und leerten eine weitere Flasche Wein. Spät am Abend brach sie auf um Moira, der Assistentin des Akademieleiters, das Schreiben zu überreichen.

  
..Magic, madness, heaven, sin.. don't say I didn't say, I didn't warn ya..
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