Es ist doch zum Heulen

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Raviell|Lorion
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Registriert: 14 Jan 2021, 01:25

Es ist doch zum Heulen

Beitrag von Raviell|Lorion »

Ein warmer Wind strich durch das Unterholz und ließ das Geäst kurz rascheln. Das kühle Licht des aufgehenden Vollmonds, stritt mit dem warmen Licht des kleinen Lagerfeuers. Tief draußen im Wald, in einem Verschlag, einer improvisierten Behausung mit 2 Stangen, einem Stoffetzen als Dach, eine Schlafmatte und einem Wasserfass, knisterte ein kleines Lagerfeuer. Das Feuer warf die zwei sich umarmenden Schatten an die Wand. Einer Größer, in aufrechterer Haltung. Der andere Schatten war zierlich, lehnte sich an den Großen offenbar an.
 
„Weisst du? So zu sein wie du, ist ein Luxus..das erkenne ich jetzt.“ Erklang die leise, säuselnde Stimme des großen Schattens. „Du meine Hübsche hast keine richtigen Ziele im Leben. Nichts als Lust und Hunger. Versteh‘ mich nicht falsch! Scheiße ich verspüre beides zur Genüge, aber jetzt ist da auch so…so ein Druck. Weist du was ich meine? So..eine Wut. Dauernd fühle ich mich provoziert oder will andere bis aufs Blut reizen. Egal..scheiße, was wollte ich noch erzählen? Ahja..was mich in diese un‘ dich in diese verschissene Lage gebracht hat eh?“
 
Der größere Schatten richtete sich etwas weiter auf und zog den zierlichen Schatten mit sich. Der Eigentümer des größeren Schattens machte es sich etwas bequemer. Der Blick der grünen Augen glitt an dem Stofffetzen und dem Blätterdach vorbei gen Nachthimmel. Kurz lief eine Anspannung durch den Körper, zerrte an den schmerzenden Muskeln. Wollte sie wachrütteln aus ihrem schmerzenden tiefen Schlaf. Dann schlossen sich die Augen abrupt. „Noch nicht…“ knurrte er dabei etwas heiserer und atmete dann tief aus. „Oh verzeih meine Hübsche..Aber gut lass mich anfangen, es bleibt nicht viel Zeit. Ich spar‘ mir nun dir meine traurige verschissene Geschichte zu erzählen..vom verhätschelten, begabten und wohlkultivierten Sohn eines wohlhabenden Kaufmanns, der mit den falschen Leuten Geschäfte machte. Von einem verfluchten, später Zahn- doch immer schon Herzlosen Vater, der seinen Sohn verkaufte. Von einer Jugend..scheiße was sag’ich, einem Leben auf der Straße. In Schankstuben, Gelegenheitsbett’n, Verschlägen und all‘ dem Mist. Nein..Ich erzähl‘ dir von der Scheiße der mir vor vier Mondzyklen passiert ist.
 
Ich war in so’ner Taverne. Ja so’ner richtig hochwertigen Stube. Dort wo auch ab und an Adlige ein und ausgehen. Scheiße so wie ich red‘ musst du glauben ich könnt‘ keinen geraden Satz herausbekommen, aber..“ er räusperte sich kurz und verbannte das rotzige, das kehlige aus der Stimmfarbe und beflissigte sich für wenige Worte lang eines versnobten, helleren Tonfalls. „da täuscht ihr euch, meine Teure. Ich bin gar zu manigfaltigen Umgangsformen und kulturellen Diversitäten fähig.“ Ein humorvolles Schnauben erklang. „Ich will’nur nicht un‘ bei dir wär’s eh wie Perlen vor die Säue zu werfen. Jedenfalls! Ich war also in dieser gutbetuchten Schankstube und spielte auf. Erst etwas ruhiges, später auch etwas mehr theatralischeres und es lief auch erst recht. Die Leute mochten die Texte und ich bekam auch nach den rein musikalischen Stücken ordentlich Getränke spendiert. Doch das änderte sich zunehmend. Irgendwann sind auch reiche Pfauen, nur noch Schweine eh? Ich lasse den Spott aber über mich ergehen und merke mir einfach die Gesichter. Als der Morgen graut folge ich einem von diesen wankenden Spöttern bis nach Hause und serviere ihm die Rache kalt un‘ hinterrücks. -Wie feige? Hör zu kleine, dass is nich‘ feige, sondern clever. Also ich erwische ihn, als er die Tür aufschließt und schlage ihn von hinten mit einem Knüppel nieder. Ich gebe ihm das gesamte Programm: In die Wohnstube ziehen und mit einem Laken fesseln. Die Wohnung nach Wertgegenständen absuchen. Ihm vor Wut einen saftigen Tritt geben, weil ich nicht genug Wertgegenstände finde. Weitersuchen. Ihm noch einen Tritt geben, zum Abschied.
Als ich aus der Wohnung komme, leuchtet mich Lichtschein aus einer Laterne an.“ Abermals wechselt Raviell in eine andere, vollere Tonlage als er einen untersetzten älteren Mann nachahmt. „Stadtwache..Was machst du da!?“ Dann lachte er kurz zahnfleischreich mit einem auf ehe er fortfuhr. „Was soll ich sagen, meine Schöne? Ich habe mir den Jutesack über die Schulter geworfen, bin auf die Brüstung, von da weiter über eine Mauer und habe die verschissen Beine in die Hand genommen. Bei der ganzen Kletterei hab’ich zu allem Verdruss meine Laute verloren.“ Langsam hob er die linke Hand an und strich sich damit über das leicht verschwitzte, unrasierte, Gesicht.

„Ich kam zu meinem Verschlag im Wald zurück. Ähnlich wie dieser, naturale Noblesse, nenne ich diesen minimalistischen, gar puristischen Stil. Schönes Feuerchen, einen Schlauch Wein und all das.
Ich schütte also gerade den Jutesack am Feuer aus, als ich rascheln im Unterholz höre. Ich verharre und lausche, doch ich höre nichts mehr. Aber mein Instinkt sagt mir, irgendetwas ist da. Ich gehe zu meinem Bündel, nehme meinen Bogen und spanne ihn. Lege einen von meinen letzten vier Pfeilen auf und wende mich gerade noch rechtzeitig herum.“ Raviell pausiert kurz der Dramatik wegen, ehe er fortfährt. „Leise, lautlos, tötlich..hat sich dieses Biest an mich herangeschlichen. Ich drehe mich also herum und sehe gerade noch, wie keine 3m von mir, ein Versprechen aus Gewalt und Tod…Bei den Göttern ich übertreibe nicht..ein Wolf zum Sprung ansetzt. Ich lass mich geistesgegenwärtig nach hinten Fallen und kann die Sehne noch ein wenig spannen. Gebe einen Schuss ab! Treffe das Vieh irgendwo! Sehe wie das Fell sich im Feuerschein etwas färbt an einer Stelle, ehe der Schmerz mich darauf aufmerksam macht das ein beschissener, knurrender Wolf an meinem Unterarm hängt.“
=Calibri,sans-serif„Ich schreie vor Schmerz, der Bogen liegt längst irgendwo im Gebüsch. Mein Unterarm will mir frohlockend erklären, dass er in Kürze aufhöre zu existieren. Ich beleidige diesen undankbaren Bastard und taste geplant…nein nicht panisch! Geplant! Also ich taste geplant nach rechts. Dorthin wo ich den Jutesack ausgeleert habe und bekomme ein Messer zu greifen. In meiner, ich betone, extremst gelassenen Art. Nagut..panisch..ich war panisch, jetzt zufrieden? Aber wie klingt das denn? Also extrem gelassen ergreife ich dieses Messer, Silber wie ich später festgestellt habe und weshalb ich es ja überhaupt erst gestohlen habe, und ramme es diesem Ungetüm in die Flanke. Er lässt von mir ab, wirft sich fiepend wie wild hin und her und sprengt in die Dunkelheit davon.“ Er lässt seine Worte ausklingen und atmet einmal tief durch. Die hellen grünen Augen des Künstlers richten sich auf die Gestalt, die für den zierlichen Schattenumriss verantwortlich sind. Die Ratte in seinen Händen hält inne, als würde sie Spüren das sich etwas verändert. Sein Griff, in den Schatten nicht mehr als die Umarmung zweier Schatten, festigt sich um die Ratte als er sich etwas aufrechter hinsetzt.

„Ja so hab’ich mich auch gefühlt. Verletzt, unruhig. Die folgenden Tage und Wochen sind nur noch Zerrbilder aus Vollrausch, Schmerzen, Fieberträumen….absurden, beinahe inspirierend absurden Fieberträumen. So absurd, dass ich sie beinahe gar nicht mehr benannt bekomme, meine Hübsche. Ist auch nicht wichtig, war eine verschissene Zeit. Schlimmer als die erste Zeit bei der Bande an die mein Vater mich verkaufte um seine Schuld zu tilgen. Irgendwann lag ich nur noch stöhnend an einem Feuer wie diesem hier, habe mich schweißgebadet hin und her gewogen. Und mit einem Mal!“ wieder pausierte Raviell, zwar mochte sein einziger Zuhörer am heutigen Tage nur eine Ratte sein, doch fehlte seiner Erzählung nicht die Hingabe an Dramatik und Leidenschaft.
„..mit einem Mal stand alles für einem Atemzug still. Der Wind, die Blätter, das Schuhuhen der Käuzen und der Flug der Motten..absolut Still, als mein fiebergeschwängerter Blick durch das Blätterdach auf die Muse meines Unheils, die blasse Königin, den Mond am Himmel fiel. Dann..“ wieder pausierte er kurz und schnaubte humorvoll. „..dann weis ich nur noch das mein Körper in Schmerzen explodierte und ich..später irgendwo, fast tausend Schritt tiefer im Wald aufgewacht bin. Ja..so hab’ich auch geguckt, nur das ich Muskelkater und Wachstumsschmerzen hatte und mein Kopf sich schlimmer anfühlte als nach einer durchzechten Nacht inklusive einer Schlägerei mit einem Kritiker.“
Ein Schatten kroch über seine Miene und er verlor sich etwas im Schweigen, ehe er die Ratte mit einer Hand festhielt und mit der anderen Hand eine offene Flasche an die Lippen führte. Der Wein benetzte seine Lippen, seine Kehle und seinen Magen doch nicht wie so schmerzlich vermisst, seinen Geist. Zumindest nicht mehr in dem Maße wie früher und für solche Mengen hatte er kein Geld. Der Blick, der nun intensiver wirkenden grünen Augen verlor sich im Feuer. Die Stimme erklang nun nicht mehr wie die eines geübten Sprechers, sondern nachdenklich..stockend statt pausierend.
„Seit diesem Tag fühle ich mich anders..besser..stärker. So..nun ja, wie viele der Rollen die ich so verkörpere. Aber scheiße ich habe Angst..verschissen noch mal, vorallem an Abenden wie heute.
Seit diesem Tag, lebe ich noch mehr als zuvor ohnehin schon, von der Hand in den Mund. Statt teuren Gewändern, Weibern und Wein besuche ich die Städte nur noch um nach einer Erklärung zu suchen. Bibliotheken..Folklore..Gerede, solche Dinge beschäftigen mich täglich. Aber vor allem..vor allem versuche ich nicht dauernd so scheiß reizbar zu sein. So oft wie in den letzten Monaten nach dem Wolfangriff, habe ich mich noch nie prügeln oder oft auch verprügeln lassen. Dauernd muss ich sticheln oder noch ein dummes Widerwort geben. Du.. hast‘s mittlerweile schon begriffen, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin mh? Kluges Ding bis‘ du meine Hübsche.“

Wieder ging ein längerer warmer Luftzug durch den Verschlag im Wald und ließ die Flammen hin und her tanzen, die Schatten zum Leben erwecken. Die Baumwipfel wogen sachte etwas zur Seite und eröffneten einen guten Blick auf den Vollmond. Die Pupillen der grünen Augen weiteten sich bei dem Anblick und reagierten in diesem Augenblick als erstes. Wieder dieser Atemzug in dem alles still zu stehen scheint, ehe alles ganz schnell geschieht. Ein Knacken von Knorpeln und kleinen Wirbeln ist zu hören, als seine Hände sich verkrampfen und der kleinen Ratte das Genick brechen. Dann ist Raviell auch schon schwitzend und schweratmend auf allen Vieren, nur auf den nächsten Schmerzensschub zu warten. Knochen Brechen, schreie hallen durch den Wald. Sehnen reißen und wieder hallen anhaltende keuchende Schreie durch den Wald. Muskeln verschieben sich, diesmal keine Schreie nur schmerzverzerrtes, gepeinigtes Geknurre. Haare bohren sich durch die Hand am ganzen Körper, ein elendiges fiependes Gewimmer aus einer nichtmenschlichen Kehle. Dann erhob er sich ein zweites Mal an diesem Tage aus seinem Verschlag, doch dieses Mal nicht in seiner Menschengestalt. Diesmal würde er sich der Jagd zu der die blasse Königin ihn rief, versuchen zu genießen, statt nur ein dumpfer, tauber und blinder Gast im eigenen Körper zu sein. Kreaturen und ihre Vorhaben …
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