„Dein Opfer wurde akzeptiert.“
Wie eine disharmonische, verzerrte Stimme drangen die Schwingungen von der absonderlichen Gestalt, der Yochlol, Lloths Zofe, bis tief in das Innere der anwesenden Dunkelelfen im Tempel.
Die junge Dunkelelfe bestritt den letzten Schritt auf ihrem Weg. Sie sollte sich, seitdem sie in Sold'Orbb ankam, immer wieder unter Beweis stellen, ihre Nützlichkeit aufweisen. Es dauerte nicht lange und die tüchtige Elfe erlernte die verschiedensten Dinge, welche ihr in späterer Zeit sicherlich nützlich sein würden. Die auferlegten Prüfungen wurden absolviert.
Nun kniete Chalithra'Xune in ihrer weiten Robe, welche sie stets in ihrer Zofenzeit, an ihrem Leib trug. Ihr eigen erschaffenes Symbol für ihren Stand in der Hierarchie, vielleicht auch um sich immer wieder ins Gewissen zu rufen, welche Prüfungen noch auf sie warten werden und sie sich zumindest in Ansatz im Zaume zu halten sollte.
Einige der Ilythiiri jedoch durften das ausschweifende Temperament der jungen Priesteranwärterin nicht nur erblicken, sondern zu ihrem leidtragen auch selber erfahren und spüren.
Der Wanre Faern zum Beispiel war schlicht zu aufdringlich, zumindest in den Augen der Zofe. Eigentlich wollte er nur an seine Truhe greifen, musste dabei die Hand an der Dunkelelfe vorbeiführen und straff nur hauch zart den feinen Stoff ihrer Gewänder. Doch endete dies damit, dass dieser vor ihr kniete, den Arm verdreht und nur noch schmerzverzerrte Töne von sich gab.
Aber wenigstens traute sich dieser etwas, seine dreisten Worte im Anschluss und bei weiteren Begebenheiten unterstreichen dies nur. Er scheint einen starken eigenen Willen zu besitzen, doch verrieten stets seine Blicke die Schwäche, welche in ihm wohnte – der Trieb. Sein Begehren war eindeutig. Sollte er jedoch weiter auf diesem Weg schreiten, seinen eigenen Willen durch heimtückisches Umgarnen zu erreichen und dadurch sein gänzliches Potential als Magier ausschöpfen können, könnten sie vielleicht irgendwann gar auf Augenhöhe stehen. Wenn auch die vielleicht baldige Priesterin sich immer auf die Zehenspitzen im Namen des Glauben stellen konnte und ihn somit erneut übertrumpft. Im Bewusstsein dessen, das er vielleicht eines Tages mehr als nur nützlich sein konnte, gewährte ihm die Dunkelelfe zumindest einen Teil seines Ur-inneren Triebes zu erfüllen. Wenn auch nur durch gewisse Nähe und das erlauben seines Blickes auf prekäre Stellen des Körpers. Wenn auch die Dunkelelfe sich selber dabei erwischte, wie sie selber an mehr dachte. Aber diese Belohnung sollte er sich wirklich erarbeiten und gewisse Erfolge aufweisen.
Andere Männchen durften auf nicht soviel nachhaltige Zurückhaltung hoffen. Ob ein flapsiger Umgangston, ohne Titelbekundung, Unfähigkeit im Kampf, oder ein Wort zu viel an der falschen Stelle, es wurde gnadenlos abgestraft. Selbst eine der Sargtlin, eigentlich 'treue' Wegbegleiterin, durfte in manchen Situationen bemerken:
'Diese Elfe sollte man mit Vorsicht genießen.'
Ihre Handlungen wurden gar durch einige der Priesterinnen noch bestärkt. Sie solle die Männchen treiben, die Peitsche stets griffbereit halten. Diese Nachlässigkeit, der Priesteranwärterin so freie Hand zu lassen, sollte eine von ihnen irgendwann spüren...
Doch nun verharrte sie in der unterwürfigen Haltung vor der Botin ihrer Göttin. Die filigrane Erscheinung war vom Blut überströmt, die Gewänder durchtränkt. Noch immer hielt sie den Ritualdolch mit festen Griff in der Hand. Vor ihr lag, in seiner eigenen Blutlache, der schlaffe Körper des Vhaeraunanhängers. Die Zofe Lloths schien zufrieden, ihre Aufmerksamkeit verblieb anscheinend auf Chalithra'xune, welche auch den letzten Schritt auf ihrem Weg zu Yathrin absolvierte. Die junge Elfe hoffte noch weitere Dinge zu vernehmen, ihre Herkunft war immer noch ein Mysterium, doch sollte dies für den Augenblick alles sein, die Yochlol verschwand.
Abseits der neu gewonnen Macht und Stellung, beschäftigte sich die Dunkelelfe immer wieder mit dieser Begegnung. Die Schicksalsweberin schien gewollt zu haben, das sie hier strandete. War dies doch der Ort, an dem alles was Vergangenheit war, vergessen ist. Doch im Inneren war der Drang immer noch Vorhanden, zu erfahren, was in ihrer Heimat passiert ist und das Mysterium ihrer Herkunft gänzlich aufzudecken. Nur durch den Tatendrang wurde dies aber zurück gestellt. Ein erstes Opfer ihrer hinterhältigen Machenschaften wurde auserkoren, mehr durch Zufall ergab sich diese Gelegenheit und ein Mensch spielte eine große Rolle in diesem 'Spiel'. Auch wenn der Plan stellenweise Lücken aufwies und das Resultat immer noch nicht zur Gänze entfaltet wurde, hoffte sie darauf das ihre Göttin die Gunst gewährte, um weitere Einblicke zu erhalten.
Es war die Mutter Oberin selber, welche sie auf ihre Weihe ansprach und ein verheißungsvolles Serum parat hielt, um in die tieferen Ebenen der Meditation einzutauchen und erneute Kontaktaufnahme mit der Zofe ihrer Göttin aufzunehmen. In dieser blinden Neugierde der jungen Priesterin benötigte die erfahrene Erzpriesterin nicht wirklich viel Überzeugungsarbeit. Nach einem kurzen Gespräch und verheißungsvollen Versprechungen über die Wirkungsweisen des Serums willigte die junge Priesterin ein. Es wurde ihr gar ein privates Zimmer mitten in Sold'Orbb zur Verfügung gestellt, um komplett ungestört zu verbleiben. Es bedurfte nur ein spezielles Wort in der Gastronomie und der Dunkelelfe wurde der Schlüssel zum vermeintlich sicheren Zimmer überreicht.
In diesem Zimmer herrschte bereits eine spirituelle Umgebung, Ritualkerzen tauchten diesen Ort in eine dämmrige, von Dunst durchzogene Kammer. Anscheinend wurde dieser Ort des öfteren für diese Zwecke benutzt. Chalithra'Xune benötigte nicht lange, um sich vorzubereiten, ehe das Serum schon in den Hals sickerte.
Die Atmosphäre um sie herum wurde immer erdrückender. Alles um sie herum schien auf sie zuzufließen. Leises Kratzen kündigte eine Schar von kleinen Spinnen an, welche sich ebenso kontinuierlich weiter auf sie zubewegten. Die Sinne wurden immer stumpfer, sie dämmerte langsam in sich zusammen. Der Oberkörper schwankte seicht hin und her. Sämtliche Fähigkeiten schwemmen davon, sie glitt ab in die Bewusstlosigkeit. Das leise Klacken am Türschloss, Aufschieben der Tür und die leisen, hinterhältigen Worte vernahm sie schon nicht mehr.
Sie war mit einem Schlag hellwach, doch die Umgebung hat sich gewandelt. Ein Korridor tat sich vor ihren Augen auf, am Ende hockte eine Gestalt, welche leise flehende Worte von sich gab. Im Hintergrund konnte man ein waberndes Geräusch vernehmen, als würde dort irgendetwas in den Schatten lauern und ständig seine Erscheinung verändert. Die Stimme, welche sich nach kurze Zeit direkt an ihr Ohr legte, fühlte sich hart und verachtend an. Chalithra'Xune zuckte gar erschrocken hoch, als sie die Yochlol ganz in ihrer Nähe vernahm. Ihre Erscheinung hätte ästhetischer nicht sein können. Kein einziger Makel war an dieser Dunkelelfe sichtbar, perfekt und erbarmungslos im Blick.
„Spar die die Luft für den Pfad, der vor dir liegt.. erreichst du sein Ende.. werden wir sehen, ob du meiner Botschaft würdig bist. Deine Schwäche... ich kann sie riechen.“
Schatten hüllten diese perfekte Dunkelelfe ein, nur noch diese flehende Gestalt vor der verschlossenen Tür blieb zurück. Es war eine weitere Priesterin, vor ihr eine Blutlache. Sie flehte um Einlass, das Opfer dafür wurde erbracht, doch weiterhin würde ihr der Zutritt verwehrt. Als sie die näher kommende Chalithra'Xune bemerkte, versuchte diese die junge Priesterin zu beschwören, sie solle ihr helfen. Gemeinsam werden sie den Eintritt erlangen. 'Wozu?' Dachte sich die Dunkelelfe nur, sie wird keinem unwürdigen Wesen helfen. Wenn sie es nicht alleine schafft, hat sie es auch nicht verdient den weiteren Weg zu beschreiten. Neben der hockenden Elfe lag der Ritualdolch, mit dem sie anscheinend das Opfer bereitet hatte. Dies war viel eher Objekt der Begierde für Chalithra'xune. Gerade als sie diesen ergreifen wollte, riss die Flehende ihre Hand ebenso darüber. Die beiden Elfen starrten sich an, beide wussten anscheinend was nun passieren würde. Im tiefen Neid, der anderen kein Stück zu gönnen entbrannte das Handgemenge, aus dem nur eine Leben hervortreten würde. Diese hockende Priesterin zögerte keinen Moment und schlug mit der freien Hand nach dem Kopf, diese wiederum stieg mit ihrem Stiefel auf den Unterarm der Knienden, um den Griff am Dolch zu lösen. Das furienhafte umher schlagen, um die Oberhand zu erhalten dauerte nur einige Augenblicke, der schlichte Vorteil aus der stehenden Position wurde ausgenutzt und diese schwache Gestalt zu Boden gedrückt, der Dolch immer noch fest umklammert von beiden Frauen, drang jedoch immer weiter in in die Richtung der Hauptschlagader der Knienden. Selbst der würgende Griff an der eigenen Kehle, wodurch sie beinah sämtliche Sinne verloren hat, konnte den Druck auf den Dolch nicht aufhalten. Als die Dolchspitze das Fleisch durchstoßen hat, entweicht nur noch erstickte Schmerzenslaute und der letzte Lebenshauch den Lippen dieser schwachen Gestalt.
„Stiiirrb!“ Brachte Chalithra'xune unter lautem Knurren hervor, während der Leib ihrer Kontrahentin schließlich erschlaffte. Das Blut ergoss sich in der Ritualschale und die zuvor verschlossene Tür klappte unter leisem Scharren auf. Ungewöhnliche Stärke bemerkte sie, als hätte dieser Kampf gar nicht wirklich stattgefunden. Das Kleid erneut versunken im Blut, erhob sich die junge Priesterin und durchschritt die Pforte, ohne einen weiteren Blick zurück zu werfen.
Weitere Prüfungen folgten nach dieser Tür. Alles wirkte so realistisch, nie hätte sie geglaubt, dass dies nicht die Wirklichkeit ist. Dieser Irrgarten aus Spinnenweben, die Stimme der Yochlol, oder auch die Ebenbilder der Priesterinnen aus dem Haus Filifar schienen deutlich vor ihren Augen.
Sie durchschritt die Prüfungen, anscheinend erfolgreich, denn die Zofe Lloths kam mit einem Präsent wieder aus dem Schatten geglitten, welches um den Hals der jungen Priesterin gelegt wurde. Es passierte viel zu viel in dieser unwirklichen Umgebung, die Frage, welche Chalithra'xune in ihrem Inneren innewohnte, wurde wieder nicht gestellt. Zu spät, erneut.
Die Umgebung versank im dunklen matt und zumindest gefühlt direkt danach befand sie sich wieder in diesem einsamen Zimmer. Wie lange sie weggetreten war, konnte sie selber nicht einschätzen. Doch ihre Reise schien auch die Wirklichkeit zu beeinflussen, als sie ihre Sinne wieder gesammelt hatte, konnte sie dieses Schimmern im Augenwinkel wahrnehmen. Es war die Kette aus ihrem Traum, sie hing direkt neben ihr. Ein Zeichen Lloth's, zumindest dachte die junge Priesterin dies. Zwar noch geschwächt von der Reise ins Innere, doch zielstrebig wurde nach dieser gegriffen und ohne je einen Gedanken daran zu verschwenden, das etwas damit vielleicht nicht in Ordnung sein könnte, wurde sie um den Hals gelegt.