Vom Anfang und Ende der Unendlichkeit
Verfasst: 30 Jun 2019, 12:17
Zeitlos ragten die Spinnenweben von den morschen Dielen herab, der Staub türmte sich auf den Ablagen. Gar einige Dachschindeln fielen der Zeit und dem Wetter zum Opfer.
Verlassen.
Das war das Wort, was der alten Magierin im Kopf umherschwirrte.
Die Tür knarrte beleidigt, als Shinori sie mit Nachdruck öffnete.
Wie viele Monate, gar Jahre war sie nicht mehr an diesem Ort? Ihrem „Zuhause“, wie sie es einst nannte.
Damals veränderte ein flüchtiger Lidschlag ihr Leben. Löschte es aus.
So unbedeutend, so surreal im Ausmaß.
Sie wollte mit dem Wind reisen, wie sie es gewohnt war, wie sie es kannte. Sie beherrschte den Sturm seit sie denken konnte. Doch dieses Element verriet sie so arglistig. Ließ sie stürzen und fallen.
Der Schmerz...
Er war noch immer allgegenwärtig. Ebenso die Erinnerung an ihn.
Die Weißhaarige starb nicht nur... sie kehrte wieder zurück. In ein Leben, jenseits von Sterblichkeit oder Erlösung.
Verdammt, bis auf alle Ewigkeit.
Auch, wenn ihr Körper der Ihre war, hatte Shinori stets das Gefühl, dass bei ihrer Rückkehr ein Teil ihrer Selbst entronnen war.
Seitdem wisperte sie nicht mehr mit dem Wind, floss nicht mehr mit dem Wasser oder ließ Funken erglimmen. Ihr Vertrauen war zerbrochen, unwiderruflich.
Nachdem ihr Schöpfer sie auf das neue Leben vorbereitet hatte, wagte sie es kein weiteres Mal das Geflecht der Magie zu weben. Zu groß war die Angst, erneut zu fallen.
Mit jedem Sonnenumlauf, der ins Land ging, hatte sie sich mehr von den Städten entfernt, bis sie sich in gänzlicher Dunkelheit wiederfand.
Im Nichts.
Dort vermochte man keinen Herzschlag hören, nicht einmal den lieblichen Duft einer süßen Ader schmecken. Hier würde sie Niemanden schaden können.
Nun konnte sie endlich Ruhe finden.
In ihrer Starre schlief sie einen langen Traum.
Sie fand sich viele Jahrzehnte, bis zu ihrer frühsten Jugend, in ihrer Vergangenheit wieder.
Sie war die Tochter zweier Landstreicher, die es nicht besser wussten und die Frucht ihrer Lenden den Höchstbietenden feil boten.
Seinen Namen erfuhr sie nie. Sie wusste nur, dass er sich des Todes bediente und eine Aura der Furcht verströmte. Gelegentlich sah sie, dass des nachts Fremden, meist Bettler oder Verstoßenen, Einlass geboten wurde. Gestalten, die niemand vermissen oder suchen würde. Aus den Tiefen des Kellers drangen dann grausame Klänge, Stimmen mehrerer Personen und ihre Schreie. Und wie das Klagelied verebbte, verstummten auch die Klänge derer, die dumm genug waren, die Pforten zu überqueren. Ihr Herr bezeichnete es einst beiläufig als einen „Handel“, einen „Tausch“. Dabei kräuselte sich die dünne Oberlippe in dem hageren Gesicht. Seine Gestalt selbst vermochte dem Tod eher gleichen als dem Leben.
Niemals würde sie weiter danach fragen. Zu groß war die Angst, selbst zum „Preis“ zu werden.
Die Zeit floss unermüdlich und ließen das Kind zur Halbstarken heranreifen.
Inzwischen wurde die Vergänglichkeit zu ihrem Alltag. Ihr Herr bezog sie häufiger in seine Experimente – wie er es nannte – ein. Stellte sie sich geschickt an, sah er sich als Gönner, ihr weitere Silben der Macht zu vermitteln. Erwies sie sich als ungeschickt, bezog sie Schläge und Prügel.
So durchlebte sie viele vergangene Tage in ihrem Traum. Den einen schärfer, den anderen nur vernebelt und düster.
In der weltlichen Zeit vergingen Jahre, bis sich ihre Starre lockerte.
Ihr Schlaf wies Risse auf, als sich falsche Partikel in ihre Erinnerungen schoben. Mal sah sie im Schleier des Nebels Gesichter unlängst gefallener Kameraden oder Landstreicher, die um ihr Leben flehten. Ein andermal schallten Schreie und Stimmen in ihrem Kopf wieder.
An Corp Ex
Ihr war, als sprachen sie zu ihr...
Immer wieder wiederholten die Stimmen diese drei Silben.
An Corp Ex
Mal Schrill, mal besänftigend oder fürsorglich.
Es glich einer Warnung und Drohung gleichermaßen.
Wie aus dem Nichts streckte sich eine knöcherne Hand aus dem Dunkeln und packte ihre rechte Schulter. Die Fingerendglieder mit ihren scharfen Krallen bohrten sich unnachgiebig in das tote Fleisch der Ruhenden. Der beißende Schmerz ließ ihren Verstand aus der Erinnerung in das Jetzt zurückkehren. Ruckartig riss sie ihren Leib empor und umschloss mit beiden Händen den Angreifer. Der Schreck hatte ihre tiefsten Instinkte geweckt und mit ihnen auch den dunklen Schatten, der in ihrem Leib nistete.
Ihre Stimme klang grausam und vernichtend, als sie die Silben "An Corp Ex" spie.
Shinori spürte, wie die Eiseskälte durch ihre Fingerglieder zog und sich ihren Weg zum skelettierten Angreifer bahnte. Wie ein Mantel umschloss die Kälte sein Opfer und sog es in sich ein. Der Druck auf ihre Schulter verebbte bis er schließlich nicht mehr zu spüren war. Leblos sackten die Knochen herab und landeten dumpf auf dem Boden.
Reglos starrte sie diese an.
Dieser Akt hatte ihr ein hohes Maß an Kraft gekostet. Wieder musste sie an den „Handel“ denken.
Nun verstand sie deren Bedeutung. Die Magie wäre bereit ihr zu dienen, jedoch müsste sie den Preis dafür zahlen.
Getrieben vom unstillbaren Verlangen, dem Durst, setzte sie sich blind in Bewegung.
Es war ihr inzwischen gleich, womit sie sich Loyalität erkaufen musste. Es war ihr gleich, in welchen Abgrund des Arkanen Netzes sie eintauchen müsste.
Auch die tiefe Befriedigung in ihrem Inneren war nicht weiter von Belang.
Im Moment wollte sie nur noch im Blut ihrer Opfer baden.
Verlassen.
Das war das Wort, was der alten Magierin im Kopf umherschwirrte.
Die Tür knarrte beleidigt, als Shinori sie mit Nachdruck öffnete.
Wie viele Monate, gar Jahre war sie nicht mehr an diesem Ort? Ihrem „Zuhause“, wie sie es einst nannte.
Damals veränderte ein flüchtiger Lidschlag ihr Leben. Löschte es aus.
So unbedeutend, so surreal im Ausmaß.
Sie wollte mit dem Wind reisen, wie sie es gewohnt war, wie sie es kannte. Sie beherrschte den Sturm seit sie denken konnte. Doch dieses Element verriet sie so arglistig. Ließ sie stürzen und fallen.
Der Schmerz...
Er war noch immer allgegenwärtig. Ebenso die Erinnerung an ihn.
Die Weißhaarige starb nicht nur... sie kehrte wieder zurück. In ein Leben, jenseits von Sterblichkeit oder Erlösung.
Verdammt, bis auf alle Ewigkeit.
Auch, wenn ihr Körper der Ihre war, hatte Shinori stets das Gefühl, dass bei ihrer Rückkehr ein Teil ihrer Selbst entronnen war.
Seitdem wisperte sie nicht mehr mit dem Wind, floss nicht mehr mit dem Wasser oder ließ Funken erglimmen. Ihr Vertrauen war zerbrochen, unwiderruflich.
Nachdem ihr Schöpfer sie auf das neue Leben vorbereitet hatte, wagte sie es kein weiteres Mal das Geflecht der Magie zu weben. Zu groß war die Angst, erneut zu fallen.
Mit jedem Sonnenumlauf, der ins Land ging, hatte sie sich mehr von den Städten entfernt, bis sie sich in gänzlicher Dunkelheit wiederfand.
Im Nichts.
Dort vermochte man keinen Herzschlag hören, nicht einmal den lieblichen Duft einer süßen Ader schmecken. Hier würde sie Niemanden schaden können.
Nun konnte sie endlich Ruhe finden.
In ihrer Starre schlief sie einen langen Traum.
Sie fand sich viele Jahrzehnte, bis zu ihrer frühsten Jugend, in ihrer Vergangenheit wieder.
Sie war die Tochter zweier Landstreicher, die es nicht besser wussten und die Frucht ihrer Lenden den Höchstbietenden feil boten.
Seinen Namen erfuhr sie nie. Sie wusste nur, dass er sich des Todes bediente und eine Aura der Furcht verströmte. Gelegentlich sah sie, dass des nachts Fremden, meist Bettler oder Verstoßenen, Einlass geboten wurde. Gestalten, die niemand vermissen oder suchen würde. Aus den Tiefen des Kellers drangen dann grausame Klänge, Stimmen mehrerer Personen und ihre Schreie. Und wie das Klagelied verebbte, verstummten auch die Klänge derer, die dumm genug waren, die Pforten zu überqueren. Ihr Herr bezeichnete es einst beiläufig als einen „Handel“, einen „Tausch“. Dabei kräuselte sich die dünne Oberlippe in dem hageren Gesicht. Seine Gestalt selbst vermochte dem Tod eher gleichen als dem Leben.
Niemals würde sie weiter danach fragen. Zu groß war die Angst, selbst zum „Preis“ zu werden.
Die Zeit floss unermüdlich und ließen das Kind zur Halbstarken heranreifen.
Inzwischen wurde die Vergänglichkeit zu ihrem Alltag. Ihr Herr bezog sie häufiger in seine Experimente – wie er es nannte – ein. Stellte sie sich geschickt an, sah er sich als Gönner, ihr weitere Silben der Macht zu vermitteln. Erwies sie sich als ungeschickt, bezog sie Schläge und Prügel.
So durchlebte sie viele vergangene Tage in ihrem Traum. Den einen schärfer, den anderen nur vernebelt und düster.
In der weltlichen Zeit vergingen Jahre, bis sich ihre Starre lockerte.
Ihr Schlaf wies Risse auf, als sich falsche Partikel in ihre Erinnerungen schoben. Mal sah sie im Schleier des Nebels Gesichter unlängst gefallener Kameraden oder Landstreicher, die um ihr Leben flehten. Ein andermal schallten Schreie und Stimmen in ihrem Kopf wieder.
An Corp Ex
Ihr war, als sprachen sie zu ihr...
Immer wieder wiederholten die Stimmen diese drei Silben.
An Corp Ex
Mal Schrill, mal besänftigend oder fürsorglich.
Es glich einer Warnung und Drohung gleichermaßen.
Wie aus dem Nichts streckte sich eine knöcherne Hand aus dem Dunkeln und packte ihre rechte Schulter. Die Fingerendglieder mit ihren scharfen Krallen bohrten sich unnachgiebig in das tote Fleisch der Ruhenden. Der beißende Schmerz ließ ihren Verstand aus der Erinnerung in das Jetzt zurückkehren. Ruckartig riss sie ihren Leib empor und umschloss mit beiden Händen den Angreifer. Der Schreck hatte ihre tiefsten Instinkte geweckt und mit ihnen auch den dunklen Schatten, der in ihrem Leib nistete.
Ihre Stimme klang grausam und vernichtend, als sie die Silben "An Corp Ex" spie.
Shinori spürte, wie die Eiseskälte durch ihre Fingerglieder zog und sich ihren Weg zum skelettierten Angreifer bahnte. Wie ein Mantel umschloss die Kälte sein Opfer und sog es in sich ein. Der Druck auf ihre Schulter verebbte bis er schließlich nicht mehr zu spüren war. Leblos sackten die Knochen herab und landeten dumpf auf dem Boden.
Reglos starrte sie diese an.
Dieser Akt hatte ihr ein hohes Maß an Kraft gekostet. Wieder musste sie an den „Handel“ denken.
Nun verstand sie deren Bedeutung. Die Magie wäre bereit ihr zu dienen, jedoch müsste sie den Preis dafür zahlen.
Getrieben vom unstillbaren Verlangen, dem Durst, setzte sie sich blind in Bewegung.
Es war ihr inzwischen gleich, womit sie sich Loyalität erkaufen musste. Es war ihr gleich, in welchen Abgrund des Arkanen Netzes sie eintauchen müsste.
Auch die tiefe Befriedigung in ihrem Inneren war nicht weiter von Belang.
Im Moment wollte sie nur noch im Blut ihrer Opfer baden.