Irgendwo im Nirgendwo

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Luinil Ahton
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Irgendwo im Nirgendwo

Beitrag von Luinil Ahton »

Eine gefühlte Ewigkeit war innert weniger Augenblicke vergangen. So jedenfalls kam es Luinil vor, als sie sich ihrer selbst bewusst wurde, hier, an diesem seltsamen Ort. Aber war sie wirklich noch sich selbst? Nirgendwo war hier ein Spiegel zu finden, also konnte sie sich nicht sicher sein. Zudem war der Ort nicht wirklich seltsam. Hier gab es zwar kein Oben und kein Unten, weder Boden noch Himmel und ohnehin nichts, was sie an eine Welt, einen wirklichen Ort erinnerte. Und doch fühlte sie sich hier seltsamerweise geborgen.

Sie wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, seitdem sie durch den Riss in der Welt hier hereinspazierte. Manchmal fühlte es sich so an, als wäre es gerade eben gewesen, dann wieder schien ihr die vergangene Zeit einer endlosen Ewigkeit gleich. Es gab hier auch nichts zu tun, niemanden zu beissen oder sonstwie zu malträtieren, aber ob nun wenige Augenblicke oder Jahre - das war ihr einerlei.

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Und dann war diese kaum greifbare, seltsame Welt, von einem auf den anderen Augenblick auch nicht mehr da. Wenn sie sich nicht täuschte, hatte sich die Welt mit einem lauten Ploppen verabschiedet? Nichts existierte mehr um sie herum, keine Geräusche drangen an ihre Ohren, es gab nichts zu sehen, keine Gerüche, selbst keine Magie war zu spüren. Nicht mal sich selbst sah sie, nur ihr Geist schien noch zu funktionieren. Wie eine Katze, in einer Kiste eingesperrt, begannen ihre Sinne langsam aber sicher überempfindlich zu werden. Sie wurde nervös und hibbelig, obwohl sie weder einen Körper spürte noch sonstwie sich ihrer selbst wirklich gewahr war.

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Als hätte man einen übereifrigen Welpen von der Leine gelassen, fiel sie zu Boden. Schon wieder war irgend etwas anders. Wieder hatte sie keine Ahnung, was genau verändert worden war. Langsam spürte sie gar den Hunger in sich aufkommen und da hier nichts war, was weder die Maskerade erforderte noch als Futter dienen konnte, drohte das Tier, arg Überhand zu gewinnen. "Mal sehen was Ärger und Irrsinn dazu meinen..." dachte sie sich und wollte ihre beiden Diener erschaffen, was kläglich misslang. Magie gab es hier weiterhin keine.

Das einzige, was es gab, war der Boden. Keine Erde, kein Gestein oder Metall oder Holz. Irgendetwas ihr unbekanntes. Sie versuchte mit den Klauen darin zu buddeln, hämmerte mit den Fäusten und ihrem Schädel wie Wild darauf ein, doch nichts passierte. Ihre Kräfte neigten sich nur langsam dem Ende zu, also kratzte, haute und schlug sie weiter darauf herum. Hin und wieder hörte oder sah sie etwas, oder war zumindest der Überzeugung, etwas gesehen oder gehört zu haben. Ein zwitschernder Vogel, ein Lichtfunke, ein Windstoss, ein Rascheln. Derlei eben. Hinweise darauf, dass noch irgendwas existierte, dass sie sich noch irgendwo in der Nähe von irgend einer Existenz, oder gar der Schöpfung befand. Jeder noch so kleine Hinweis, ob nun eingebildet oder realität, beflügelte sie von neuem und mit nicht enden wollender Kraft malträtierte sie den Boden unter sich.

Ob es nun einfach ein unbestimmbarer Boden, eine Tür oder Tor, irgend eine Art von Siegel oder Grenze hatte, vielleicht würde ja etwas oder jemand ihre Bemühungen bemerken. Doch daran dachte die Furie in ihrer entfesselten Rage nicht. Auch nicht daran, ob die unaufhaltbare Kraft wirklich gegen das unbewegliche Objekt gewinnen konnte. Sie hämmerte und schlug einfach weiter darauf ein.
And the strangeness from beyond the stars is not as the strangeness of earth.
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Shira'niryn
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Re: Irgendwo im Nirgendwo

Beitrag von Shira'niryn »

Ein kurzes Vibrieren, dann ein Dröhnen in der Dunkelheit und mit einem erstickten Aufkeuchen sprengte die Helligkeit sich durch den vorher ruhigen Schlaf der Magierin. Als hätte ein Albtraum dafür gesorgt, dass ihr Ruhen unterbrochen wurde, fühlte sie den verschnellerten Puls unter ihrer Haut und das pochende Herz, als würde jene sie auf eine Gefahrensituation hinweisen. Aber da waren keine Erinnerungen an einen Albtraum, etwas fühlte sich merkwürdig an, als würde ein Gemälde vor ihren Auge schief hängen.

 »Das war kein Albtraum.«

Hallte das grollende Knurren der schneeweißen Drachendame durch ihr Inneres und bestätigte damit die aufkeimende Vermutung. Sie fühlte wie Naurm von einer Unruhe beherrscht wurde, die sie selten bei ihr wahrnahm und sie war sich sicher, dass sie Dinge spürte, die ihre menschlichen Sinne nicht wahrnehmen konnten.

 »Was ist los?«

Fragte sie nach einigen Momente nach, die sie gebraucht hatte um sich auf die Füße zu erheben und einigermaßen wieder beisammen zu sein. Die Antwort war ein unwirsches Knurren und ein Vibrieren welches sich durch ihre Glieder ausbreitete. Ihr Magen zog sich zusammen und ein Dröhnen ging erneut durch ihre Schläfe, als die Drachenseele ihren Unmut darlegte.

 »Etwas stimmt nicht. Etwas stört das Gefüge. Spürst du das nicht? Es ist als würde etwas viel zu Großes versuchen, sich durch ein viel zu kleines Netz zu zwängen.«

Bis auf die Schmerzen, die auf Naurms Gemüt zurückzuführen waren, spürte sie tatsächlich kaum etwas. Da war eine gewisse Unruhe, eine Nervosität, ein Kribbeln in den Fingerspitzen, aber mehr vernahm sie nicht.

»Nein, kannst du es mir genauer erklären?«
»Da ist etwas, was dort nicht hingehört.«
»Wo?« 
»Im Gefüge...nein... sogar dahinter.«

»Wie kann dort 'etwas' sein? Und... dahinter? Wie dahinter?«
»Erinnerst du dich an den Riss zwischen dieser Welt und Glaedi?«
»Sicherlich.«
»Das war auch etwas, was dort nicht hingehörte. Eine Verletzung und das... ist wie ein Fremdkörper, der noch dahinter ruht.«
»Dahinter?«
»Hinter dem Gefüge.«

Sie rieb sich den schmerzenden Kopf und ließ sich langsam auf der Bettkante nieder. Sie verstand nur die Hälfte von dem, was dieses uralte Wesen ihr gerade versuchte mitzuteilen. Aber was sie verstand, das war die Tatsache, dass es etwas nicht sonderlich Gutes zu sein schien. Naurm war unruhig, aufgewühlt, als würde in jeden Moment etwas aus ihr hinausbrechen wollen.

»Was... ist denn hinter dem Gefüge?«
»Nichts.«
»Nichts?«
»Das Nichts. Und dort liegt das Problem, dort _sollte_ niemand sein. Die Gefahr Risse zu verursachen ist viel zu groß, merkst du nicht das Ächzen und Vibrieren?«

Sie schloss die Augen, atmete tief durch und versuchte sich in einen ruhigeren Zustand zu versetzen. Als würde sie Naurms Worten folgen wollen und doch war alles, was sie als "Mensch" spürte, nur das Kribbeln und diese Unruhe in der Magengegend, von der sie sich nicht sicher war, ob sie von der Störung im Gefüge her rührte, oder von der Drachendame selber.

 »Man sollte meinen, die Zeit mit meiner Macht hätte dich empfänglicher für solche Dinge gemacht.«

Verärgert und fast spottend drangen die Worte nun zu ihr hervor und mit einem genervten Seufzen öffnete sie wieder den Blick, um ihn zum Fenster zu richten – einen wahllosen Punkt fixierend.

 »Was können wir machen?«
»Lass mich frei und lass mich machen. Ich war nicht umsonst die Hüterin von Glaedi und dem Gleichgewicht des Gefüges dort.«


Ein kleines Zucken mit den schmächtigen, bleichen Schultern und wenige Herzschläge später hatte die Magierin sich in ihr Innerstes zurückgezogen um der Drachendame die Führung zu überlassen. Naurm drückte sich sogleich in einer raschen Bewegung auf, sie wusste, dass sie einiges zu besorgen hatte, damit sie ihr Vorhaben in die Tat umsetzen konnte. Sie würde diesen Fremdkörper, was auch immer das war, beschwören. Sie würde ihn davon abhalten sich durch das Netz zu zwängen und ihn auf einen anderen Weg in diese Sphäre holen. Aber dies bedurfte einiges an Vorbereitungen...
 
  
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Shira'niryn
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Re: Irgendwo im Nirgendwo

Beitrag von Shira'niryn »

Sie hatten sich beeilt alles Nötige für das Ritual und die Vorbereitungen möglichst schnell zu bekommen und doch war mehr Zeit vergangen als den Beiden lieb war. Karameo den alten Sphärenkristall abzuschwatzen war eine Sache, die ganzen Zutaten zu besorgen - unter dem ständigen, unwohlen Ziehen in der Magengegend - dann wieder eine andere. Die Asche eines Phönix, das Blut eines Nachtmahres, diverse Bestandteile hochmagischer Kreaturen und Reagenzien, die alle nur einen einzigen Sinn und Zweck dienten: Genug Energie für die Verbindung zum 'Nichts'. 
Es hatte auch nicht unbedingt weiter geholfen, dass sie erst mit diversen Leuten darüber diskutieren musste, wie man so ein Ritual am Besten durchzuführen hatte - denn kaum einer hatte wirklich Erfahrungen damit. Auch Naurm mit ihren Jahrhunderten an alten drachmagischen Wissen konnte nur Eckpunkte nennen, schlicht Aufgrund des beschädigten Gedächtnisses. 

Nach mehreren Umläufen der Vorbereitungen war es dann endlich soweit. Das komplizierte magische Pentagramm, mit vielen verschiedenen Verzweigungen und Runensymbolen - die auch einen entsprechenden Schutz darstellen sollten -, wurde mit akribischer Detailgenauigkeit auf den Boden ihres Kellers gemalt und alle Zutaten entsprechend zu einer einzigen Masse verarbeitet. Diese 'Masse' hatte sie schon einige Tage vor dem Ritual, immer wieder, auf die feinen blauen Linien auf ihre Haut aufgetragen. Laut Naurm sollten sie ihr einen besseren Zugriff zur Energie verschaffen, die sie benötigte um es überhaupt irgendwie zu schaffen - wie eine Art magischer Verstärker der direkt mit dem Ursprung der magischen Narben harmonierte. Tatsächlich hatte sie sich die letzten Umläufe auch kraftvoller als sonst gefühlt, als wäre sie endlich mal ausgeschlafen und im Besitz ihrer vollen, magischen Kräfte.

Der Sphärenkristall, als eine der wichtigsten Komponenten, sowie die restlichen Reagenzien, wurden letztendlich mittig platziert und dann hieß es: Konzentration und keine Fehler in der Reihenfolge machen. 
Zuerst wurden die schützenden Teile des Pentagrams mit den Silben "In Vas Sanct Ort Ylem", unter einem leichten Aufglimmen jener, aktiviert und dann hieß es Naurm den Rest zu überlassen. Sich auf das Gespür der Drachensinne zu verlassen, die viel empfindlicher auf das Gefüge und das Sein reagierten, als ein Mensch es vermutlich könnte. Sie zog sich zurück, ließ Naurm die angesammelte Energie ihres Körpers nutzen, ließ sich treiben und lenken.
"Des Ex Xen"
Bestimmend drangen die Silben über ihre Lippen und sie fühlte wie ihre Magengegend sich zusammenzog, als ein Flirren durch das astrale Gefüge ging, als würde es sich noch dagegen stemmen, als würde es sich wehren wie ein quengeliges Kind. 
"Kal Ort Xen"
Befehlend, gar herrisch sprach die Drachendame jene Worte und erst dachte Shirin, das rein gar nichts passieren würde -  bis mit einem hellen, schmerzenden Ton der Sphärenkristall zersprang und all ihre Kraft förmlich aus ihrem Körper gerissen wurde. Unaufhaltsam floss ihr die Energie, die sie über die letzten Tage angesammelt hatte, davon und mit einem erneuten Flimmern, Hämmern und Jammern entstand ein Spalt im Gefüge. 

Mit einem Rumsen landete eine Gestalt unsanft mittig auf dem Pentagramm auf ihrem Kellerboden und mit einem angestrengten Laut wurde der Energiestrom wieder versiegelt, so dass alles wieder zum Ursprung zurückkehren konnte. Zittrig, schummrig, vollkommen kraftlos sank sie auf die Knie am Rand des magischen Gebildes zusammen um ihren Blick nun auf den Übeltäter des Ganzen zu richten. Doch ehe es ihr richtig bewusst wurde, wen sie da gerade aus dem Nichts gezerrt hatte, forderten die Anstrengungen ihren Tribut und mit einem widerlichen Geräusch erbrach sie sich vor Erschöpfung - vor der noch immer verwirrt dreinblickenden Luinil.  
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Luinil Ahton
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Re: Irgendwo im Nirgendwo

Beitrag von Luinil Ahton »

Von all den Anstrengungen bekam Luinil zuerst nichts mit. In den vergangenen Stunden, ob diese nun als halbe Ewigkeit oder als kurzer Moment erlebt wurden, hatte sich ihre blinde Rage auf den unbestimmbaren «Boden» nur gesteigert. Sich in Dinge, auch unnötig, hineinzusteigern, war sozusagen eine ihre Stärken.
 
Der «Boden» schien irgendwann nachzugeben, doch bevor sie sich dessen bewusst wurde, vernahm sie einen hellen Ton, der ihre übernatürlichen, von Reizen entfremdeten Sinne für einen Moment überforderte. Zuerst blendete der Ton alles aus, Augenlicht, Gefühl, Gehör und Geruch hatten sich verabschiedet. Jede Faser ihres Körpers nahm nur noch den Ton war, während sie weiter blindlings auf den Boden eindrosch. Dann ging er über in ein Ziehen, dass sie ebenso in ihrer Gänze erfasste. Hatte sie es geschafft? Soweit dachte sie gar nicht. Blindlings wütete die Furie weiter, während sie von einer Kraft erfasst wurde, die sie aus dem Nichts zurück in die Schöpfung riss
 
Dann ging alles ganz schnell. Zwei, dreimal wetzte sie die Hände am nun richtigen, steinernen Boden, ehe sie dann innehielt. Was gerade passiert war, realisierte sie noch nicht, weder noch, wo genau sie war. Doch dann änderte das Pochen in ihrem Schädel den Rhythmus, nahm einen Takt an, der ihr wohlbekannt war. Etwas arg schnell, wohl erschöpft, gehörte der Puls wohl zu der vornübergebeugten Gestalt, die nicht weit weg von ihr am Boden kauerte.
 
Instinkte setzten ein, das Tier übernahm für den Moment und sie gierte nur noch nach Blut. Mit aller Kraft wollte sie sich auf die Gestalt stürzen… nur um dann unangenehm vom Bannkreis abzuprallen, dessen sie sich in den kommenden Momenten bewusst wurde. Dann legte sie das Augenmerk auf die Gestalt, die sich wohl offenbar gerade erbrochen hatte. Das Tier wurde unterdrückt und sie warf einen etwas genaueren Blick auf ihr Gegenüber.
 
Nein. Nicht die. Warum ausgerechnet DIE?!
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