Dantes Reise

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Dante R.
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Dantes Reise

Beitrag von Dante R. »

Dantes Reise
 
Familie

Das Blut tropfte von seinen kindlichen Händen. Den Pflug fest umschlungen, trieb er das Pferd vor sich her. „Beweg dich schon alter Gaul!“
Neben ihm führte sein Vater  ein weiteres Pferd mit Pflug an, das Tempo so hoch, dass kein Kind mithalten konnte. Dante hatte noch keine 10 Sommer erlebt.
Erst als die Sonne unterging, kam der erlösende Satz der Mutter. „Das Essen ist fertig!“

Sein Vater knallte den Bierkrug auf den Abendtisch und brummte: „Der Junge muss endlich lernen, wie das echte Leben ist. hör auf ihn zu verhätscheln, sonst wird er noch ein Weichei!“
„Lass ihn doch noch Kind sein…“
, entgegnete sie mit trüber Miene.
Der Vater brüllte mit pochender Halsader: „Möchtest du das wir das Feld verlieren und in der Gosse landen!? Es gibt genug Familien da Draußen. Dem Lehnsherrn kann es egal sein, wer sein Feld bestellt. Der Junge muss es lernen…“
„Würdest du nicht immer saufen …“

Bier schwappte aus dem  Krug, als die Faust des  Vaters auf die Tischplatte schlug. Er deutete zur Tür.  Der junge Dante sprang auf, sein Blick durch Tränen getrübt, stürmte er aus dem Haus und knallte die Tür hinter sich zu.

In der Scheune stank es nach Mist und Vieh, auf dem Lehmboden lag Stroh, in das er sich mit weichen Knien fallen ließ.
Zusammengekrümmt hielt er sich die Ohren zu, stellte sich einen belebten Tisch im Haus vor, mit Geschwistern, die er nie hatte, und Mutter, die fröhlich miteinander lachten, Speis und Trank teilten, keinerlei Hass, Zorn oder Vater im Raum.  So entzog er sich der schmerzverzogenen Schreie seiner Mutter aus dem Haus.


 
Der Alte und Funke

Eines Abends lag nun der 15 Sommer alte Dante auf einem grünen Hügel, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, blickte er in die Sterne. Eine Flamme huschte vor seinen Augen, reflexartig rollte er zur Seite und stemmte sich vom Boden hoch. Ein Vierbeiniges, rot-transparentes Wesen, in flackerndes Feuer gehüllt, eilte den Hügel herab.
Die Augen reibend, überzeugte er sich an keiner Halluzination zu leiden und rannte ihm nach.
Das Wesen entwischte in der Nähe einer heruntergekommenen Kutsche.
„Wer ist da!?“murrte es aus der Kutsche und die Tür öffnete sich. Ein zottliger Greis kam geduckt heraus. „Was machste hier kleiner Junge? Geh nach Hause, ist schon spät!“
„ Aber da war… etwas feuriges…“
, Dante linste neugierig um den Wagen herum.
Der Alte strich sich durch seinen ellenlangen, weißen Bart und musterte den Jungen.
„Das war Funke. Er streunert nur selten rum und noch seltener bringt er Fremde mit. Sag Junge, wo kommst du her?“
Einen Moment lang stand Dante wie erstarrt da, ehe er dem Alten antwortete: „Wer ist Funke? Ich bin Dante, mit Vater und Mutter bestellen wir das Feld hinter den Hügeln.“, deutete er in die Richtung aus der er gerannt kam.
Der Greis trottete auf eine erloschene Feuerstelle zu und sank auf einen Baumstumpf herab.
„Vas Flam“, nuschelte er in seinen Bart. In seiner Hand formte sich eine hell lodernde Feuerkugel, die er mit einer Drehung aus dem Handgelenk in die erkaltete Feuerstelle warf, um diese neu zu entfachen.
„Woah! Ihr seid ein Magier!“, sprang Dante begeistert um das Feuer.
„Pass auf das du nicht reinfällst, setzt dich erstmal, Junge.“ Der alte Greis deutete auf einen liegenden Stamm.  Die Aufregung kitzelte durch Dantes Körper, er setzte sich ans Feuer und wippte mit den Füßen auf und ab.
Der Greis holte tief Luft:
„Funke ist ein Feuerfuchsgeist… das erste Mal als ich in sah, war ich nicht viel älter als du, Bursche.
Er ist kein lebendiges Wesen wie du und ich, er hat keinen Körper der bluten kann und existiert zwischen der unseren und der Welt der Geister. Du kannst dich geehrt fühlen dass er sich dir gezeigt hat… Sag Junge, hast du Magier in deiner Familie?“

Mit funkelnden Augen lauschte Dante den Worten und schüttelte den Kopf, auf die Frage des Alten. Dieser holte eine Pfeife aus der Brusttasche, stopfte würzig riechenden Tabak rein und murmelte wieder etwas vor sich her. Eine kleine Flamme erschien an der Spitze seines Zeigefingers und er nutzte sie um sich die Pfeife anzuzünden. Bei dem Schauspiel weiteten sich die Pupillen des kleinen Jungen.
„Willst das lernen?“, fragte er Dante, der eifrig einstimmend nickte.  
Wackelnd drückten sich die Beine des Alten hoch. Gespitzte Lippen zogen an dem Pfeifenmundstück. Eine kratzige Rauchwolke legte sich um den Jungen und ließ ihn lautstark aushusten. Der Greis lachte borstig, musste dann jedoch selbst trocken Husten. Als er sich wieder gefangen hatte, lachten sie gemeinsam miteinander.  

„Nun gut Junge, es ist spät. Komm morgen Abend vorbei, bevor die Sonne untergeht und ich lehre dich Feuer zu erschaffen.“
Dante nickte vorfreudig, sprang vom Stamm und lief mit breitem Lächeln zurück zu den Hügeln.

Mit seiner Hand führte der Alte die Pfeife wieder zum Mund und schaute dem Jungen nach, bis dieser hinter den Hügeln verschwand. Aus dem Lagerfeuer neben ihm formte sich eine Gestalt aus den Flammen und sprang hervor. Funke setzte sich neben den Alten und blickte zu ihm hinauf.
Dieser schaute hinunter zum Feuerfuchsgeist, pustete Rauch aus und sprach ruhig: „Der Junge also...“
Der Fuchs wandte seinen Blick zum Hügel.

 
Die ersten Lehren

Wie besessen trieb er das Pferd samt Pflug vor sich her, sein Vater beäugelte seine ungewöhnliche Tatkraft mit Misstrauen und brummte in sich: „Der Junge heckt doch was aus…“
Seine Schultern zuckten kurz, ehe er sich wieder seinem eigenem Pflug widmete.
Noch bevor die Sonne unterging rief der Vater über das Feld: „Fertig Junge, Abendessen!“

Am Tisch schlang der junge Dante das Essen wie ein hungriger Hund. „Ich geh mir den Sonnenuntergang anschauen bei den Hügeln!“, mit halbvollem Mund, ließ er den Holzlöffel in die leere Schüssel fallen und stand auf.
Die Eltern tauschten fragende Gesichtsausdrücke aus.

Seine Mutter wollte ihm noch nachrufen und öffnete den Mund, bemerkte dann aber, dass er bereits die  Türschwelle übertreten hatte. Daher begnügte sie sich damit, den Tisch abzuräumen und konnte sich trotz des skeptischen Blickes ihres Mannes eines schnellen Lächelns nicht erwehren.
Schleppend bestieg der Junge den Hügel. Ein Leuchten erschien auf der Spitze des Hügels, einem winzigen Sonnenaufgang gleich, begrüßt es den sich annähernden Jungen. Dante kniff die Augen zusammen. Als sich die Umrisse des Fuchsgeistes zu erkennen gaben, lächelte er freudig auf und rannte energisch auf ihn zu. Die Hand des Jungen streckte sich nach dem Fuchs, doch dieser rollte zur Seite und sprintete den Hügel hinab. Der Junge rannte ihm nach.
Am Lagerfeuer saß schon der Greis mit seiner Pfeife im Mund. Funke war zuerst bei ihm. Völlig außer Puste trottete Dante zur Feuerstelle und griff sich an die Knie, keuchend rang er nach Luft.
„Ruhig mit den Pferden Junge…sag mir, wie haben dich deine Eltern getauft?“, schaute er den Jungen mit einer erhobenen Augenbraue an. „Dein Name?“
„Dante!“
„Freut mich kleiner Dante, du kannst mich Virgil nennen. Funke hast du ja auch schon kennengelernt.“
, der Blick des Greises wanderte vom Jungen zum Fuchs.
Funke stand neben Dante, hob den Kopf in dessen Richtung und gab ein frechen Keckerlaut von sich.
Dante schreckte auf, musste dann jedoch kichern. Er musterte die Geistergestalt eindringlich und streckte seinen Arm in Richtung des Fuchses. Die Hand des Jungen glitt durch den transparenten Kopf des Tieres, ein warmes Gefühl legte sich um seine Haut, wie ein gemütliches Kaminfeuer spendete der Geist Entspannung und Geborgenheit.
Der Fuchs stand auf und setzte zum Sprung an, Dante zog seine Hand rasch zurück. Funke machte einen Satz, landete Im Lagerfeuer und die Flammen loderten hell auf. Der transparente Körper vereinte sich mit dem Feuer und nahm wieder die Form eines gewöhnlichen Lagerfeuers an.
„Funke scheint dich zu mögen, doch wir haben keine Zeit für Spielereien, wenn du wirklich das Element des Feuers erlernen willst, dann musst du alles geben, was in dir steckt.“, murrte Virgil, drehte die Pfeife in seiner Hand um und klopfte mit der Anderen den Tabak auf den Boden.
Der Junge schluckte und nickte mit fest entschlossener Miene.

„Zeig mir dein Hände…“, brummelte der Alte ihn an. Dante streckte ihm seine kleinen Hände entgegen. Sie waren gezeichnet von Schwielen, Narben und rinnendem Blut aus frischen Wunden.


In Mani“, sprach der Alte und hielt seine rechte Hand über die geschundenen Kinderhände. Verwundert zog der Junge seine Hände zurück und schaute sich die Innenflächen an. Die Blutung der frischen Wunden stoppte und kleinere Kratzer schlossen sich vor seinen Augen, was blieb waren die Narben und Schwielen.
„Das war eine leichte Heilung, die Worte der Macht um diesen Zauber zu wirken sind ›In‹ und ›Mani‹. ›In‹ steht für Erschaffen oder Verursachen, ›Mani‹ steht für Leben oder Heilung...“, sprach Virgil im ernsten Ton. Er drückte seine Augen zu schmalen Strichen zusammen: „Du kannst weder lesen noch schreiben... nehme ich an?“
Dante lächelte verlegen und strich sich über das rote Haar am Hinterkopf.
Der Greis schnaufte aus: „Viel zu tun, viel zu tun… dann fangen wir erstmal mit einem kleinen praktischen Test an. Doch zunächst dein Zauberbuch, pass gut drauf auf, ich hab nur das eine für dich. In ihm befinden sich die Zauberbeschreibungen die wir in der nächsten Zeit… in den nächsten Jahren…  üben werden.“ Er steckte das Buch in einen Umhängebeutel und hang ihn behutsam über die Schulter des Jungen. Er drückte ihm eine kleine schwarze Perle und  ein Stück von einem Nachtschattengewächs in die Hand. „Nimm die in deine linke Hand und entspann dich erstmal… mit der rechten Hand zeigst du nach oben in den Himmel und sprichst dann die Worte In Por Ylem.“, wies Virgil in einem ruhigen Ton den Jungen an und tätschelt dessen Schulter.
Mit dem Zeigefinger zum Himmel gedeutet rief Dante gen Himmel: „In Por -Ylem!“
Eine kleine Feuerkugel, nicht größer als eine Erbse, schoss von seiner Fingerspitze hoch und verglühte nach wenigen Sekunden. Dante schrie auf und wandte seinen Blick zum Greis: „ JAAA, Hast du das gesehen!?“
Virgil lachte inbrünstig auf und hielt sich mit der Hand den Brustkorb: „ Du Knirbs hast es in dir! Hätte das nicht gedacht,… aber Funke, der wusste es!“
„Der Fuchs wusste es?“,
schaute Dante mit hochgezogenen Augenbrauen zu Virgil.
Dieser zwinkerte ihm zu: „So wie er es damals bei mir wusste.“
Im Lagerfeuer zeichnete sich das Gesicht des Fuchses wider, den Blick auf Dante gerichtet, welcher den Alten neugierig fragte: „Wo kommt er her, wenn er nicht von unserer Welt ist?“
„Nun… ich erzähle dir die Geschichte, die auch mein Lehrer mir damals weitergab.
Vor vielen Jahren gab es einen Meistermagier der Elemente, er und Funke waren gute Freunde. Damals war Funke noch ein gewöhnlicher Fuchs und wich nie von der Seite seines Herrn.
Als der Tag kam und Funke eines natürlichen Todes starb und sein Geist ins Jenseits wanderte, konnte der Magier ihn nicht gehen lassen und verschmolz seine unsterbliche Seele mit der Essenz eines mächtigen Feuerelementares. Nachdem tragischer weise der Magier starb, war Funke nun alleine auf der Welt. Der Einsamkeit trotzend zog er um das Land, auf der Suche nach der Reinkarnation seines Freundes und Meisters.“
Der Alte lehnte sich zurück und blickte nostalgisch in die noch blassen Sterne des Abendhimmels.
Ein kleiner Tropften kullerte über Dantes Wange. Mit dem Ärmel wischte er sie sich schnell ab und zog die Nase hoch.
Das Feuer knisterte, speite kleine Glutpartikel um sich und loderte auf. Aus der hohen Flamme sprang der sich materialisierende Funke.
Dante stolperte nach hinten und wirbelte eine kleine Staubwolke mit seinem auf dem Boden prallenden Hinterteil auf. Funke pirschte sich an ihn ran und bellte verspielt.
Der Junge stand auf und klopfte seine dreckige Hose ab. Mit einem schelmischen Lachen und nach dem Fuchs ausgestreckten Armen rannte er auf den diesen zu. Der Fuchsgeist lief bellend vor ihm Weg und sie drehten spielerisch Ihre Kreise um das Lagerfeuer. 
Ein warmes lächeln formt sich auf dem Gesicht des alten Greises, der das  Schauspiel amüsiert beobachtete. 

 
Abschied

Nach der Feldarbeit, machte sich der groß gewachsene Dante auf den Weg zu Virgil und Funke. Es kribbelte ihn in den Fingern und Gedanken versunken trappte er zum Hügel:
 „Ob der Greis mich wohl für würdig hält? Ach was!... Ich bin bereit für den vierten Zirkel.“

Funke fing ihn schon auf dem Hügel ab und sprang auf seinen bevorzugten Platz, Dantes Schultern. An der Feuerstelle angekommen verlangsamten sich Dantes Schritte. Er legte seine Stirn in Falten, als er den leeren, gar aufgeräumten Lagerplatz sah.
Der Kochtopf neben dem Stumpf, das Zelt, welches sie vor einigen Jahren zusammen aufgebaut hatten und das ranzige Waschbrett, welches immer am Kutschrad angelehnt war. Alles war einfach weg.

Dante blickte auf seine Schulter zu Funke, der ihn einen Moment lang anschaute, senkte dann den Kopf und schloss die Augen.
„Irgendetwas stimmt nicht.“ spürte Dante tief in sich „Und auch Funke ist heute so freudlos.“, hallte es in seinen Gedanken. 

Die Tür der Kutsche öffnete sich knatschend, Virgil trat mit ernster Miene heraus.
„Dante, wie schnell du erwachsen geworden bist... Alles was ich dir beigebracht habe, konntest du verinnerlichen. Es mag sein, dass du nicht der schnellste warst, dennoch schlägt in dir das Herz eines Elementaristen. Lerne nicht nur die Elemente zu beherrschen, mach sie zu deinen Freunden. Ich tu mich bei solchen Dingen nicht gut,… aber für mich ist die Zeit gekommen, Abschied von dir zu nehmen.“.
Dante stotterte: „ A..Ab..Aber.. wieso Abschied? Ich komm mit! Wo soll es hingehen?“
Schwerfällig schüttelte der Alte seinen Kopf. „Das ist keine Reise bei der du mich begleiten kannst, dein eigener Weg erwartet dich.“ 
„Bitte nimmt mich mit!“, fiel Dante vor ihm auf die Knie.
„Schluss damit! Steh auf!“, wetterte Virgil entgegen: „Glaubst du mir fällt das leicht? Es gibt etwas, dass ich erledigen muss und du bist noch nicht bereit dafür! Du kannst nicht ewig mit einem alten Greis deine Zeit vergeuden… erinnerst du dich an den kausalen Zusammenhang der Welt, von dem ich dir erzählt habe? Die Ursache zwingt mich auf diese Reise, eines Tages wirst du es verstehen.“
Virgil stieg zaghaft auf die Bank der Kutsche und nahm die Zügel in die Hand.
Als Dante sich wieder aufrichtete, sprang Funke von seiner Schulter. Vom Boden aus blickte der kleine Fuchsgeist mit blassen Augen zu ihm auf. Ein klagendes Jaulen drang aus Funke, ein Jaulen das Dante bisher fremd war.
Der Geist drehte den Kopf zu Virgil und sprang im hohen Bogen auf die Kutscherbank.
„Geh mit dem Wind und wir werden uns wiedersehen, junger Dante!“, der Greis peitschte die Zügel, die Räder knatterten und hievten den Wagen aus der Starre. Am Horizont verschwamm die Kutsche in Dantes wässrigen Augen. Sprachlos und festgewurzelt wie ein Baum im Wind, konnte er sich nicht rühren.


Im Mondschein näherte Dante sich seinem Elternhaus, das Licht dort brannte noch und er vernahm lautes Poltern. Er stürmte durch die Tür und sah seinen betrunkenen Vater mit erhobener Faust. Seine grün und blau geschlagene Mutter lag regungslos und gekrümmt auf dem Boden, die Hände schützend um den Kopf gelegt.
Der Vater visierte Dante an, sein roter Hals schwoll an: „Das ist alles deine Schuld… du und deine nutzlose Hexerei. Vernachlässigst das Feld, kannst nicht ma….“
Eine in Flammen gehüllte Kugel fetzte gegen sein Gesicht und unterbrach seine Hassrede. Wie ein nasser Sack fiel er zu Boden und hielt sich das Gesicht. Mit selbstmitleidigem Jammern kroch er hilflos über die Bodendielen.

Die Mutter erwachte aus Ihrer verängstigten Starre. Sie drückte sich vom Boden ab und hinkte auf Dante zu, nahm ihn in den Arm und flüsterte: „Mein Sohn… ich weiß du wolltest mich nur beschützen, doch jetzt gibt es kein Weg mehr zurück für dich, dein Vater wird dir vor dem Lehnsherren Hexerei und Verrat unterstellen. Hab Keine Angst um mich, … ich liebe dich mein Sohn ... und bitte, verzeih mir.“
Die Innenfläche ihrer Hand knallte erschütternd gegen Dantes Wange.
„RAUS MIT DIR DU HEXER UND KOMM NIE WIEDER!“,  bebte die Stimme seiner schauspielenden Mutter im Raum.
Der vor Schmerzen winselnde Vater erhob seinen Kopf.
Trauer stand Dante ins Gesicht geschrieben,  gesenkten Hauptes kehrte er seinen Eltern den Rücken und verließ das Haus.
Der Vater klagte schluchzend und mit ausgestreckten Händen suchend: „Ich kann nichts sehen!“
Die Arme seiner Ehefrau legten sich gütig und fürsorglich um ihn.

 
Eine neue Welt
Dante schlenderte durch den nach Armut und Fisch stinkenden Hafen. Sein Blick wanderte den Steg entlang, bis zu den vertäuten Segelschiffen, die müde von langer fahrt faul und träge im Hafen lagen. Zischend zog er den Rotz die Nase hoch und spuckte ihn auf die modrigen Holzplatten. Mit Blau-Lila unterlaufenen Augen schaute er rastlos umher, das laute Gurgeln der leeren Magengrube trieb ihn an.
„Sir….Sir…. Sir!“, ein kleiner Junge zog an seiner Hose und hielt mit der anderen Hand ein Papier entgegen.


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Ahoi ihr Landratten,

nichts zu fressen, trockener Hals und kein Bett?
Sorg’ dich nicht! Komm an Board von Käpt’n Norbert Fuchswind
und transportiere mit uns die prachtvollsten Güter über alle Meere!


~ Käpt’n Ferdinand Fuchswind ~
Mitglied der Handelsflotten Gemeinschaft
im Auftrag des Baron Gilgamesh Draton“
Seekranke und nicht arbeitstüchtige Bordratten müssen die Verpflegung zurückzahlen,
sollte das Gold nicht sofort zur Verfügung stehen, wird die Schuld für jeden Seetag auf Land im Arbeitslager von
Zantenheim beglichen.
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Kalte, aufspritzende Gischt riss Dante so heftig aus dem Schlaf, dass er aus der Hängematte fiel. Ein Matrosen lachte hämisch auf, gefolgt vom Murren eines Maates: „Stehste wohl uff du Nichtznutz! Beweg deinen knochigen Asch ans Deck, haste Glocke nicht gehört? Da kommt a Sturm!“
„Jawohl Herr Maat…“
, kam es im trotz aller Anstrengung nur müde und verzögert über die Lippen. Er strich sich mit der Hand übers Gesicht und schleuderte das Gemisch aus Schweiß und Seewasser auf die faulig schwarzen Planken am Boden.
„Alles sichern für Schlechtwetter!“, brüllte der Käpt’n über das belebte Deck. Die Seemänner liefen scheinbar chaotisch über das Deck, zogen an Seilen und Tauen und verknoteten sie an verschiedenen Punkten. Für Dante war es nur schwer ein Muster in all dem wilden Treiben zu erkennen. Gigantische schwarze Wolken verdunkelten die Sonne, und schiere Massen von Wasser überfluteten das Deck. Das Brüllen der Seeleute verlor sich im Tosen der Wellen: „Holt die Segel runter!“ „Haltet euch fest!“ „Ändert den Kurs und streicht die verdammten Bramsegel!“ „Mann über Board!“  „FEEEESTHAAAALTEN!“

Erlösende Sonnenstrahlen erwärmten die gepeinigte Mannschaft. In ihren Gesichtern lag matte Erschöpfung, sie hatten einen Tag lang unermüdlich gegen die gnadenlosen Naturgewalten gekämpft.
Der Maat schleppte sich träge die Stufen zur Brücke hinauf: „Haben 3 Mann verlore… de halbe Güter sind durchnässt…“
„Verdammte Landratten, das passiert wenn einem die Mittel gekürzt werden! Guck dir den Abschaum an, alle untauglich!“
, sprudelte es aus dem Käpt‘n. Er schnappte nach Luft, doch bevor er sein Gefluche beenden konnte unterbrach ihn der Ausguck: „Schiff in Sicht!“
Dante zog sich an der Brüstung hoch, mit zusammengekniffenen Augen beobachtete er das sich nähernde Schiff unter schwarzer Flagge.
„PIRATEN!“, hallte es vom Bug bis Heck.
Heulend und anflehend wendete die Mannschaft sich an den Käpt‘n: „Was machen wir jetzt?... Wir sind geliefert… Warum hat das Schiff keine Kanonen?“
„Wie hat die See uns verflucht….ZU DEN WAFFEN IHR MISTKERLE!“
, brüllte der Käpt’n den Hilflosen entgegen.
Der Reihe nach rannten sie unter Deck, Dante mitten im Getümmel. Er löste sich von der Mannschaft und nahm ein leeres Fass statt einer Waffe. Donnernd durchschlug die erste Kugel die Planken der Backbordseite und riss das erste Opfer mit sich. Fliegende Holzsplitter hagelten durchs Unterdeck, durchbohrten Haut und Fleisch der aufschreienden Matrosen.
Durch das Loch in den Planken drang eine finstere Stimme: „KÄPTN FUCHSWIND DU HURENKNECHT! Hab ich dich endlich, wegen dir ist mein Bruder in Zantenheim gestorben, dafür bezahlst du und deine Crew mit dem Leben! Tötet sie alle und nehmt was ihr kriegen könnt!“
Tobendes Gebrüll, Geschrei und Säbelrasseln dominierten den Schauplatz auf Deck.
„Ich dachte der Brief sei ein Zeichen… War es doch eine Warnung? Ich hab die Kausalität von der Meister sprach nicht verstanden… keine Zeit mehr…“, brabbelte Dante vor sich hin während er eine Luke nach draußen aufstieß, das Fass hinaus warf und ihm hinterher sprang.

Er trieb auf dem Fass umher, mit blutigen Fingernägeln ins Holz gebohrt, hielte er seinen Oberkörper über Wasser. Sein Kopf schwankte umher, trunken von der See, die Lieder und Glieder so schwer, dass er sich kaum regen konnte.  Seine rissigen Lippen bewegten sich, doch außer dem Wind war nichts zu hören.
Er öffnete schmerzlich die Augen, die von Salz und Wind ausgetrocknet waren.  Dunkle Silhouetten huschten vor seinen Augen, nur dumpf nahm er Stimmen war: „Wo habt ihr den her?“
„Der trieb geklammert an einem Fass auf See, konnten ihn schwer davon trennen, so fest hat er sich gekrallt…“
„Nun gut… bringt ihn zu Elois, so Streuner hat Sie besonders gern.“

Keuchend und ächzend erwachte er aus seinem Schlaf, tastete mit den Händen von oben nach unten. Nachdem er merkte das noch alles dran war vernahm er im frechen Ton: „Guck sich einer diesen schläfrigen Rotschopf an, fast wärste Haifutter geworden.“
„Wo …. bin ich?“
,  fragte er benommen.
„Du bist in meinem Spital, im Rostanker, die neue Welt, Schätzelein.“

 
Das Wiedersehen

Die Feder in seiner Hand sinkt in ein Glas Tinte, tief Luft holend lehnt sich Dante auf dem Stuhl zurück und schnauft aus. Er betrachtet den Papierberg auf seinem Tisch und drückt sich murrend auf. Mit der Rechten greift er zur Axt am Türausgang und verliert sich in Gedanken, während er mit der Axt auf der Schulter in den Wald stampft.
„Welch eine Reise ich hinter mir habe…. Doch dies ist nun meine neue Heimat. Silberburg, die Paladine, die Akademie, so viele Menschen von denen ich lernen kann… das hätte ich im Traum nicht erwartet. Zwanzig Mondzyklen müssten es jetzt her sein als ich Meister und Funke zuletzt sah, ihr fehlen hat ein großes Loch in meinem Herzen hinterlassen…. Wie es wohl Mutter geht?“
Sausend schwingt das Axtblatt dem Stumpf entgegen und entzweit einen Scheit. Mit melancholisch sehnsüchtigen Augen starrt er auf das zerteile Holz. Warum plagen ihn diese Gedanken ausgerechnet jetzt? Die Pein brodelt wie Gift in seinem Innern, und sucht sich ihr Ventil in einem verzweifelten Schrei.
Bäume und Geäst huschen an ihm vorbei, als er durch den Wald prescht. Erst bei einer grünen Lichtung, bleibt er abrupt stehen. Schwer atmend pirscht er durch das weiche Gras, eine Feuerstelle erweckt sein Interesse. Von der Nostalgie überwältigt zieht sie ihn wie magisch an.

                          Bild
„Wie damals…“, flüstert er wehmütig. Geist und Körper entspannen sich, die Lieder werden immer schwerer und geben nach, bis er schließlich auf einem Baumstamm niedergelassen einnickt.
Wärme und ein vertrautes knistern holen ihn wieder zurück. Als er seine Augen öffnet, erblickt er ein hell loderndes Feuer an der eben noch erloschenen Stelle. Verwundert wandert sein Blick durch die Umgebung. In den Flammen zeichnen sich kleine spitze Ohren ab, erst undeutlich manifestiert sich das Gesicht eines Tieres.
 „Funke!?“
Der Fuchs kommt herausgesprungen, Dante fällt nach hinten um, und er landet auf seiner Brust.
„Funke, du bist es wirklich!“, werden Dantes Augen nass. Mit seiner Hand streicht er über den Geisterkörper, kann ihn nicht fassen, jedoch die Wärme spüren, die von Funke ausgeht.
„Mein Freund! Wie sehr habe ich dich gemisst!“, spricht er vertraut zu ihm und streicht über das lodernde Fell. Funke rollt sich zur Seite und legt seinen Kopf auf Dantes Brust und schließt gemächlich die Augen.
Den Moment genießend, verharren Beide in der stillen Wiedervereinigung und schlafen ein. 

Er kommt wieder zu sich und schaut sich hektisch um, ehe sein Blick auf Funke fällt. Erleichtert haucht er aus: „Es war also kein Traum, du bist wirklich zurück Funke! Ich bin so froh dass du mich gefunden hast… ist Meister Virgil auch hier?“
Die kleinen transparenten Augen schauen ihn an und er legt sich flach auf den Boden, ein leises Winseln dringt in das Ohr von Dante. Sein Knie legt sich auf den weichen Waldboden, die rechte Hand an Funkes Haupt gelegt lässt er ihn schluchzend wissen: „Ich verstehe… ich werde ihn auch sehr vermissen… doch haben wir noch uns.“
Er streckt seine Knie und erhebt sich vom Waldboden, den Blick weiterhin auf Funke fixiert.
Der kleine Fuchsgeist setzt sich wieder hin und blickt mit lodernder Iris zu Dante, ein kleiner Sprung und er schlingt sich um dessen Schultern. Die vom Geist ausgehende Wärme legt sich um seinen gesamten Körper, vom Scheitel bis zur Sohle. Ohne Dantes Kenntnis löst sich das Amulett um seinen Hals auf, die Partikel verschmelzen mit Funkes transparentem Körper.
Mit seinem neuen Begleiter schreitet er wieder aus dem Wald und spricht zu diesem:

Ihr wart… seid… und werdet immer meine Familie sein.“
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