Die Männer blickte sich etwas verwirrt an, zuckten dann jedoch lediglich mit den Schultern und machten sich mit den Schriftrollen auf den Weg.
Mor'dan seufzte lediglich und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er war nur noch ein Schatten seiner selbst und für einen Augenblick schien er in der Vergangenheit zu schwelgen - Erinnerungen durchfluteten seinen Kopf, während er regungslos an Ort und Stelle verharrte. Sein Blick war erfüllt von Schmerzen und Trauer, der Körper kraftlos und nach vorne gebeugt. Diese Hülle hat ihm sehr lange gut gedient, doch der Zahn der Zeit hinterließ langsam seine Spuren. Er schaute sich für einen Momentan um und seufzte dann erneut. Er war alleine, lediglich Shen, sein Vertrauter ruhte an seiner Seite. Genauso wie Mor'dan schien Shen nur noch ein Schatten seines früheren Ichs zu sein, schwach und kraftlos.
"Zeit ist schon ein seltsames Konzept, nicht wahr Shen?"
Die geisterhafte Gestalt schwebte lediglich leicht über dem Boden und reagiert nicht weiter auf Mor'dans Worte. Kurze Zeit später verschwand er tief im Berg, bei den alten Ruinen die zum Tempel des Equilibriums führten, während die Boten die Nachrichten in der Welt verstreuten:
An all jene, die dem Ruf der Erleuchtung folgen oder nach
Wissen streben:
Jenseits von Gut, Böse und Neutralität existiert noch ein
anderer Pfad. Ein Pfad der Selbsterkenntnis und des freien
Willens. Das Chaos ist die Kante der Münze, jenes winzige
Aufflackern einer Möglichkeit, die den blinden Menschen
meist ein ganzes Leben lang verborgen bleibt. Doch obgleich
sie für viele nicht sichtbar ist, existiert sie.
Das Chaos ist die ständige Neuordnung der Dinge, abseits des
Stillstands von Gut und Böse erschafft es sich in jedem
Augenblick neu. Jedesmal wird es aus neuen Erfahrungen
geboren, lebt von den Einflüssen um sich herum und geht
gestärkt aus ihnen hervor. Chaos kennt keine Tradition,
keine ewig gültigen Werte und keinen Stillstand.
In der Nacht bin ich der Schatten und das Licht zugleich.
Der Hüter der Schwelle und das graue Schimmern am
Tor zur Wahrheit. Ich bin der Tänzer des Schreckens und
das Licht in der Dunkelheit. Ich gebe das Leben und den Tod.
Frage dich stets, wer du bist und hinterfrage alles, was du
bisher gesehen und gelernt hast. Das Equilibrium wird niemals
verschwinden, auch wenn man immer versucht hat unsere Existenz
aus dieser Welt zu tilgen. Die Zeit der Veränderung und des
Rückzugs ist gekommen. Wir sind nur noch Beobachter und
diese Welt ist im Wandel. Ein neuer Tag der Reinigung steht bevor
und eines Tages wird der Auserwählter wieder erscheinen und all
den Suchenden den Weg weisen. Ebene Wege.
Mor'dan - Equilibrium.