Kein Freund von Ketten
Verfasst: 31 Aug 2019, 21:49
Der Geruch von Scheiße und Schweiß stieg ihm in die Nase, selbst hier mehrere hundert Meter entfernt. Wenn er seine untoten Sinne anstrengte, konnte er leises Stöhnen und rasselnde Ketten hören. Das Problem war, das er genau so einfach wieder weg hören konnte. Lugs saß auf einer Bank in Heredium und starrte. Er saß dort schon lange genug, das die patrouillierenden Guhle begannen ihm verstohlene Blicke zu zu werfen. Vielleicht lag das allerdings auch daran, das er mit sich selbst redete.
"Ich habe den Kerl dreist angelogen, was?"
Einer der Guhle sah herüber und eilte erleichtert von dannen, als er sah das Lugs zur Höhlendecke sah. Slatrack blieb ihm, wie so oft, eine Antwort schuldig. Seufzend entkorkte er eine Flasche Rum und starrte weiter auf die Sklavenpferche, aus dessen Venen das Blut floss, das Heredium am laufen hielt.
Er hatte Malvor erzählt das er nur auf eine Gelegenheit warten würde, dieses Gefängnis zu stürmen und jeden darin zu befreien. Er hatte gelogen, beinah schon aus Reflex. Wenn er ehrlich war, hatte er diesen Ort für einen großen Teil seines Unlebens einfach vergessen.
Er wusste nicht was er von dem jungen Vampir halten sollte. Er wirkte sympatisch, war Sänger. Genau die Art verlogener Bastard mit dem man in Rostanker einen Rum kippen konnte. Gleichzeitig waren da die Dinge die ihm Robin über seine Vergangenheit erzählt hatte... und er war sich beinahe sicher das Malvors Rechtfertigungen nur ein Teil der Wahrheit gewesen waren. Er würde ihn im Auge behalten, besonders weil Sam ihn zu ihrem Projekt gemacht haben schien. Wenn er ihr etwas vormachte, würde ihm das Ergebnis nicht gefallen.
Auch wenn seine restlichen Worte vielleicht völliger Unsinn gewesen waren, mit einer Sache hatte Malvor jedoch ins Schwarze getroffen. Er sprach von Freiheit und einem Leben ohne Ketten, während nebenan Menschen wie Tiere gehalten wurden. Er hatte Lugs mit der Nase auf den Haufen gestoßen, den er bisher erfolgreich übersehen hatte. Jetzt bekam er den Geruch nicht mehr aus der Nase.
Er spielte mit dem Gedanken hinein zu gehen. Die erbärmliche Hüttenstadt war nur eine Brücke und ein bewachtes Gittertor entfernt. Die Wache würde ihn nicht aufhalten. Er trank noch einen Schluck und verwarf den Gedanken wieder. Im Besten Fall würden die armen Schweine da drin heillose Angst vor ihm haben... im schlimmsten Fall kamen sie noch auf die Idee sich ihm zu Füßen zu werfen. Wollte er überhaupt schon wieder in so ein Wespennest stechen? Vor knapp zwei Wochen war er noch tot gewesen... oder zumindest so richtig nah dran.
"Das passiert eben wenn man mit Nekromantie herumspielt. Was schaust du so... such dir deine eigene Flasche!"
Er zog den Rum etwas näher an sich, als die nächste Wache an ihm vorbei ging. Sie gab sich alle Mühe starr geradeaus zu sehen.
Es war lange her, das er mit Alandra versucht hatte ins Totenreich zu gelangen. Er hatte da drüben damals etwas wütend gemacht. Irgendeiner Art... Wächter. Dieses Vieh war geduldig und gerissen. Es hatte ihn sich nach einem Kampf geschnappt, als er geschwächt gewesen war. Ehe er es sich versah hatte er im Meer gelegen. Festgenagelt mit einem silbernen Dolch. Gefangen irgendwo zwischen Leben und Tod. Er hatte noch nicht einmal abkratzen können um diesen Gefängnis zu entrinnen. Dieses Ding hatte also nicht nur genug über ihn gelernt um zu wissen was Silber mit ihm anstellte, sondern auch noch was sein schlimmster Albtraum war.
"Ich wirklich kein Freund von Ketten." Wie auf Kommando rasselte es aus Richtung der Pferche. Er schielte zur Decke. "Sehr witzig Slatrack"
Ohne Sam und Robin würde er wohl immer noch am Grund des Meeres liegen und langsam verrückt werden. Es war passend das die zwei Lichtblicke in seinem Unleben, das erste gewesen waren was er gesehen hatte, als er aus der Tiefe hoch gekommen war. Ausgerechnet Vyktorya und Rorek hatten wohl auch eine Hand in seiner Rettung gehabt - und jetzt hatte er offiziell mit dem Adel Frieden geschlossen. Allzu lange wollte er über diesen, besonderen Punkt allerdings nicht nach denken. Es fühlte sich immer noch merkwürdig an, auch wenn er zugeben musste das die Eiskönigin und ihr stereotyper Fingerfuchtler, sich durch und durch anständig verhalten hatten. Mehr als das - sie hatten Sam das Leben gerettet.
Als Guhl hatte sie nicht überleben können, mit ihm als Nadelkissen am Grund des Meeres. Also war sie mehr geworden, so viel mehr... und Vyktorya hatte ihr dabei geholfen. Insgeheim war er froh darüber, das er Sam nicht selbst hatte töten müssen. Er wusste nicht ob er es gekonnt hätte, selbst um sie unsterblich zu machen. Als er verstanden hatte das sie jetzt genau so mausetot war wie er, waren tausend Dinge gleichzeitig durch seinen Kopf geschossen. Wilde Freude, schließlich hatten sie jetzt eine Ewigkeit zusammen! Schuld, denn er war in der härtesten Zeit für einen frischen Untoten nicht bei ihr gewesen. Bewunderung dafür das sie den Schritt gemacht hatte, vor dem sie solche Angst gehabt hatte... und Sorge. Sie war zurückhaltend was ihr neues Wesen anging. Setzte das Blut nur selten und scheinbar ungerne ein. Er versuchte ihr bei jeder Gelegenheit zu zeigen, was für ein unglaubliches Geschenk ihr neues Leben war. Er glaubte Fortschritte zu machen, aber ihr Hunger war Sam immer noch nicht geheuer. Diese Sache würden sie als nächstes angehen. Wie immer, zusammen.
Hunger war auch das was Robin im Moment umzutreiben schien. Als er die Kleine nach seinem Tauchgang wieder gesehen hatte, waren es sofort wie früher gewesen. Er zog sie auf, sie knallte ihm einen Spruch um die Ohren. Zwei Verrückte, ein Gedanke. Er konnte nicht umhin ein klein wenig Stolz zu sein, wenn er sah wie sie Vyktorya Paroli bot, oder Pläne schmiedete um den Werwölfen auf den Schwanz zu treten. Natürlich durfte er ihr das niemals sagen... das würde sie ihn nämlich nie mehr vergessen lassen.
Er war überrascht und ein wenig erschreckt gewesen, als sie ihm auf dem Schiff erzählt hatte wie ihre letzten Jahre verlaufen waren. Kontrollverlust, Leichen, ein Kampf mit sich selbst. Er musste sich wohl eingestehen, das er ihr in Sachen Hunger nicht gerade der Beste Lehrer gewesen war. Er hatte es leicht gehabt mit Sam an seiner Seite... und hatte gleichzeitig Zurückhaltung gepredigt. Er war jetzt klüger was das Ding anging das in ihnen allen steckte. Er hatte selbst erlebt, wie es war die Kontrolle abzugeben. Wie verlockend einfach das Leben wurde. Er hatte Robin versprochen ihr die Geschichte zu erzählen sollte sie fragen. Zum Glück hatte sie genau das noch nicht getan. Es wurde wirklich Zeit das er mit der Kleinen mal wieder etwas Dummes anstellte. Mahribar an einen Mast zu nageln, würde sie sicherlich für eine Weile ablenken.
"Siehst du, du hast doch genug Probleme. Dinge die du erledigen kannst. Warum genau sitzt du dann hier und starrst dieses Wespennest an?"
Die Rumflasche war inzwischen leer und der Sklavenpferch hatte sich nicht plötzlich in Wohlgefallen aufgelöst. Er fluchte und spuckte neben sich auf den Boden. Er hatte immer sein Bestes getan, kein Monster zu sein - und sei es nur um allem was Silber trug und sich für gerecht hielt den Finger zeigen zu können. Er wusste das diese Stadt verrückt werden würde, sollte er sich entschließen etwas zu unternehmen. Die Frage war, wie sehr ihn das kümmerte. Er war kein Freund von Ketten...
"Ich habe den Kerl dreist angelogen, was?"
Einer der Guhle sah herüber und eilte erleichtert von dannen, als er sah das Lugs zur Höhlendecke sah. Slatrack blieb ihm, wie so oft, eine Antwort schuldig. Seufzend entkorkte er eine Flasche Rum und starrte weiter auf die Sklavenpferche, aus dessen Venen das Blut floss, das Heredium am laufen hielt.
Er hatte Malvor erzählt das er nur auf eine Gelegenheit warten würde, dieses Gefängnis zu stürmen und jeden darin zu befreien. Er hatte gelogen, beinah schon aus Reflex. Wenn er ehrlich war, hatte er diesen Ort für einen großen Teil seines Unlebens einfach vergessen.
Er wusste nicht was er von dem jungen Vampir halten sollte. Er wirkte sympatisch, war Sänger. Genau die Art verlogener Bastard mit dem man in Rostanker einen Rum kippen konnte. Gleichzeitig waren da die Dinge die ihm Robin über seine Vergangenheit erzählt hatte... und er war sich beinahe sicher das Malvors Rechtfertigungen nur ein Teil der Wahrheit gewesen waren. Er würde ihn im Auge behalten, besonders weil Sam ihn zu ihrem Projekt gemacht haben schien. Wenn er ihr etwas vormachte, würde ihm das Ergebnis nicht gefallen.
Auch wenn seine restlichen Worte vielleicht völliger Unsinn gewesen waren, mit einer Sache hatte Malvor jedoch ins Schwarze getroffen. Er sprach von Freiheit und einem Leben ohne Ketten, während nebenan Menschen wie Tiere gehalten wurden. Er hatte Lugs mit der Nase auf den Haufen gestoßen, den er bisher erfolgreich übersehen hatte. Jetzt bekam er den Geruch nicht mehr aus der Nase.
Er spielte mit dem Gedanken hinein zu gehen. Die erbärmliche Hüttenstadt war nur eine Brücke und ein bewachtes Gittertor entfernt. Die Wache würde ihn nicht aufhalten. Er trank noch einen Schluck und verwarf den Gedanken wieder. Im Besten Fall würden die armen Schweine da drin heillose Angst vor ihm haben... im schlimmsten Fall kamen sie noch auf die Idee sich ihm zu Füßen zu werfen. Wollte er überhaupt schon wieder in so ein Wespennest stechen? Vor knapp zwei Wochen war er noch tot gewesen... oder zumindest so richtig nah dran.
"Das passiert eben wenn man mit Nekromantie herumspielt. Was schaust du so... such dir deine eigene Flasche!"
Er zog den Rum etwas näher an sich, als die nächste Wache an ihm vorbei ging. Sie gab sich alle Mühe starr geradeaus zu sehen.
Es war lange her, das er mit Alandra versucht hatte ins Totenreich zu gelangen. Er hatte da drüben damals etwas wütend gemacht. Irgendeiner Art... Wächter. Dieses Vieh war geduldig und gerissen. Es hatte ihn sich nach einem Kampf geschnappt, als er geschwächt gewesen war. Ehe er es sich versah hatte er im Meer gelegen. Festgenagelt mit einem silbernen Dolch. Gefangen irgendwo zwischen Leben und Tod. Er hatte noch nicht einmal abkratzen können um diesen Gefängnis zu entrinnen. Dieses Ding hatte also nicht nur genug über ihn gelernt um zu wissen was Silber mit ihm anstellte, sondern auch noch was sein schlimmster Albtraum war.
"Ich wirklich kein Freund von Ketten." Wie auf Kommando rasselte es aus Richtung der Pferche. Er schielte zur Decke. "Sehr witzig Slatrack"
Ohne Sam und Robin würde er wohl immer noch am Grund des Meeres liegen und langsam verrückt werden. Es war passend das die zwei Lichtblicke in seinem Unleben, das erste gewesen waren was er gesehen hatte, als er aus der Tiefe hoch gekommen war. Ausgerechnet Vyktorya und Rorek hatten wohl auch eine Hand in seiner Rettung gehabt - und jetzt hatte er offiziell mit dem Adel Frieden geschlossen. Allzu lange wollte er über diesen, besonderen Punkt allerdings nicht nach denken. Es fühlte sich immer noch merkwürdig an, auch wenn er zugeben musste das die Eiskönigin und ihr stereotyper Fingerfuchtler, sich durch und durch anständig verhalten hatten. Mehr als das - sie hatten Sam das Leben gerettet.
Als Guhl hatte sie nicht überleben können, mit ihm als Nadelkissen am Grund des Meeres. Also war sie mehr geworden, so viel mehr... und Vyktorya hatte ihr dabei geholfen. Insgeheim war er froh darüber, das er Sam nicht selbst hatte töten müssen. Er wusste nicht ob er es gekonnt hätte, selbst um sie unsterblich zu machen. Als er verstanden hatte das sie jetzt genau so mausetot war wie er, waren tausend Dinge gleichzeitig durch seinen Kopf geschossen. Wilde Freude, schließlich hatten sie jetzt eine Ewigkeit zusammen! Schuld, denn er war in der härtesten Zeit für einen frischen Untoten nicht bei ihr gewesen. Bewunderung dafür das sie den Schritt gemacht hatte, vor dem sie solche Angst gehabt hatte... und Sorge. Sie war zurückhaltend was ihr neues Wesen anging. Setzte das Blut nur selten und scheinbar ungerne ein. Er versuchte ihr bei jeder Gelegenheit zu zeigen, was für ein unglaubliches Geschenk ihr neues Leben war. Er glaubte Fortschritte zu machen, aber ihr Hunger war Sam immer noch nicht geheuer. Diese Sache würden sie als nächstes angehen. Wie immer, zusammen.
Hunger war auch das was Robin im Moment umzutreiben schien. Als er die Kleine nach seinem Tauchgang wieder gesehen hatte, waren es sofort wie früher gewesen. Er zog sie auf, sie knallte ihm einen Spruch um die Ohren. Zwei Verrückte, ein Gedanke. Er konnte nicht umhin ein klein wenig Stolz zu sein, wenn er sah wie sie Vyktorya Paroli bot, oder Pläne schmiedete um den Werwölfen auf den Schwanz zu treten. Natürlich durfte er ihr das niemals sagen... das würde sie ihn nämlich nie mehr vergessen lassen.
Er war überrascht und ein wenig erschreckt gewesen, als sie ihm auf dem Schiff erzählt hatte wie ihre letzten Jahre verlaufen waren. Kontrollverlust, Leichen, ein Kampf mit sich selbst. Er musste sich wohl eingestehen, das er ihr in Sachen Hunger nicht gerade der Beste Lehrer gewesen war. Er hatte es leicht gehabt mit Sam an seiner Seite... und hatte gleichzeitig Zurückhaltung gepredigt. Er war jetzt klüger was das Ding anging das in ihnen allen steckte. Er hatte selbst erlebt, wie es war die Kontrolle abzugeben. Wie verlockend einfach das Leben wurde. Er hatte Robin versprochen ihr die Geschichte zu erzählen sollte sie fragen. Zum Glück hatte sie genau das noch nicht getan. Es wurde wirklich Zeit das er mit der Kleinen mal wieder etwas Dummes anstellte. Mahribar an einen Mast zu nageln, würde sie sicherlich für eine Weile ablenken.
"Siehst du, du hast doch genug Probleme. Dinge die du erledigen kannst. Warum genau sitzt du dann hier und starrst dieses Wespennest an?"
Die Rumflasche war inzwischen leer und der Sklavenpferch hatte sich nicht plötzlich in Wohlgefallen aufgelöst. Er fluchte und spuckte neben sich auf den Boden. Er hatte immer sein Bestes getan, kein Monster zu sein - und sei es nur um allem was Silber trug und sich für gerecht hielt den Finger zeigen zu können. Er wusste das diese Stadt verrückt werden würde, sollte er sich entschließen etwas zu unternehmen. Die Frage war, wie sehr ihn das kümmerte. Er war kein Freund von Ketten...