Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

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Aidan Dunn
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Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

Beitrag von Aidan Dunn »

Wenn vor euch zwei Verdächtige stehen würden, der eine eine Priesterschülerin der Gloriam, angetan in feiner Robe und einem lieblichen Lächeln im Gesicht, der andere ein nach Ärger aussehender, nach Alkohol müffelnder Kerl, wen würdet ihr wohl als erstes in die Mangel nehmen? Korrekt.
Ich konnte dem Hauptmann deswegen auch gar nicht böse sein, dass er die Aufgabe erfüllte, für die er dort war: Die Gäste der Gartenbühne vor eventuellen unliebsamen Zwischenfällen wie vergiftetes Essen oder sonstige Anschläge auf Leib und Leben zu bewahren.
Eine verschwundene Bierflasche hätte in normalen Zeiten rein niemanden interessiert aber wir lebten nicht in normalen Zeiten und das Missgeschick bei der Essenausgabe entspann sich soweit, dass Pandor eine Leibisvisitation androhte und gar ein Magier dazu geholt wurde, der ... ja, was eigentlich? Ich wollte es gar nicht wissen.
Zum Glück war ich nicht des Verrats oder Mordes angeklagt; der Hauptmann verbiss sich in den Fall wie eine Zecke in den Hundepelz und mein Kopf wäre sicher in der Schlinge gelandet, ob schuldig oder nicht.
Aber das selbst Sloan dachte, dass ich diese verdammte Flasche verschleudert hatte, auch wenn es nur für einen Moment gewesen sein mag, trieb einen Stachel in die Freundschaft, welche die Paladina und mich irrsinnigerweise verband.
Ich gab den Kopfschmerzen, die mich schon den ganzen Tag mehr als gewöhnlich plagten und auf einen meiner nahenden "Ausfälle" hindeuteten, die Schuld. Vielleicht hätte ich gar nicht kommen und lieber den Abend wie gewöhnlich mit intensiver Arbeit gepaart mit komatöser Trunksucht verbringen sollen.
Die Dauer des restlichen Vortrages, von dem ich reichlich wenig mitbekommen hatte, ärgerte ich mich also über den vermeintlichen Vertrauensbruch der Freundin obwohl ich es hätte besser wissen müssen. Während ich gallig mit diesen Gedanken und meinen Schmerzen kämpfte, flüsterte mir eine kleine Stimme in mein Ohr: Womit hast du dir eigentlich ihr Vertrauen verdient?
Zähneknirschend musste ich zugeben, dass ich war zwar ihr Angestellter war, ich meinen Dienst aber so auslegte wie es mir gefiel und kam und ging, wie es mir beliebte. Wir waren befreundet, dennoch erzählte ich nur zögerlich von mir und meiner Vergangenheit und dann auch nicht unbedingt die Wahrheit. Ich hatte sie sogar einmal ziemlich unsanft aus meinen Haus geschmissen.
Schlimmer wurde dieses Gedankenkarousell noch, als mir Pandors grüßende Worte ins Gedächtnis fielen: "Seid Ihr nun ein Schützling der Legatin." Ich war kein Mann der seine Männlichkeit um jeden Preis verteidigte, im Grunde genommen war es mir sogar ziemlich egal, was man von mir in dieser Beziehung dachte. Aber ein Schützling zu sein, bedeutete doch auch, niemanden anderen schützen zu können. Und niemand verdiente mehr Schutz als Sloan, der ich, obwohl sie mir manchmal mit ihren Ausnüchterungsversuchen gehörig auf die Nerven ging, viel zu verdanken hatten. Auf ihren Schultern lastete so viel Verantwortung, sie war selbstlos, freundlich, großzügig, humorvoll, aufrichtig ...
Und auch hier erkannte ich die bittere Wahrheit: Ich hatte sie weder vor dem Giftanschlag bewahren können, noch würde ich in irgendeiner der kommenden Schlachten gegen diese vermaledeiten Dämonenarmee an ihrer Seite stehen. Die eine Nacht in Winterberg, die wir gemeinsam hatten, hatte ich mit Knut versoffen.
Im Großen und Ganzen war ich also weder als Angestellter noch als platonischer Freund der große Fang.
Normalerweise perlte auch unschöne Selbsterkenntnis an mir ab wie Regentropfen von der Ölhaut. Nur diesen Abend nicht.
Als Sloan sich mit dem blonden Mannsbild, der während des Vortrages die Reihe vor mir beinahe von der Bank gefallen war, unterhielt, nein, ganz fröhlich tat, und er ihr auch noch einen Kuss auf die Wange drückte, hatten zerkrüppelnde Kopfschmerzen, eigene Vorhaltungen und ätzenderr Babarenschnaps eine giftige Suppe aus meinem Inneren gekocht, meine Nerven blank gelegt und am liebsten hätte ich die geleerte Flasche nach den beiden geworfen.
Ich konnte nicht umhin, dieses Geturtel anzusprechen, als ob dies wichtiger wäre als der nahende Angriff der Feinde aus dem Abyss, über welchen Sloan mich unterrichtet. Natürlich hatte ich nur ihren guten Ruf im Sinn, das einzige, was ich in meinen Augen schützen konnte. Müsste ich mich dann nicht auch von ihr fernhalten?
Doch auch dies war nur wieder die halbe Wahrheit. Ihre Reaktion zeigte deutlich, dass sie mir kein Wörtchen abgenommen hatten und ich zog mich aus der Affäre mit gemurmelten Ausflüchten ob des merkwürdigen Abends und meiner Kopfschmerzen.
Eigentlich hätte ich doch froh sein müssen, dass die Freundin nach dem schmerzvollen Ende einer Beziehung wieder neuen Lebensmut fasste und sich anderen Männern widmete. War ich aber nicht. Es störte mich gewaltig. Die Nacht träumte ich wirr davon, wie ich den Unbekannten auswaidete, ganz so wie ich es von meinen Vater, wenn auch höchst unwillig, gelernt hatte.
Am Morgen danach, in verschwitzten Kissen, immer noch in der zerknitterten Kleidung des Vortages, wusste ich, dass ich es nicht wieder so weit kommen lassen durfte mein wundes Innerstes dermaßen zu offenbaren. Sloan hatte ein gutes Leben verdient, ein sicheres Leben, ein heiteres Leben, irgendwann einmal eine Familie - alles, was ich ihr nicht bieten konnte. Ich griff zur Schnapsflasche neben meinem Bett und trank mich in die nächste Ohnmacht.
Wenigstens das konnte ich.
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Aidan Dunn
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Re: Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

Beitrag von Aidan Dunn »

Schon vor meinem "Unfall" war ich ein Mensch gewesen, dem extreme Gefühlsregungen fremd waren. Anders als beispielsweise mein großer Bruder Cameron war ich eher der Beobachter, der sich im Hintergrund hielt, sich im Stillen seine Meinung bildete, große Menschenansammlungen mied und keinen großen Freundeskreis hatte. Nichtsdestotrotz genoss ich gute Gesellschaft und Gespräche, nur eben auf meine Art und Weise.
Nach dem Unglück, das mich ein Auge, körperliche sowie geistige Gesundheit und Nüchternheit kostete, baute ich die natürlichen Schutzmauern, die wohl jeder hatte um sich vor Angriffen gegen sein Seelenheil zu wappnen, weiter aus und trug von da ab eine Miene der gelassenen Erheiterung zur Schau.
Ich hielt mich und alle anderen für nicht so wichtig. Meinungen über meine Person, ob nun wahr oder nicht, prallten in der Regel an mir ab; ich wusste es sogar zu schätzen, wenn andere mit ihren Worten nicht hinter dem sprichwörtlichen Berg hielten, es trug zu meiner Erheiterung sogar noch bei.
Manchmal wirkte ich deswegen hart und unnahbar. Doch das war durchaus beabsichtigt, um mein wundes Inneres nicht weiter aufzureiben. Ich rührte nichts, gleichzeitig ließ ich mich nicht berühren. Mein Verstand hatte mein Herz gegen die Außenwelt abgeschottet.
Sloans Liste, von der ich natürlich nichts wusste, hätte höchstwahrscheinlich einen Lacher hervorgerufen und ich hätte ihr zu ihrer guten Menschenkenntnis und Beobachtungsgabe gratuliert, obwohl ich nicht allen Punkten vollkommen zugestimmte hätte.
...
Aidan ist ein Säufer - Die nächste Runde geht auf mich!
Aidan stinkt nach Alkohol und Tabak - Es gibt nichts männlicheres als der Duft nach Gerstensaft und Tobak.
Aidan wäscht sich selten - Gibt es in Silberburg überhaupt ein Badehaus?
Aidan trägt zerknitterte Kleidung - Wer achtet schon auf Falten, wenn Wams und Hose so verdammt gut sitzen.
Aidan ist unzuverlässig - Welchen Wochentag haben wir heute?
Aidan trieft manchmal nur so vor Spott und Ironie - Spott und Ironie sind meine zweiten Vornamen.
Aidan ist absolut verschlossen - ...
Aidan hat einen ungepflegten Bart - Bart? Höchstens in meinen Achselhöhlen.
Aidan hat keinerlei Ambitionen etwas aus seinem Leben zu machen - Moment, ich schneidere mir die Finger wund, um Meister zu werden. Jetzt muss ich doch ein wenig schmollen!
...
Die Sache war nur die, dass meine Schutzmechanismen in Gegenwart von Sloan vollkommen verrückt spielten. Ich sagte und tat Dinge, ohne vorher wirklich überlegt zu haben. Mein Hirn zermarterte Begebenheiten, die andere schon in den staubigen Akten ihrer Gehirnwindungen abgelegt hatten, bis ins kleinste Detail und dann wieder von vorne. Ich beobachtete genau, wie die Paladina mit anderen sprach, sich gab, sich kleidete und lachte und sonnte mich in ihrer Gegenwart, die ich am liebsten nur für mich alleine beansprucht hätte. Es waren nicht Davind oder Pandor, die mich störten. Es war der Umstand, dass nicht ich an ihrer Stelle stand, während Sloan mit ihnen scherzte, herzte und umarmte.
Seit sehr langer Zeit gierte mein Herz in eine andere Richtung als mein Verstand.
Es rieb mich auf, es zerriss mich.
Mein Herz hätte sich schon am ersten Tag offenbart und war - wieder einmal - in kleine Splitter zersprungen, als ich erfahren hatte, dass Sloan und Fenrimes kurz vor ihrer Vermählung standen. Mein Verstand hatte jubiliert. Es war gut so, es musste so sein. Die Schutzmauern hielten stand. Noch.
Mein Verstand riet mir dringlichst, mich von der verlassenen Frau fernzuhalten, als die Hochzeit nicht stattgefunden hatte. Mein Herz jedoch schöpfte Hoffnung, wo keine Hoffnung sein durfte.
Es gab Tage, da verfluchte ich mich, sie, die ganze Welt. Ertränkte meine Empfindungen in Unmengen an Alkohol und fühlte mich danach so elend wie ein geprügelter Hund.
Ich wusste, dass etwas passieren musste. Am besten zog ich nach Nalveroth.
Weglaufen konnte ich auch ganz gut.
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Aidan Dunn
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Re: Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

Beitrag von Aidan Dunn »

Während andere Schlachtpläne schmiedeten, sich mit Verbündeten trafen, ihr Testament schrieben oder verstaubte Rüstungen und Waffen wieder auf Vordermann brachten, um in einem wahnsinigen Gefecht gegen Ba'muth und seine Schergen unser aller Seelenheil zu retten, war ich unfreiwilliger Gast des Ordens der königlichen Ritterschaft, sprich ich sass im Knast.
Sicher könnte nun einige anmerken, dass der Weg eines Fremden im Exil, ohne Halt und Freundschaften, gezeichnet von einem sicher lasterhaften Leben, früher oder später in einer Gefängniszelle enden oder dort zumindest den einen oder anderen begründeten Zwischenstopp nehmen würde, aber ich kann an dieser Stelle mit reinem Gewissen versichern, dass ich nichts getan hatte, was meinen Aufenthalt in den kargen Mauern gerechtfertig hätte.
Im Grunde genommen hatte mein Leben in den letzten Wochen einen recht positiven Verlauf genommen.
Die Schneiderei sicherte mir meinen Lebensunterhalt und nach langen Lehrjahren, die schon in meiner Heimat begonnen hatten, konnte ich mich ein Meister meines Faches nennen. Ein, zwei interessante Aufträge lockerten die übliche Nadel- und Fadenarbeit auf und durch Elgued, einen Landsmann, den ich ironischerweise in der örtlichen Taverne kennen gelernt hatte, verkauften sich meine geschneiderten Werke recht gut.
Ich war mit der Dame meines Herzens zusammengekommen. Zugegebenermassen war es bis zu diesem Schritt ein recht steiniger Weg, den ich durch meine Lüge, ich würde mein Auge nur auf mein eigenes Geschlecht werfen, noch qualvoller gestaltet hatte als er ohnehin schon war. Aber ich glaubte - und das tue ich im Grunde noch immer - Sloan durch meine körperliche Versehrtheit ihre Zukunft zu rauben. Als platonischer Freund hingegen hätte ich an ihrer Seite bleiben können ohne die Verpflichtungen und Herzensangelegenheiten welche eine Beziehung nun einmal mit sich brachten. Doch ich hatte es nicht ausgehalten, diese Unwahrheit weiter zu leben, und hatte mich offenbart ... und nach einer schonungslosen Aussprache wollten wir es nun also miteinander versuchen.
Und ich war nüchtern gewesen. Hatte rund zwei oder drei Monate keinen Tropfen Alkohol angerührt, war stark und standhaft beblieben, obwohl die Verlockung an jeder Ecke lauerte, sobald ich nur das Haus verlassen hatte. Mir ging es gut dabei, keine Frage. Ich war wieder etwas mehr zu dem Mann geworden, der ich in meiner Heimat gewesen war, jedoch ohne den jugendlichen Zorn, der aufgrund der schon angesprochenen leiblichen Misere, mein ständiger Begleiter gewesen war ...
Wie ihr also seht, schien alles soweit in bester Ordnung - sah man von der Dämonenplage vor der Haustüre einmal ab. Doch zwei Begebenheiten erschütterten mich zutiefst in Mark und Bein, so dass ich wieder in alte Muster zurückfiel und zur Flasche griff, weil ich mir nicht anders zu helfen wusste.
Die Zusammenkunft einiger Landsleute, zu der Elgued mich überredet hatte, war mehr oder weniger ein Blick in die Vergangenheit gewesen. Ich traf Personen wieder, die ich eigentlich nie mehr hatte wieder sehen wollen und die Bilder, unter welchen Umständen ich mein Auge verloren hatte, welche ich nun jahrelang mehr oder minder erfolgreich zu unterdrücken versuchte, ploppen wie Wasserleichen wieder an die Oberfläche meines Bewusstseins. Dazu kam, dass ich mir mit Elgued eine Schlafstätte geteilt hatte und beim Allmächtigen schnarchte dieser Kerl! Ich tat kaum ein Auge zu, was meinem ohnehin desolten Zustand nicht gerade zupass kam.
Und kaum war ich wieder zurück, redete Sloan von dieser Schlacht und ihrem Vermächtnis. Natürlich war sie eine begnadete Kriegerin, vom Herren erwählt, und hatte schon einige Scharmützel hinter sich gebracht, auch als wir bereits befreundet waren, aber diesemal schien es anders, ernster zu sein. Der Gedanke, die Frau zu verlieren, an ihrem aufgebahrten Leichnam zu stehen, so wie gerade erst erlebt beim Nordhainer Hakan Erikson, vielleicht noch mit dem ebenfalls trauernden Davind oder dem von mir eher missgeliebten Pandor an der Seite, der Duft von Verwesung und Rauch in der Luft, war einfach zu viel. Ich wollte davon weder etwas hören, sehen, wissen! Es war zu einfach: Ich suchte und fand die Erlösung im Alkohol.
Was machte nun also Sloan, als sie es herausfand? Sie stellte mich vor die Wahl eines sanften Entzuges bei ihr zu Hause oder auf die harte Weise in einer Zelle. Vielleicht glaubte ein Teil von mir nicht, dass sie ihre Drohung wirklich wahr machen würde, doch die Wachen, welche mich recht grob Richtung Burg schleiften, belehrten mich eines Besseren.
Dort sass ich nun also. Die Unterkunft war dank Sloans Decke und Fluppen einigermassen erträglich. Denoch musste ich meine Notdurft in einer Ecke in einem Eimer verrichten! Ich war über den Punkt hinaus, die Wache anzubetteln, mich frei zu lassen. Auch Zeter und Mordio hatten nichts genützt. Ein permanentes Zittern hatte sich mittlerweile eingestellt und ich selber hatte resigniert.
Du wirst mich hassen, aber ich brauche Dich an meiner Seite, hatte sie gesagt und ich hatte sehen können, wie schwer ihr das alles gefallen war. Ich hasste sie nicht, im Grunde gnommen fühlte ich rein gar nichts. Vielleicht irgendwo doch ein Funken Verwunderung, wie sie mir das hatte antun können, und wo die Grenze lag. Würde sie mir den Mund mit Seife waschen, wenn ich ihr in Zukunft Widerworte gab oder musste ich mit dem Verlust einer kleiner Zehe rechnen, sollte ich sie in der Öffentlichkeit blamieren? Ich war vollkommen ratlos, wie es nach meiner Freilassung weiter gehen sollte.
Alles Gute, was in meinem Leben passiert, verhunzen, das konnte ich.
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Aidan Dunn
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Re: Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

Beitrag von Aidan Dunn »

Es gab Kämpfe, die waren einfach aussichtslos.
Sloan davon zu überzeugen, dass der Hang zum Alkohol auch gute Seiten hatte, war einer dieser Schlachten, die schon von vornherein verloren war. Sie hatte ihre Überzeugungen und so gut oder schlecht meine Argumente auch waren, sie war nicht von ihrer Meinung, dass meine wieder neu erwachten Trinkgewohnheiten zu meinem Untergang und möglicherweise ihrer Blamage führten, abzubringen.
Ich war schließlich aus meiner "Entzugshaft" entlassen worden. Einen Tag vor dem großen Gemetzel taumelte ich sonnenblind durch die vibrierenden Straßen der Stadt. Doch ich konnte nicht nach Hause.
Zum einen wollte ich Sloan nicht begegnen, nicht mit dem Gestank des Kerkes an mir, nicht so rasch nach dieser unverdienten Schmach. Zum anderen konnte ich nicht nur einen Straßenzug nahe Sloans Behausung auf ihre Rückkehr von der Front, ein Lebenszeichen harren. Es hätte mich verrückt gemacht, noch mehr zerrieben, als ich es ohnehin schon war.
So flüchtete ich, Feigling wie ich ohne die Krücke des Alkohols nun einmal war, zu Elgued und verbrachte Tage und Nächte auf einer kleinen Pritsche in den Nachwehen des Entzuges wie im Fieberrausch. Wie mir über das Netzwerk meines Arbeitsgehilfen, der sich auftragsbedingt öfter bei Elena, der örtlichen Schneiderin, tummelte, die wiederum guten Kontakt zu der Stadtwache pflegte, zugetragen worden war, war die kämpferische Paladines in einem Stück zurückgekehrt und trotz des Ingrimms, den ich für die Frau empfand, schlief ich mit diesem Wissen das erste Mal die Nacht mit leichtem Herzen durch.
Jedoch konnte ich mich nicht für immer wie eine Ratte verkriechen und kehrte schließlich himmelweit verspätet in das von mir gemietete Haus zurück.
Unter den verwelkten Blättern eines Blumenstraußes erwartete mich ein Brief, den Sloan mir vor ihrer Abreise zur Insel geschrieben hatte. Der darin erwähnte Eintopf war wohl mittlerweile verdorben weggekippt, das Wasser in der Wanne erkaltet abgelassen. Die übrigen Zeilen sprachen von Liebe und Verzeihen. Ich wusste nicht, ob ich bereits soweit war, zu vergeben. Doch eine Aussprache war wohl unvermeidlich.
Wunderten sich die Bewohner der Silberburger Vorstadt über das ungleiche Pärchen, welches im Schatten eines Hauses höchst erregt diskutierte - die errötete Diplomatin der Krone und ein abenteuerlich aussehender Kerl, der sich an seiner Fluppe festhielt, als wäre jene sein Rettungsanker?
Die Schlacht auf der Augeninsel war rund einen Wochenlauf vergangen und die Gerüchte, die zumindest mir zu Ohren gekommen waren, schlossen jedwede Variante zwischen fulminanten Sieg und horrender Niederlage ein. Schlussendlich jedoch waren die Dämonen nicht geschlagen worden, trotz des vorbildhaften Einsatzes des Heeres und seiner Führer. Die Zukunft blieb also weiterhin vage - mehr noch als ohnehin; was hatte die Höllenbrut als Nächstes vor? Da war es also eher wahrscheinlich, dass sich dieser Tage jeder um sich und die Seinen kümmerte und das streitende Duo unbemerkt geblieben war.
Wir sparten nicht an Worten. Vorwürfe, Vorhaltungen, Befürchtungen umschlangen ängstliche Liebesschwüre. Denn letztendlich hatten wir beide Angst gehabt, den anderen zu verlieren.
Dennoch, sie hatte mich einsperren lassen! Wäre ich ein anderer Mann gewesen, hätte ich Sloan wohl zum Namenlosen gejagt. Doch ich war mir meinen eigenen Unzulänglichkeiten sehr wohl bewusst und auch, was meine Gefährtin für unsere Verbindung aufgegeben hatte. Noch war ihr dieser Verlust vielleicht noch nicht gänzlich bewusst, aber irgendwann würde ihr Verlangen ein Loch in ihre Seele gefressen haben und ich würde es nicht sein, der es zu stopfen vermochte.
Was blieb also am Ende der Zigarette, wenn ich an meinem Kurs festgehalten hätte? Nur das Scheitern einer Beziehung, die noch nicht richtig angefangen hatte. Für einige Momente erwog ich sogar, es bis zu diesem Äußersten zu treiben. War sie nicht besser dran ohne mich? Keine zerfressenden Sorgen um einen unrettbaren Süchtigen mehr, keine unbeantwortete Leidenschaft.
Doch meine Liebe war egoistischer, starrsinniger Natur. Wir hatten beide zu lange gekämpft und gelitten, um an diesen Punkt zu gelangen. Aufgeben und eine Niederlage akzeptieren war - noch - keine Option.
Jedoch lief unsere Beziehung seitdem in einem sehr überschaubaren Rahmen ab. Wir trafen uns noch sporadischer als sonst und diese Treffen gingen kaum über loses Alltagsgeplänkel hinaus. Ich war nicht unschuldig an diesem Umstand. Ich lud mir mehr Aufträge auf, als ich eigentlich zu schaffen vermochte und den Rest der Zeit kämpfte ich mit meinen diversen Beschwerden von Kopfschmerzen bis zu Lähmungen von Hand und Beinen, die mich seit dem Unfall plagten, und denen das warme, zuweilen ätzend heiße Sommerwetter nicht gerade zupass kam.
Ich musste wohl zugeben, dass ich Sloan aus dem Weg ging. Die Einkerkerung war wie ein Dorn, der sich in mein Fleisch gebohrt hatte, und trotz Unterredung und dem innerlichen Eingeständnis, unser Verhältnis weiter aufrecht zu halten, überwog wohl doch der Zorn, die Enttäuschung und ich wusste bislang nicht, wie ich damit umzugehen hatte, außer das “Problem” zu meiden.
Beziehung führen konnte ich. Nicht.
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Aidan Dunn
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Re: Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

Beitrag von Aidan Dunn »

Ich musste mit ansehen wie eine der schlimmsten Versionen meiner Selbst alles zerris, mit Füssen trat, zu zerstören drohte was mir in den letzten Monden lieb und teuer geworden ist. Abgesehen von Elena, der örtlichen Schneiderin, und Elgued, meinem Gehilfen, war Sloan eigentlich der einzigen Mensch mit dem ich, seitdem ich im selbst auferlegten Exil lebte, näheren Kontakt pflegte. Sie war nicht nur meine Gefährtin sondern auch meine Freundin und Vertraute.
Ich konnte sehen wie sie litt, wie wunderschön sie in ihrer quälenden Trauer aussah, doch ich konnte nichts tun um die ätzende Lawine zu stoppen die mein trunkenes Konterfei losgetreten hatte.
Dennoch musste ich meinem Zerrbild ein klein wenig Respekt zollen. Seitdem es die Kathedrale nach dem Gespräch mit Sloan verlassen hatte, hatte es nicht geschlafen, kaum gegessen, war ruhelos umher gestreift, hatte gesoffen wie ein Loch und noch mehr Kippen inhaliert. Dass es überhaupt fähig war, einen Fuß vor den anderen zu setzen, geschweige denn eine halbwegs annehmbare Konversation zu führen grenzte an ein Wunder.
Natürlich hatte ich gewusst dass wir irgendwann dieses Gespräch führen würden. Irgendwann würde ein anderer, ein besserer Mann in Sloans Leben treten und sie deutlich erkennen lassen, was ihr mit mir fehlte.
Ich hatte nur auf ein klein wenig mehr Zeit gehofft, doch Tanelyv, ob er es nun darauf angelegt hatte oder nicht, hatte diesen Prozess ruckartig beschleunigt und war Sloan innerhalb der wenigen Wochen ihrer Bekanntschaft dermaßen ans Herz gewachsen, dass ein sehr tiefer Teil ihres Inneren es ernsthaft erwog, mich zu verlassen.
Ich dachte, dass ich damit umgehen können, es “wie ein Mann” ertragen können würde. Vielleicht wäre dem auch so gewesen hätte es sich um einen schleichenden Prozess gehandelt. Allerdings wurde ich von Jetzt auf Gleich mit dieser unliebsamen Tatsache konfrontiert und das stürzte mich in eine tiefe Krise.
Ich hatte Sloans feines Gespür für die Untertöne einer menschlichen Beziehung unterschätzt. Dass ich ihr die Einkerkerung noch immer nicht gänzlich verziehen hatte und deswegen Kundschaft oder meine Vielzahl an Wehwehchen vorschob, um sie nicht zu treffen, war ihr natürlich nicht verborgen geblieben.
Wie eine Blume Sonne und Wasser benötigte, um zu gedeihen bedurfte die gewitzte Diplomatin, die unerschrockene Kriegerin in ihrem privaten Leben einen zuverlässigen, liebevollen, kommunikativen Partner um sich vollständig wohl, sich vollständig geborgen zu fühlen. Ich aber war fern und stumm geblieben; sie hatte keine andere Wahl gehabt als mein Verhalten als schmerzhafte Zurückweisung ihrer Person zu deuten.
Ausgerechnet dann tauchte jener Paladin auf und gab ihr die Aufmerksamkeit, nach der sie dürstete.
Sie gaben ein schönes Pärchen ab. Obwohl ich selber nicht gerade auf den Kopf gefallen war und ohne die zuweilen verkrüppelnden Nachwehen des Unfalls mehr aus mir hätte machen können, wusste ich, dass ich gegen diesen Mann keine Chance hatte. Tanelyv war nicht nur attraktiv sondern auch klug und wortgewandt, mit dem richtigen Maß an Beschützerinstinkt ausgestattet und roch zudem noch verdammt gut - alles Eigenschaften, welche Sloan an einem Mann zu schätzen wusste.
Dagegen konnte der unzuverlässige, menschenscheue, trunksüchtige, mit Problemen behaftete Fremde, der ich nun einmal war, nicht ankommen und ich glaubte Sloan sicher verloren.
Erst recht nach diesem desaströsen Abend, an dem sie Tanelyv und mich einander vorstellte - gezwungenermaßen, denn die beiden hatten nicht mit mir gerechnet. Ich konnte es an ihren unangenehm überraschten Blicken sehen, der verstohlen vertrauten Gestik. Anzeichen genug, dass die Beiden mehr als nur Gleichgesinnte im Glauben waren. Der versoffene Schneider war also bereits abgeschrieben.
Im Schmerz des Verlustes tat ich das was ich immer tat: wie ein ängstlicher Hund um mich beißen, egal ob Freund oder Feind, um mich dann winselnd zu verkriechen. Sloan und ihr neuer Freund bekamen die gesamte Vorstellung ab, ehe die Groteske mit meiner Flucht endete.
Zuhause erbrach ich mich und fiel traumlos aufs Bett. Ich hätte nichts dagegen gehabt, vorest nicht wieder aufzuwachen.

Zwei Tage später waren wir verlobt.
Damit hattet Ihr nicht gerechnet?
Nun, ich auch nicht.
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Aidan Dunn
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Re: Alltag und Wahnsinn - aus dem Leben eines Tagediebes

Beitrag von Aidan Dunn »

Ich hasse meine Feinde nicht.
Ich setze mich an den Fluß und warte bis ihre Leichen vorüber schwimmen.
~ Indianische Weisheit ~

Mein Vater war - nein, ist, soweit ich weiß, erfreut er sich bester Gesundheit - Jäger und einer der Besten, die ich kenne. Er kann einen Falken bei Sturm verfolgen, tagelang vor einem Fuchsbau lauern oder ein Walros in der Wüste aufspüren. Caleb ist die Ausgeburt eiserner Geduld. Auch wenn ich in jungen Jahren seine stoische Miene als Desinteresse oder Hochmut gedeutet habe, weiß ich jetzt, dass in seinem Inneren ein Sturm wütet, den er mit felsenfester Ausdauer in Zaum hält.
Seine Standhaftigkeit hatte sich für ihn ausgezahlt. Er war ein Niemand gewesen und ganz sicher nicht Mutters erste Wahl. Doch Caleb hatte seine Konkurrenten einfach "ausgesessen", hatte abgewartet, war der Freund mit starker Schulter gewesen, an der Mutter sich hatte ausweinen können, war zur Stelle, als der nächste Heiratskanditat sich wieder einmal als Hohlfigur heraus gestellt hatte und mit der Zeit hatte auch Maureen erkennen müssen, was sie an dem schweigsamen Mann hatte: Einen verlässlichen Partner, der mit ihr fraglos zum Abyss und wieder zurück gehen würde, sollte es notwendig sein sollen.
Als Sloan mir eröffnete, das - wieder einmal - ein anderer Mann in ihr Leben getreten war, ein Mann, der ihr gut tat, den sie von früher her kannte, war ich natürlich im ersten Moment und auch in den Tagen dannach am Boden zerstört. Es kam mir vor, als hätten wir diese Tragödie "Hinreissende Dame zwischen zwei Mannsbildern" schon einmal durchgespielt, doch gab es diesmal zwei entscheidende Änderungen.
Ich war nicht mehr bereit, meine Partnerin zu teilen, auch wenn ich mir bewusst war, dass ich ihr nie zur Gänze die Liebe und Befriedigung geben würde können, welche sie brauchte und auch verdiente. Meine Zeit war mir zu kostbar, gerade in diesen unruhigen Tage, als dass ich mich zur Randfigur in meiner eigenen Beziehung degradieren lassen würde. Und Rax schien mir bissiger, fordernder zu sein als sein Vorgänger, der Paladin, und ebensowenig einverstanden mit einer bizarren Dreiecksbeziehung wie ich selber. Wenn er meiner ansichtig wurde, zogen sich jedenfalls seine Mundwinkel stets nach unten und auch ich war nicht gerade erfreut, ihn in der Nähe von Sloan zu wissen.
Die Vergangenheit hatte mich allerdings gelehrt, dass auch jener Mann wahrscheinlich nur eine kurze, wenn auch heftige Irritation in unserer Beziehung sein würde. Als ich Sloan kennen gelernt hatte, war sie mit Fenrimes verlobt gewesen. Jener hatte sich nur wenige Tage vor der geplanten Hochzeit in Luft aufgelöst und ich hatte meine Bekanntschaft mit der verlassenen Paladiness aufbauen und verstärken können.
Vor ungefähr einem Jahr war es dann Tanelyv gewesen, der Sloan gab, was sie zu jener Zeit brauchte - und trotzdem wir ein dreiseitiges Einvernehmen hatten, war auch jener Mann, der Paladin, wenig später nur ein Name in meinen Notizbüchern, die ich lose führte, um mich an wichtige oder unwichtige Dinge erinnern zu können, falls mein Gedächtnis mir wieder Streiche spielte.
Nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte, war ich also voller Hoffnung, dass Sloan und ich, früher oder später, wieder zusammenfinden würden. Wie Vater mich gelehrt hatte, musste ich einfach geduldig sein, musste ausharren, da sein, Freund sein, gute Miene zum bösen Spiel machen, wie man so schön sagte und im richtigen Moment meine Chance ergreifen, die Liebe meines Lebens an mich zu binden. Diesmal richtig in aller Form, wie sie es sich gewünscht hatte.
Das Problem war nur, mir ging die Zeit aus.
Ich merkte selber, wie mir immer mehr die Realität entglitt. Vielleicht war dies das Schlimmste an meinem Leiden. Mitzubekommen, wie mein Geist allmählich in den Wahnsinn abdriftete ohne wirklich etwas dagegen tun zu können.
Ach, ich hatte es ja noch nicht erwähnt oder? Ein Geschwür macht sich in meinem Hirn breit und die Hoffnung auf Heilung sind gering und risikoreich. Lauerte dieser Tumor schon eine geraume Weile im Hinterhalt oder war er dem Bolzen geschuldet, der sich durch mein Auge gefressen und für Irritation gesorgt hatte - niemand konnte das genau sagen.
Jener Tod auf Raten ist für eine Beziehung eine harte Zerreißprobe, nicht zu erwähnen die Erinnerungslücken, die Orientierungslosigkeit, die sprunghaften Stimmungswechsel, die Aggressivität, die ich wohl von Caleb geerbt hatte, und die sich in sehr schwachen Momenten freie Bahn verschaffte.
Jeder vernünftige Mensch hätte seinen Partner wahrscheinlich aus jeglichen Schwüren befreit, doch ich war egoistisch. Ich wollte meine mir verbliebenen Tage an Sloans Seite verbringen und zwar weder als Freund noch als dahinsichender Kranker, den man jede Woche mal besucht und pflegt, von dem man in seinem Beisein spricht, als wäre er gar nicht vorhanden.
Dieses Wunschdenken ist verworren und widersinnig. Ich konnte nichts gegen die verkrüppelnden Auswirkungen des Geschwürs unternehmen. Wenn ich Sloan liebte, so würde ich sie doch freigeben müssen und nicht mit mir in den Abgrund ziehen. Aber da ist plötzlich jener Hoffnungsschimmer durch Katherine, die vielleicht einen Weg gefunden hatte, mich von jener Abnormalität in meinem Kopf zu befreien.

Beharrliche Duldsamkeit.
Irrsinn.
Hoffnung.
Verflucht, schlimmer geht es ja kaum ...
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