Eseos aus der Ferne

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Eseos
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Eseos aus der Ferne

Beitrag von Eseos »

Ein tiefer Frieden hatte sich über den Wald gelegt. Die Vögel zwitscherten und das Licht der tiefstehenden Morgensonne durchflutete das Unterholz und erwärmte es langsam. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen und nur in der Ferne stieg Rauch aus Kaminen vereinzelter Bauernhäuser auf. Ein Reh erschrak kurz, fand aber schnell seine Ruhe wieder, als der Mann erwachte. Er brauchte einige Zeit bis seine Sinne und sein Gedächtnis ihm sagten, dass alles in Ordnung war. Auch auf seinem Gesicht lag ein tiefer Frieden. Er setzte sich auf und reckte sich. Sein Blick ging ins leere, verriet jedoch, dass er in Gedanken schwelgte. Wie wundersam sich die Dinge in den letzten Wochen entwickelten...

Ein Jahr zuvor:
Als ich meine Heimat verließ und mich auf den Weg machte meinem Schicksal zu begegnen verabschiedete ich mich herzlich von meinen Eltern. Die letzten Jahre hatten sie alt werden lassen. Heute spüre ich, dass sie schon damals wussten, dass wir uns nicht lebend wiedersehen würden. Mein ältester Bruder machte mir denn auch Vorwürfe, ob des Zeitpunktes meines Aufbruchs. Ich umarmte ihn und sagte ihm, dass ich mir keine Sorgen um sie mache, denn er und seine Familie würden gut für sie sorgen. Dennoch war Mikalos nicht begeistert. Insgeheim machte er sich Sorgen um mich, aber das sprach keiner von uns laut aus. Ich verabschiedete mich von Theria, seiner Frau und von seinen zwei Töchtern. Auch von Kind Nummer drei verabschiedete ich mich, indem ich sachte über Theria's dicken Bauch strich. „Dieses Mal wird es ein Junge, das spüre ich!“, sagte sie noch und ich glaube, dass sie recht hatte. Danach besuchte ich meine Schwestern, Eropia und Hira und die kleine Mika, die alle verheiratet, aber in der Nähe unseres Hofes geblieben waren. Alle taten so, als ob sie mich nicht wiedersähen und das machte mich traurig. Andererseits, man weiß nie was kommt. Außerdem war noch nie jemand aus unserer Familie aufgebrochen um die Ferne zu ziehen und sein Schicksal zu suchen. Mutter verstand mich, denn sie wusste, dass es mit mir anders war. Schon seit sie mich in ihr trug, war es so. Als ich ihr vor zwei Monden erzählte, dass ich fort gehen würde, nahm sie mich bei der Hand und blickte mich rührig an.
„Ach Eseos, du warst schon immer anders als deine Geschwister oder die Kinder der Nachbarn. Ich habe es dir nie erzählt, aber während ich dich in mir trug, kam eines Nachts im Traum ein Sendbote des Herrn zu mir. Er sagte erst nichts und blickte mich voller Zärtlichkeit an. Doch dann berührte der Engel meinen Bauch und hauchte mir zu: „Diener der Schöpfung.“ Ich erzählte nur deiner Großmutter davon und wir beschlossen keinem etwas zu sagen. Seit wann kommen auch Götter zu uns Bauern und Hirten. Ein Zeichen der Götter war selten genug und nicht immer ein Zeichen, dass Gutes geschehen würde. Die nächsten Monate mit dir waren aber ruhig. Du warst so lieb, hast nicht getreten und geschlafen wenn ich schlafen wollte. Ich war schon sehr weit mit dir und wir Frauen wussten, dass du bald zur Welt kommen würdest, als mir die Herr erneut erschien. Sie breitet ihre Arme aus, als wenn sie jemanden willkommen heißen wollte und erneut sprach ER „Diener der Schöpfung.“. Ich erwachte mit Wehen und keine Stunde später, der Morgen graute langsam, warst du auf der Welt. Eigentlich fingen die Vögel schon früher an zu singen, an diesem Morgen aber war es still. Doch kaum warst du draußen, blicktest du mich mit offenen Augen an und die Vögel begannen zu singen. Allerlei wilde Tiere kamen an diesem Tag ganz dicht an unseren Hof, sodass Vater an diesem Tag die Forke nicht mehr aus der Hand legen mochte. Aber ob wilde Ziegen, große Vögel oder sogar ein Bär, sie alle blieben ganz friedlich und zogen nach einiger Zeit weiter. Ich hoffe mein Sohn, du bist nicht böse, dass ich bis jetzt schwieg. Diese Ereignisse waren so wundersam, dass ich dich nicht verwirren wollte.“

Voller Neugier lauschte ich meiner Mutter und staunte nicht schlecht. Vom Herrn hatte mir meine Großmutter Geschichten erzählt. Auch von anderen Göttern, doch in unserem alltäglichen Leben spielten fast nur der Herr eine Rolle, waren wir doch Bauern und Hirten und lebten wir doch auf einer der unzähligen Inseln vor der Küste. Ich wusste nicht so recht, wie wichtig die Geschichte meiner Mutter für mich war oder ob es eben nur eine Geschichte war, aber ich dachte darüber nach. Als ich an diesem Tag durch den Wald ging der sich hinter der Klippe erstreckte, war ich tief in Gedanken versunken. So eine Geschichte hat sich meine Mutter nicht ausgedacht. Aber sie war auch so fantastisch. Sprach ich deshalb oft mit Tieren? Aber warum sprach ich auch mit Bäumen und Blumen? Sie haben mir nie geantwortet... Vollkommen in meinen Gedanken treibend nahm ich den Wald und die Welt um mich herum kaum noch war. Ich war schon sooft in diesem Wald und kannte jeden Stein und jeden Baum. Dann stolperte ich und landete bäuchlings im Staub. Ich war so in Gedanken, dass ich gar nicht mitbekommen habe, wie ich hinfiel. Zuerst blieb ich liegen, solange bis der Kampf zwischen aufbrausender Wut und milder Demut ausgefochten war. Die Demut siegte. Ich hob meinen Blick und wollte mich gerade mit den Armen hoch stemmen, da sah ich vor mir auf dem Boden ein herabgefallenes Vogelei. Daneben lagen ein paar Eicheln verstreut. Das Merkwürdige war aber, es war Sommer. Es dürfte also weder ein Ei geben – zumindest keins das unausgebrütet war – noch Eicheln zu dieser Jahreszeit geben. Hätte ich damals schon gewusst, was ich heute weiß... Verwundert aber nicht weiter beachtend und sowieso noch in Gedanken habe ich mich erhoben und bin weitergegangen.

Seit der Geschichte zu meiner Geburt, träumte ich häufig von Licht und Dunkelheit. Sie liefen ineinander und wieder auseinander, verwirbelten...das Dunkle verschlang das Licht, aber es platzte stets aus der Dunkelheit hervor und strahlte, dass das Dunkle fast vollkommen erhellt war. Es war nicht der selbe Traum, aber er endete immer damit, dass ich eine Frau sah, die mir voraus lief. Wenn sie sich im Traum umdrehte bin ich jedes Mal aufgewacht. Ich musste hier weg, mein Herz zog es fort!

Die Abschiede waren also getan. Ich hatte nur ein paar Habseligkeiten dabei, alles was ich zum überleben im Freien benötigte. Geld hatten wir so gut wie keines und doch gab mir Vater als der Abschied gekommen war, zwei Silberstücke in die Hand. Er wandte sich um bevor ich ihn nochmals umarmen konnte. Mutter sah ihm nach, sah mich an und umarmte mich fest, ging ihm dann aber schnell nach. Eigentlich ging Mutter immer schnell ins Haus bei Abschieden, denn das Meer ist stark in ihr, aber auch ein wenig der Stolz. Sie mochte es nicht wenn andere sahen, dass sie weinte. Mein Plan war still von dannen zu ziehen. Nur meine Eltern wollte ich noch sehen. Aber meine Mutter ließ sich nicht von meinem Plan beeindrucken und so waren ALLE da. Die Nachbarn (sogar der alte Nikolaos!) samt Kindern, meine Schwestern, mein Bruder und seine Frau und meine Nichten. Mutter verstand es den Abschied zu erschweren. Nachdem ich alle umarmt hatte, drehte ich mich zum Gehen. Es waren die schwersten Schritte die ich tat, aber auch jetzt spürte ich wie ES mich zog, hinaus in eine Welt die so groß war und die ich nicht kannte.
In Gottes Händen sind wir wie ein Feld aus goldenen Ähren. Nur gemeinsam können wir uns stützen, um im Licht des Herrn zu wachsen, und im Hagel und Sturm der Finsternis zu widerstehen!
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Eseos
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Weiter gehts auf Gottes Weg

Beitrag von Eseos »

Nachdem ich einem Fischer einen Tag lang half brachte er mich zur großen Insel. Ich war noch nie dort und mir war mulmig. Die ganze Insel bestand fast nur aus Stadt und Bergen. Tat ich das richtige? Am folgenden Tag zog ich nach Ansilon ein, der großen Handelsstadt. Sie war zu meiner Heimatinsel am nächsten gelegen.
  
 Als ich durch eines der Tore ging war ich erschlagen von all den Menschen, den Geräuschen, den Gerüchen. Es war als würde mir schwindelig von dem ganzen Gewusel.
 Aber ich suchte jemanden, dem ich von den Ereignissen um meine Geburt und den Träumen erzählen konnte. Ich erhoffte Rat, denn ich war unsicher ob meines Weges. Da mir der Herr von allen am ehesten vertraut war, suchte ich einen ihm geweihten Tempel. Und da war auch ein Tempel, wenn auch ein sehr kleiner.
  
 Eine freundliche und sehr alte Frau begrüßte mich. „Tritt ein Bruder und finde wonach du suchst!“ Dabei blickte sie mich nicht an, wies jedoch auf einen herrlichen Baum der ein wenig ab der Mitte des Innenhofes wuchs.
 Eine Bank stand dort und ich setzte mich. Wieso Bruder dachte ich mir? Bevor ich weiterdenken konnte, setzte sich eine wenig hübsche jüngere Frau neben mich. So wenig sie äußerlich zu bieten hatte, so sehr strahlte sie Güte und Wärme aus. „Des Herrn Güte mit dir Fremder! Darf ich fragen, was dein Begehr ist?“. Ich erzählte ihr von den Ereignissen und meinen Träumen. Sie hörte mir genau zu und ihre Mimik war sehr ernst. Als ich zu ende erzählt hatte war ihr Blick nach wie vor ernst, aber sie schien sehr nachdenklich. Endlich sprach sie: „Nun, dein Traum ist in der Sprache Gottes geschrieben. Ich kann dir Träume deuten die in der Sprache der Welt zu dir kamen. Aber deine Träume und auch die deiner Mutter, kamen in der Sprache der Gottes zu dir und sind nicht dazu bestimmt von einem fremden gedeutet zu werden. Dein Herz versteht sie und wird dir den Weg weisen.“. Sie stand auf, legte mir ihre Hände auf den Kopf und sprach sehr leise ein paar Worte. Danach verneigte sie sich, ein kleines Lächeln ließ dabei ihre Mundwinkel nach oben gleiten und ging. Ich sah ihr wortlos nach. Jetzt hatte ich noch mehr Fragen und vergrub mein Kinn in meinen Händen....
 Ein Vogel landete ein wenig später neben mir auf der Bank. Ganz ruhig blickte er zu mir, aber scheu, so wie es die meisten Vögel sind. Er hoppelte auf der Stelle, drehte sich dabei aber immer ein Stück um seine rechte Seite. Aber von Zeit zu Zeit blieb er stehen und piepste schrill. Er hoppelte und drehte sich, blieb stehen, piepste schrill, drehte sich weiter und tat es wie zuvor. Nur einmal blieb er stehen und piepste nicht einmal, sondern fing an zu singen. Ich war erstaunt, denn noch nie hatte ich einen Vogel solche Dinge tun sehen.
 Ich achtete nicht weiter auf ihn und hing wieder meinen Gedanken nach. Da sprang und piepste er, bis ich ihm wieder meine Aufmerksamkeit schenkte. Erneut hoppelte, drehte und piepste er. Und wieder blieb er an einer Stelle stehen und begann zu singen. „Du sprichst wohl auch die Sprache der Götter, was?“ Ich bröselte ein paar Krümmel von dem Laib Brot ab, den Mutter mir mitgegeben hatte und streute sie ihm zu Füßen. Er blickte mich an, hoppelte noch einmal wild auf und ab, sang nochmals in der gleichen Position wie zuvor, erlag dann aber meinem Angebot und suchte die Krümmel auf und flog weg. Da kam die Alte und setzte sich zu mir. Wieder blickte sie mich nicht an, aber sie sprach. „Ach Jüngelchen...hehe...die Sprache Gottes besteht aus Zeichen. Du musst immer auf die Zeichen achten...hehe!“. Ich hatte heute genug Rätsel und so entgegnete ich etwas matt „Welche Zeichen meinst du Mütterchen?“, „- Ach Jüngelchen, du hast noch einen weiten Weg vor dir...im Innern wie im Äußeren...das weiß selbst der Vogel! Und nun geh hinaus und finde deine Bestimmung!“ So stand sie auf und ging. Konnte denn keiner Klartext reden? Und woher wusste sie, dass mich das Schicksal rief? Groll regte sich in mir, wie konnte ich nur auf diese Idee kommen. Die Alte war fast hinter einer Ecke verschwunden, da drehte sie sich nochmal um und wieder sah ich ihr Gesicht nicht. „GEH NACH NORDEN ODER NACH OSTEN ODER NIMM BEIDE, ABER GEH JÜNGELCHEN!“ Ihre Stimme war so kräftig, bestimmend aber wie die einer Mutter. So verschwand sie. Ich verließ den Tempel des Herrn und tauchte wieder in das Getümmel der großen Stadt ein. Ein einziges Geschiebe und Gebrüll...hier war es viel zu laut und so machte ich, dass ich wieder hinaus kam. Aber wohin nun, auf einer Insel, auf der fast überall Häuser standen. Der Tag neigte sich bereits dem Ende und so beschloss ich im Schatten einer Palme am Strand zu schlafen.

In dieser Nacht träumte ich wirr und ich erwachte ebenso verwirrt. Eins stand fest, ich musste runter von dieser Insel. Die alte sagte nach Norden und so sah ich zu, das ich aufs Festland kam. Dort angekommen, erfreute ich mich der dichten Wälder die auf meinem Weg lagen. Ich wollte nach Silberburg, der größten Stadt des Königreichs. Ich hatte zwar die Schnauze voll von großen Städten, aber dort konnte ich bestimmt mit Leichtigkeit Händler finden, die ich begleiten konnte, wenn sie mich ließen. Doch zuerst musste ich durch diese dichten Wälder, die auf die schönste Art überdeckten, wie gebirgig dieses Land war. Die Mären der alten warnten stets vor Wäldern und den Kreaturen die sich in ihnen verbargen. Doch der Wald war mir lieber als das Gewusel in den Städten. Der Sommer neigte sich dem Herbst, sowie mein spärlicher Proviant seinem Ende. Doch wo ich mich auch zur Ruhe ließ, fand ich Allerlei. Bucheckern, Knollen, Beeren und Wurzeln, dazu ein wenig Kräuter und fertig war das Mahl. So sparte ich die Reste meines Proviants – ein wenig Brot und weißer Käse – und hatte Kraft meinen Weg zu gehen.
 Jedoch der Wald wurde immer dichter und ich musste mich mühen voranzukommen. Ich sah den Himmel nicht mehr und schnell stellte sich ein Gefühl ein, dass ich den rechten Weg verlassen hatte.
 Aber wie die Richtung wiederfinden? Ich versuchte auf einen Baum zu klettern, scheiterte aber krachend auf meinem Hintern. Nicht nur das es weh tat, schlimmer noch, ein Hosenbein zerriss und ich stauchte mir den linken Fußknöchel.
 Nun versuchte ich ein Kraut zu finden, dass die Mütter meiner Heimat auf solche Verletzungen gelegt haben. Ich fand nicht einen Stil, nicht ein Blatt. Und das war auch schon die beste Idee, die ich in der Situation gehabt habe. Mein Fuß schmerzte und ich setzte mich an einen Baum. Wohin nun, wie den Weg wiederfinden? Schon spürte ich, wie sich Verzweiflung anschlich. Wie ein Meuchelmörder, der es gerade noch schafft das Messer wieder hinterm Rücken zu verstecken und ein falsches Lächeln aufzusetzen, wenn man sich nach ihm umdreht. Doch hier mitten im Walde, würde ich mit Sicherheit nichts werden und so bin ich wieder aufgestanden. Just in dem Moment, da ich meinen Füßen eine Richtung vorgegeben habe, sah ich einen Schatten im Unterholz verschwinden.
 Die Zweiglein zitterten noch und so folgte ich dem was auch immer es war. Ich kämpfte mich durchs Dickicht und spürte mit jedem Schritt, wie das Unterholz lichter wurde und kam schließlich zu einer Lichtung, die an einer Seite von einem Abgrund begrenzt wurde. Die Sonne schien mir ins Gesicht und nach Tagen im Halbdunkel des Waldes war ich fast ganz geblendet. Ich kniff meine Augen zusammen und erst als ich meine Hand zum Schutz vor mein Gesicht hielt konnte ich sie halbwegs öffnen. Gerade noch rechtzeitig um zu sehen wie ein riesengroßer Hirsch zu einem Röhren ansetzte. Er hob seinen Kopf mit dem stattlichen Geweih. Es glänzte im späten Licht des Tages und sein Ruf hallte weit über die Wälder. Er blickte sich zu mir um, sah mir ganz kurz direkt in die Augen und verschwand dann eilig im Wald. Ich war wie festgewurzelt. Wie lange ich so da stand wissen nur die Götter. Als ich wieder zu mir kam, lachte ich verzückt über diesen Anblick. Es war der erste Hirsch den ich sah, denn auf Hulias, meiner Heimatinsel, gab es sie schon lange nicht mehr. Aber in den Märchen der Alten leben sie noch heute. Ich schritt an den Abgrund, ließ meinen Blick schweifen und sah Rauch – da war Rauch am Horizont. Und schon machten meine Augen einen Weg aus, der mich dort hin führen sollte.
 
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In Gottes Händen sind wir wie ein Feld aus goldenen Ähren. Nur gemeinsam können wir uns stützen, um im Licht des Herrn zu wachsen, und im Hagel und Sturm der Finsternis zu widerstehen!
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Gott dienen lernen

Beitrag von Eseos »

„Dominus vobiscum
Et cum spiritu tuo. Quid est, quod vis?

Iter! Claudite fenestras et portas! Nunc manus
Dei punientis pestilentiam etiam
Agentem apportavit!

Domine, serva animos nostros... „
  
  
  
  
 Der Rauch den ich aufsteigen sah, führte mich geradewegs zurück nach Ansilon, wie mir ein Händler berichtete, den ich auf dem Weg dort hin traf. Nur widerstrebend folgte ich dem Weg zurück in die Stadt. Ich war also mal wieder im Kreis gegangen, was solls, der Herr würde schon etwas damit im Sinn gehabt haben und Umwege erhöhten schließlich die Ortskenntnis...
  
 Es war seltsam als ich den Wald verließ. Auch wenn es von Zeit zu Zeit eng, dunkel und stickig war im Wald, oder auch manchesmal majestätisch und weit wie eine Kathedrale, Angst hatte ich zu keiner Zeit. Es war, als läge mein Kopf in einem warmen Schoß und eine Decke läge um meinen Leib. Hier war ich der Schöpfung nahe und fühlte die Ordnung des Lebens. Nun, da ich den Wald verlassen hatte, war auch diese Decke leider wieder fort.
  
 Doch die Alte sagte nach Norden oder Osten, also musste ich mir wohl von hier meinen Weg suchen. Die Stadt empfing mich erneut mit dem was passiert, wenn zu viele Menschen auf engem Raum leben. Gewusel, Gebrüll, Gestank! Drei G's dachte ich noch, bevor mich das Treiben mit sich nahm.
  
 Nach Norden oder Osten oder beide - Ich musste Menschen finden, die wussten wie ich schnell und sicher dort hinkommen würde und vielleicht auch noch wussten, was dort war. Aber wo ich auch fragte, alle wollten Geld sehen oder barschten mich an, was ich sie denn fragen würde. Einer gab dann noch einen kleinen aber feinen Hinweis, als er fluchte „Ich solle ihn in Ruhe lassen, er sei doch kein Fernhändler!“. So folgerte ich, dass es Händler gab die eher vor Ort blieben und welche die die weiten Routen zwischen Städten und Ländern zurücklegten.
  
 Also zum Hafen dachte ich. Aber wo ich auch fragte, keiner fuhr in den Norden. Die meisten lachten mich aus und meinten nur, dass die Stürme bald kämen und alle die nach Norden führen, schon auf dem Weg seien. Außerdem sei es dort sehr kalt. Ich ließ mich auf einer Kiste nieder und dachte nach. Ich wollte endlich meinen Weg im Leben finden, endlich meine Bestimmung finden. Und nun saß ich hier, hatte nur wenig Geld und wusste nicht mehr weiter. Ich kannte diese Welt nicht, hatte nur selten mit Geld zu tun. Ich hütete Ziegen, Schafe, die wenigen Kühe. Ich war ein Bauernjunge, ein alter Bauernjunge, ohne Land und Herd. Aber ich sehnte mich gerade nach den kargen Bergen und den Viechern zurück...
  
 Das Kinn wieder in meinen Händen vergraben, vernahm ich ein schrilles Piepsen. Ich versuchte es auszublenden, doch wieder – „PIEPS!“. „PIEPS, PIEPS!“. Tief in meinem Kopf zog eine Erinnerung vehement am Rockzipfel meines Bewusstseins. Das Piepsen...der Vogel...WO WAR ER? Ich lief los und als ich an ein Schiff kam, dass sich gerade zum Ablegen fertigmachte, sah ich ihn auf der Reling sitzen. Ich sprang behende an Board und fragte mich zum Kapitän durch und für das Versprechen, dass ich der Besatzung half wie ich konnte, durfte ich mit ihnen fahren. Ihr Ziel war eine Tropeninsel namens Den. Sie lag perfekt zwischen Norden und Osten. Dort wollten sie Waren tauschen und dann weiter nach Silberburg. Die Winde waren nicht günstig und so mussten wir Meile um Meile rudern. Ich war harte Arbeit gewöhnt, aber das hier war dann doch die Hölle. Stickig, stinkig, schwitzend und mit blutenden Schwielen an den Händen erreichten wir unser erstes Ziel. Nach einer Nacht im Hafen musste ich mich entscheiden, blieb ich an Bord und fuhr nach Silberburg, oder sollte ich versuchen mit einem anderen Schiff in die Berge und durch die Wüste nach Nalveroth zu gelangen, oder vielleicht ein ganz anderer Kontinent? Oder sollte ich hierbleiben? Ich kannte keinen der Orte und Länder. Nun war guter Rat teuer. Hier wollte ich aber nicht bleiben. Ich war noch nie hier, spürte aber, dass hier weniger aufrechte Menschen lebten.

So blickte ich zum Himmel. Die Nacht war verhangen, dabei aber nicht finster, denn ab und an öffneten sich die Wolken und gaben den Blick auf den Himmel frei. Doch hier fand ich keine Antwort. Und so versenkte ich wieder mal mein Kinn in meinen Händen. So auf der Reling aufgestützt, sah ich einen Stern am Horizont aufgehen. Er war hell und hatte einen warmen Schein.
  
 Auch von Hulias aus konnte man um diese Jahreszeit, einen Stern am Osten über dem Horizont aufgehen sehen. Osten, flüsterte ich! Ich fragte jeden der nicht schlief oder betrunken war, was im Osten liegt. Es waren denn auch nur wenige, die mir überhaupt antworten konnten. Aber zweimal lautete die Antwort „Taresien!“. Ich wollte also weiter nach Taresien. Aber kein Schiff fuhr dorthin. Zumindest keines das auf Reede lag. Als der Tag anbrach und der Hafenmeister wieder nüchtern genug war um zu sprechen, sagte er mir, dass taresische Händler gestern abgelegt hätten. Sie kämen jedoch alle zwei Wochen hier her. Zwei Wochen dachte ich, wie sollte ich die Zeit überstehen. So machte ich mich daran zu erkunden wo ich gelandet war.
  
 Die Insel war relativ groß und einige Flecken waren von Bäumen bewachsen, größer als Haine, aber Wälder gab es hier keine. Dennoch versuchte ich dort Schutz und Nahrung für die nächsten Tage zu finden. Fallen konnte ich stellen, nicht gut, aber für einen Hasen oder ein Kaninchen hat es schon öfter gereicht. Das Wäldchen war arm und nicht mehr ursprünglich. Vor Wildtieren brauchte ich mich hier nicht zu fürchten. Ich fand am Waldrand zwei Maronenbäume und ein paar wilde Kartoffeln. Zweimal konnte ich tatsächlich einen Hasen fangen, aber das Ausnehmen war schwer, hatte ich doch kein geeignetes Messer. Aber in den Tagen hier im Wald war Schmalhans der Küchenchef. Ich hatte gerade genug, um nicht zu verhungern, oder zu erfrieren.
 So schlief ich oft und vergaß ob es Abend oder Morgen war, ob ich träumte oder dachte, träumte das ich dachte. Oder dachte ich, dass ich träume? Was ich zu essen gefunden hatte, war seit Tagen aufgebraucht. Ich hatte übel Hunger und da ein Übel selten allein kommt, hatte ich auch kein sauberes Wasser gefunden. So musste ich schmutziges Wasser trinken.
 Die Reaktion ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Mein Darm erbrach sich und mein Magen auch. Es dauerte nicht lange und ich befand mich in einem Delirium.
  
 Die Zeit verstrich und in einigen wachen Momenten, spürte ich, wie die Wärme des Lebens meine Glieder verließ und ich immer weniger spürte. Ich glitt in der Zeit zurück und sah meine Mutter und mich am Tag meiner Geburt. Sie sah mich an und aus ihr wurde ein Licht. Dann sah ich wieder mich, wie ich dalag, mit blauen Händen und Lippen, starr vor Kälte. Das Licht legte sich über mich und ich spürte wie Lebensenergie aus der Umgebung in meinen Körper gesogen wurde. Auch ich wurde in meinen Körper gesogen und ich spürte wie ich atmete. Ich öffnete meine Augen und Licht legte sich über sie. Mir war nicht klar ob ich schlief oder nicht, alles war hell und warm. Dann verschwand das Licht und ich bemerkte, dass meine Augen geschlossen waren. Ich öffnete sie. Ich setzte mich auf. Es war alles in Ordnung. Meine Arme und Beine waren warm und geschmeidig und selbst meine Nasenspitze war warm. Ich empfand ein großes Glück, Glück einfach am Leben zu sein!

Nachdem ich Richtung Hafen aufgebrochen bin, habe ich erst bemerkt, dass ich weder Hunger noch Durst hatte. War ich tot? Was war geschehen? Erstmal wollte ich in Erfahrung bringen, welcher Tag und vor allem welche Woche es war. Und vielleicht würde ich so auch erfahren, ob ich noch am Leben war, dachte ich.
  
 Ich lief also Richtung Hafen. Menschen die mir auf meinem Weg begegneten lächelten mich an, keiner ging an mir vorbei ohne mich zu bemerken oder mir zu zu nicken. Ich fand das sehr freundlich. Gab es hier doch mehr gute Menschen als ich dachte, habe ich vorschnell geurteilt?
 Der Hafenmeister rückte diesen Eindruck auch schnell wieder zurecht. Aber in seinem Geschimpfe und Gefluche verriet er mir dennoch, unbeabsichtigt natürlich, dass das Schiff der taresischen Händler noch nicht auf Reede lag. Also ging ich durch den Ort und sah mich um. Es war ein Ort an dem man bestimmt leben konnte, wenn man dass denn wollte. Oder musste.
  
 Am Ortsrand, wo sich Wohn- und Bauernhäuser zueinander gesellen, sah ich zwei Männer vor einem Hof stehen. Der ältere der beiden schien ziemlich aufgelöst. „Lenhard, es tut mir leid, aber ich denke wir müssen sie Notschlachten. Sie leidet!“ Der ältere schüttelte den Kopf. „Bei dem Herrn, kannst du denn nichts mehr für sie tun?“ „Ich fürchte nicht.“, sagte er und legte seine Hand auf die Schulter des Alten. Ich trat ein Stück an sie heran und wurde prompt bemerkt. „Was willst du, Fremder? Kannst du helfen, dann hilf...ansonsten troll dich!“ Bei soviel Freundlichkeit musste ich schmunzeln, „Wenigstens kommt ihr zur Sache! dem Herrn zum Gruße guter Bauersmann. Ihr habt ein krankes Tier?“ Ich wurde aufmerksam gemustert. Der Blick des Alten und des Jüngeren glitten von oben nach unten: „Ein Wichtigtuer Lenhard, soll ich beginnen?“ „Nicht so schnell raunzte der Alte!“ und wandte sich an mich. „Meine Kuh Mina, sie frisst seit etwas über einem Tag nicht mehr. Und sie will seit dem frühen Morgen nicht mehr aufstehen.“ „Mein Herr“, sagte ich voller Mitgefühl, „dass ist in der Tat ein Grund zur Sorge!“ Meine Familie und ich hatten vornehmlich Ziegen und Schafe, doch auch stets ein paar Kühe. Und eine Kuh die nicht frisst und nicht mehr stehen mag ist ganz sicher krank. Darf ich sie mir mal ansehen? Wie heißt sie noch gleich?“ Der Alte musterte mich nochmal mit langen Blick, wandte sich dann aber zur Stalltür und ging hinein. „Komm, Mina liegt hier.“ Die Arme lag teilnahmslos im Stroh. Lediglich die Scheu und das Misstrauen das Kühen innewohnt, zwangen sie sich zu bewegen. Ich kniete mich neben sie und sprach in sanftem Ton mit ihr. „Wann hat sie das letzte Mal gegessen und wann zuletzt gekackt, mein Herr?“ Der Bauer antwortete prompt, „Gestern am Morgen!“. Gute Bauern wussten über ihre Tiere Bescheid, also war er ein Guter. Ich sah mir Augen und Zunge an. „Mein Ohm hat das bei uns immer übernommen und ich habe ihm oft zugesehen.“, sagte ich zu den Männern. „Ihre Augen sind klar und sie ist nicht verschleimt!“ Ich legte mein Ohr auf ihren Brustkorb. „Ihr Atem klingt frei! Aber er stinkt entsetzlich!“ - „Was bedeutet das?“, bedrängte mich der Alte. „Mein Ohm lehrte mich, dass Kühe einen schwierigen Magen haben und der sich manchmal verdrehen kann.“ „Kannst du etwas tun?“, der Alte war sehr mitgenommen. Ich erklärte ihm, dass ich selbst nie selbst Hand an kranke Tiere gelegt habe, aber ich oft dabei war, wenn mein Ohm es tat. „Ja und, kannst du es?“, vorsichtig mischte sich Hoffnung in seine Worte. Ich zuckte mit den Schultern und sagte. „Ich kann es versuchen. Schlimmer kann es ja kaum werden!“. Die arme Mina dachte ich und streichelte ihren Hals. „Dann los!“, der Alte blickte mich an, wie ich Mutter angeblickt habe, wenn es eine Überraschung geben sollte. „Wir müssen es schaffen, dass sie aufsteht! Sie wird es nicht wollen, aber sie muss stehen, sonst kann ich nicht weiter machen.“ - So mühten wir drei uns, das kranke Tier zum aufstehen zu bewegen. Bei dem Herrn und den anderen Göttern, dachte ich. Mina bewegte sich kein Stück. Eine Kuh ist eben eine andere Gewichtsklasse. Der Schweiß stand uns schnell auf der Stirn und Mina stand noch nicht. Der Jüngere nahm Lenhard am Arm, „Lenhard, es ist zu spät, wir müssen handeln, bevor ihr Fleisch verdirbt.“ Dem alten Bauern schossen die Tränen in die Augen. Ich kniete mich wieder neben das kranke Tier und streichelte es. „Mina, magst du nicht mehr leben? Ist dein Herr nicht gut zu dir?“. Sie bewegte den Kopf. „Ach, du willst also doch noch ein Weilchen hier sein?“ Sie warf den Kopf hoch und muhte. „Na wenn das so ist, dann hoch Mina!“, rief ich zu ihr und zog sie am Hals in die Höhe. Und wie hoch, denn Mina stand auf, jedoch begleitet von einem markdurchdringenden Muhen. „Eilt euch meine Herren, schnell festhalten einer den Kopf, der andere Stell dich mir gegenüber auf die andere Seite!“ Bei den Göttern...wusste ich was ich tat? Aber ich konnte das arme Tier nun nicht im Stich lassen! Als alle ihre Position gefunden hatten, wurde es ernst. „So wie Ohmeio!“, sagte ich mir selbst. Ich schloss die Augen und in dem Raum der Gedanken, tat sich das Bild meines Ohm's auf. „So wie Ohmeio!“, sagte ich laut, nahm Anlauf und sprang der Kuh von schräg unten in die Flanke. Mina protestierte, blieb aber stehen. „Nochmal!“, und wiederholte es. Wieder protestierte sie, aber es folgte ein beherztes Rülpsen. Und um den Erfolg zu verkünden, kackte sie! Ohne uns weiter zu beachten, neigte die Kuh den Kopf und begann zu fressen. „dem Herrn sei Dank!“, rief ich. Der Jüngere der beiden war baff. Und der Alte? Er tanzte vor Freude, rannte ins Haus und rief etwas seiner Frau zu, kam wieder in den Stall und umarmte mich. Ich war ganz berührt von soviel Freude. Und so freuten wir uns gemeinsam und tanzten und sangen „Mina is gesund!“. Als wir uns genug gefreut hatten, fragten mich die beiden aus und ich stand Antwort so gut ich konnte. Lenhard schäumte über vor Dankbarkeit und auch der Jüngere schien zufrieden.
  
 Als wir aus dem Stall traten, stellte ich fest, dass der Mittag bereits durch war. Ich erklärte den beiden, dass ich auf ein Schiff wartete und bald fort müsse. Lenhard wollte das ich zum Essen blieb, aber ich musste schweren Herzens ablehnen. Gehen konnte ich deshalb aber noch lange nicht. Nicht ohne das ich die halbe Speisekammer mit auf den Rücken geladen bekam. „Und hier mein Junge, nimm noch...!“ Es war gut. Ich war glücklich Mina geholfen zu haben und auch Lenhard und seiner Frau Suna. Ich musste gehen. „Ihr zwei, damit komme ich bis ans Ende des Meeres!“ und grinste. „Habt großen Dank! Lebt wohl und lang! Und du auch Mina!“ rief ich noch in den Stall. „Hab dank Eseos aus der Ferne! Und wenn du mal wieder in dieses Nest kommst, hast du ein Heim und einen Herd!“ Ich war gerührt. Wie schnell doch Fremde zu Freunden werden konnten.

Ich verneigte mich noch einmal und ging wieder zu Hafen. Und weil es heute irgendwie lief, stellte ich fest, dass das Schiff der taresischen Händler auch schon auf Reede lag. Ich stellte mich höflich vor und fragte, ob ich mitreisen könne. Die Männer machten einen rauen Eindruck, waren aber nicht unfreundlich. Wie schon zuvor war alles was ich anbieten konnte meine Arbeitskraft. Und dank Lenhard und Suna einen vollen Rucksack mit Proviant.
 Nachdem Händler und Kapitän sich besprochen hatten, fragte mich der leinste und dickste von Ihnen, ob ich denn gar kein Geld bei mir hätte. „Meine Familie war nie reich an Geld. Alles was mir mein Vater mit auf die Reise geben konnte, sind diese zwei Silberlinge.“ Er rieb sich die Hände. „Lass ma' sehen Bursche!“ Es widerstrebte mir ihm die Silberlinge rauszurücken, empfand ich ihn doch als gierig und wenig gütig. Aber ich musste auch runter von dieser Insel. So gab ich ihm die Silberlinge. Aber nicht, ohne dafür zu sorgen, dass die anderen Händler es auch mit bekamen. „Dann nimm alles Geld das ich habe, aber teile es auch mit den Anderen.“, sagte ich mit deutlich angezogener Lautstärke. Die Wirkung trat sofort ein, denn einer der anderen Händler rief sofort herüber: „Teilen? Was denn? Lass ma' sehen Mosamed!“ Der Händler rollte mit den Augen und ging. Und ich grinste mir eins ins Fäustchen.

Die Reise war unruhig. Bei den Seewinden, so brechen musste ich noch nie! Ich! Ein Inselkind! Doch so unruhig die See auch war, so schnell waren wir denn auch bald da. Sie reisten immer von Nujel'm, nach Buccaneer's Den, dann nach Occlo, Magincia und wieder nach Nujel'm. Ich fragte denn nächst besten aus, immer den der gerade Zeit hatte, wenn ich sie hatte. „Auf Occlo leben eigentlich nur Bauern und Handwerker.“, meinte der eine Händler. Er war groß, beleibt und hatte eine fiebsige Stimme. Er war mir der liebste von allen. Sie nannten ihn einen Männerknabberer, aber an mir hat er zumindest nicht geknabbert. Er war und blieb bis zum Schluss freundlich.
  
 In Occlo ging ich dann an Land. Die Erlebnisse um das Delirium, auch die Träume meiner Mutter und mir und das Erlebnis mit der kranken Kuh Mina, haben mich demütig werden lassen. Ich war schon immer demütig dem Herrn gegenüber, aber nun fühlte ich es, beziehungsweise wusste darum. Und so suchte ich zu aller erst nach einem Tempel des Herrn auf.
 Ein Greis, eine Greisin und eine junge Frau empfingen mich dort herzlich. Kein Misstrauen, kein Argwohn begegnete mir, als ich dort eintrat und man mich einlud das Abendmahl mit ihnen zu teilen. Und das, obwohl keiner von ihnen mein Begehr kannte.
 Während des Essens erst, fragten sie mich wo ich her kam, warum ich hier her kam und was ich auf Occlo wollte. Sollte ich ihnen alles erzählen? Ich war mir unsicher, doch entschied ich, genau so wenig misstrauisch zu sein, wie sie es waren. So erzählte ich von den Träumen, den Zeichen und meiner Reise. „Und nun Jüngelchen? Was willst du nun tun?“, fragte die Greisin milde. „Ich möchte den Göttern dienen. Ich möchte dem Herrn dienen!“ Sie sahen sich überrascht an. „Wieso denn dem Herrn?“, fragte der Greis.“Die Frage habe ich mir auch gestellt.“, antwortete ich. Ich erklärte, dass nach allem das mir widerfahren war, dem Herrn die passende Wahl sei. „dem Herrn zu dienen erscheint mir am richtigsten!“, fügte ich noch hinzu. Die beiden Greise schauten einander an. „Was meinst du denn Carini?“, fragte die Greisin die junge Dienerin des Herrns. Sie überlegte und die Gedanken spiegelten sich in ihrer Mimik wider. „Ich denke, dass er den Zeichen gefolgt ist und sich Gedanken gemacht hat. Also was kann falsch sein?“ Die beiden Greise nickten. „Was die Götter wollen, fällt uns schwer zu ergründen.“ Die Stimme des Alten nahm einen ganz sanften Ton an. „Sei willkommen, Eseos aus der Ferne. Du wirst noch etwas Zeit haben, deine Wahl zu ergründen. Es ist noch kein Priester vom Himmel gefallen.“ Die anderen beiden nickten zustimmend und so war ich im Tempel des Herrns zu Occlo aufgenommen. „Bis wir dir ein Zimmer hergerichtet haben, wirst du in Tristans Bett schlafen. Tristan schläft solange mit bei mir.“ Tristan starrte sie ungläubig an. „Du schnarchst aber ganz fürchterlich Herani!“, protestierte er. „Jetzt sei still du alter Knacker! Sollen wir die beiden jungen Dinger in einem Bett schlafen lassen? Dann können wir bald zusehen, wie Carini dick wird!“ Carini erschrak und sah zuerst Herani an, dann Tristan und dann mich, wobei sie dann errötete. „Jetzt setz den Kindern nicht noch einen Flo ins Ohr du Alte“, fuchtelte Tristan, aber ein kleines Grinsen konnte er sich auch nicht verkneifen. Es war mir unangenehm solche Umstände zu bereiten, doch mein Vorschlag ich könne mir ein Lager aus Stroh und Heu machen, wiegelten alle drei ab noch bevor ich ihn ausgesprochen hatte.Und so gingen wir alle friedlich zu Bett. Und wie ich schlief! Es war das erste richtige Bett seit Wochen.

Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es schon hell am Tag. Erschrocken hüpfte ich aus dem Bett und kaum hinaus getreten, bekam ich auch gleich einen Spruch von Herani an den Kopf geworfen. Doch alles was mir hier bisher begegnet war, war weit entfernt von Böswilligkeit. So lächelte sie denn auch dabei. „Carini hat sich bisher um die Schafe gekümmert, dabei aber ihr Studium der Schriften vernachlässigt. Kümmer du dich bitte um die Schafe, die Hühner und um Sina, Mirha und Malidoc, unsere Wachteln. Du kannst melken?“ Ich bejahte noch etwas verschlafen. „Dann wasche dich, was zu essen gebe ich dir dann und dann los!“ „Jawohl!“ antwortete ich und lief los. Nur um wieder umzudrehen, denn ich wusste nicht wo ich mich waschen konnte. Nachdem das erklärt war beeilte ich mich, denn es war schon spät am Morgen.
  
 Als ich die Tiere versorgt hatte, schickte mich Herani Wasser holen. Danach sollte ich Stroh binden und eine Kammer ausfegen. Herani holte derweil ein paar alte Decken, die sie zum Lüften in die Sonne hing. „Und jetzt Jüngelchen nimmst du die einzelnen Bündel und bindest sie zu einem, lang genug, dass du dich darauf ausstrecken kannst. Verstanden?“ „Ich bin nicht tumb!“, lachte ich sie an. „Das wird sich zeigen!“, neckte mich die Alte. Als ich fertig war, sah ich stolz auf mein neues Bett, drehte mich in der Kammer einmal um mich selbst und war froh angekommen zu sein. So vergingen die ersten Wochen. Ich kümmerte mich um die Tiere und half dem, der gerade Hilfe brauchte. Ein wenig erinnerte mich das alles hier an zu Hause. Die beiden Greise waren wie meine Eltern und Carini wie eine Schwester. Nach etwa drei Wochen, nahm mich Tristan zur Seite und wir gingen spazieren. Er erzählte mir an dem Tag die Geschichte der Götter der neuen Welt. Ich lauschte voller Neugier und stellte einige Fragen. Nicht alle wollte mir Tristan beantworten und fügte hinzu: „Einige Antworten musst du selber finden Eseos.“ An in diesem Abend lag ich noch lange wach im Bett und dachte an das Erzählte. Ich stellte mir sie vor und versuchte die Wendungen zu verstehen. Hatten auch Götter ein Schicksal? Ich kannte bisher nur den Herrn. Irgendwann währenddessen schlief ich ein.

 
 Am nächsten Morgen stürmte es und es ging so den ganzen Tag weiter. Herani meinte nur, dass der Winter nun da sei. „Sturm vor Wintersonnenwende bedeutet einen nassen und stürmischen Winter, aber ein frühes und warmes Frühjahr.“, sagte sie. Ich fragte woher sie das wisse und bekam zur Antwort: „An Geschichten von alten Frauen zu zweifeln lieber Eseos, lässt ihn jedesmal wieder etwas kleiner werden!“, und das verdeutlichte sie, indem sie Daumen und Zeigefinger langsam zusammen kommen ließ. Wir lachten beherzt. Aber schließlich musste ich doch raus und nach den Tieren sehen. Die Hühner waren bereits von selbst in ihr Haus gegangen. Die Schafe jedoch waren verängstigt und haben sich in kleine Grüppchen aufgespalten. Es hat eine Weile gedauert sie zu finden und zum Tempelgelände zurück zu bringen, und es hat mich meine trockenen Klamotten gekostet. Zum Glück hatte Herani eine herrliche Suppe gekocht. Den Rest des Tages verbrachten wir drinnen. Der Tempel und die dazu gehörenden Häuser waren zu unserer Freude fest gebaut, weitestgehend trocken und dicht, sodass wir den Sturm draußen aussperren konnten. „Wie es wohl den Bauern auf ihren Höfen geht.“, fragte ich in die Runde. Carini unterbrach das kurze Schweigen und sagte, dass die meisten Bauern sich gut zu helfen wüssten. „Und wenn nicht, werden wir es mit als erste erfahren.“ An diesem Tag gab mir Tristan mein erstes Buch zu lesen. So vergingen die nächsten drei Tage und aus dem Lesen wie ich es gelernt hatte – man stelle sich vor, mit einem Eimer Wasser aus einem tiefen Brunnen zu schöpfen, wurde zusehens erst ein Bächlein, dann ein Bach und dann ein Fluss. Ich laß und laß und laß. Bei dem Wetter auch das beste was mir zu tun blieb. Das Buch trug den Titel „Das Jahr der Diener des Herrns“ und war in einem eigentümlichen Wortlaut geschrieben. Am vierten Tag kam die Sonne aus den Wolken hervor gebrochen und wir vier gingen nach draußen und reckten und streckten uns. „Morgen ist alles wieder vorbei!“, knurrte die alte Herani. Ich sah sie an und intonierte ein „Warum das denn? Und woher weißt du das?“, doch Herani hob schnell eine Hand, grinste und schob Daumen und Zeigefinger Stück für Stück näher zusammen. „Was haben wir gelernt?“ Wir lachten. Diesen Tag nutzten wir zum Aufräumen, denn es hatte ordentlich geweht. Aber der nächste morgen, machte alles zunichte. Doch dieses Mal, schien der Sturm gar kein Ende mehr nehmen zu wollen. Tristan und Carini, die seit meinem Eintreffen zusammen die Siedlungen der Bauern besuchten um Segen zu spenden und zu predigen, hatten große Mühe hin und wieder zurück zu kommen. Mir gefiel das nicht, der Alte und die Junge so allein. Aber ich hatte meine Bücher und laß eifrig. „Rituale und Feste mit dem Herrn“ lautete der Titel des einen und „Lobpreisungen und Gebete“ das andere und wesentlich dickere Buch. Als wir zu Abend aßen wollte ich mein Bedenken ansprechen, dass Tristan und Carini so ganz allein im Sturm unterwegs mussten. Carini schien mein Bedenken zu teilen, aber Tristan tat es als Humbug ab. Ich wollte widersprechen, aber Tristan kam mir zuvor: „Weißt du Jungchen, immer wenn du einem alten Mann widersprichst, wachsen dir mehr und mehr Brüste einer Frau!“ Carini lachte, ich nicht. Und auch Herani kam über ein müdes Lächeln nicht hinaus. Sie legte ihre Hand auf meine und zwinkerte mich an. Ich wusste nicht genau, was sie mir damit sagen wollte, aber mein Herz sagte „Lass nur, ich kümmer mich drum.“. Am nächsten Tag kümmerte sich Carini wieder um die Tiere.

Tristan war ein strenger, aber guter Lehrer und bat mich vorerst im Hintergrund zu bleiben und nur zu beobachten. Bei den Menschen vor Ort war er ganz in seinem Element. Er strahlte eine Wärme aus und predigte mit soviel Hingabe, dass das ein oder andere Herdfeuer nicht mehr Wärme und Trost hätte spenden können. Als wir am Abend alle beieinander saßen, erzählte und erzählte ich. Ich war sehr beeindruckt und das musste ich kundtun. Und da der Sturm nicht nachließ, ging ich auch an den darauf folgenden Tagen mit Tristan, und Carini blieb bei Herani. Schneller und besser hätte ich nicht lernen können. Bald durfte ich den Kindern erzählen, während Tristan sich um die privateren Fragen einzelner Menschen kümmerte. Und so ergab es sich, dass mich Tristan an diesem Abend ausdrücklich lobte. „Du lernst schnell Eseos. Aber was noch viel wichtiger ist, die Menschen mögen dich! Du hast Charisma und es wächst von Tag zu Tag.“ Ich war erleichtert über seine Worte, habe ich doch befürchtet, dass mich die Bauern als Fremden nicht so einfach akzeptieren würden. Es war anstrengend, die weiten Wege und den Menschen mit Rat zur Seite zu stehen. Ich schlief tief und traumlos, jedoch nicht gut.
  
 Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es still draußen. Ich öffnete die Tür zu meiner Kammer und wollte schnell nach draußen huschen um mich zu waschen, da erschrak ich. Alles war weiß! Meine Eltern erzählten mir Geschichten davon, wie es einmal in 100 Jahren so auch auf Hulias war. Sie nannten es Eisflocken. Herani erklärte mir dann, dass man es auf Occlo Schnee nennt und das es auch auf Occlo nicht so oft schneien würde. Aber dieser Winter war härter als normal.
  
 Wir saßen beim Frühstück, als Herani sagte, dass in den nächsten Tagen Carini und ich die Menschen besuchen würden. „Ohne Tristan? Wo is der denn eigentlich?“, fragte ich. Herani's Gesichtszüge waren mit Sorgen belegt. „Tristan hat sich erkältet.“, sagte sie. „Nix schlimmes, aber er braucht ein paar Tage Ruhe.“ Carini und ich blickten uns an, nahmen es aber so hin. So machten wir uns nach dem Frühstück auf den Weg.
 Die meisten Menschen waren überrascht, dass Tristan nicht gekommen war, aber waren wohlwollend uns gegenüber. Carini predigte ganz anders als er. Sie war kühler, versprühte weniger Charisma als Tristan. Jedoch strahlte sie eine ganz ruhige und innige Güte und Milde aus. Ohne weitere Vergleiche bemühen zu können, folgerte ich daraus, es müsse daran liegen, dass sie eine Frau sei.
 Wir stotterten hin und wieder und mussten auch mal nachdenken, wie es weiter ging. Doch wir machten unsere Sache gut. Den Segen zum Abschied sollte ich sprechen. Ich schwitze, obwohl es bitterkalt war draußen. Nun stand ich da und alle blickten mich an. Ich atmete ein und aus und ein und begann zu sprechen. Ein ungeheures Gefühl der Wärme und des Mitgefühls kam in mir auf und die Worte flossen aus mir, ohne das ich groß darüber nachdenken musste. Erst als mir ein freudiges „Amen“ entgegen brandete, wurde mir bewusst, dass ich eben den ersten Segen gesprochen hatte! So beschwingt machten Carini und ich uns auf den Heimweg.
 „Du bist wie Tristan.“, sagte sie. „Ich? Wie Tristan?“ Sie erzählte mir davon, wie ich da stand und wie meine Worte eine Kraft annahmen, die sie so nur von Tristan kannte. Ich nickte, schwieg aber sonst und auch Carini schien nachdenklich. Erst nachdem wir den halben Weg zum Tempel zurück gelegt hatten, brach ich mein Schweigen. „Es war ein wunderbares Gefühl als ich vor den Menschen stand. Zuerst war ich unsicher und es war mir, als wenn mir die Stimme genommen war. Und dann plötzlich stieg eine Kraft in mir auf, sie ergriff mich und sie lenkte meine Zunge.“ Carini hörte mir zu, bemerkte aber als ich fertig war: „Da ist es wieder das Funkeln in deinen Augen!“
  
 Wir kamen am Tempel an. Herani fragte uns sogleich aus, ob alles gut gegangen sei. Carini und ich antworteten mit freudiger Stimme und ausführlich genug, dass Herani schon die nächste Frage stellte. Als sie fertig war, fragte ich sie sofort, wie es Tristan geht. „Er schläft oder ruht, hat nur leichtes Fieber und immerhin ein wenig Appetit. Doch es ist das erste Mal seit zig Jahren, dass ihn die Götter prüfen.“ „Können wir für seine Gesundheit zu dem Herrn beten?“, fragte ich naiv. Herani schmunzelte. „Ich habe bis jetzt jedenfalls nicht davon gehört, dass es schadet!“ Während des Essens erzählte ich von meinem Erlebnis beim Spenden des Segens. Herani blickte mich anschließend an, sagte kein Wort, aber sie nahm meine Hand und drückte sie fest und lächelte. Wir deckten gemeinsam ab und ich schlug vor gemeinsam für Tristans baldige Genesung zu beten. Der Vorschlag fand bei den Frauen Zustimmung und so gingen wir in die Kapelle und beteten. Herani's Worte waren so sanft und voller Liebe, aber auch voller Inbrunst. Sie rührten mich und so rann mir so manche Träne im Stillen die Wangen hinunter.

Tristan ging es am nächsten Tag eher unverändert. Carini und ich sollte auch an diesem Tag gemeinsam die Menschen besuchen und predigen. So gingen wir unseres Weges. Es hatte geregnet und der Schnee war geschmolzen. Der Boden war matschig und schmatzte mit dem Auftreten. Als wir in die Siedlung kamen merkten wir schnell, dass die Menschen hier gerade andere Bedürfnisse hatten. Der Sturm hat heftig an ihren Häusern gerüttelt, eines stand gar im Wasser, da ein Bach stark angeschwollen war. Ich eilte schnell herbei und half wo ich konnte. Nach Stunden hatten wir das meiste auf trockenen Grund gebracht, Tiere, Vorräte und Kinder bei Nachbarn untergebracht.
  
 Die Lage schien beruhigt und so sagte ich, dass es doch nun Zeit gäbe, sich um die Beziehung zu unserer aller Vater zu kümmern. Angesichts durchnässter, frierender und müder Bauern, schien es mir erst wie eine zynische Pflichtveranstaltung. Doch Carini, so zurückhaltend sie auch zumeist war, fand gute Worte. Sie sagte ihnen, dass auch wenn sie gerade wenig von der beschützenden und behütenden Vater vernahmen und es ihnen schwer fallen sollte, gerade jetzt an ihm glauben und zu verehren, sie zumindest als Symbol Wärme, Mitgefühl und Liebe in den Herzen wecken könne. Predigen konnte sie, denn sie nahm den direkten Weg ins Herz der Menschen. Ich verstand, dass ich die Menschen dort erreichen musste wo sie waren.
 Als sie fertig war, sollte ich erneut den Segen sprechen. Doch bevor ich den Segen begann, wollte ich noch ein paar Worte sagen. „Auch wenn des lichten Herrns nicht immer für uns begreiflich sind, so ist die göttliche Vater uns stets wohlwollend. Und wie können wir die Wege der Götter verstehen, wo wir doch nur Menschen sind?“ Ein leichtes Raunen ging durch die Gemeinde, aber die meisten nickten dabei. Zumindest schien ich keinen Unsinn gesprochen zu haben. Ich fuhr fort, „Aber die Götter gaben uns ihre Segen und diesen möchte ich nun erneuern!“ Ich begann und wieder durchfuhr mich eine Kraft, die ich nicht fassen konnte.

Auch an den folgenden beiden Tagen gingen Carini und ich zu den Bauern. Doch Carini wurde immer trauriger. Als wir am zweiten Tag auf dem Rückweg waren, fragte ich sie,warum sie traurig ist. Sie mochte mir nicht gleich Antworten, redete um den heißen Brei und druckste herum. Am Ende kam sie dann doch zum Punkt. Sie war eifersüchtig. Sie fand es unheimlich, dass ich so schnell Zugang zu den Menschen fand, zum göttlichen Vater und zu meiner inneren Kraft. Ich schlug vor, dass wir darüber mit Herani und Tristan sprechen sollten. Auch mir war es unerklärlich.
  
 Und so sprachen wir zu Hause mit Herani und Tristan, der, dem Herrn sei Dank, schon wieder gut bei Kräften war. Es war Carini unangenehm und so erzählte ich davon. Er lächelte milde als er das Wort „Eifersucht“ hörte. Tristan erklärte uns, dass wenn wir im Namen des Herrns sprachen, wir uns vorstellen sollten, dass die Worte nicht von unserem Mund, sondern von unserem Herzen gesprochen werden. Das Kraft aus des Lichts aus der Erde durch unsere Füße emporsteigt und Licht vom Himmel durch unseren Scheitel. Sie treffen sich in unseren Herzen und wenn wir Gott dienen, strömen sie von dort hinaus in die Welt.
 Carini und Tristan verbrachten so auch die kommenden Tage damit zu üben. Statt Carini ging nun Herani mit mir. Ich war zutiefst beeindruckt, als ich erlebte wie sie mit den Menschen sprach. Ich erlebte eine greise Frau, deren Mitgefühl und Herzlichkeit der Gewalt gleißender Sommersonne gleichkam. Ihr Gesicht strahlte, ihre Augen funkelten, ja sogar ihr Körper war aufrechter. Doch auch ich sollte zeigen können, was ich bereits gelernt hatte. Die Menschen waren sehr bewegt von unserem Besuch und dankten uns vielfach. Es war so schön zu sehen, wie all die Menschen für kurze Zeit Gott ganz nah waren.
  
 Doch auf dem Weg nach Hause war Herani sehr müde und konnte kaum mehr gehen. Ihr Körper war fast kraftlos, denn sie hatte den Menschen gegeben was sie konnte. Ich trug sie bedachten Schrittes bis nach Hause. Sie aß auch nur wenig und ging sofort ins Bett. „Wird sie wieder?“, fragte ich Tristan besorgt. „Kein Bange mein Junge. Sie ist stark. Weißt du eigentlich wie alt wir sind?“ Ich staunte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ich konnte es nicht glauben, Herani war bereits an der siebzig angelangt. Genau wusste sie selbst es nicht, da sie irgendwann aufgehört hat zu zählen. „Ein Leben für den Herrn, mein Junge. Herani trat in des Herrns Dienst als sie elf Jahre alt war. Und Gott scheint noch etwas mit ihr vor zu haben. Morgen früh ist sie wieder auf den Beinen, Eseos, du wirst schon sehen. Schlafe friedlich heute Nacht mein Junge!“
 Und siehe da, am nächsten morgen stand sie schon in der Küche und bereitete das Frühstück. Ich war froh, dass sie wieder gut beieinander war, war es doch mein Vorschlag, dass Carini mit Tristan üben solle. „Herani, ich war sehr beeindruckt davon wie du mit den Menschen sprichst und sie dem Herrn nahe bringst. Vielleicht übst du mit Carini? Ihr seid ja nun schließlich beide Frauen.“ Herani schnippelte weiter Gemüse und nickte nur kurz und schob noch ein: „Ja, vielleicht.“ Doch es schien ein interessanter Vorschlag, denn an diesem Tag gingen Tristan und ich.
In Gottes Händen sind wir wie ein Feld aus goldenen Ähren. Nur gemeinsam können wir uns stützen, um im Licht des Herrn zu wachsen, und im Hagel und Sturm der Finsternis zu widerstehen!
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Ein goldenes Fest

Beitrag von Eseos »

Die Tage vergingen und ein Mondlauf nach dem anderen ward vollendet. Die meisten Male gingen Carini und ich zu den Bauern der Insel und nur an besonders wichtigen Tagen kam Tristan mit. Ich lernte eifrig und schlief daher meistens tief und ruhig. Auch meine Träume waren ruhig und trivial. Ich war bald schon ein Jahr hier, was ich allerdings auch nur bemerkte, wenn ich darüber nachdachte. Ansonsten vergingen die Tage einer nach dem anderen. Der zweite Winter auf Occlo war auch ein „normaler“, Regen etwas mehr Wind, ab und an ein Sturm, aber kein Schnee. Und als die ersten Knospen schwollen, machten wir uns daran, das Lammfest vorzubereiten. Es war Tradition auf Occlo, dass die Menschen aus ihren Siedlungen zum Tempel kamen und brachten symbolisch ein Lamm aus ihrer Herde mit um es segnen zu lassen. Die Stimmung war ausgelassen. Es waren auch Kaufleute, Handwerker und Barden gekommen. Waren wurden feil geboten und Lieder erklungen. Bei Speis' und Trank wurde ausgiebig erzählt und gelacht, denn auch die Bauern der Umgebung sahen sich nicht häufig untereinander. So begegneten sich auch die Blicke mehrerer junger Menschen und die Botschaft dieser Blicke konnte bei gemeinsamem Tanz zum ersten Faden eines gemeinsamen Bandes werden.

Das Fest war gefeiert und der Frühling brach herein. Ich hatte das Gefühl nun wirklich angekommen zu sein. Es war der Vollmond im fünften Monat des Jahres. An diesem Tag habe ich zwei Siedlungen besucht. Da hatte ich des Nachts wieder diesen Traum. Ich lief durch einen Wald. Die Luft roch würzig und die Sonne schien. Ich kam auf eine Lichtung und sah eine junge Frau. Sie stand mit dem Rücken zu mir, war von einem Strahlenkranz umgeben. Ich hielt inne und grüßte sie aus einiger Entfernung um sie nicht zu erschrecken. Ihr rotes lockiges Haar wallte in einer leichten Brise. Gleich wache ich auf, dachte ich noch. Gleich wenn sie sich umdrehen würde. Erstaunt über meinen Gedanken – war ich mir doch sicher, dass ich träumte – drehte sie sich um. Ihr Gesicht leuchtete in der Sonne und ein lächeln ebenso strahlend wie das Licht der Sonne traf mich. Jetzt wachte ich auf. Mein ganzer Körper kribbelte und meine Decke stand über meiner Körpermitte ein gutes Stück weit ab. Erfüllt von einer tiefen Freude setzte ich mich auf. Nach einigen Minuten mit mir allein ging ich aus meiner Kammer und begann mein Tagewerk. Ich erschien wohl nachdenklich, denn beim Frühstück sprach Herani an, ob mir etwas auf der Seele läge. Ich erzählte von meinem Traum und erntete nachdenkliche Blicke. Besonders Tristan war prompt sehr schweigsam. Der Tag verlief in üblichen Bahnen, aber der Traum ließ mich nicht los. Am Abend bat Tristan mich zu einem Spaziergang. Wir gingen zur alten Eiche, ein Stück weit ab vom Tempelgelände. „Weißt du Eseos, dieser Traum, diese junge Frau...du hast schon oft von ihr geträumt, aber nun hat sie sich offenbart.“ Ich nickte still. „Träume die immer wiederkehren, sie rufen nach uns, wollen etwas in uns wecken.“ Ich blickte ihn an und eine einzelne Träne ran meine Wange herab. „Du passt gut hierher. Aber die Götter scheinen einen anderen Weg für dich vorzusehen.“ „Aber warum und welchen denn? Ich fühle mich wohl hier, ich will bleiben!“ Tristan blickte mich mitfühlend an und hielt mich am Arm. „was hälst du davon, wenn du heute Nacht hier schläfst Eseos? Die Luft ist warm und das Gras ist weich. Ich muss ziemlich verdattert drein geschaut haben, denn er lächelte. „Manchmal legt sich Klarheit über alles, wenn wir auf gewohntes verzichten.“ Ich verstand nicht. Tristan stand auf, küsste meine Stirn und wollte gehen, da wandte er sich noch einmal um. „Vertrau den Göttern mein Junge! Ach ja, hinter den Felsen da hinten findest du eine Quelle.“ Er zwinkerte mir zu und ging dann. Ich fühlte mich verlassen und wusste einfach nicht was ich hier sollte. Ich legte mein Kinn in meine Hände und dachte nach. Doch alles was ich im Raum hinter meinen Augen sah, war das Gesicht dieser Frau. Wer war sie. Die Nacht legte sich über das Land und das letzte Licht des Tages ließ den Himmel schillern. Ein Gähnen bahnte sich den Weg aus den Tiefen meines Körpers. Ich konnte nicht mehr denken. Ich ging und suchte die Quelle, wusch mich und labte mich an dem frischen Wasser. Voller wirrer Gedankenfetzen legte ich mich nieder. Seit meiner Zeit auf Hulias, als ich Schafe und Ziegen hütete und seit meinem Weh hierher habe ich nicht mehr unter freiem Himmel geschlafen und vergessen, wie weit der Sternenhimmel ist. Ich blickte hinauf und meine Augen striffen von einem Stern zum anderen. Einer von ihnen funkelte besonders und fiel mir daher in die Augen. Ich kannte seinen Namen nicht, doch erkannte ich bei aller Müdigkeit das er im Nordwesten stand. Der Mond ging mit einer dünnen Sichel auf. Ich dachte an die Worte meines Vaters, als er mir erklärte woran man erkennen kann, ob der Mond zu- oder abnahm. „C“ nimmt er zu, dachte ich und schlief ein. Ich träumte wirr und in Fetzen, doch bevor ich aufwachte, sah ich wieder diese junge Frau. Sie stand an einem Apfelbaum und über ihr stand eine dünne Mondsichel. „C“ nimmt er zu, dachte ich und erwachte. Der Morgen graute und ein dünner Silberstreif schmückte den Himmel. Es war warm und obwohl ich wirr geträumt hatte, war ich erholt. Zurück am Tempel nahmen mich Tristan und Herani in Empfang. Herani drückte mich, als sei ich lange Zeit fort gewesen. Ich mochte sie und sie mich auch. „Nun?“, blickte mich Tristan fragend an. Ich erzählte von den Erlebnissen am Abend und in meinen Träumen. Tristan und Herani wechselten einen flüchtigen Blick da unterbrach Herani die Stille: „Jetzt gibt es erst einmal Frühstück Jüngelchen!“ Nach dem Frühstück gingen Carini und ich die Bauern zu besuchen, sie zu beraten, das Wort Caihume's zu predigen und sie zu segnen. Was hatte sich Carini entwickelt! Keine Spur mehr von Zurückhaltung und Scheu. Ich freute mich riesig für sie, denn sie hatte ein gutes und reines Herz. Auf dem Weg nach Hause musste ich ihr das auch sogleich sagen. Sie war sehr glücklich darüber. „Danke Eseos! Das bedeutet mir sehr viel! Aber du schienst heute gehemmt. Geht es dir nicht gut?“ Sie sprach aus, was ich die letzten Tage tief in mir gefühlt hatte...eine Enge, eine Beklemmung die sich um mein Herz gelegt hatte. „Diese Träume Carini und diese Frau die mir dort begegnet, sie lassen mich nicht los.“ Carini erötete. „Nun, du bist ein charismatischer Mann und von guter Statur. Hast du nie daran gedacht, dir eine Frau zu wählen? Hast du nie daran gedacht, dass wir vielleicht...“ Sie brach ab. Ich blieb stehen und nahm ihre Hand. „Carini, du bist eine sehr hübsche Frau und der Mann der dir bestimmt ist darf sich glücklich schätzen. Aber...“, nun stockten mir die Worte. Sie küsste mich auf die Wange. „Wir sind Geschwister Eseos, nicht wahr?“ Sie lachte und ging weiter. Bei den Göttern sie hatte gesprochen was ich dachte oder vielmehr fühlte. „Ehm...ja.“, sagte ich mehr zu mir als zu ihr. „Warte Carini!“

Zurück am Tempel warteten bereits Herani und Tristan uns. „Nun?“, blickte mich Tristan fragend an. Doch Herani unterbrach mich als ich antworteten wollte. Sie drückte mich an sich, als ob ich lange Zeit fort gewesen war. „Erst wird gegessen!“ So setzten wir uns zum gemeinsamen Abendmahl und nun durfte ich von dem erzählen was ich erlebte. Ich berichtete von den wirren Träumen, den Sternen und dem Mond. Doch bis auf einen kurzen Blick den Tristan und Herani sich zuwarfen blieb meine Erzählung unkommentiert. Der nächste Monat ging, der Mond vollzog seinen Zyklus und meine Träume waren ruhig. Doch als der Mond das nächste Mal seine Sichel zeigte und zunahm, änderte sich dies. Ich träumte wieder ich sei im Wald auf einer Lichtung. Die junge Frau stand da, Wachteln huschten um sie herum und ein Hirsch der im hohen Gras äste. Er blickte kurz auf und wie in Zeitlupe versank ich eine kleine Ewigkeit in seinen Augen. Letztlich ließ er sich aber nicht weiter stören und äste weiter. Eine dünne Mondsichel in Form eines „C's“ stand über der Frau. Ein Licht stieg aus ihr empor und zog mich zu sich. Eine Stimme ertönte: „Komm zu mir Eseos!“
Ich erwachte schweiß gebadet und voller Unruhe. Es war Ende des fünften Monats und es war früh am morgen doch bereits hell. Ich wusch mich, doch die Unruhe mochte nicht vergehen. Ich versorgte die Tiere, doch auch sie waren voller Unruhe. Das Frühstück mochte nicht schmecken und meine Gedanken waren voller trauer. Ich war hier und ich fühlte mich wohl! Warum sollte ich fort? Carini ging alleine und Tristan und Herani nahmen mich in die Mangel. Widerwillig erzählte ich von meinem Traum. Als ich fertig war schwiegen wir alle drei. Nach einigen tiefen Atemzügen, nahm Herani meine Hand. „Es wird Zeit Eseos.“ Selten nur nannte mich Herani bei meinem Namen. Sie stand auf und ging. Selbst Tristan brachte nicht mehr als ein Schulterzucken heraus, bevor auch er ging. Ich war allein und haderte mit meinem Schicksal. PIEPS! Ein Vogel saß,auf einem kleinen Zweig und blickte mich an. „Ist ja gut!“, brüllte ich und ging in meine Kammer. Am nächsten Morgen schwiegen wir uns an. Erst nach dem Frühstück brach ich das Schweigen. „Ich...ich...hmmm...“ „Du wirst gehen Eseos und das ist auch gut so!“, überfuhr mich Carini. Sie drückte mich herzlich. Und auch Tristan und Herani umarmten mich. So eingeschnürt und knapp mit atmen begann ich zu weinen. „Der Weg der Götter ist manchmal schwierig zu begehen, aber du wirst geführt. Vergiss das nicht Eseos!“ Carini...sie hatte sich wirklich gemacht! Herani reichte mir ein Bündel „Und am besten gehst du jetzt mein Jüngelchen!“ Sie blickte mich voller wärme an und meine Tränen versiegten. „Jetzt?“, fragte ich mit Kloß im Hals. „Worauf willst du denn noch warten Junge!“, raunzte mich Tristan an. „Soll Caihume dich etwa persönlich abholen?“ Ich lachte. Und die drei stimmten mit ein. Sie fassten sich bei den Händen und bildeten einen Kreis um mich. Alle drei stimmten einen Segen an und ich bekam eine Gänsehaut am ganzen Körper. Am Ende legten sie alle drei ihre Hände auf meinen Körper. Ich spürte wärme und ein Gefühl der Zuversicht. „Eseos denk daran, dass du in jedem Caihumetempel Obdach oder zumindest ein Nachtlager finden wirst. Die göttliche Mutter ist stets mit dir!“, sagte Tristan sanft. „Sie ist mit uns allen!“, ergänzte Carini, legte dabei den Kopf zur Seite und lächelte. So drückte alle nochmal herzlich an mich. Besonders aber Carini, meine Schwester unserer gemeinsamen Mutter. „Los jetzt!“, sagte Herani, und ich ging ein weiteres Mal hinaus in eine Welt die ich nicht kannte. Sie blickten mir lange nach, dass wusste ich, auch wenn ich es nicht wagte mich umzudrehen.
In Gottes Händen sind wir wie ein Feld aus goldenen Ähren. Nur gemeinsam können wir uns stützen, um im Licht des Herrn zu wachsen, und im Hagel und Sturm der Finsternis zu widerstehen!
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eine gewagte Reise im Namen des Herrn

Beitrag von Eseos »

Ich war also wieder auf Reisen und mit jedem Schritt den ich tat, wurde mein Herz leichter. Ich ging zum Hafen, um mich dort nach einer Möglichkeit umzusehen von der Insel zu kommen. Aber wohin sollte ich gehen?
Die ersten Schiffe die ich erspähte waren Fischerboote, nicht unbedingt schlecht, aber ich wollte aufs Festland. „Festland?!“, brummte ein Fischer mir zu. Sein Blick verriet, dass er sicher nicht Richtung Festland fuhr. „Gefällt's dir nicht bei uns?“, brummte er nach einigen Blickwechseln. „Der göttliche Vater ruft mich, also muss ich wohl oder übel folgen!“, sagte ich und hob die Hände offen, bis leicht über die Hüften. „Ah, diese Götter und ihr Plan!“, dabei warf er mir eine Hand entgegen und wendete sich ab. Aber ob er wollte oder nicht, auch über ihn wachte der Herr. Der Fischer der nebst ihm ankerte, war ein junger Mann und er hatte mitgehört. Seine Haut war noch nicht lederig und hatte einen goldigen Teint. Er winkte mich zu sich. „Bist du der Prediger, der aus der Ferne kommt?“. Seine hellbraunen Augen sprühten vor Freundlichkeit und Güte und seine Stimme war angenehm in den Ohren, wie Butter auf der Zunge. „Ehm, ja...also wenn es hier keinen anderen gibt, der von fern kommt meine ich. Ich heiße Eseos.“. Er blickte mich an und seine Mine wurde für einen Moment trüb. „Na, da werden mein Onkel und seine Familie aber traurig sein. Sie leben in der Siedlung unter dem See und haben mir von dir erzählt.“ Ich war gerührt und meine Sicht verschwamm für eine kurze Zeit, doch ich fand meine Haltung schnell wieder. „Die Siedlung unterm See, es ist hübsch dort. Wie heißt dein Onkel?“. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nicht nur Herani, Tristan und Carini zurück ließ, sondern auch all die Menschen, denen ich in den letzten Jahren, Beistand und Trost, aber auch Rat und Tat spendete. Sein Name war Sebal und erzählte von seiner Familie, seinem Vater und seinem Onkel, wie der Geist der See ihm ein Zeichen sandte, sodass aus einem Bauernjungen ein Fischer wurde. Seine Augen versprühten dabei wieder diese natürliche Freundlichkeit und sein Gesicht war erfüllt von Zufriedenheit und Freude. Er vertraute dem Herrn und war dankbar für das Geschenk seines Lebens, dass konnte jeder spüren der sein eigenes Leben selber so begriff. „Auch ich erhielt Zeichen zu gehen und an einem anderen Ort dem Herrn zu dienen. Nun brauche ich nur ein Zeichen, wie ich dort hin kommen soll und vor allem wo!“. Wir lachten. „Normalerweise fahre ich nicht weit hinaus und schon gar nicht zum Festland. Aber letzte Nacht träumte ich, dass ein großer Fisch sich in meinem Netz verfing und während er versuchte frei zu kommen, brach der Schäkel und das Netz ging los. Es war seltsam, denn der Fisch leuchtete eigenartig. Sowas habe ich noch nie gesehen. Ich suchte nach meinem Netz und war erst ganz verzweifelt, doch auch das Netz leuchtete nun und so kam ich zu einem fernen Ort, der an fremden Gestaden liegt.“ Aufmerksam, da voller Interesse lauschte ich seiner Erzählung. Es war ein Traum in der Sprache der Götter, damit kannte ich mich allmählich aus. „Wie hieß der Ort Sebal?“. Er überlegte, war sich aber nicht sicher. „Irgendwas mit 'nem „f“ oder „v“, der Name war mir Fremd und auch der Klang, aber angefangen hat er mit einem „k“ oder, oder einem „c“.“. „Wie weit fährst du Sebal?“, fragte ich ihn. „Nun, eigentlich bleibe ich am liebsten zwischen Occlo, Den, Nujel'm und Moonglow. Besonders jetzt im Sommer finde ich dort guten Fisch, denn die Schwärme ziehen und dort gibt es immer viel gutes zu fangen!“ Ich dachte nach... Von  Den kam ich, Nujel'm wollte ich meiden – zuviele Menschen und außerdem war ich in meinen Träumen stets im Wald, aber es war der am weitesten entfernte Ort den Sebal erreichen könnte. Ich überlegte was ich tun sollte. Es war mir unangenehm zu fragen, denn ich hatte nichts das ich ihm geben konnte außer meine Arbeitskraft. Und er fuhr ja auch nicht zum Vergnügen hinaus. Er war so freundlich und ich entschied mich in nicht mit meinen Angelegenheiten behelligen. Ich dankte ihm für das Gespräch und war gerade dabei ihm ein langes und glückliches Leben zu wünschen, da nahm sein Gesicht einen verwunderten Ausdruck an. „Hast du nicht noch was vergessen?“ Herausgerissen aus meiner Abschiedsformel dachte ich angestrengt nach, fand aber keinen Grund für seine Frage. „Habe ich?“ erwiderte ich. Meine Mimik muss sehr komisch ausgesehen haben, denn Sebal begann zu lachen, aber sagte schließlich: „Na du hast vergessen zu fragen, ob ich dich mitnehme!“. Für einen Moment war ich entsetzt, dass dieser junge Mann, eigentlich eher ein älterer Bursche, mir so souverän begegnete. Er fing erneut an zu lachen „Könntest du doch nur dein Gesicht sehen!!!“. Das war mir jetzt etwas zu viel Humor auf meine Kosten, doch ich lächelte und fragte schließlich ob er mich so weit wie möglich mitnehmen könne. „Ich helf' dir auch so gut ich kann! Ich habe zwar keinen Besitz, aber ich bin kräftig!“ Mit einem Wink seines Kopfes erhielt ich prompt Antwort und so stachen wir denn auch bald in See. Er erklärte mir einige Handgriffe das Netz und die Winsch betreffend, da ich noch nie mit einem größeren Boot zum fischen gefahren bin. „Bist du immer alleine draußen Sebal?“. „Naja, auf Occlo gibt es nicht viele Fischer die weit hinausfahren. Aber ich musste sehen wo ich bleibe. Die alten hängen alle an der Küste.“. Er erklärte mir wie er dazu kam, weiter hinauszufahren als die anderen, wie die Fischschwärme ziehen und das ihm die See stets treu geblieben sei. Am frühen Nachmittag – nach etwa sechs Stunden – erreichten wir die Stelle an der er fischen wollte. „Wir müssen uns etwas ausruhen Eseos, die Nacht wird lang!“ Ich schwitze, den trotz der steifen Brise, war es warm und das ich meinen Oberkörper entblößt hatte, änderte wenig daran. Zu dem Salz meines Schweißes hatte sich auch noch jede menge Salz aus der Gischt gesellt und ich fand, dass ich begann zu riechen. „Kann ich vorher hier baden gehen oder ist es zu gefährlich?“, fragte ich und rieb mir Salz von der Stirn. „Ich werde es jedenfalls tun! Aber das Salz wirst du auf See nie los!“ Während ich meine übrigen Sachen auszog und grob zusammen legte, merkte ich wie er mich neugierig ansah. „Ich wusste gar nicht, das Geweihte so kräftig sind.“, sagte er, senkte seinen Blick und hielt sich die Hände seltsam vor den Schritt als ich ihn ansah. „Nun ja, ich bin noch kein Geweihter und ich war ja auch nicht immer in des Herrn Diensten. Ich war ein Bauernjunge und habe Ziegen, Schafe und Kühe gehütet. Und ich denke, wenn du die Jahre hast, die ich schon habe, dann übertriffst du mich sicher bei Weitem!“ Ich wollte aber nicht länger so blank vor ihm stehen, während er noch spärlich bekleidet vor mir stand und stieg über die Reling, er wartete jedoch noch bis ich ganz ins Meer gestiegen war. Das Wasser war gar nicht so warm, wie ich erwartet hatte und das tat ich auch kund! Sebal lachte. Das ist der Grund, warum ich hier geankert habe. Aus dem Süd-Osten kommt kaltes Wasser hier herauf und die Fische folgen ihm.
=Arial,sans-serifEs passierte, was sich angekündigt hatte und Sebal und ich wurden miteinander vertraut. Es war schön die Nähe eines so sympathischen Menschen und eines schönen Körpers zu spüren. Nachdem wir einander genossen haben, schliefen wir einander zugewandt ein. Die Nacht brachte nur wenig Fisch, doch Sebal schien nicht überrascht, aber dennoch etwas ägerlich. „Sie sind schon weiter nach Norden gezogen! Aber wir werden ihnen folgen.“ Dabei zwinkerte er keck und rief mir ein paar Anweisungen zu, während er den Anker lichtete. Wenig später hatten wir fahrt aufgenommen und segelten gen Nord-Westen. Wir fuhren bis zum späten Mittag und ankerten. Sebal kontrollierte das Netz und ich nahm den trockenen Fisch von den Leinen, die zu diesem Zweck quer übers Boot gespannt waren.
=Arial,sans-serifIch erschrak aus dem Schlaf. Ich hatte geträumt, aber so undeutlich und...ich versuchte mich zu erinnern, aber alles war so gepresst, als wenn ich ein halbes Menschenleben in einem Augenblick erlebt hätte. Ich erinnerte mich an ein Kichern...glockenhell...es war das Kichern der wunderbaren Frau aus meinen Träumen! Doch ich schob den Gedanken beiseite, denn der Zeitpunkt aufzustehen war günstig. Das letzte Licht des Tages schimmerte bereits am Horizont. Und so aßen wir und legten dann das erste Mal für heute Nacht das Netz aus. Die Sterne begannen zu funkeln und Sebal und ich zeigten uns Sternenbilder. die wir kannten und verglichen die Namen, denn manchmal waren sie nicht gleich. Plötzlich begann das Boot zu leicht schaukeln, als wenn ihm jemand einen kleinen Schubs gegeben hätte. Es dauerte nicht lange da gab ihm wohl jemand einen noch stärkeren Schubse, denn nun schaukelte es deutlich. „Was beim Klabautermann!“,rief Sebal besorgt. Ich ahnte bereits leise was passierte, dachte aber nicht nach, sondern hielt mich voller Panik am Boot fest. „Göttlicher Vater voll der lichten Liebe, gebenedeit und behütet seien deine Kinder, ob des Himmels oder der Erde!“ Das Schaukeln beruhigte sich und es stellte sich eine kleine, aber stetige Schlagseite ein. Sebal sprang auf und lief sicheren Schrittes auf die Reling zu. Das Seil an dem das Netz hing, war zum zerreißen gespannt und die Holzkonstruktion der Winsch ächzte. „Eseos, dass musst du...“, er brachte den Satz nicht zu Ende, denn plötzlich hing das Seil schlaff und so das Boot eben noch Zug bekommen hatte, machte es sich nun daran bockig in die Gegenrichtung zu schwingen. „Eseos!“ Sebal's ruf war aber nicht entsetzt, sondern merkwürdig aufgeregt. Ich eilte zu Reling und mein Blick folgte Sebal's ausgestrecktem arm. „Da! Siehst du es?“. Ein eigenartiges Schimmern oder Leuchten entfernte sich vom Boot und verschwand kurz danach in den Weiten des Meeres. Sebal rannte zum Anker und begann ich zu lichten. „Mach das Segel los, Eseos und dann setze es, aber dalli!“ Der junge Mann verstand es Anweisungen zu geben, ohne dass man auch nur einen Wimpernschlag darüber nachdachte. Ich tat wie mir aufgetan und innerhalb von wenigen Herzschlägen waren wir in Fahrt. Der Wind stand günstig, doch dem Schimmern konnten wir nicht folgen. Doch Sebal ließ den Horizont und die Richtung in die das eigenartige Phänomen entschwand nicht aus den Augen. Der Wind bließ kräftig aus einer Richtung und für mich blieb nicht viel zu tun. Das Boot hüpfte über die Wellen, wie ein flacher Stein übers Wasser springt, und die Gischt verteilte einen unsichtbaren, aber feinen Nebel. Ich beobachtete Sebal. Der war voll in seinem Element und schien sogar begeistert. „Sebal, bist du gar nicht ägerlich oder ängstlich?“ Er schaute mich an und lächelte. „Nein, du?“. Ich wusste, dass ich auf diese Frage nicht antworten brauchte. „Beim Klabautermann, Eseos...die Geister der See offenbaren sich gerade und du redest von Angst und Ärger! Es ist wie in meinem Traum!“. Das Boot flitze über einen hohen Wellenkamm und stampfte im Tal kräftig auf. Ich hielt mich krampfhaft fest, doch Sebal johlte verzückt. Als ich ihn so sah, beschloss ich meine Angst über Bord zu werfen und stimmte auch zu einem Johlen an „Nun erfährst du die Freuden der See, mein Lieber! Aber an deinem Johlen übst du noch!“, rief er, stimmte ein erneutes Johlen an und ich stimmte mit ein. Wir lachten und standen Seit an Seit. Er erzählte mir, wie der Wind, so er wehte, ihm die Sorgen weg bließ und wie das Wasser im die Angst abwusch. „Und was ist bei Sturm?“ Er legte den Kopf zur Seite und ein Grinsen blitze in der Nacht. „Da bleibe ich im Hafen!“ und wir lachten erneut. Der Wind ließ nicht nach und nach und nach lichtete sich der Nacht dunkler Schleier. Die Nacht lag über dem Meer wie zwei Leiber die sich lieben. Doch es war nicht finster. Die Sterne schimmerten und halfen uns die Richtung zu behalten. Auch der Mond spendete in einer dünnen Sichel Licht. Es war Anfang des sechsten Monats. Als das Licht die Dunkelheit endgültig vertrieben meinten wir am Horizont eine Küstenlinie ausmachen zu können. Und tatsächlich, je mehr Zeit verstrich, desto deutlicher wurde uns, dass wir auf Land zusteuerten. Der Wind flaute zu einer Brise ab und wir beschlossen parallel zur Küste zu bleiben. „Was nun Sebal?“, fragte ich. „Keine Ahnung, halte nach anderen Booten oder Schiffen Ausschau!“ Doch wir waren alleine. Gegen Mittag erst, machten wir ein Boot aus. Es war ein Fischer aus einer Stadt die Ansilon heißt. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. „Sebal! Ansilon! Meine Träume, die Mondsichel die immer wieder auftauchte....!!!“. Nun war ich total von der Rolle. „Sebal!“, rief ich erneut und hielt mir den Kopf. So setzten wir Kurs. Nach einiger Zeit blickte mich Sebal lächelnd an, legte den Arm um mich und zog mich an seine Seite. „Ich habe dir nicht erzählt, dass ich in meinem Traum auch von einem Mann geträumt habe, der bei mir war. Als ich dich sah, wusste ich das du es warst. Unser Schicksal hat sich offenbart, auch wenn unsere Wege sich bald trennen werden. Du wirst deine Frau finden und ich mein Netz!“. Er grinste und küsste meinen Kopf. „Da predige ich von der göttlichen Mutter und gebe den Menschen Rat und lerne von einem jungen Fischer, was es bedeutet sich dem Schicksal hinzugeben. Du hast mir nicht erzählt, ob du im Traum dein Netz wiedergefunden hast.“ Er blickte mich an. „Und?“, fragte ich explizit. „Nein, habe ich nicht!“, antwortete er. „Aber der Traum ist ja auch nicht damit zu ende gewesen.“ und grinste wieder dabei. „Fährst du nun wieder nach Occlo?“ Er schüttelte den Kopf. „Aber deine Eltern, sie machen sich bestimmt...“, da brach ich ab. Sebal sah mich an und hatte den Mund schon geöffnet um mir Parole zu bieten. Wir sahen uns in die Augen und kicherten. „Siehst du, der Wind trägt's fort!“ Am frühen Nachmittag erreichten wir einen kleinen Hafen der zur Stadt Ansilon gehörte. Ich war aufgeregt und unendlich dankbar Sebal kennengelernt zu haben. „Wie ist dein Traum weitergegangen?“, fragte ich und die Worte mussten sich schon anstrengen den Kloß in meinem Hals zu passieren. „Das erzähle ich dir, wenn wir uns wiedersehen!“ Wir umarmten uns, legten Stirn an Stirn aneinander und standen so eine kleine Ewigkeit zusammen. Schließlich sagte ich:„Leb wohl mein Bruder im Herzen! Mögen die Götter dir stets zur Seite sein! Ich kann dir gar nicht genug danken und werde für dein Glück und Wohl beten!“ Aus dem alten Burschen war in dieser Nacht ein junger kräftiger Mann geworden und ihm standen nun die Tränen in den Augen, die ich mir mit größter Mühe verkniff. Als sie begannen ihm über die Wange zu rinnen, öffneten sich aber auch bei mir die Schleusen. „Danke Eseos, ohne dich wäre mein Schicksal nicht offenbar geworden!“ Wir küssten einander und ich verließ sein Boot.
 
In Gottes Händen sind wir wie ein Feld aus goldenen Ähren. Nur gemeinsam können wir uns stützen, um im Licht des Herrn zu wachsen, und im Hagel und Sturm der Finsternis zu widerstehen!
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