„Dominus vobiscum
Et cum spiritu tuo. Quid est, quod vis?
Iter! Claudite fenestras et portas! Nunc manus
Dei punientis pestilentiam etiam
Agentem apportavit!
Domine, serva animos nostros... „
Der Rauch den ich aufsteigen sah, führte mich geradewegs zurück nach Ansilon, wie mir ein Händler berichtete, den ich auf dem Weg dort hin traf. Nur widerstrebend folgte ich dem Weg zurück in die Stadt. Ich war also mal wieder im Kreis gegangen, was solls, der Herr würde schon etwas damit im Sinn gehabt haben und Umwege erhöhten schließlich die Ortskenntnis...
Es war seltsam als ich den Wald verließ. Auch wenn es von Zeit zu Zeit eng, dunkel und stickig war im Wald, oder auch manchesmal majestätisch und weit wie eine Kathedrale, Angst hatte ich zu keiner Zeit. Es war, als läge mein Kopf in einem warmen Schoß und eine Decke läge um meinen Leib. Hier war ich der Schöpfung nahe und fühlte die Ordnung des Lebens. Nun, da ich den Wald verlassen hatte, war auch diese Decke leider wieder fort.
Doch die Alte sagte nach Norden oder Osten, also musste ich mir wohl von hier meinen Weg suchen. Die Stadt empfing mich erneut mit dem was passiert, wenn zu viele Menschen auf engem Raum leben. Gewusel, Gebrüll, Gestank! Drei G's dachte ich noch, bevor mich das Treiben mit sich nahm.
Nach Norden oder Osten oder beide - Ich musste Menschen finden, die wussten wie ich schnell und sicher dort hinkommen würde und vielleicht auch noch wussten, was dort war. Aber wo ich auch fragte, alle wollten Geld sehen oder barschten mich an, was ich sie denn fragen würde. Einer gab dann noch einen kleinen aber feinen Hinweis, als er fluchte „Ich solle ihn in Ruhe lassen, er sei doch kein Fernhändler!“. So folgerte ich, dass es Händler gab die eher vor Ort blieben und welche die die weiten Routen zwischen Städten und Ländern zurücklegten.
Also zum Hafen dachte ich. Aber wo ich auch fragte, keiner fuhr in den Norden. Die meisten lachten mich aus und meinten nur, dass die Stürme bald kämen und alle die nach Norden führen, schon auf dem Weg seien. Außerdem sei es dort sehr kalt. Ich ließ mich auf einer Kiste nieder und dachte nach. Ich wollte endlich meinen Weg im Leben finden, endlich meine Bestimmung finden. Und nun saß ich hier, hatte nur wenig Geld und wusste nicht mehr weiter. Ich kannte diese Welt nicht, hatte nur selten mit Geld zu tun. Ich hütete Ziegen, Schafe, die wenigen Kühe. Ich war ein Bauernjunge, ein alter Bauernjunge, ohne Land und Herd. Aber ich sehnte mich gerade nach den kargen Bergen und den Viechern zurück...
Das Kinn wieder in meinen Händen vergraben, vernahm ich ein schrilles Piepsen. Ich versuchte es auszublenden, doch wieder – „PIEPS!“. „PIEPS, PIEPS!“. Tief in meinem Kopf zog eine Erinnerung vehement am Rockzipfel meines Bewusstseins. Das Piepsen...der Vogel...WO WAR ER? Ich lief los und als ich an ein Schiff kam, dass sich gerade zum Ablegen fertigmachte, sah ich ihn auf der Reling sitzen. Ich sprang behende an Board und fragte mich zum Kapitän durch und für das Versprechen, dass ich der Besatzung half wie ich konnte, durfte ich mit ihnen fahren. Ihr Ziel war eine Tropeninsel namens Den. Sie lag perfekt zwischen Norden und Osten. Dort wollten sie Waren tauschen und dann weiter nach Silberburg. Die Winde waren nicht günstig und so mussten wir Meile um Meile rudern. Ich war harte Arbeit gewöhnt, aber das hier war dann doch die Hölle. Stickig, stinkig, schwitzend und mit blutenden Schwielen an den Händen erreichten wir unser erstes Ziel. Nach einer Nacht im Hafen musste ich mich entscheiden, blieb ich an Bord und fuhr nach Silberburg, oder sollte ich versuchen mit einem anderen Schiff in die Berge und durch die Wüste nach Nalveroth zu gelangen, oder vielleicht ein ganz anderer Kontinent? Oder sollte ich hierbleiben? Ich kannte keinen der Orte und Länder. Nun war guter Rat teuer. Hier wollte ich aber nicht bleiben. Ich war noch nie hier, spürte aber, dass hier weniger aufrechte Menschen lebten.
So blickte ich zum Himmel. Die Nacht war verhangen, dabei aber nicht finster, denn ab und an öffneten sich die Wolken und gaben den Blick auf den Himmel frei. Doch hier fand ich keine Antwort. Und so versenkte ich wieder mal mein Kinn in meinen Händen. So auf der Reling aufgestützt, sah ich einen Stern am Horizont aufgehen. Er war hell und hatte einen warmen Schein.
Auch von Hulias aus konnte man um diese Jahreszeit, einen Stern am Osten über dem Horizont aufgehen sehen. Osten, flüsterte ich! Ich fragte jeden der nicht schlief oder betrunken war, was im Osten liegt. Es waren denn auch nur wenige, die mir überhaupt antworten konnten. Aber zweimal lautete die Antwort „Taresien!“. Ich wollte also weiter nach Taresien. Aber kein Schiff fuhr dorthin. Zumindest keines das auf Reede lag. Als der Tag anbrach und der Hafenmeister wieder nüchtern genug war um zu sprechen, sagte er mir, dass taresische Händler gestern abgelegt hätten. Sie kämen jedoch alle zwei Wochen hier her. Zwei Wochen dachte ich, wie sollte ich die Zeit überstehen. So machte ich mich daran zu erkunden wo ich gelandet war.
Die Insel war relativ groß und einige Flecken waren von Bäumen bewachsen, größer als Haine, aber Wälder gab es hier keine. Dennoch versuchte ich dort Schutz und Nahrung für die nächsten Tage zu finden. Fallen konnte ich stellen, nicht gut, aber für einen Hasen oder ein Kaninchen hat es schon öfter gereicht. Das Wäldchen war arm und nicht mehr ursprünglich. Vor Wildtieren brauchte ich mich hier nicht zu fürchten. Ich fand am Waldrand zwei Maronenbäume und ein paar wilde Kartoffeln. Zweimal konnte ich tatsächlich einen Hasen fangen, aber das Ausnehmen war schwer, hatte ich doch kein geeignetes Messer. Aber in den Tagen hier im Wald war Schmalhans der Küchenchef. Ich hatte gerade genug, um nicht zu verhungern, oder zu erfrieren.
So schlief ich oft und vergaß ob es Abend oder Morgen war, ob ich träumte oder dachte, träumte das ich dachte. Oder dachte ich, dass ich träume? Was ich zu essen gefunden hatte, war seit Tagen aufgebraucht. Ich hatte übel Hunger und da ein Übel selten allein kommt, hatte ich auch kein sauberes Wasser gefunden. So musste ich schmutziges Wasser trinken.
Die Reaktion ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Mein Darm erbrach sich und mein Magen auch. Es dauerte nicht lange und ich befand mich in einem Delirium.
Die Zeit verstrich und in einigen wachen Momenten, spürte ich, wie die Wärme des Lebens meine Glieder verließ und ich immer weniger spürte. Ich glitt in der Zeit zurück und sah meine Mutter und mich am Tag meiner Geburt. Sie sah mich an und aus ihr wurde ein Licht. Dann sah ich wieder mich, wie ich dalag, mit blauen Händen und Lippen, starr vor Kälte. Das Licht legte sich über mich und ich spürte wie Lebensenergie aus der Umgebung in meinen Körper gesogen wurde. Auch ich wurde in meinen Körper gesogen und ich spürte wie ich atmete. Ich öffnete meine Augen und Licht legte sich über sie. Mir war nicht klar ob ich schlief oder nicht, alles war hell und warm. Dann verschwand das Licht und ich bemerkte, dass meine Augen geschlossen waren. Ich öffnete sie. Ich setzte mich auf. Es war alles in Ordnung. Meine Arme und Beine waren warm und geschmeidig und selbst meine Nasenspitze war warm. Ich empfand ein großes Glück, Glück einfach am Leben zu sein!
Nachdem ich Richtung Hafen aufgebrochen bin, habe ich erst bemerkt, dass ich weder Hunger noch Durst hatte. War ich tot? Was war geschehen? Erstmal wollte ich in Erfahrung bringen, welcher Tag und vor allem welche Woche es war. Und vielleicht würde ich so auch erfahren, ob ich noch am Leben war, dachte ich.
Ich lief also Richtung Hafen. Menschen die mir auf meinem Weg begegneten lächelten mich an, keiner ging an mir vorbei ohne mich zu bemerken oder mir zu zu nicken. Ich fand das sehr freundlich. Gab es hier doch mehr gute Menschen als ich dachte, habe ich vorschnell geurteilt?
Der Hafenmeister rückte diesen Eindruck auch schnell wieder zurecht. Aber in seinem Geschimpfe und Gefluche verriet er mir dennoch, unbeabsichtigt natürlich, dass das Schiff der taresischen Händler noch nicht auf Reede lag. Also ging ich durch den Ort und sah mich um. Es war ein Ort an dem man bestimmt leben konnte, wenn man dass denn wollte. Oder musste.
Am Ortsrand, wo sich Wohn- und Bauernhäuser zueinander gesellen, sah ich zwei Männer vor einem Hof stehen. Der ältere der beiden schien ziemlich aufgelöst. „Lenhard, es tut mir leid, aber ich denke wir müssen sie Notschlachten. Sie leidet!“ Der ältere schüttelte den Kopf. „Bei dem Herrn, kannst du denn nichts mehr für sie tun?“ „Ich fürchte nicht.“, sagte er und legte seine Hand auf die Schulter des Alten. Ich trat ein Stück an sie heran und wurde prompt bemerkt. „Was willst du, Fremder? Kannst du helfen, dann hilf...ansonsten troll dich!“ Bei soviel Freundlichkeit musste ich schmunzeln, „Wenigstens kommt ihr zur Sache! dem Herrn zum Gruße guter Bauersmann. Ihr habt ein krankes Tier?“ Ich wurde aufmerksam gemustert. Der Blick des Alten und des Jüngeren glitten von oben nach unten: „Ein Wichtigtuer Lenhard, soll ich beginnen?“ „Nicht so schnell raunzte der Alte!“ und wandte sich an mich. „Meine Kuh Mina, sie frisst seit etwas über einem Tag nicht mehr. Und sie will seit dem frühen Morgen nicht mehr aufstehen.“ „Mein Herr“, sagte ich voller Mitgefühl, „dass ist in der Tat ein Grund zur Sorge!“ Meine Familie und ich hatten vornehmlich Ziegen und Schafe, doch auch stets ein paar Kühe. Und eine Kuh die nicht frisst und nicht mehr stehen mag ist ganz sicher krank. Darf ich sie mir mal ansehen? Wie heißt sie noch gleich?“ Der Alte musterte mich nochmal mit langen Blick, wandte sich dann aber zur Stalltür und ging hinein. „Komm, Mina liegt hier.“ Die Arme lag teilnahmslos im Stroh. Lediglich die Scheu und das Misstrauen das Kühen innewohnt, zwangen sie sich zu bewegen. Ich kniete mich neben sie und sprach in sanftem Ton mit ihr. „Wann hat sie das letzte Mal gegessen und wann zuletzt gekackt, mein Herr?“ Der Bauer antwortete prompt, „Gestern am Morgen!“. Gute Bauern wussten über ihre Tiere Bescheid, also war er ein Guter. Ich sah mir Augen und Zunge an. „Mein Ohm hat das bei uns immer übernommen und ich habe ihm oft zugesehen.“, sagte ich zu den Männern. „Ihre Augen sind klar und sie ist nicht verschleimt!“ Ich legte mein Ohr auf ihren Brustkorb. „Ihr Atem klingt frei! Aber er stinkt entsetzlich!“ - „Was bedeutet das?“, bedrängte mich der Alte. „Mein Ohm lehrte mich, dass Kühe einen schwierigen Magen haben und der sich manchmal verdrehen kann.“ „Kannst du etwas tun?“, der Alte war sehr mitgenommen. Ich erklärte ihm, dass ich selbst nie selbst Hand an kranke Tiere gelegt habe, aber ich oft dabei war, wenn mein Ohm es tat. „Ja und, kannst du es?“, vorsichtig mischte sich Hoffnung in seine Worte. Ich zuckte mit den Schultern und sagte. „Ich kann es versuchen. Schlimmer kann es ja kaum werden!“. Die arme Mina dachte ich und streichelte ihren Hals. „Dann los!“, der Alte blickte mich an, wie ich Mutter angeblickt habe, wenn es eine Überraschung geben sollte. „Wir müssen es schaffen, dass sie aufsteht! Sie wird es nicht wollen, aber sie muss stehen, sonst kann ich nicht weiter machen.“ - So mühten wir drei uns, das kranke Tier zum aufstehen zu bewegen. Bei dem Herrn und den anderen Göttern, dachte ich. Mina bewegte sich kein Stück. Eine Kuh ist eben eine andere Gewichtsklasse. Der Schweiß stand uns schnell auf der Stirn und Mina stand noch nicht. Der Jüngere nahm Lenhard am Arm, „Lenhard, es ist zu spät, wir müssen handeln, bevor ihr Fleisch verdirbt.“ Dem alten Bauern schossen die Tränen in die Augen. Ich kniete mich wieder neben das kranke Tier und streichelte es. „Mina, magst du nicht mehr leben? Ist dein Herr nicht gut zu dir?“. Sie bewegte den Kopf. „Ach, du willst also doch noch ein Weilchen hier sein?“ Sie warf den Kopf hoch und muhte. „Na wenn das so ist, dann hoch Mina!“, rief ich zu ihr und zog sie am Hals in die Höhe. Und wie hoch, denn Mina stand auf, jedoch begleitet von einem markdurchdringenden Muhen. „Eilt euch meine Herren, schnell festhalten einer den Kopf, der andere Stell dich mir gegenüber auf die andere Seite!“ Bei den Göttern...wusste ich was ich tat? Aber ich konnte das arme Tier nun nicht im Stich lassen! Als alle ihre Position gefunden hatten, wurde es ernst. „So wie Ohmeio!“, sagte ich mir selbst. Ich schloss die Augen und in dem Raum der Gedanken, tat sich das Bild meines Ohm's auf. „So wie Ohmeio!“, sagte ich laut, nahm Anlauf und sprang der Kuh von schräg unten in die Flanke. Mina protestierte, blieb aber stehen. „Nochmal!“, und wiederholte es. Wieder protestierte sie, aber es folgte ein beherztes Rülpsen. Und um den Erfolg zu verkünden, kackte sie! Ohne uns weiter zu beachten, neigte die Kuh den Kopf und begann zu fressen. „dem Herrn sei Dank!“, rief ich. Der Jüngere der beiden war baff. Und der Alte? Er tanzte vor Freude, rannte ins Haus und rief etwas seiner Frau zu, kam wieder in den Stall und umarmte mich. Ich war ganz berührt von soviel Freude. Und so freuten wir uns gemeinsam und tanzten und sangen „Mina is gesund!“. Als wir uns genug gefreut hatten, fragten mich die beiden aus und ich stand Antwort so gut ich konnte. Lenhard schäumte über vor Dankbarkeit und auch der Jüngere schien zufrieden.
Als wir aus dem Stall traten, stellte ich fest, dass der Mittag bereits durch war. Ich erklärte den beiden, dass ich auf ein Schiff wartete und bald fort müsse. Lenhard wollte das ich zum Essen blieb, aber ich musste schweren Herzens ablehnen. Gehen konnte ich deshalb aber noch lange nicht. Nicht ohne das ich die halbe Speisekammer mit auf den Rücken geladen bekam. „Und hier mein Junge, nimm noch...!“ Es war gut. Ich war glücklich Mina geholfen zu haben und auch Lenhard und seiner Frau Suna. Ich musste gehen. „Ihr zwei, damit komme ich bis ans Ende des Meeres!“ und grinste. „Habt großen Dank! Lebt wohl und lang! Und du auch Mina!“ rief ich noch in den Stall. „Hab dank Eseos aus der Ferne! Und wenn du mal wieder in dieses Nest kommst, hast du ein Heim und einen Herd!“ Ich war gerührt. Wie schnell doch Fremde zu Freunden werden konnten.
Ich verneigte mich noch einmal und ging wieder zu Hafen. Und weil es heute irgendwie lief, stellte ich fest, dass das Schiff der taresischen Händler auch schon auf Reede lag. Ich stellte mich höflich vor und fragte, ob ich mitreisen könne. Die Männer machten einen rauen Eindruck, waren aber nicht unfreundlich. Wie schon zuvor war alles was ich anbieten konnte meine Arbeitskraft. Und dank Lenhard und Suna einen vollen Rucksack mit Proviant.
Nachdem Händler und Kapitän sich besprochen hatten, fragte mich der leinste und dickste von Ihnen, ob ich denn gar kein Geld bei mir hätte. „Meine Familie war nie reich an Geld. Alles was mir mein Vater mit auf die Reise geben konnte, sind diese zwei Silberlinge.“ Er rieb sich die Hände. „Lass ma' sehen Bursche!“ Es widerstrebte mir ihm die Silberlinge rauszurücken, empfand ich ihn doch als gierig und wenig gütig. Aber ich musste auch runter von dieser Insel. So gab ich ihm die Silberlinge. Aber nicht, ohne dafür zu sorgen, dass die anderen Händler es auch mit bekamen. „Dann nimm alles Geld das ich habe, aber teile es auch mit den Anderen.“, sagte ich mit deutlich angezogener Lautstärke. Die Wirkung trat sofort ein, denn einer der anderen Händler rief sofort herüber: „Teilen? Was denn? Lass ma' sehen Mosamed!“ Der Händler rollte mit den Augen und ging. Und ich grinste mir eins ins Fäustchen.
Die Reise war unruhig. Bei den Seewinden, so brechen musste ich noch nie! Ich! Ein Inselkind! Doch so unruhig die See auch war, so schnell waren wir denn auch bald da. Sie reisten immer von Nujel'm, nach Buccaneer's Den, dann nach Occlo, Magincia und wieder nach Nujel'm. Ich fragte denn nächst besten aus, immer den der gerade Zeit hatte, wenn ich sie hatte. „Auf Occlo leben eigentlich nur Bauern und Handwerker.“, meinte der eine Händler. Er war groß, beleibt und hatte eine fiebsige Stimme. Er war mir der liebste von allen. Sie nannten ihn einen Männerknabberer, aber an mir hat er zumindest nicht geknabbert. Er war und blieb bis zum Schluss freundlich.
In Occlo ging ich dann an Land. Die Erlebnisse um das Delirium, auch die Träume meiner Mutter und mir und das Erlebnis mit der kranken Kuh Mina, haben mich demütig werden lassen. Ich war schon immer demütig dem Herrn gegenüber, aber nun fühlte ich es, beziehungsweise wusste darum. Und so suchte ich zu aller erst nach einem Tempel des Herrn auf.
Ein Greis, eine Greisin und eine junge Frau empfingen mich dort herzlich. Kein Misstrauen, kein Argwohn begegnete mir, als ich dort eintrat und man mich einlud das Abendmahl mit ihnen zu teilen. Und das, obwohl keiner von ihnen mein Begehr kannte.
Während des Essens erst, fragten sie mich wo ich her kam, warum ich hier her kam und was ich auf Occlo wollte. Sollte ich ihnen alles erzählen? Ich war mir unsicher, doch entschied ich, genau so wenig misstrauisch zu sein, wie sie es waren. So erzählte ich von den Träumen, den Zeichen und meiner Reise. „Und nun Jüngelchen? Was willst du nun tun?“, fragte die Greisin milde. „Ich möchte den Göttern dienen. Ich möchte dem Herrn dienen!“ Sie sahen sich überrascht an. „Wieso denn dem Herrn?“, fragte der Greis.“Die Frage habe ich mir auch gestellt.“, antwortete ich. Ich erklärte, dass nach allem das mir widerfahren war, dem Herrn die passende Wahl sei. „dem Herrn zu dienen erscheint mir am richtigsten!“, fügte ich noch hinzu. Die beiden Greise schauten einander an. „Was meinst du denn Carini?“, fragte die Greisin die junge Dienerin des Herrns. Sie überlegte und die Gedanken spiegelten sich in ihrer Mimik wider. „Ich denke, dass er den Zeichen gefolgt ist und sich Gedanken gemacht hat. Also was kann falsch sein?“ Die beiden Greise nickten. „Was die Götter wollen, fällt uns schwer zu ergründen.“ Die Stimme des Alten nahm einen ganz sanften Ton an. „Sei willkommen, Eseos aus der Ferne. Du wirst noch etwas Zeit haben, deine Wahl zu ergründen. Es ist noch kein Priester vom Himmel gefallen.“ Die anderen beiden nickten zustimmend und so war ich im Tempel des Herrns zu Occlo aufgenommen. „Bis wir dir ein Zimmer hergerichtet haben, wirst du in Tristans Bett schlafen. Tristan schläft solange mit bei mir.“ Tristan starrte sie ungläubig an. „Du schnarchst aber ganz fürchterlich Herani!“, protestierte er. „Jetzt sei still du alter Knacker! Sollen wir die beiden jungen Dinger in einem Bett schlafen lassen? Dann können wir bald zusehen, wie Carini dick wird!“ Carini erschrak und sah zuerst Herani an, dann Tristan und dann mich, wobei sie dann errötete. „Jetzt setz den Kindern nicht noch einen Flo ins Ohr du Alte“, fuchtelte Tristan, aber ein kleines Grinsen konnte er sich auch nicht verkneifen. Es war mir unangenehm solche Umstände zu bereiten, doch mein Vorschlag ich könne mir ein Lager aus Stroh und Heu machen, wiegelten alle drei ab noch bevor ich ihn ausgesprochen hatte.Und so gingen wir alle friedlich zu Bett. Und wie ich schlief! Es war das erste richtige Bett seit Wochen.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es schon hell am Tag. Erschrocken hüpfte ich aus dem Bett und kaum hinaus getreten, bekam ich auch gleich einen Spruch von Herani an den Kopf geworfen. Doch alles was mir hier bisher begegnet war, war weit entfernt von Böswilligkeit. So lächelte sie denn auch dabei. „Carini hat sich bisher um die Schafe gekümmert, dabei aber ihr Studium der Schriften vernachlässigt. Kümmer du dich bitte um die Schafe, die Hühner und um Sina, Mirha und Malidoc, unsere Wachteln. Du kannst melken?“ Ich bejahte noch etwas verschlafen. „Dann wasche dich, was zu essen gebe ich dir dann und dann los!“ „Jawohl!“ antwortete ich und lief los. Nur um wieder umzudrehen, denn ich wusste nicht wo ich mich waschen konnte. Nachdem das erklärt war beeilte ich mich, denn es war schon spät am Morgen.
Als ich die Tiere versorgt hatte, schickte mich Herani Wasser holen. Danach sollte ich Stroh binden und eine Kammer ausfegen. Herani holte derweil ein paar alte Decken, die sie zum Lüften in die Sonne hing. „Und jetzt Jüngelchen nimmst du die einzelnen Bündel und bindest sie zu einem, lang genug, dass du dich darauf ausstrecken kannst. Verstanden?“ „Ich bin nicht tumb!“, lachte ich sie an. „Das wird sich zeigen!“, neckte mich die Alte. Als ich fertig war, sah ich stolz auf mein neues Bett, drehte mich in der Kammer einmal um mich selbst und war froh angekommen zu sein. So vergingen die ersten Wochen. Ich kümmerte mich um die Tiere und half dem, der gerade Hilfe brauchte. Ein wenig erinnerte mich das alles hier an zu Hause. Die beiden Greise waren wie meine Eltern und Carini wie eine Schwester. Nach etwa drei Wochen, nahm mich Tristan zur Seite und wir gingen spazieren. Er erzählte mir an dem Tag die Geschichte der Götter der neuen Welt. Ich lauschte voller Neugier und stellte einige Fragen. Nicht alle wollte mir Tristan beantworten und fügte hinzu: „Einige Antworten musst du selber finden Eseos.“ An in diesem Abend lag ich noch lange wach im Bett und dachte an das Erzählte. Ich stellte mir sie vor und versuchte die Wendungen zu verstehen. Hatten auch Götter ein Schicksal? Ich kannte bisher nur den Herrn. Irgendwann währenddessen schlief ich ein.
Am nächsten Morgen stürmte es und es ging so den ganzen Tag weiter. Herani meinte nur, dass der Winter nun da sei. „Sturm vor Wintersonnenwende bedeutet einen nassen und stürmischen Winter, aber ein frühes und warmes Frühjahr.“, sagte sie. Ich fragte woher sie das wisse und bekam zur Antwort: „An Geschichten von alten Frauen zu zweifeln lieber Eseos, lässt ihn jedesmal wieder etwas kleiner werden!“, und das verdeutlichte sie, indem sie Daumen und Zeigefinger langsam zusammen kommen ließ. Wir lachten beherzt. Aber schließlich musste ich doch raus und nach den Tieren sehen. Die Hühner waren bereits von selbst in ihr Haus gegangen. Die Schafe jedoch waren verängstigt und haben sich in kleine Grüppchen aufgespalten. Es hat eine Weile gedauert sie zu finden und zum Tempelgelände zurück zu bringen, und es hat mich meine trockenen Klamotten gekostet. Zum Glück hatte Herani eine herrliche Suppe gekocht. Den Rest des Tages verbrachten wir drinnen. Der Tempel und die dazu gehörenden Häuser waren zu unserer Freude fest gebaut, weitestgehend trocken und dicht, sodass wir den Sturm draußen aussperren konnten. „Wie es wohl den Bauern auf ihren Höfen geht.“, fragte ich in die Runde. Carini unterbrach das kurze Schweigen und sagte, dass die meisten Bauern sich gut zu helfen wüssten. „Und wenn nicht, werden wir es mit als erste erfahren.“ An diesem Tag gab mir Tristan mein erstes Buch zu lesen. So vergingen die nächsten drei Tage und aus dem Lesen wie ich es gelernt hatte – man stelle sich vor, mit einem Eimer Wasser aus einem tiefen Brunnen zu schöpfen, wurde zusehens erst ein Bächlein, dann ein Bach und dann ein Fluss. Ich laß und laß und laß. Bei dem Wetter auch das beste was mir zu tun blieb. Das Buch trug den Titel „Das Jahr der Diener des Herrns“ und war in einem eigentümlichen Wortlaut geschrieben. Am vierten Tag kam die Sonne aus den Wolken hervor gebrochen und wir vier gingen nach draußen und reckten und streckten uns. „Morgen ist alles wieder vorbei!“, knurrte die alte Herani. Ich sah sie an und intonierte ein „Warum das denn? Und woher weißt du das?“, doch Herani hob schnell eine Hand, grinste und schob Daumen und Zeigefinger Stück für Stück näher zusammen. „Was haben wir gelernt?“ Wir lachten. Diesen Tag nutzten wir zum Aufräumen, denn es hatte ordentlich geweht. Aber der nächste morgen, machte alles zunichte. Doch dieses Mal, schien der Sturm gar kein Ende mehr nehmen zu wollen. Tristan und Carini, die seit meinem Eintreffen zusammen die Siedlungen der Bauern besuchten um Segen zu spenden und zu predigen, hatten große Mühe hin und wieder zurück zu kommen. Mir gefiel das nicht, der Alte und die Junge so allein. Aber ich hatte meine Bücher und laß eifrig. „Rituale und Feste mit dem Herrn“ lautete der Titel des einen und „Lobpreisungen und Gebete“ das andere und wesentlich dickere Buch. Als wir zu Abend aßen wollte ich mein Bedenken ansprechen, dass Tristan und Carini so ganz allein im Sturm unterwegs mussten. Carini schien mein Bedenken zu teilen, aber Tristan tat es als Humbug ab. Ich wollte widersprechen, aber Tristan kam mir zuvor: „Weißt du Jungchen, immer wenn du einem alten Mann widersprichst, wachsen dir mehr und mehr Brüste einer Frau!“ Carini lachte, ich nicht. Und auch Herani kam über ein müdes Lächeln nicht hinaus. Sie legte ihre Hand auf meine und zwinkerte mich an. Ich wusste nicht genau, was sie mir damit sagen wollte, aber mein Herz sagte „Lass nur, ich kümmer mich drum.“. Am nächsten Tag kümmerte sich Carini wieder um die Tiere.
Tristan war ein strenger, aber guter Lehrer und bat mich vorerst im Hintergrund zu bleiben und nur zu beobachten. Bei den Menschen vor Ort war er ganz in seinem Element. Er strahlte eine Wärme aus und predigte mit soviel Hingabe, dass das ein oder andere Herdfeuer nicht mehr Wärme und Trost hätte spenden können. Als wir am Abend alle beieinander saßen, erzählte und erzählte ich. Ich war sehr beeindruckt und das musste ich kundtun. Und da der Sturm nicht nachließ, ging ich auch an den darauf folgenden Tagen mit Tristan, und Carini blieb bei Herani. Schneller und besser hätte ich nicht lernen können. Bald durfte ich den Kindern erzählen, während Tristan sich um die privateren Fragen einzelner Menschen kümmerte. Und so ergab es sich, dass mich Tristan an diesem Abend ausdrücklich lobte. „Du lernst schnell Eseos. Aber was noch viel wichtiger ist, die Menschen mögen dich! Du hast Charisma und es wächst von Tag zu Tag.“ Ich war erleichtert über seine Worte, habe ich doch befürchtet, dass mich die Bauern als Fremden nicht so einfach akzeptieren würden. Es war anstrengend, die weiten Wege und den Menschen mit Rat zur Seite zu stehen. Ich schlief tief und traumlos, jedoch nicht gut.
Als ich am nächsten Morgen erwachte, war es still draußen. Ich öffnete die Tür zu meiner Kammer und wollte schnell nach draußen huschen um mich zu waschen, da erschrak ich. Alles war weiß! Meine Eltern erzählten mir Geschichten davon, wie es einmal in 100 Jahren so auch auf Hulias war. Sie nannten es Eisflocken. Herani erklärte mir dann, dass man es auf Occlo Schnee nennt und das es auch auf Occlo nicht so oft schneien würde. Aber dieser Winter war härter als normal.
Wir saßen beim Frühstück, als Herani sagte, dass in den nächsten Tagen Carini und ich die Menschen besuchen würden. „Ohne Tristan? Wo is der denn eigentlich?“, fragte ich. Herani's Gesichtszüge waren mit Sorgen belegt. „Tristan hat sich erkältet.“, sagte sie. „Nix schlimmes, aber er braucht ein paar Tage Ruhe.“ Carini und ich blickten uns an, nahmen es aber so hin. So machten wir uns nach dem Frühstück auf den Weg.
Die meisten Menschen waren überrascht, dass Tristan nicht gekommen war, aber waren wohlwollend uns gegenüber. Carini predigte ganz anders als er. Sie war kühler, versprühte weniger Charisma als Tristan. Jedoch strahlte sie eine ganz ruhige und innige Güte und Milde aus. Ohne weitere Vergleiche bemühen zu können, folgerte ich daraus, es müsse daran liegen, dass sie eine Frau sei.
Wir stotterten hin und wieder und mussten auch mal nachdenken, wie es weiter ging. Doch wir machten unsere Sache gut. Den Segen zum Abschied sollte ich sprechen. Ich schwitze, obwohl es bitterkalt war draußen. Nun stand ich da und alle blickten mich an. Ich atmete ein und aus und ein und begann zu sprechen. Ein ungeheures Gefühl der Wärme und des Mitgefühls kam in mir auf und die Worte flossen aus mir, ohne das ich groß darüber nachdenken musste. Erst als mir ein freudiges „Amen“ entgegen brandete, wurde mir bewusst, dass ich eben den ersten Segen gesprochen hatte! So beschwingt machten Carini und ich uns auf den Heimweg.
„Du bist wie Tristan.“, sagte sie. „Ich? Wie Tristan?“ Sie erzählte mir davon, wie ich da stand und wie meine Worte eine Kraft annahmen, die sie so nur von Tristan kannte. Ich nickte, schwieg aber sonst und auch Carini schien nachdenklich. Erst nachdem wir den halben Weg zum Tempel zurück gelegt hatten, brach ich mein Schweigen. „Es war ein wunderbares Gefühl als ich vor den Menschen stand. Zuerst war ich unsicher und es war mir, als wenn mir die Stimme genommen war. Und dann plötzlich stieg eine Kraft in mir auf, sie ergriff mich und sie lenkte meine Zunge.“ Carini hörte mir zu, bemerkte aber als ich fertig war: „Da ist es wieder das Funkeln in deinen Augen!“
Wir kamen am Tempel an. Herani fragte uns sogleich aus, ob alles gut gegangen sei. Carini und ich antworteten mit freudiger Stimme und ausführlich genug, dass Herani schon die nächste Frage stellte. Als sie fertig war, fragte ich sie sofort, wie es Tristan geht. „Er schläft oder ruht, hat nur leichtes Fieber und immerhin ein wenig Appetit. Doch es ist das erste Mal seit zig Jahren, dass ihn die Götter prüfen.“ „Können wir für seine Gesundheit zu dem Herrn beten?“, fragte ich naiv. Herani schmunzelte. „Ich habe bis jetzt jedenfalls nicht davon gehört, dass es schadet!“ Während des Essens erzählte ich von meinem Erlebnis beim Spenden des Segens. Herani blickte mich anschließend an, sagte kein Wort, aber sie nahm meine Hand und drückte sie fest und lächelte. Wir deckten gemeinsam ab und ich schlug vor gemeinsam für Tristans baldige Genesung zu beten. Der Vorschlag fand bei den Frauen Zustimmung und so gingen wir in die Kapelle und beteten. Herani's Worte waren so sanft und voller Liebe, aber auch voller Inbrunst. Sie rührten mich und so rann mir so manche Träne im Stillen die Wangen hinunter.
Tristan ging es am nächsten Tag eher unverändert. Carini und ich sollte auch an diesem Tag gemeinsam die Menschen besuchen und predigen. So gingen wir unseres Weges. Es hatte geregnet und der Schnee war geschmolzen. Der Boden war matschig und schmatzte mit dem Auftreten. Als wir in die Siedlung kamen merkten wir schnell, dass die Menschen hier gerade andere Bedürfnisse hatten. Der Sturm hat heftig an ihren Häusern gerüttelt, eines stand gar im Wasser, da ein Bach stark angeschwollen war. Ich eilte schnell herbei und half wo ich konnte. Nach Stunden hatten wir das meiste auf trockenen Grund gebracht, Tiere, Vorräte und Kinder bei Nachbarn untergebracht.
Die Lage schien beruhigt und so sagte ich, dass es doch nun Zeit gäbe, sich um die Beziehung zu unserer aller Vater zu kümmern. Angesichts durchnässter, frierender und müder Bauern, schien es mir erst wie eine zynische Pflichtveranstaltung. Doch Carini, so zurückhaltend sie auch zumeist war, fand gute Worte. Sie sagte ihnen, dass auch wenn sie gerade wenig von der beschützenden und behütenden Vater vernahmen und es ihnen schwer fallen sollte, gerade jetzt an ihm glauben und zu verehren, sie zumindest als Symbol Wärme, Mitgefühl und Liebe in den Herzen wecken könne. Predigen konnte sie, denn sie nahm den direkten Weg ins Herz der Menschen. Ich verstand, dass ich die Menschen dort erreichen musste wo sie waren.
Als sie fertig war, sollte ich erneut den Segen sprechen. Doch bevor ich den Segen begann, wollte ich noch ein paar Worte sagen. „Auch wenn des lichten Herrns nicht immer für uns begreiflich sind, so ist die göttliche Vater uns stets wohlwollend. Und wie können wir die Wege der Götter verstehen, wo wir doch nur Menschen sind?“ Ein leichtes Raunen ging durch die Gemeinde, aber die meisten nickten dabei. Zumindest schien ich keinen Unsinn gesprochen zu haben. Ich fuhr fort, „Aber die Götter gaben uns ihre Segen und diesen möchte ich nun erneuern!“ Ich begann und wieder durchfuhr mich eine Kraft, die ich nicht fassen konnte.
Auch an den folgenden beiden Tagen gingen Carini und ich zu den Bauern. Doch Carini wurde immer trauriger. Als wir am zweiten Tag auf dem Rückweg waren, fragte ich sie,warum sie traurig ist. Sie mochte mir nicht gleich Antworten, redete um den heißen Brei und druckste herum. Am Ende kam sie dann doch zum Punkt. Sie war eifersüchtig. Sie fand es unheimlich, dass ich so schnell Zugang zu den Menschen fand, zum göttlichen Vater und zu meiner inneren Kraft. Ich schlug vor, dass wir darüber mit Herani und Tristan sprechen sollten. Auch mir war es unerklärlich.
Und so sprachen wir zu Hause mit Herani und Tristan, der, dem Herrn sei Dank, schon wieder gut bei Kräften war. Es war Carini unangenehm und so erzählte ich davon. Er lächelte milde als er das Wort „Eifersucht“ hörte. Tristan erklärte uns, dass wenn wir im Namen des Herrns sprachen, wir uns vorstellen sollten, dass die Worte nicht von unserem Mund, sondern von unserem Herzen gesprochen werden. Das Kraft aus des Lichts aus der Erde durch unsere Füße emporsteigt und Licht vom Himmel durch unseren Scheitel. Sie treffen sich in unseren Herzen und wenn wir Gott dienen, strömen sie von dort hinaus in die Welt.
Carini und Tristan verbrachten so auch die kommenden Tage damit zu üben. Statt Carini ging nun Herani mit mir. Ich war zutiefst beeindruckt, als ich erlebte wie sie mit den Menschen sprach. Ich erlebte eine greise Frau, deren Mitgefühl und Herzlichkeit der Gewalt gleißender Sommersonne gleichkam. Ihr Gesicht strahlte, ihre Augen funkelten, ja sogar ihr Körper war aufrechter. Doch auch ich sollte zeigen können, was ich bereits gelernt hatte. Die Menschen waren sehr bewegt von unserem Besuch und dankten uns vielfach. Es war so schön zu sehen, wie all die Menschen für kurze Zeit Gott ganz nah waren.
Doch auf dem Weg nach Hause war Herani sehr müde und konnte kaum mehr gehen. Ihr Körper war fast kraftlos, denn sie hatte den Menschen gegeben was sie konnte. Ich trug sie bedachten Schrittes bis nach Hause. Sie aß auch nur wenig und ging sofort ins Bett. „Wird sie wieder?“, fragte ich Tristan besorgt. „Kein Bange mein Junge. Sie ist stark. Weißt du eigentlich wie alt wir sind?“ Ich staunte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ich konnte es nicht glauben, Herani war bereits an der siebzig angelangt. Genau wusste sie selbst es nicht, da sie irgendwann aufgehört hat zu zählen. „Ein Leben für den Herrn, mein Junge. Herani trat in des Herrns Dienst als sie elf Jahre alt war. Und Gott scheint noch etwas mit ihr vor zu haben. Morgen früh ist sie wieder auf den Beinen, Eseos, du wirst schon sehen. Schlafe friedlich heute Nacht mein Junge!“
Und siehe da, am nächsten morgen stand sie schon in der Küche und bereitete das Frühstück. Ich war froh, dass sie wieder gut beieinander war, war es doch mein Vorschlag, dass Carini mit Tristan üben solle. „Herani, ich war sehr beeindruckt davon wie du mit den Menschen sprichst und sie dem Herrn nahe bringst. Vielleicht übst du mit Carini? Ihr seid ja nun schließlich beide Frauen.“ Herani schnippelte weiter Gemüse und nickte nur kurz und schob noch ein: „Ja, vielleicht.“ Doch es schien ein interessanter Vorschlag, denn an diesem Tag gingen Tristan und ich.