Der Weg zurück nach Sold’Orbb

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Yez'na
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Der Weg zurück nach Sold’Orbb

Beitrag von Yez'na »

Usstan kla’ath dos - Xuil ussta dro
Usstan kla’ath dos - Xuil ussta quortek
Usstan kla’ath dos - Tu'jol jal draeval


Ich diene dir - Mit meinem Leben
Ich diene dir - Mit meiner Seele
Ich diene dir - Jenseits aller Zeiten
Dreizehnte Litanei
Aus dem Zyklus der 66 Litaneien einer Priesterin zur Lobpreisung der dunklen Mutter


Zögerlich öffnete sie ihre Augen. Vollkommene Dunkelheit hatte sich, einer Decke gleich, über sie gelegt. Nur verschwommen konnte sie ihre Umgebung wahrnehmen. Schwache Wärmemuster, mit Infravision erkennbar, waberten um sie herum und ließen erkennen, dass sie sich in einer kleinen Höhle befand. Sie blinzelte geblendet, ohne Anstalten, sich zu bewegen.
Um sie herum war Stille. Jedoch… Da vernahm sie es wieder. Das leise Wispern, das stetig in ihren Gedanken hallte. Mal leise und unverständlich, mal laut und deutlich, immer jedoch fordernd, unabänderlich, durchtränkt von Dunkelheit.
So verharrte sie einige Zeit bewegungslos, ohne weiter auf jene Stimmen zu achten. Sie versuchte sich zu erinnern. Was war geschehen? Unruhig begann sie, mit ihren Augen die Umgebung abzutasten, als sie den Hauch eines Luftzuges auf ihrer Haut wahrnahm… Spüren, fühlen… Eine Erkenntnis schoss ihr schmerzvoll in die Gedanken. Sie war zurück in ihrem Kerker. Zurück an dem Ort, von dem sie sich für immer losgesagt hatte.

Es ist alles ihre Schuld.

Mühsam spannte sie die Muskeln ihres rechten Armes an. Der Widerstand war kaum zu ertragen, sie richtete all ihre Kraft auf diese vermeintlich nichtige Bewegung. Und scheiterte. Ein leiser Laut des Schmerzes drang aus ihrer Kehle, verhallte aber wie ein Hauch in der kühlen Luft.

Zurück in diesem Kerker. Warum tust du mir das an? Ich habe alles für dich getan, alles.

So lag sie da, unbeweglich, als würde sie auf etwas warten und wiederholte es wieder und wieder und wieder.

Ich habe alles für dich getan, alles.

Das Wispern in ihrem Kopf schien von alledem unbeeindruckt. Es setzte sich stetig fort. Es war eine Illusion gewesen, zu glauben, dass es stumm bliebe. Es hatte zu ihr zurückgefunden, um ihrer Herr zu werden, sie zu befehligen, sie zu unterwerfen. Sie würde sich fügen müssen. Aber war es nicht das, was sich eine Dienerin am sehnlichsten wünschte?
Verzweiflung stieg in ihr auf und zehrte an dem Funken Energie, der tief irgendwo noch in ihr glimmte. So verging die Zeit. Oder doch nicht? Das Gefühl dafür hatte sie damals zurückgelassen. In diesem Kerker, in dem sie jetzt wieder zurückgekehrt war.
Und irgendwann… hallte da noch etwas durch ihre Gedanken. Zaghaft, leise, irgendwo zwischen dem steten Wispern, das sich weiter durch ihren Verstand fraß.

Wenn du denkst, dass du keine Wahl hast, dann hast du nicht jede Option bedacht.

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Und da war er dann. Dieser Schimmer einer… Hoffnung? Es gab immer eine Option. Und diese würde sie ergreifen. Um endgültig den Kerker dieses Daseins hinter sich zu lassen und endlich wahrhafte innere Ruhe zu erlangen.

Sie spürte, wie die Verzweiflung schwand und begann mechanisch, eine Litanei zu murmeln. Eingebrannt in das Bewusstsein einer jeden Priesterin, war es wie ein Automatismus. Hätte sie die Kraft gehabt, sie wäre in Gelächter über sich selbst ausgebrochen. Aber sie musste sich jetzt auf das wesentliche konzentrieren. Also rief sie ihre dunkle Göttin an, flehte sie an und nahm alle Kraft zusammen, die noch in ihr glomm, als könne sie alles, was geschehen war, einfach von sich abschütteln.

Bwael… Sie wird es bereuen, mich wieder gerufen zu haben.

Von Schmerzen gepeinigt, sich kaum auf den Beinen halten könnend, schleppte sie sich aus der kleinen Höhle hinaus.
Sie war zurück. Und vor ihr lag ein langer Weg.
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Yez'na
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Re: Der Weg zurück nach Sold’Orbb

Beitrag von Yez'na »

Sie zog den Piwafwi, der sie vor der Aufmerksamkeit der meisten stofflichen Wesen schützte, eng um ihre Schultern. Ihr war kalt. Ein schlechtes Zeichen, dessen war sie sich bewusst. Die magischen Kräfte, genährt durch die enge Verbindung zur Göttin und gelenkt durch das Gebet, jene Energie, die sonst dafür sorgte, dass sie niemals fror, sie hatte sie seit ihrer Rückkehr nicht mehr erspüren können.

Ich habe alles für dich getan, alles… Du sprichst zu mir, aber warum erhörst du mich nicht?

Der Weg vor ihr schlängelte sich durch das endlose Labyrinth des Unterreiches. An manchen Kreuzungen waren Zeichen in die Gesteine eingelassen, manche sichtbar für jeden, andere nur für bestimmte Augen. Das Wegesystem war nur für die sicher passierbar, die es auch passieren können sollten.
Sie bewegte sich vorsichtig durch einen endlos monoton erscheinenden Gang. Plötzlich blieb sie unvermittelt stehen und blickte sich um. Ein schwacher Impuls war spürbar. Sie versuchte die Ursache auszumachen und erkannte schließlich in einer Entfernung von wenigen Metern ein schwaches Schimmern an der Höhlendecke. Es war ein Meldezauber. Kunstvoll gewirkt und wie ein Spinnennetz fein in das Gestein eingelassen. Auch wenn sie es sich nicht so richtig eingestehen wollte, es überraschte sie ein wenig, dass hier bereits die Schutzmechanismen Sold’Orbbs begannen. Das konnte ein gutes Zeichen sein – Oder ein schlechtes.

Was mich wohl erwartet?

Sold’Orbb existierte noch. Das wusste sie nun sicher und ihr wurde auf einmal klar, dass sie selbst fast nicht daran geglaubt hätte. Sie war einfach losgelaufen. Ohne Strategie, nur getrieben von dem steten Wispern, dass durch ihre Gedanken hallte. Sie verharrte in ihrer bewegungslosen Position. In ihrer über viele Jahrzehnte andauernden Ausbildung hatte sie nicht nur gelernt, wie solche Magien gewirkt wurden, sondern auch, wie sie unbemerkt zu umgehen waren. Mühelos hätte sie sich so in die Stadt schleichen können, um sich erst einmal umzusehen. Um an Informationen zu gelangen. Wie waren die Machtverhältnisse? Welche Häuser existierten? War es überhaupt sicher für sie, die Stadttore zu passieren? Welchen Gottheiten waren die Altäre geweiht?
Nachdenklich ruhte ihr Blick auf dem silbrigen Netzgeflecht, dass sich an der Höhlendecke entlangschlängelte. 

Usstan kla’ath dos - Tu'jol jal draeval

Ein Lächeln breitete sich auf ihren Lippen aus und sie nickte, als wolle sie sich selbst bestätigen. Mit einem Handstrich löste sie Tarnung ihres magischen Umhanges auf. Selbstsicher tat sie zwei weitere Schritte und aktivierte so den Auslöser des Meldezaubers. Für den Bruchteil eines Momentes verharrte sie nochmals, ehe sie langsam ihre Wanderung fortsetzte.

Sie durften ruhig wissen, wer da auf dem Weg zurück nach Sold’Orbb war.
 
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Yez'na
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Re: Der Weg zurück nach Sold’Orbb

Beitrag von Yez'na »

Die Stadttorwache ließ sie passieren. Mit der staubigen, vergilbten Kleidung, die sie am Leib trug, wirkte sie wie eine gewöhnliche Reisende niederen Standes.
Gemischte Gefühle stiegen ungewollt in ihr hoch, als sie langsamen Schrittes dem Hauptweg folgte. Alles erschein ihr so vertraut, aber auch… Unwirklich. Nach wenigen Minuten erreichte sie einen großen, mit violetten Steinen gepflasterten Platz, der zwischen den einfachen Stadtquartieren und den weitläufigen Arealen der Adelshäuser lag. Zu ihrer rechten Seite erstreckte sich ein halboffenes Gebäude, welches sie schließlich betrat. Große Kisten säumten hier Wände und Regale. Kurz blickte sie sich um, grübelte für einen Moment und bewegte sich dann zu einer der Kisten, die eher unscheinbar in einer Ecke stand. Eine Schicht aus Straßenstaub hatte sich auf Holz und Beschläge gelegt, das metallene Schild war blind geworden. Mit den Fingerspitzen strich sie darüber und murmelte leise Worte. Schwach glommen Lettern darauf auf, die die Worte „Yez’na Lua’rae“ formierten. Sie nickte zufrieden. Der Jaluk, der sich um die Vermietung der Kisten kümmerte, hatte also Wort gehalten, als sie ihm einen Beutel mit Edelsteinen und dem Hinweis überreichte, sie würde ihn auch noch im letzten Abyss finden, sollte er sich nicht darum kümmern, dass die Kiste an Ort und Stelle belassen würde. Sie öffnete mit einem weiteren Fingerzeig das Schloss und schlug den Deckel zurück. Ein muffiger Geruch nach verwesten Pflanzen und schimmligem Leder stieg ihr in die Nase. Es waren alltägliche Gegenstände gewesen, die sie in der schlichten Mietkiste gelagert hatte. Doch sie wusste, was sie suchen musste und fand es schließlich: Ein kleines Pergament, magisch verborgen irgendwo zwischen dem Plunder. Sie umfasste es mit ihrer Hand, verschloss leise sie die Kiste und machte sich auf den Weg zur Bank.

In dem weitläufigen Raum hielten sich nur wenige Dunkelefen auf. Zielstrebig bewegte sie sich zu dem Jaluken hinter den Tresen. Dieser musterte sie, mit einer Spur Verachtung, von oben bis unten. Statt zu sprechen schob sie das Pergament über den Tresen. Der Banker nahm ihn mit spitzen Fingern entgegen, studierte die geschwungenen Lettern auf dem Pergament sorgsam, hob leicht die Augenbrauen und blickte nach einigen Augenblicken auf. „Verzeiht...“
Sie wischte seine Entschuldigung mit einer wegwerfenden Geste ihrer Hand beiseite, während er sich erhob und eiligen Schrittes ihre Kiste heranschleppte, um sie vor ihr abzusetzen.
Sie öffnete den hölzernen Deckel und sah hinein. Alles war ordentlich sortiert und die unterschiedlich großen Beutel sauber gestapelt. Mit zufriedenem Blick registrierte sie Platinmünzen, Schmuck, Bücher, Pergamente. Aber das war nicht das, wonach sie suchte. Ihre Finger huschten prüfend umher, befassten Bündel und Taschen.

Irgendwo muss es doch sein…

Die Minuten vergingen und nur beiläufig bemerkte sie, dass sich hinter ihr etwas bewegte. Kurz wollte sie aufschauen, sich einmal umsehen, als sie plötzlich einen kleinen Beutel wahrnahm. Mit geschickten Fingern löste sie die Riemen, die ihn zusammenhielten und spähte vorsichtig hinein. Ein Kälteschaudern und eine tiefe Unruhe ergriffen ihren Körper, als sie den Inhalt erblickte. Xas, das waren sie, zweifelsohne. Kristallsplitter, deren Farbe von so tiefer Schwärze waren, dass sie, statt Licht zu reflektieren, es zu verschlucken schienen. Sie hatten all die Jahre dort gelegen. Schnell verschloss das Bündel wieder, schüttelte sich leicht, als könne sie damit das Gefühl der unendlichen Kälte einfach wegwischen und schob den Beutel zurück zwischen die anderen in der Kiste.  Dann zog sie einen anderen mit klimperndem Inhalt heraus und tat so, als sei es das gewesen, wonach sie die ganze Zeit gesucht hatte. Sie steckte ihn demonstrativ in ihre Tasche, schloss die Kiste und schob sie von sich zurück.

„Bwael, Banker. Ich werde wiederkommen.“

Sie reckte sich leicht. Es schien, als hätte der bloße Anblick des Beutels und dessen Inhalt ihre Kräfte gestärkt. Mit einer ruhigen Bewegung wandte sie sich vom Banktresen ab, um das Gebäude wieder zu verlassen - und blieb wie erstarrt stehen. Nur etwa zwei Schritte von ihr entfernt erblickte sie eine Gestalt. Ein Paar glühende Augen fixierten sie. Die Farbe, die sie ausstrahlten, erinnerten Yez‘na unvermittelt an Faerzress, jene magische Strahlung, die chaotisch und kaum kontrolliertbar das gesamte Unterreich durchzog. Das Haus-Emblem an der Kleidung ihres Gegenübers und der Habitus, den sie verströmte, ließen Yez’na für keine Sekunde zweifeln: Vor ihr stand die Ilharess des ersten Hauses Sold Orbbs, auf deren Gesicht sich ein Lächeln ausbreitete, als sie registrierte, dass Yez’na sie erkannt hatte.
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