Eine weiter Person kam aus dem Hintergrund auf den Altar und den beiden fremden Gestalten zu. Er schickte Worte im schroffen aber disziplinierten Ton zu den Beiden voraus.
„Wir haben diese Sektenanhänger vertrieben oder an ihnen durch das Schwert, dass einzig gerechte Urteil vollzogen, mein Herr“
Die schwer gepanzerte Person drehte sich in Richtung des Berichterstattenden Soldaten, ohne sich dabei sonst in seiner Haltung sonderlich zu verändern. Mit ebenso schroffen und disziplinierten Worten antwortete er dem Soldaten und stellte zugleich fachmännisch eine ihm wohl wichtige Frage.
„Ihr habt gut daran getan und heute tapfer gekämpft. Jeder soll heute eine extra Ration Bier erhalten. Gab es viele Verluste die wir zu betrauern haben?“
Die Antwort des Soldaten kam prompt.
„Ich werde Euren Befehl an die Quartiermeister weitergeben. Das wird wenig an der Trauer über verlorene Kameraden hinweghelfen aber trotzdem eine gerechte Belohnung sein. Wir haben an die 12 Mann verloren mein Herr. Die Verluste werden wir schnell durch die üblichen Aushebungsmaßnahme wieder auffüllen können.“
Die schwer gepanzerte Person akzeptierte die Antwort des Soldaten mit einem bedachten langsamen Nicken. Sein Blick ging dann wie ein Fingerzeig auf das eingerollte immer noch wimmernde Paket auf dem Altar.
„Wir haben hier wohl ein Findelkind, dass wir gerade noch vor einem dieser Heidnischen Rituale retten konnten. Nehmt es und übergibt es dem örtlichen Waisenhaus als Mündel.“
Ohne weitere Befehle ging der Soldat auf den Altar zu, um das Bündel mit ausgestreckten Händen zu greifen.
„Wartet“
Die hagere Figur hob eine Hand. Sofort blieb der Soldat in der aktuellen Haltung stehen, jedoch nicht ohne seinen Blick auf seinen Befehlshaber zu richten, um auf weitere Anweisung von ihm zu warten.
„Wartet…“
Folgte direkt in einem nüchternen und ruhigen Ton die erwartete Anweisung seines Vorgesetzten.
„Was habt Ihr herausgefunden?“
Fragte nun die schwer gepanzerte Person direkt an die Hagere Person gerichtet.
„Es sieht so aus, als ob an diesem Menschenkind ein astrales Experiment vollzogen, und gleichzeitig ein Ritual zur Festigung an ihrem Gott durchgeführt wurde. Das Experiment klingt sehr interessant, obgleich ich auch feststellen muss, dass es wieder der Natur ist und daher verwerflich ist und niemals wiederholt werden darf.“
Antwortete die hagere Person mit einer glasklaren Stimme und vornehmlichen Ton.
„Nahhrr…“
Entfuhr es recht angewidert dem Befehlshaber. Der Soldat ging direkt einen Schritt zurück und zog die Arme ein, wohl nicht mehr so Befehlstreu dieses Bündel anzufassen.
„Verdammt, diese Anhänger von diesem Götzen haben wirklich keinen Sinn für Anstand und Ehre. Welch verwirrten Kopf kann es nur entspringen, Experimente an einem so kleinen Kinde zu vollziehen und es einer heidnischen Taufe auszusetzen?“
Mutig als Vorbild selbstverständlich, nahm der Befehlshaber das Bündel in seine Arme. Das Kind in der Decke schrie und schien nicht einen Moment der Ruhe zu schenken. Die Hagere Person stand da und beobachtete genau was passierte. Der breitschultrige schwer gepanzerte legte das Bündel in seiner rechten Armbeuge, scheinbar geübt in dem Umgang mit Säuglingen. Mit der linken Hand nahm er die Decke aus dem Sichtfeld des Säuglings.
„Was…? Teufel und Verderbtheit, was haben diese Ketzer diesem unschuldigen Kind nur angetan!?“
Ein rötlicher Schimmer, ausgehend von dem Bündel kam dem dünnen Kerzenschein im Raume zur Hilfe. Recht schnell aber immerhin mit genügend Bedacht das Kind nicht zu verletzen, und wohl ein Reststück seiner mutigen Fassade vor seinem Untergebenen aufrecht zu erhalten, legte er das wimmernde Bündel zurück auf den Altar. Die Hagere Person kam langsam um den Altar rum und nahm das Kind selbst in Augenschein.
„Wir haben es hier mit einem astralen flimmern zu tun. Ausgelöst durch das vorzeitige Erwecken des Könnens das diesem Menschenkinde wohl inne wohnt. Eine beachtliche Leistung vor dem wirklichen Erwachen dieser Kraft, dies in diesem Kinde zu entdecken und auch vorzeitig zum Erwachen zu bringen. Trotzdem, sehr bedauerlich. Es wird sein Leben lang ständig, extreme Gefühlsregungen erleben. Freude und Mitgefühl aber auch Hass, Angst und Leid. Als Menschenkind kein guter Start ins Leben. Es wird wohl bis zu seinem Tode ständig im Zwiespalt leben. Eines der Pergamentrollen berichtet davon als gewollten Nebeneffekt. Meiner Meinung nach äußerst disruptiv aber nach den Motiven dieser Edain´s durchaus nachvollziehbar.“
Führte die hagere Person in einem nüchternen Ton aus.
„Was hat es mit diesem Ritual auf sich? Hat es nur einen Symbolischen Sinn oder müssen wir hier auf das schlimmste vorbereitet sein?“
Der gepanzerte Befehlshaber kam dem Altar und dem Kinde darauf wieder näher, um dem Elben in Sachen Mut in nichts nachzustehen.
„Das Ritual dient tatsächlich einem Zweck. Man könnte es als Weihe oder wie Ihr sagtet, Taufe betrachten. Das Kind scheint diesem IHN versprochen zu sein, so ist es den Pergamenten zu entnehmen. Auf der einen Seite wird dieses Kind sich immer zu diesem Gott hingezogen fühlen. Auf der anderen Seite sollte es durch das Erfahren von Leid und schmerz immer weiter ins dunkle getrieben werden. Dem Verfasser dieser Pergamente nach, verfolgte er das Ziel, in ihr entweder einen treuen Anhänger seines Gottes zu schaffen oder noch viel mehr mit einem höheren Ziel wie er schreibt, die Seele dieses Kindes auf Dauer durch diese Umstände zu tilgen und dadurch Platz zu schaffen für irgendwas oder irgendwem. Da werden die Schriften bedauerlicherweise etwas ungenau und unvollständig“
Der Befehlshaber murrte hörbar missmutig.
„Jetzt rede nicht um den heißen Brei Spitzohr. Sag mir, müssen wir uns um dieses Subjekt Gedanken machen? Uns von diesem entledigen und es von seinem Leiden erlösen? Nennt diesen Götzen nicht Gott!“
Der Blick des Elben lag ruhig auf dem Kind, bis er weiter mit seiner glasklaren höflichen Stimme weitersprach.
„Nun, dieses Kind hat reichlich für sein kurzes Leben mitgemacht und doch hat es nichts Verwerfliches getan. Es sollte nicht unsere Entscheidung sein, dieses Leben zu nehmen bevor es sein Leben gelebt hat. Macht euch keine Sorgen Quintus Arius. Diesem Kinde wohnt kein Dämon inne.“
Der Elb streichte mit seinen langen hageren Fingern der linken Hand die Decke gänzlich aus dem Gesicht des Säuglings. Ein geritztes Mal auf der Stirn kam zum Vorschein. Weiterhin war das Kind am Wimmern und gelegentlich am Aufschreien. Die rote Aura breitete sich weiter aus und füllt den Raum mehr, bis es den Kerzenschein überstrahlte. Ohne lange zu warten, begann er intonierend mit Elbischen Worten auf das Kind einzureden. Das eingeritzte Mal schien daraufhin zu verheilen. Es blieb tatsächlich keine Narbe zurück.
„Ich konnte dem Kinde das äußerliche Mal nehmen, so dass es von niemanden auf dem ersten Blick erkannt werden kann. Was das astrale flimmern angeht. Das wird schwieriger. Gänzlich verschwinden lassen kann ich es nicht. Es kommt auch als natürliches Phänomen vor und kann als Art Schluckauf oder als verfehlte Entwicklung bezeichnet werden. Unter normalen Umständen meistens gänzlich zu entfernen. Leider ist das hier mit berechneter Absicht herbeigerufen worden und durch mir unbekannte Magie gefestigt worden“
Quintus Arius stand weiterhin ruhig und abwartend neben dem Elben, scheinbar auf der Wacht und der Erwartung das vielleicht doch etwas Schlimmes, unvorhersehbares, geschehen könnte.
„Fahrt fort Elf, wir wollen sehen, ob wir diesem Kinde nicht vielleicht doch einen guten Start ins Leben verschaffen können“
Kam es von Quintus Arius nun mit fast schon führsorglicher Stimme. Als erstes befreite der Elb das Kind gänzlich von der roten Decke. Dabei war zu erkennen, dass es sich hier um ein Mädchen handelte. Der Elb begann sofort wieder mit intonierenden Worten. Dieses Mal schien der Vorgang tatsächlich komplizierter, und in seinem Wirken schwieriger zu sein. Immer wieder pustete er über das schreiende Mädchen. Als Außenstehender könnte man dieses Tun als das Werk eines Schamanen, von einem nativen Stamm aus den dichten umliegenden Wäldern, interpretieren. Der rote Schimmer zog sich langsam zurück, bis dieser zu den Händen gelangte. Weiter schien sich dieser Schimmer nicht zurückzuziehen. Langsam nickte der Elb.
„Es ist erledigt. Mehr kann ich nicht tun.“
Für einen kurzen Augenblick blieb er Stumm vor dem Mädchen stehen, bis er sich zu ihr hinunterbeugte und scheinbar etwas in ihrem Ohr flüsterte. Fast wie aus dem Nichts wandelte sich der Gemütszustand des Mädchens von einem weinenden, zu einem lachenden glücklichen Mädchen. Der restliche rote Schimmer transformierte sich allmählich von einem satten rot zu einem violett und weiter zu einem satten blau.
„Das habe ich so auch noch nie erlebt. Diese Farbänderung. Ich frage mich, ob es gemütsgebunden ist, oder…“
Der Elb schaute sich in der Krypta um
„… beeinflusst wird durch die Umgebung oder der Gesellschaft. Das bedarf sicher weiterer Studien“
Der Ton von Quintus Arius wurde rauer und direkter.
„Wir können dieses Kind nicht einfach in ein Waisenhaus geben und darauf hoffen, dass sich eine führsorgliche Amme, liebevoll um dieses Kind kümmert. Wer weiß was mit der Zeit diesem Kind noch zustößt. Ihr sagtet selbst, dass es ewig im Zwiespalt leben und von extremen Gefühlen verfolgt wird. Dann ist es noch diesem Scharlatan versprochen und vielleicht wird es von ihm angezogen wie die Motte zu dem Lichte. Das scheint mir alles äußerst gefährlich zu sein verehrter Elenwe Gilgalad.“
Quintus Arius stemmte seine Hände in die Hüften um deutlich seine Feststellung zu untermauern. Elenwe Gilgalad stand ruhig, sichtlich unbeeindruckt von dem Tun Quintus Arius, aber nachdenklich ob seiner Worte da.
„Ihr habt womöglich recht, ehrenwerter Quintus. Wir können das Mädchen nicht einfach unter Menschen lassen und das beste hoffen. Dafür sind die Menschen einfach zu wankelmütig und instabil. Ich bin am überlegen, ob ich dieses Mädchen nicht zu mir nehme und wir hinaus in die abgeschiedene Fremde gehen. Selbstverständlich werde ich es nicht wie meine Ahnen und den Sitten meines Volkes erziehen. Das würde keinen Sinn machen und unlogisch sein. Immerhin soll es eines Tages zu seinem Gleichen den Menschen zurückkehren. Es könnte vielleicht hilfreich sein sie so zu erziehen, dass am Ende ein Gleichgewicht entgegen dem was ihr in die Wiege gelegt wurde, mit dieser Taufe, entwickelt. Vielleicht wird sie eines Tages selbst entscheiden können und sich IHN entziehen.“
Quintus lachte heiter auf.
„Ihr Spitzohr wollt doch dieses kleine -Töchterlein- nur für eure Studienzwecke an euch nehmen. Ich durschaue euch und eure elfische Durchtriebenheit. Trotzdem. der Zweck heiligt die Mittel und ich glaube, wenn sie in eurer Obhut aufwächst wird sie so schnell nicht aus der Reihe tanzen."
Elenwe schaute Quintus mit einem fast schon spitzbübischen Lächeln an.
„Sie soll auch einen Menschen-Namen bekommen. Aber in einer Menschen Sprache, die die Menschen vor langer Zeit vergessen haben. Nighean… -Tochter-“
Quintus lächelte milde und nickte dabei förmlich. Das Mädchen quietschte laut lachend und fröhlich dabei im Hintergrund, als ob es die gelockerte Stimmung förmlich mitbekommen hatte.
„Ihr seid wirklich ein durchtriebenes Spitzohr und ein Musterbeispiel Eures Volkes. Es war eine gute Idee Dich als alten Freund mit zu dieser Austreibung als kundiger mitzunehmen“
Elenwe stutzte sichtlich missmutig bei dem Wort „Austreibung“
„Es war eindeutig die Neugier aber selbstverständlich auch unsere Freundschaft, die mich dazu bewogen hat, euch und eure Recken hier her an diesen Ort zu begleiten, Quintus. Ich hege keinen Groll gegen ihren Gott. Es ist ein Gott der Menschen und daher auch Sache der Menschen. Eine Gefahr kann ich trotzdem erkennen“
Quintus murrte nun selbst hörbar missmutig.
„Nenne IHN nicht Gott. Es ist ein Götze, dem keine Anerkennung noch Beachtung geschenkt werden darf, außer durch das Schwerte. Sag Elenwe, müssen wir beizeiten mit weiteren solcher Funde rechnen? Ich meine, hat sich das in ihren Kreisen wohl verbreitet was hier geschehen ist?“
Elenwe stand weiter mit nachdenklichem Blick da, schüttelte dann verneinend mit dem Kopf.
„So wie es aussieht sind diese Pergamente keine Abschriften. Sie sind voll von Notizen. Notizen eines genialen, aber auch chaotischen Verstandes. Das, was wir hier sehen, sieht eindeutig nach einem Experiment aus und wurde in dieser Form noch nicht vollzogen. Dies scheint hier auch nur ein Ableger zu sein, eher eine Flügelbewegung als der wirkliche Kern ihrer Gemeinschaft. Die Pergamente würde ich gerne an mir nehmen und ihren Inhalt weiter studieren. Ich weiß ihr würdet sie lieber zur Sicherheit vernichten, aber ihr könnt mir vertrauen das ich auf sie Acht geben werde.“
Quintus legte sein Kinn in die rechte Hand. Verengte die Augen offenkundig nachdenklich und nickte dann einmal.
„Du wirst mich über den Fortschritt unserer Tochter beizeiten Bericht erstatten. Ich möchte über jede Entwicklung, egal ob gut oder schlecht im Bilde sein. Spare nicht an Inhalt, ich weiß das du gerne umher schwurbelst und lieber mal einige Dinge weglässt. Ich hasse diese Winkelleien.“
Ohne eine große Mimik stand Elenwe da und nickte einvernehmlich Quintus zu.
„Du!“
Quintus herrschte den Soldaten an, der wie im Halbschlaf etwas abseitsstand und scheinbar schon lange nicht mehr zuhörte. Zuckend wie von einem Blitz getroffen, fuhr wieder Leben in Ihn.
„Ja Herr? Ich erwarte Eure Befehle!“
Zackig nahm er Haltung an.
„Ruf mir diesen stinkend faulen und durchtriebenen -Chronisten- her, ich muss eine Depesche an unseren König senden. Wir sind ihm einen vollständigen und aufklärenden Bericht schuldig.“
Der Soldat neigte hörig den Kopf und drehte sich in einer fließenden Bewegung um und lief sofort davon....