Doch es waren keine Diener des Herren! Das waren Sloans Wachen! Die haben dich verschleppt und mit bösen Zaubern belegt. Mach die Augen auf!
Sie haben mich in ein Bett gebracht und sagten, sie seien meine Freunde und dass sie wollen, dass es mir besser geht.
Geht es dir denn schlecht mit mir und einer leckeren Flasche Bier?
Ne... nein. Natürlich nicht.
Siehst du! Die haben kein Gebet gesprochen. Das war ein böser Zauber. Oder wie ging es dir danach?
Schlechter! Die Wärme und das schöne Gefühl waren nicht mehr da.
Das, und sie haben dich einfach verschleppt und dort fest gehalten die ganze Nacht.
Du... du hast Recht!
Es ist schon richtig, dass du da weg bist. Wer ist deine Freundin?
Du bist meine Freundin!
Die unverhoffte Begegnung mit Samira am Abend zuvor fühlte sich für ihn an wie ein Schlag ins Gesicht. Er hatte nicht damit gerechnet mit einem Mal seine alte Freundin in Nordhain vor sich stehen zu sehen. Ihre Worte nahm die Stimme in seinem Kopf zum Anlass ihn diese so deuten zu lassen, dass seine Meinung nur weiter gefestigt wurde. An einem Gespräch mit ihm hatte sie kein Interesse und so bestätigte sich für ihn nur, was er schon länger dachte. Seine alten Freunde haben ihn verlassen und sich gegen ihn gewandt - so auch Samira.
Schnell musste er weg von dem Ort und eine Schlafmöglichkeit für die Nacht finden. Da es im Wald um Silberburg meist wärmer ist, nahm er die von ihm am wenigsten bevorzugte Möglichkeit des Reisens in Anspruch und suchte einen Reisemagier auf. Es war wie immer, die Magie, welche ihn von Nordhain nach Silberburg beförderte, vertrug sich noch nie gut mit den Mengen an Bier, die er vorher noch in sich rein gekippt hatte.
So zog es ihn auch dieses Mal direkt nach Ankunft aus dem Mondtor auf den Boden vor sich und er musste sich übergeben. Was dann geschah, glaubt man seinen Erinnerungen, lag nicht mehr in seiner Macht und fand gegen seinen Willen statt. Es sammelten sich viele Menschen um ihn herum. Die erste Person, die er wahrgenommen hatte war Sloan.
In seinen verschwommenen Erinnerungen nahm er einige teils ihm bekannte, teils weniger bekannte Personen wahr. So vernahm er die Anwesenheit Noa Feldspans, Aleos und Eseos Hesphorus. War da nicht auch Melisandra, der kleine Schmetterling? Vielleicht. Vielleicht war das auch am Tag zuvor. Er war sich nicht ganz sicher.
In seinem gestrigen Zustand zog die Realität jedoch nur schemenhaft an ihm vorbei und mit einem Mal befand er sich im Bett des Heilerhauses in Silberburg. Die Stimmen um ihn herum beratschlagten sich über das weitere Vorgehen, doch von all dem blieben Knut nur bruchstückhafte Erinnerungen. Für ihn war es, als wäre er gegen seinen Willen entführt worden und so verfestigte sich seine Meinung über die Freunde, die keine mehr sind und sich gegen ihn gestellt haben, nur noch tiefer in seinen Gedankengängen.
Nur schwammig nahm er an diesem Abend die Personen um sein Bett im Heilerhaus herum wahr. Die Stimmen überschlugen sich in seinem Kopf. Es ging ihm alles zu schnell und dann kam da noch die Stimme, die vor einiger Zeit in seinem Kopf auftauchte und seit da an nicht mehr von ihm wich, dazu. Alles was er noch weiß war, dass der Priester Eseos ein Gebet sprach, woraufhin die Wirkung des Alkhols in ihm nachließ. Kurz darauf reichten sie ihm dann doch wieder ein Bier, woraufhin ihn die Erinnerungen verließen und er wohl weggetreten sein muss. Betäubt haben sie ihn also auch noch gegen seinen Willen.
Die ganze Nacht über saßen Eseos und Aleos an seinem Krankenbett und beteten zum Herren, während Knut tief und fest geschlafen hatte.
Das waren keine Gebete! Das waren böse Zauber, Knut.
Ich... ich glaube dir. Mir ging es gar nicht gut, nachdem mich sein Zauber getroffen hatte.
Und so war er heilfroh, als er am nächsten Tag erwachte und seine Wachen kaum Anstalten machten, ihn gehen zu lassen. Er wollte nur noch raus aus dem Haus und seiner Gefangenschaft. Die Schlinge um seinen Brustkorb zog sich an diesem Morgen immer fester zu. So führte sein erster Weg gleich in die Taverne, um sich einen ordentlichen Humpen Bier zu gönnen. Er spürte, wie sein Zittern aufhörte und seine Gedanken klarer wurden.
Auch die Stimme in seinem Kopf wurde deutlich ruhiger, nachdem er das Bier fast in einem Zug leer getrunken hatte. Nun fühlte er sich danach, erstmal Ruhe zu finden. Er zog aus der Stadt heraus und suchte sich einen warmen Platz in der Sonne auf einer Lichtung im Wald. Dort schippte er Laub und Moos zusammen, auf das er seinen Körper betten konnte. An dieser friedlichen Stelle ließ er sich nieder und schloss seine Augen. Seine Gedanken wurden ruhiger, drehten sich langsam immer weniger um seine alten Freunde und diese erneute Entführung.
"Trink kein Bier, Wasch dich, leg dich hin, ruh dich aus..." all dies kam bei ihm mehr als Zwang an, als gut gemeinte Fürsorge. In seinen Gedanken ging er den letzten Abend noch ein letztes Mal in seinem Kopf durch, bevor er einschlief.
"Warum entführten die mich? Warum verbieten sie mir so zu sein, wie ich bin? Warum darf ich nicht trinken was ich will?" voller Verzweiflung und Misstrauen ließ er nun auch diese letzten Gedanken gehen und schlief ein.