Die Fäden des Lebens

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Annwyn
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Die Fäden des Lebens

Beitrag von Annwyn »

Stunden waren vergangen...Stunden in denen er regungslos vor dem Feuer in seiner Höhle gesessen hatte, versunken in tiefer Meditation. Alles was er brauchen würde hatte er bereits in den letzten Tagen vorbereitet. Wie immer half ihm die Meditation mit sich und der Welt in Einklang zu kommen, sodass die in ihn einziehende Ruhe alle Zweifel und Sorgen fortschwemmte.
Grund zur Besorgnis hatte es genug gegeben. Nicht nur das die Welt sich verändert hatte und gefährlicher geworden war, auch die Sala selbst hatte sich verändert. Viele seiner Geschwister waren über die Zeit verschwunden, andere Geschwister, die blieben zogen es vor die ihm so vertraute Einigkeit der Seinen zu zertrümmern, trotz der drohenden Gefahren von außen. 

Ein Stich...

War das noch immer der Schmerz von Enttäuschung und Resignation? Das gleiche Gefühl was ihn dazu brachte auch die Sala zu verlassen und sich eine kleine Bleibe an den Grenzen des Calen´aeron zu schaffen um von dort ein wachsames Auge auf den Eryn zu haben. Scheinbar hatte ein Teil von ihm damit noch nicht seinen Frieden gemacht...aber es änderte auch jetzt nichts mehr. 
Ein neuer Rat war gewählt worden auf den er seine Hoffnungen legte. Vielleicht abermals vergeblich, denn eine von ihnen war bereits unerklärlicherweise zu den Sternen gegangen und die anderen beiden verhielten sich schweigend und unsichtbar. Nun...vielleicht ist es genau das, was die Sala brauchen würde...eine Zeit der Ruhe und des ungebundenen Wachstums um sich selbst einen Weg in die Zukunft zu bahnen ohne eine führende Hand. So wie es in seiner Heimat ist und immer war.

Ein Lächeln zog über sein Gesicht als er sich an die Vergangenheit in seiner Heimat erinnerte. Schmerz und Bedrohungen gab es dort auch, fast gar noch mehr als hier...aber immer waren sie eine große Gemeinschaft gewesen, die sich gegenseitig bedingungslos unterstützte und die mit Hingabe ihre Aufgabe wahrnahm den Wald und die Natur vor allen Bedrohungen zu schützen, gleich wie klein sie auch sein mochten. Er hatte in letzter Zeit oft daran gedacht einfach dorthin zurückzukehren, aber dies fühlte sich jedes Mal aufs Neue an als würde er hier eine unerledigte Aufgabe zurücklassen. 

Langsam öffnete er die Augen und atmete tief durch während er den Blick durch die Höhle schweifen lies. Heute würde es geschehen...

Wie in den letzten Tagen auch kehrten seine Gedanken immer wieder zu einer Geschichte zurück, die ihm oft in der Vergangenheit von seinem Stammesschamanen erzählt wurde, dem Bruder, der ihn sehr lange auf seinem Weg begleitet und sein Wissen mit ihm geteilt hatte:
 
 
Vor langer, langer Zeit...war unser Reich viel größer. Der Wald war unendlich weit. Wir, die Waldelfen, sorgten für die Harmonie aller Lebewesen. Doch eines Tages, wie durch eine Laune des Schicksals, verschob sich das Gleichgewicht der Natur...und ein Schatten, der ewige Geist der Zerstörung, erhob sich aus den Tiefen der Erde und lies sein Gift herniederregnen. Der Wald war schon fast zerstört. Viele Lebewesen fanden den Tod und die Sterblichen flohen voller Angst. Es hieß...keiner von ihnen hätte überlebt. Nur mit Hilfe der ewigen Zauberkräfte der Natur gelang es den Geist zu verbannen und den Wald zu retten...

Jede Welt birgt Welten in sich, Annwyn. Alles Leben ist miteinander verwoben wie ein zartes Spinnennetz. Ein ewiges Gleichgewicht von Kräften der Zerstörung...und den magischen Kräften der Schöpfung. In
jedem von uns ruhen die magischen Kräfte der Schöpfung...und auch du kannst sie finden...in dir.
 


Das war es was er zu tun gedachte. Zu oft und zu lange war der Eryn den Kräften der Zerstörung ausgesetzt gewesen. Dämonen, die seine Bäume nahmen und mit Flammen drohten. Gierige Edain, die ihm Tiere stahlen oder blind mordeten. Der Wald erhob sich und wurde dunkler, was selbst ein Sterblicher zu erkennen vermochte, der sein Herz nicht ganz dem Gleichgewicht verschlossen hatte. Wütende Tiere, ruhelose Waldgeister, Dornengewächse...alles stille Zeichen.

 
Leise sprach er zu sich:

"Seit Anbeginn der Zeit, waren wir die Hüter und Helfer des Waldes, viel zu lange haben wir die Zauberkräfte der Natur vernachlässigt. Die Zeit ist reif sich ihrer wieder bewusst zu werden."

Er nahm ein kleines Samenkorn aus seiner Tasche und betrachtete es...der Samen eines Yewbaums.

"Alle Zauberkräfte der Schöpfung ruhen in einem einzigen, winzigen Samenkorn"


Mit diesen Worten erhob er sich, nahm seinen Stab und begann sich auf den Weg zu jenem Yewbaum zu machen, in dem der braune Angolkristall schlummerte. Der Morgen graute bereits und die ersten Lichtstrahlen wurden von den Blättern eingefangen. Die perfekte Zeit des wiedererwachenden Lebens. 
Schnell trugen ihn seine Schritte durch den Wald und es verging nicht viel Zeit bis er den Baum erblickte. Genau in diesem Moment sprang eine kleine, silbrige Lichtkugel aus Annwyn´s Stab nur um sich kurz darauf in der Gestalt eines wunderschönen, weißen Hirsches zu wandeln. Aras, Annwyn´s Seelengefährte, gesellte sich an die Seite des Waldelfen. Ein warmherziges Lächeln glitt über Annwyn´s Gesicht, dankbar Aras an seiner Seite zu wissen. Beide betraten sie nun gemeinsam die Höhle und suchten dort den Größten der dortigen Kristalle auf. 

Ein letzter Blick zu Aras folgte mit einem sanften Nicken, während er begann seine nackten Füße in den Boden des Waldreichs zu graben. Wieder holte er den Samen des Yewbaums hervor, den er mitgenommen hatte und umschloss ihn sanft mit beiden Händen. Mit geschlossenen Augen begann er nun leise Worte zu raunen, die sich zunehmend in einen melodischen Gesang verwandelten. Zeit schien mehr und mehr an Bedeutung zu verlieren. Nach und nach begannen vor Annwyn´s innerem Auge smaragdfarbene Fäden zu erscheinen. Ein schimmerndes Gewebe, gleich einer Anordnung verschiedenster Pfade auf einer Landkarte. Eine stärker...einige schwächer leuchtend...einige dicker...andere dünner. Je mehr er sich auf dieses Bild einließ um so genauer erkannte er, dass sanfte, rhythmische Lichtwellen durch dieses Gewebe zuckten...fast wie ein Herzschlag. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Das was er sah war das Netz des Lebens, das alles im Eryn miteinander verband. Eine Zeit gab er sich diesem Wohlgefühl des Eingebundenseins und der Ordnung hin bevor ihm an einigen Stellen Makel im Gewebe auffielen. Einige Stellen schienen erloschen zu sein, unberührt vom schimmernden Herzschlag, der sonst die anderen Bereiche immer wieder aufleuchten lies. An anderen Stellen schien der Faden gerissen. Dies mussten die Wunden sein, die dem Wald über all die Zeit zugefügt worden sein mussten. 
Vor seinem geistigen Auge begann Annwyn nun vorsichtig seine Hände auszustrecken. Der Samen in diesen Händen begann nach einer Weile der Konzentration silbrig zu leuchten. Ein unbändiger Wunsch entbrannte in Annwyn all dies was er hier sah wiederherzustellen und zu bewahren. Er sollte erhört werden, denn das silbrige Glühen des Samens wandelte sich zu silbrigen Fäden, die sich wie Spinnenseide langsam vom Samen ausbreiteten und zu jenen Stellen im Gewebe wanderten, die beschädigt und verdorrt waren. Dort begannen sie sich zu verweben und neue Verbindungen im Geflecht herzustellen. Die Fäden des Lebens begannen sich neu zu knüpfen. 
Zu seinem Leidwesen bemerkte Annwyn jedoch, dass die Fäden sich wieder verbanden und neue Brücken geschaffen wurden, jedoch blieben sie nach wie vor dunkel und vom Herzschlag selbst noch unberührt als würde etwas den Pfad dorthin blockieren. Annwyn ertappte sich bei einem Seufzen als das was er tat nicht auszureichen schien.

Er wusste was das Leben forderte. Es brauchte einen Wegweiser, ein Licht, dass den Pfad zu erhellen vermochte. Annwyn lächelte leicht und begann sich selbst dem Strom zu öffnen. Wieder reagierte der glühende Samen darauf und entsandte abermals hauchzarte Silberfäden, die diesmal in Annwyn´s Brust fuhren. Sein Lächeln vergrößerte sich als ihn ein Gefühl von Wärme und Geborgenheit überkam. Ein Gefühl der Vollkommenheit im Kreislauf des Lebens. Vor seinem Inneren Auge sah er, wie sein eigener Herzschlag sich in silbrigen sanften Lichtwellen in das Gewebe ergoss und sich langsam mit diesem Verband. Die ersten neu geknüpften Stellen begannen wieder zu schimmern und wurden vom Puls des Lebens erfasst. 

Am Rande von Annwyn´s Bewusstsein tauchte nun immer mehr ein Gefühl der Kälte auf...sein Körper schien schwächer zu werden. Das was er tat forderte scheinbar schneller seinen Tribut als gehofft und befürchtet. Aber er konnte nicht loslassen...nicht jetzt...genau das war die Aufgabe eines Waldelfen...und...es war gut und richtig. Es hieß stets ein Waldelf würde selbst bestimmen, wann er ins große Gleichgewicht zurückkehrt. War es dies nun? War das der Moment an dem er wählen sollte? Es fühlte sich nicht wie eine Wahl an, eher wie ein längst überfälliger Abschluss und gleichwohl ein Willkommen. Einen Moment verwunderten ihn seine wirren Gedanken, etwas, dass ihm sonst nie zu eigen war.

Er schüttelte seinen Kopf. Es war ohnehin zu spät...

Mit seinen Sinnen merkte er vor seinem inneren Auge, wie sein Körper nun selbst in silbrigen Licht zu glänzen begann. Nach und nach begann er seine Gestalt zu verlieren und mit jeder Sekunde die verging wurde er selbst ein Teil des smaragdgrünen Gleichgewichts bis nichts mehr von ihm auf dieser Seite der Welt verweilte. Vielleicht konnten seine Geschwister, Vettern oder auch feinfühlige Druiden der Edain spüren was geschehen war, denn unweigerlich muss all dies zu einer Veränderung im Eryn geführt haben...eine Heilung?...eine Stärkung?...vielleicht auch ein Schimmer von Hoffnung? 

Ruhig und wissenden Blickes trat nun der weiße Hirsch vor um den noch immer schimmernden Yewsamen aufzunehmen. Sein Weg führte ihn hinaus aus der Kristallhöhle zurück durch den Wald bis hin zu jener Höhle, die Annwyn heute in frühster Stunde verlassen hatte...

Er würde dort versuchen auf Nagron zu treffen, jener Adan, mit dem Annwyn vieles durchlebt hatte. Sollte er Nagron dort gewahr werden würde er mit einer Stimme zu ihm sprechen, die täuschend echt der von Annwyn ähneln würde um ihm eine letzte Nachricht zu überbringen:


In dir selbst musst du die Stärke suchen, Nagron. Schau auf das gute und offene Herz in dir und den anderen. Denn so wie jedes Samenkorn die Macht und den Zauber der Schöpfung enthält, existiert es auch in dir und jedem anderen Lebewesen auf dieser Erde. Wir alle haben die Macht...und sie wächst wenn wir sie miteinander teilen. Denk immer daran, was du gelernt hast, Nagron.
Ich werde stets bei dir sein. 

 


Mit den letzten gesprochenen Worten beginnt Aras sich daraufhin aufzulösen, einzig der silbrig schimmernde Yewsamen bleibt zurück, der nun vor Nagron zu Boden sinken würde. Nach und nach verblasst dann auch dessen Licht.






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Nagron Vandokir
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Re: Die Fäden des Lebens

Beitrag von Nagron Vandokir »

Als der Hirsch sich aufgelöst hatte nahm er den Samen in die Hand und war doch sehr betrübt von dem, was geschehen war und doch wusste er, dass es die Aufgabe eines Waldelfen war, sich um diesen Wald zu kümmern, ja auch sein Leben für ihn zu opfern. Er hatte gerade nichts an, weil er gerade aus der Höhle kam und sich bereit zur Wandlung zum Wolf machen wollte. Er hatte diese Nacht schon schlecht geschlafen.


 Er spürte aber, dass dieses Samenkorn eine gewisse Wärme und Kraft ausübte und begab sich zunächst hinein und legte es auf den Tisch, wo er am Vortag noch mit Annwyn sprach er schloss seine Augen und er ließ alte Bilder der Erinnerungen koch kommen, wie sie sich kennen gelernt hatten, die Flucht vor Ba‘muths Armee, den Kristallsplittern...einfach alles. Er war sehr betrübt und traurig dass es doch so gekommen ist wie es kommen musste. Seine Augen öffneten sich und seine Augen wurden wieder glasig. Er hatte gehofft, dass er doch so viel mehr von ihm lernen konnte. Dann griff er zum Samenkorn und spührte doch eine gewisse Wärme die ihm durchzog, vielleicht mit einem Hauch von Glück? Es war, als würde Annwyn doch irgendwie da sein… „Wohnst du vielleicht jetzt in diesem Samenkorn?“ Nagron legte seine Hand auf diesen Korn und dachte auch an seine Worte und auch die seines alten Stammesdruiden, welcher sehr alt war, älter als andere seines Stammes in dem er aufgezogen worden war. „Nagron, erinnere dich dran, wenn wir sterben oder wir im dem Kreislauf des Lebens einkehren ist es nicht das Ende. Es ist der Neubeginn. Der Körper stirbt aber die Seele wandert irgendwann wieder in einen neuen Körper hinein. So habe keine Angst vor dem Tod und wenn er kommt dann umarme ihn. Vertraue Gaia, denn das ist ihre Lehre, dass alles was stirbt irgendwann wieder zum neuem Leben erweckt wird.“ Dann dachte er auch an eine Kleinere Begebenheit als er mit dem Druiden unterwegs war und einen abgestorbenen Baum sah, den viele vür Tod erklärten...und doch war dort ein Blatt zu sehen, welches gerade zu wachsen begann. Der Druide setzte sich daneben und streichelte dieses Blatt. „Siehst du, Nagron….der Tod ist niemals das Ende von allem, alles braucht seine Zeit um wieder neu zu erblühen.“


 Gerade diese beiden Gedanken ließen ihn hoffen. Hoffen ihn irgendwann wieder zu sehen und Neues von ihm zu lernen. „Vielleicht ruhst du dich ja in diesem Korn aus, ich werde solange auf dich aufpassen.“ Sachte streichelt er über den Samen und überlegte sich etwas, wo er den Samen verstecken könnte, ohne dass ihn jemand findet. „In meiner Kette vielleicht? Im Traumfänger?“ Das alles waren Dinge die man ihm abnehmen könnte und das wollte er nicht. Wer weiß, wann und ob man flüchten müsse, es könnten Brände passieren wo der Samen zu Schaden kommen könnte. Er sah sich umher und dachte über ein Gefäß nach, wo er den Samen hinein tun könnte, um sich er zu sein, dass ihn dort keiner Findet..Hin und wieder streichelte er über den Samen. „Ich werde immer bei dir sein...“


 „Alles kommt zur Rechten Zeit wieder...Gaia ist viel mehr als nur eine Göttin, Nagron, sie wird auch die Erdenmutter genannt, Mutter Natur….suche dir eines dieser Dinge aus, sie hat mehrere Gesichter...Der Fluss sind ihre Adern, der Wind ist ihr Atem, die Erde ihre Haut und das Feuer….ist ihre Wärme… wir wandeln auf ihr….wir Atmen ihren Atem wir Trinken aus ihr….vergiss das nicht.“ Weise Worte an denen sich Nagron erinnerte, gern erinnerte.


„Du bist nicht ganz Tod, Annwyn...ich werde auf dich aufpassen..und dich mit mir tragen bis du, der Wald und Gaia mir Zeichen gibst, dass du wieder kommen willst. Ich werde es schon irgendwie merken. Denn ich werde dich bei mir tragen. Ich habe dir nie von meinem Geheimnis erzählt, was ich in mir trage. Wenn du wieder erwachst wirst du es vielleicht wissen, dass ich der Wolf bin, dem du den Namen „Faolan“ gegeben hast."

 
Der Löwe ist zwar stärker aber der Wolf tritt nicht im Zirkus auf.

Es gibt nur eine Sache die größer ist als die Liebe zur Freiheit: Der Hass auf die Person, die sie dir weg nimmt.

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