Erinnerungen in Grau
Verfasst: 11 Apr 2023, 18:44
Mit einem schweren Seufzen ließ sie sich auf ihren bequemen Sessel an ihrem Schreibtisch nieder. Sacht strich sie mit der Hand über das Holz des Tisches, welches an den Kanten schon ein wenig abgewetzt war. Sie hatte diesen Tisch vor langer Zeit einmal gefertigt, mit eigener Hände Arbeit.
Genau so wie sie das Haus gebaut hatte, in dem sie seit einer gefühlten Ewigkeit wohnte, etwas außerhalb von Silberburg, an die Silberberge angeschmiegt. In den Platz, an dem es stand, hatte sie sich auf Anhieb verliebt. Er war wie geschaffen für ihr Heim. Ein kleiner Ausläufer des Gebirges lag dort. Sie hatte das Haus halb hinein gebaut und den Ausläufer unterirdisch ein klein wenig ausgehöhlt, sodass ein Keller- und Werkraum entstand. Dort hatte sie viele Stunden mit Arbeit verbracht und dort stellte sie nach wie vor die Bestellungen und Aufträge ihrer Kundschaft her. Langsam schweifte ihr Blick durch den kleine Diele, der Dreh- und Angelpunkt ihres Hauses. Einst nur wenig mehr als ein Flur und eine Abstellkammer, war dieser Wegpunkt doch rasch zu Ausgangspunkt so vieler Dinge geworden. Für manchen sah es mehr nach einem Provisorium aus, für sie war es viel mehr als das. Hier saß sie gerne, schrieb Briefe, nahm Bestellungen auf, ruhte sich aus oder dachte einfach nur über dies und das nach.
Sie hatte hier wahrlich viele Gäste willkommen geheißen. Bekannte, Freunde, Kundschaft. Und welcher Art die Kundschaft war. Menschen, Dunkelelfen, Barbaren, Amazonen, Zwerge, Wächter, Paladine, Waldelfen, Hochelfen, Echsen, sogar Orks. Über die Jahre hatte sich aus allen Winkeln dieser Welt Interessenten zu ihr begeben, um mit ihr zu Handeln oder ihre Handwerkskünste in Anspruch zu nehmen. Viele offen und direkt, sie hatten schlicht die Türglocke genutzt oder sich anderweitig angekündigt. Andere waren eher über Umwege gekommen, heimlich und des Nachts, mit teils merkwürdigen Anliegen.
Dennoch waren alle immer zu ihr gekommen. Jeder hatte irgend ein Anliegen. Mal nur ein kleines, mal ein Außergewöhnliches, andere mit einem Großauftrag.
Und dann waren da noch jene ihres Seins, die zu ihr kamen.
Sie konnte sich noch erinnern, wie alles für sie selbst anfing..
- Rückblick: So begann es einst -
Sie blinzelte einige Male. Es war der Wendepunkt ihres Lebens gewesen. Viele, die sie danach traf, nannten es einen Fluch, verabscheuten das Tier, die Bestie, die in ihnen lebte, Teil ihrer selbst war. Für sie, das Bauernkind, war es immer ein Segen, ein Geschenk gewesen. Es hatte ihr so viele neue Möglichkeiten geboten und sie zu dem gemacht, was sie heute war. Ohne diese Begegnung wäre ihr Leben in ganz anderen Bahnen verlaufen, dessen war sie sich sicher. Sie wäre niemals so viel mehr geworden..
Sie konnte sich noch gut an die allererste Begegnung mit einem anderen ihres neuen Seins erinnern. Sie war verwirrt, wusste nicht, was geschehen war.
Ein zauseliger Blondschopf hatte sie in Ansilon zur Seite genommen, in eine dunkle Gasse gezerrt und sie an eine Hauswand gedrückt. Sie hatte damals schon ihren Dolch griffbereit gehabt und musste aus heutiger Sicht darüber lachen, wie kindlich naiv sie doch gewesen war. So nichts ahnend und dumm.
Als Eryk stellte er sich vor. Eryk aus den Reihen des Equilibriums. Er erklärte ihr mit wenigen aber eindringlichen Worten, was ihr widerfahren war. Worauf sie zu achten hatte, was ihr blühen würde, sollte sie sich nicht an seine Worte halten. Und vor allem, wer ihre Feinde waren. Damit ließ er sie verstört zurück. Sie sollte ihn nie wieder zu Gesicht bekommen.
Was sie damals noch nicht wusste: Es sollte nicht der letzte der Ihren sein, der dem Equilibrium angehörte.
Die darauffolgenden Zeit verbrachte sie vor allem damit, ihr neues Sein besser kennen zu lernen. Jeden Tag lernte sie mehr und mehr. Und je mehr sie über sich selbst lernte, desto mehr lernte sie auch noch andere kennen, die ihr Schicksal teilten. Die ersten Schritte mit.. ja wem eigentlich alles? Cassedy diMedici - eine junge Magierin. Sie sollte für lange Zeit eine treue Begleiterin und Ratgeberin sein und sie bei ihren ersten Schritten zur Führerin des Rudels unterstützen. Tyladriel, ein rauer Geselle. Besuchte gerne die Tavernen und Wirtshäuser der Lande und dennoch war auf ihn verlass, auch wenn er gerne mal streitbar war. Fahlya und Amran, junge Frauen, die gerne lachten und noch einen tragende Rolle in ihrer eigenen Geschichte spielen sollten. Auch Kaleira noch. Sie war ein wenig älter als sie selbst gewesen. Und doch folgte sie ihr fast vom ersten Tage an. Sie alle waren die jungen Wilden gewesen, wortwörtlich. Bis sie das erste Mal an Sion gerieten. Ein melancholisches Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht und hielt sich für eine Weile, in den alten Erinnerungen schwelgend.
Das alles war so lange her. So viele waren seitdem gekommen und gegangen. So viel war passiert, Gutes wie Schlechtes. Und so viel war seitdem vergessen worden. Einzig eine Konstante gab es in diesem Spiel des Lebens bisher: Sie selbst!
Genau so wie sie das Haus gebaut hatte, in dem sie seit einer gefühlten Ewigkeit wohnte, etwas außerhalb von Silberburg, an die Silberberge angeschmiegt. In den Platz, an dem es stand, hatte sie sich auf Anhieb verliebt. Er war wie geschaffen für ihr Heim. Ein kleiner Ausläufer des Gebirges lag dort. Sie hatte das Haus halb hinein gebaut und den Ausläufer unterirdisch ein klein wenig ausgehöhlt, sodass ein Keller- und Werkraum entstand. Dort hatte sie viele Stunden mit Arbeit verbracht und dort stellte sie nach wie vor die Bestellungen und Aufträge ihrer Kundschaft her. Langsam schweifte ihr Blick durch den kleine Diele, der Dreh- und Angelpunkt ihres Hauses. Einst nur wenig mehr als ein Flur und eine Abstellkammer, war dieser Wegpunkt doch rasch zu Ausgangspunkt so vieler Dinge geworden. Für manchen sah es mehr nach einem Provisorium aus, für sie war es viel mehr als das. Hier saß sie gerne, schrieb Briefe, nahm Bestellungen auf, ruhte sich aus oder dachte einfach nur über dies und das nach.
Sie hatte hier wahrlich viele Gäste willkommen geheißen. Bekannte, Freunde, Kundschaft. Und welcher Art die Kundschaft war. Menschen, Dunkelelfen, Barbaren, Amazonen, Zwerge, Wächter, Paladine, Waldelfen, Hochelfen, Echsen, sogar Orks. Über die Jahre hatte sich aus allen Winkeln dieser Welt Interessenten zu ihr begeben, um mit ihr zu Handeln oder ihre Handwerkskünste in Anspruch zu nehmen. Viele offen und direkt, sie hatten schlicht die Türglocke genutzt oder sich anderweitig angekündigt. Andere waren eher über Umwege gekommen, heimlich und des Nachts, mit teils merkwürdigen Anliegen.
Dennoch waren alle immer zu ihr gekommen. Jeder hatte irgend ein Anliegen. Mal nur ein kleines, mal ein Außergewöhnliches, andere mit einem Großauftrag.
Und dann waren da noch jene ihres Seins, die zu ihr kamen.
Sie konnte sich noch erinnern, wie alles für sie selbst anfing..
- Rückblick: So begann es einst -
Von Stiefeln und anderen Dingen..
Flauschiges Fell, wärmend vor allem, schaute oben heraus. Lederriemen, durch langes gerben stark und fest, sicherten den Schaft und gaben halt. Eine geschmeidige aber Widerstandsfeste Ledersohle war sorgfältig mit dem robusten Leder vernäht, sodass kein Wasser eindringen konnte. Nicht anders standen die Fellstiefel vor dem Bette ihrer Herrin. Ordentlich zur Seite gestellt, wie es sich gehörte. So harrten die Stiefel nun, am unteren Pfosten des Bettes aus, auf das sie wieder die Welt beschritten. Nicht weit entfernt lag über der Rückenlehne eines einfachen Stuhls einiges an Kleidungsstücken. Eine strapazierfähige Hose, ein einfaches aber gutes Leinenhemd und eine wärmende Fellweste. Alles jeweils recht ordentlich zusammengelegt. Doch noch wurden die Sachen nicht gebraucht, die Nacht war noch nicht ganz vorbei. Zwar kletterten die ersten schwachen Strahlen der Sonne über die feine Linie des Horizonts aber sie vermochten es noch nicht, das Geschöpf unter der Decke im Bett ausreichend an der Nase zu kitzeln, als dass es gähnend aufgewacht wäre. Fast bis über die Ohren war die Decke gezogen worden und nur das Gesicht des Geschöpfes lunzte daraus hervor. Eine rotbraune Strähne hatte sich ihren Weg vom Schopfe hinab ins Gesicht erkämpft und wehte nun sachte im leichten Atemzug hin und her. So verging ein wenig Zeit, in der die Sonne höher steigen konnte, die Decke immer noch die Ohren berührte und die Stiefel gespannt am Fußende des Bettes dem neuen Tag entgegenfieberten. Nun tat sich also auch langsam etwas unter der Decke. Zuerst wurde die Decke herumgeworfen, damit sich das Geschöpf darunter umdrehen konnte, um so den penetranten Sonnenstrahlen zu entgehen. Von Erfolg gekrönt ward dies Unterfangen jedoch nicht lange. Das kleine Zimmer in dem sich derlei Szene abspielte wurde nun von der ganzen Herrlichkeit der aufgehenden Sonne geflutet. Zudem drangen die hohen Stimmen der Singvögel zum Fensterladen herein, welche den neuen Tag begrüßten. Da gab es ein „tirili fiep fiep“ und ein „zwiep zwiep zwiep“, jeweils abwechselnd gesungen und manchmal mischte sich aus einiger Entfernung noch ein „tschilb tschilb“ darunter. Quittiert wurde das fröhliche Gesinge von einem empörten brummen, welches direkt von unter der Decke hervorkam. Ein zweites brummen folgte kurz danach und noch etwas später wurde die warme Decke nach hinten geschlagen. Zwei Frauenfüße samt den dazugehörigen Beinen schwangen aus dem Bett und setzten patschend auf den Holzfußboden auf. Noch leicht verschlafen schaute das Geschöpf aus der Nachtwäsche, was sich bei näherer Betrachtung als Frau im grob geschätzten Alter von 20 bis 30 Sommern herausstellte. Das rotbraune Haar gab sich nicht die Mühe, sich in geordneten Bahnen an Kopf und Schulter zu schmiegen, sondern stand teils wirr ab. Dies verschlimmerte sich noch, als direkt nach den Augen auch noch der Hinterkopf ausgiebig gerieben und gewuschelt wurde. Mit einem herzhaften gähnen, welches jedem Hafenarbeiter ehre gemacht hätte, griff die Frau nach der Waschschüssel, welche halb verloren auf einem Beistelltisch nahe des Bettes stand. Mit leichtem zittern und einigen Schauern wusch sie sich, war doch das Wasser über Nacht arg kalt geworden. Hernach griff sie zu der Kleidung vom Stuhle und schlüpfte in die uns bereits bekannten Stiefeln, welche zu diesem Unterfangen vom Fußende des Bettes herbei gezerrt wurden. Noch etwas schlaftrunken stand die Frau auf und tat einige Schritte auf den nicht mehr ganz intakten Spiegel zu, welcher in diesem Zimmer der Herberge hing. Mit einem spitzen Aufschrei blickte die Frau ihrem Konterfei im Spiegel entgegen. Schnell und entschlossen wurde die dreiste Mähne mit einem Kamm gezähmt und mit einem kleinen Lederband zu einem nicht eben pompösen Zopf zusammengebunden. Zufrieden nickend betrachtete die Frau sich erneut. Aufmerksam musterten die rehbraunen Augen das Spiegelbild. Alles schien soweit in Ordnung zu sein oder wurde stillschweigend geduldet. Als sich die Tür des Herbergszimmers öffnete und die Frau hinaus trat, hatte diese nicht mehr arg viel mit dem Geschöpf zu tun, was eben noch verschlafen, ungekämmt und murmelnd aus dem Bett aufgestanden war. Hier trat nun eine hübsche Frau hervor, gepflegt und mit sauberer Kleidung, doch nicht überladen oder offensichtlich der höheren Gesellschaft angehörig. Dabei hörte man sie kurz vor sich hin murmeln: „Mayla, hoffentlich sieht dich nie mal jemand, wie du aus dem Bett fällst.. !“ Sprachs, kicherte und wandte sich mit einem fröhlichen lächeln zum Schankraum.
Arbeit und kernige Flüche..
Nach einem deftigen Frühstück mit Speck, Eiern und einem ordentlichen Kanten Brot ging Mayla nochmals kurz hinauf in ihr Zimmer. Dort griff sie nach ihrem Proviantbeutel, dem Schleifstein und ihrer Axt. Die Arbeit rief und ihre Kunden würden nicht ewig auf sie warten. Den Rucksack in der Hand, die Axt über der Schulter begab sie sich auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz, dem lichten Wald von Silberburg. Hier lies es sich vortrefflich arbeiten. Der Wald stand nicht zu eng, die Bäume waren stark und kräftig und die Luft war angenehm, wenn sie nicht gerade eisig von den Bergen im Osten pfiff. In mitten einer kleinen Baumgruppe würde sie heute ihr Lager aufschlagen. Sie hatte noch einiges an Holz zu sammeln, um den letzten Kundenauftrag abzuwickeln. Demnach wollte sie nicht müßig sein und gleich beginnen. Das Handwerk des Holzfällens hatte sie von ihrem Vater gelernt und geerbt. Viele ihrer Kunden waren zuerst stutzig, dass sie solch einem Handwerk nachging. Sie sagten ihr immer, sie sehe gar nicht so aus. Sie wäre weder arg breit gebaut, noch über die maßen muskulös. Darauf hin entgegnete sie meist nur, dass es eben beim richtigen Holzfällen mehr auf das Wissen wie man an das Holz gelangte ankam, als auf pure Kraft. Wenn man Mayla so betrachtete, mit ihrer normalen weiblichen Figur und ihren etwa 170 halbfingern an Größe, konnte man allerdings die erste Verwunderung der meisten Kunden nur zu gut nachvollziehen. Doch das trübte ihr Gemüt nicht. Sie war damit zufrieden wie sie war und die Kunden waren es letztendlich auch, wenn sie feinstes Holz von ihr geliefert bekamen. Zwar übte sie sich auch im Umgang mit Schwert und Bogen, doch brachte ihr das Handwerk ihres Vaters mehr ein. Sie liebte es zwar, sich hie und da mal zu prügeln, doch konnte sie sich kaum vorstellen, davon leben zu können, wie manch hochmütige Kriegsleute oder Söldner. All dies schwirrte ihr an Gedanken durch den Kopf, als sie mit einigen wenigen routinierten Handgriffen der Axt nochmals den letzten Schliff gab. Mit frisch geschärfter Axt suchte sie sich also einen geeigneten Baum aus. Sie fällte nicht aufs Geratewohl irgendwelche Bäume. Meist begnügte sie sich damit, die Baumkronen zu lichten und dort einige dicke Äste auszuschlagen. So blieben die Bäume als Holzlieferant erhalten. Hatte sie so von ihrem Vater gelernt und sie führte es fort. Es kam ihr nur rechtens vor. Half man doch so dem Baum auch weiter, in dem er die Kraft in die anderen Äste und Zweige stecken konnte. Waren diese wieder stark, konnte man sie wieder schlagen. Im Prinzip ein natürlicher Kreislauf, bestehend aus Geben und Nehmen. So schlug und sammelte Mayla an diesem Tag fleißig Holz. Immer wenn sie genügend beisammen hatte, schnürte sie ein größeres Bündel, welches sie gerade noch so zu tragen vermochte und schleppte es zu ihrem Vorratslager. Gegen Mittag nahm sie auf der Lichtung sitzend ein echtes Holzfäller-Mahl ein. Getrockneter und gepökelter Schinken, herzhaften Käse, etwas Dauerwurst, Brot und etwas verdünnten Wein. Sie aß nicht alles auf, dafür hatte sie sich zu viel eingepackt. Schließlich sollte es vielleicht auch noch für den Nachmittag oder Abend reichen, falls das Holzhacken etwas umständlicher würde und mehr Zeit beanspruchte, als sie plante. Sehr zu ihrem Unmut entwickelte sich das nachfolgende Holzsammeln wirklich als sehr zeitraubend. Öfters brach ein dicker Ast, manchmal ging die Axt fehlt und ständig verklemmte sie sich. Solch Ungeschick war ihr schon länger nicht mehr wieder fahren. Vielleicht hatte sie sich zu voll gestopft mit dem Mittagessen.. oder.. das wird es sein, zu viel vom verdünnten Wein getrunken. Der Schlauch mit dem Wein war nämlich bereits leer. Mit leichter Scham und geröteten Wangen betrachtet sie bei diesem Gedanken ihre Axt und ließ einen kernigen Fluch über die Lippen kommen. Mochte dieser vermaledeit Wein doch eingehen zu saurem Essig und die Lederhaut des Wasserschlauches spröde und rissig werden. Mit einem letzten Fluch, der wenig damenhaft war warf sie die Axt zu Boden und setzte sich auf einen alten Baumstumpf. Sollte sie die Arbeit für heute ruhen lassen oder noch das letzte Bündel fertig machen? Würde sie es fertig machen so hätte sie sich für morgen einiges erspart. Zwar graute bereits langsam der Abend aber es waren keine Regenwolken zu sehen und empfindlich kalt war es auch noch nicht geworden. Nach kurzem murren über ihre eigene Torheit beschloss sie sich, die restlichen Sonnenstrahlen des vergehenden Tages zu nutzen, um das letzte Bündel an Holz noch Lagerreif zu bekommen.
Die Stunde der Klaue..
Mit Wut im Bauch über sich selbst trieb Mayla die Axt tief ins Holz, um sie dann sogleich mit einem heftigen Ruck wieder heraus zu ziehen. Kurz die Kerbe neu angepeilt und mit Wucht flog die Axt auch schon wieder herein. In das Schlagen mit der Axt auf Holz vertieft vergaß Mayla fast zunehmend die Zeit und ihre Umgebung. Das der Wind nun von den östlichen Bergen wehte, bekam sie eben so wenig mit, wie das fehlen des Vogelgezwitschers, welches sie noch am morgen geweckt hatte. Um sie herum war es bis auf das krachen der Axt ins Holz nahezu völlig still. Erst als sie eine kurze Verschnaufpause einlegte und sich mit dem hochgekrempelten Ärmel den Schweiß von der Stirn wischte, wurde ihr diese ungewöhnliche Stille bewusst. Mit einem Blick zum Himmel stellte sie erschrocken fest, dass sich der Mond in einer goldgelben Sichel, ähnlich einer großen Klaue, schon in den dämmrigen Himmel geschoben hatte. Mit von der Anstrengung bebendem Brustkorb und herabgelassener Axt in der Linken blickte sie sich im Zwielicht des Waldes um. Langsam wanderte ihr Blick ziellos suchend von links nach rechts. Ganz kurz vermeinte sie einen schnell dahin huschenden Schatten im Augenwinkel zu sehen. Doch als sie richtig zu dem Fleck hinsah, bewegte sich nichts. Mit leicht mulmigem Gefühl ging sie zu ihrer Tasche und schnallte sie sich um. Als sie wieder aufblickte, stand auf dem Baumstumpf, auf dem sie noch vor wenigen Stunden gesessen hatte, ein wahres Monstrum von einem Wolf. Mit schreckgeweiteten Augen starrte sie dem Tier entgegen, welches das Maul leicht geöffnet hatte und furchterregende Fänge erkennen ließ, an denen es weißlich schäumend funkelte. Das Tier stand so, das man die linke Flanke etwas versetzt sehen konnte. Dort bebte es unter dem grauenschwarzen Fell unheilvoll und voller Tatendrang. Ein tollwütiger Wolf war das letzte was ihr gerade noch nach dem ganzen Schlamassel mit dem Wein gefehlt hatte. Ganz langsam griff sie mit beiden Händen den Axtstiel. Ihre Handschuhe, welche sie sonst für einen besseren Griff und gegen hässliche Schwielen anlegte, waren nach dem Mittagsmahl im Rucksack geblieben. Ebenso langsam wie der Griff zur Axt drehte der Wolf das zähne starrende Haupt zur Gänze zu Mayla und funkelte sie aus tiefen, gelblichen Augen an. Ein geübter Jägersmann hätte wohl darin, so er nicht vor Angst wie versteinert gewesen wäre, den Hunger nach Fleisch erkannt aber auch Wahn und Irrsinn wären in einigen Momenten zu erkennen gewesen. Und ganz kurz flackerte auch ein kurzer Schein von Intelligenz auf, die weit über die eines Tieres ging. Mayla blieb dieses Wissen zu ihrem eigenen Glück jedoch verwehrt. Ein tiefes Grollen regte sich sodann in der Kehle des Wolfes und die Ohren legten sich langsam an den Schädel. Wie es schien, machte er sich zum Sprung und zum Angriff bereit. Auch wenn Mayla keinerlei Ahnung von der Jagd hatte, so war sie doch erfahren genug im Kampfe, um zumindest das Verhalten als solches richtig einzuschätzen. Eben noch rechtzeitig konnte Mayla den Stiel der Axt zwischen sich und ihrer Kehle und dem heran fliegenden Gebiss des Wolfes bringen, ehe es zuschnappte. Der eigentlich robuste Holzstiel der Axt gab einen jämmerlichen Laut von sich, als sich die scharfen Zähne hineinbohrten. Ebenso müsste sich ein Baum fühlen, wenn ihre Axt in ihn hinein fährt, durchzuckte es sie kurz im Unterbewusstsein. Der große Wolf knurrte fast wütend, als ihm dieses Hindernis in die Zähne gesteckt wurde, hatte er doch die Kehle als Ziel gehabt. Kurz dachte sie daran, den Dolch zu ziehen, welche an ihrem Oberschenkel fest gemacht war. Doch im Angesicht des Monstrums erschien ihr der Gedanke wie Narretei. Auf die nun verkürzte Entfernung sah das Tier noch mächtiger und furchtbarer aus, als noch vor wenigen Augenblicken. Die Ohren lagen eng am Kopf, Geifer und Blut troff aus der Schnauze und die Augen funkelten in unverhohlener Mordlust. Direkt am Schädel fügte sich ein Körper an, der vor Muskeln nur so strotzte, sah man dies alles aus nächster Nähe. Die Rute wedelte dabei wild und die unbändige Kraft des Körpers wurde in prankenartige Pfoten mit langen, dicken Krallen übertragen. Dies alles brannte sich innerhalb weniger Lidschläge in das Gedächtnis von Mayla ein, bevor der Wolf kurz das Maul öffnete und blitzschnell nochmals wild mit dem Kopf schüttelnd nach schnappte. Durch den kurzen Ruck des Loslassens glitt Mayla etwas mit der rechten Hand am Axtstiel entlang, konnte aber fix wieder zupacken. Die Hand war nur wenige halbfinger weiter am Axtblatt, doch der Wolf, welcher sofort wieder unbändig zubiss, glitt dabei mit dem geöffneten Maul über das Ende des Axtblattes, und bohrte den linken Fang ohne Mühe durch die Mitte der rechten Hand erneut in den Holzstiel. Der Schmerz kam so unvermittelt, dass sie einen spitzen und hellen Aufschrei nicht unterdrücken konnte. Auch der Wolf jaulte fast gleichzeitig, als er mit den Zähnen und dem Zahnfleisch über die Schneide der Axt geglitten war. Dieser kurze Schmerzenslaut des Wolfes ging jedoch an Mayla vorbei. Nicht gesehen hatte sie in der Geschwindigkeit des Geschehens, wie der Wolf sich kurz an der scharfen Axt im Maul geschnitten hatte, ehe sein Fang sich durch ihre Haut gebohrt hatte. Nun versuchte sie mit aller Kraft, sich loszureißen, ohne dabei groß auf die Schmerzen in der rechten Hand zu achten. Dabei vergrößerte sich die Wunde an ihrer Hand ein bisschen und etwas rote Flüssigkeit troff unbemerkt von den beiden Kontrahenten in eben diese hinein. Beide rangelten noch etwas hin und her, Mayla eher rückwärtsgehend, von der überlegenen Kraft des Wolfes geschoben, als sie allen Mut zusammen nahm und sich zu einer Verzweiflungstat hinreißen ließ. Ob Wolf oder nicht, im Prinzip war es nichts anderes als ein großer Hund. Und Hunde hatten Respekt vor jemanden oder zogen gar den Schwanz ein, wenn jemand sich stärker als sie aufspielte. So brüllte sie dem Wolf so laut sie konnte und so nah sie es aushielt direkt ins Gesicht. Überrascht und verdutzt schreckte der Wolf ob dieser unerwarteten „Attacke“ zurück und ließ kurz den Stiel los. Dies nutzte Mayla unverschämt aus, um mit der Axt nach dem Wolf zu schlagen, welcher dem Hieb nicht richtig ausweichen konnte und so einen Schlag gegen die rechte Schulter hinnehmen musste. Getroffen winselte der große Wolf und leckte an seiner Schulter, den Schwanz leicht zwischen die Hinterläufe eingezogen. Mayla drehte sich währenddessen rasch um und nahm die Beine in die Hand. Sie flankte über den Holzstapel vom Mittag und zerrte sich den Rucksack mit dem restlichen Proviant von der Schulter. Noch war der Wolf, sehr zu ihrem Verwundern, nicht hinter ihr her. Scheinbar war er zu überrascht, dass sie ihn angebrüllt und auch noch mit der Axt erwischt hatte. Sie beeilte sich, Richtung Stadt zu kommen und kramte dabei den Schinken aus der Tasche. Schnell warf sie diesen weit von sich und einige gesprinteten Meter später folgte auch noch die Dauerwurst in weitem Bogen. Einige hundert Meter weiter musste sie außer Puste an einem Baum gelehnt stehen bleiben und verschnaufen. Die Axt hielt sie dabei abwehrbereit, auch wenn ihre rechte Hand schmerzlich pochte. Eine Bewegung, die ihr folgte oder gar den Wolf selbst konnte sie in der hereinbrechenden Dunkelheit nicht ausmachen. Langsam und leise zog sie sich demnach, immer mit der Axt sichernd, nach Silberburg zurück. Nur einmal noch, als sie die hellen Lichter der Stadt schon fast erreicht hatte, hörte sie hinter sich einen lang gezogenen klagenden Laut, wie ihn Wölfe in den Geschichten der Leute abends in der Taverne immer von sich zu geben pflegen. In dem Laut meinte sie, eine gewisse Traurigkeit mitschwingen zu hören, doch mochte es auch nur eine Einbildung gewesen zu sein. Ihre Hand, welche verletzt war aber nicht sehr stark blutete, war hingegen keine Einbildung, sondern unumstößliche Tatsache. Sie war von einem tollwütigen Wolf angefallen worden und hatte mit knapper Not die Flucht geschafft, mit einer Geste, die ihr keiner glauben würde. So beschloss sie, zuerst ihre Unterkunft in der Herberge zu Silberburg aufzusuchen und dort die Wunde zu waschen und anschließend ordentlich zu verbinden. Über den Hintereingang die Treppe hinauf erreichte sie ihr Zimmer. Schwer und außer Atem ließ sie sich von innen gegen die Zimmertür fallen. Erst nach einigen tiefen Atemzügen konnte sie wieder klar sehen und schleppte sich zu der Waschschüssel hin. Um den Biss war die Hand dick geworden. Durchsehen konnte man nicht, da sich das Fleisch wieder zurückgeschoben hatte und auch die Schwellung ihr übriges tat. Unter Schmerzen drückte sie auf der Hand herum und konnte mit ihren laienhaften Kenntnissen glücklicherweise keinen Knochenbruch feststellen. Vorsichtig tauchte sie die Hand ins Wasser um die Wunde zu säubern. Danach ließ sie sie kurz abtropfen und verband sie mit einem frischen Verband. Als alles fest saß und sie zufrieden mit dem Werk war, nahm sie eine Flasche Schnaps aus dem Schrank, um den Schrecken mit einem tiefen Schluck weg zu spülen. Die Flasche ploppte fröhlich, als sie geöffnet wurde und Mayla setzte die Flasche wenig manierlich einfach an die Lippen und trank einen großen Schluck..
In der Hitze der Nacht..
Hinten über gekippt lag Mayla im Bett, die Beine noch halb heraushängend. Tief schlief sie, doch sehr unruhig und völlig nackt. Die Decke lag zusammengeknüllt am Kopfende, vom Kopfkissen fehlte auf dem Bett jegliche Spur. Schweiß glänzte in feinen Perlen auf ihrer Haut, bildete an manchen Stellen größere Seen und tränkte auf der Unterseite das Bettlaken. Der Verband der rechten Hand fehlte. Er war scheinbar im Schlaf weggerissen worden. Eben diese Hand lag jetzt, ebenso wie die Beine, schlaff nach unten hängend aus dem Bett heraus. Durch die halb angelehnten Fensterläden schien das Mondlicht der goldgelben Sichel herein. Hätte man sich Zeit genommen, so hätte man sehen können, wie der Strahl des Mondlichtes Stückchen für Stückchen den Holzdielenboden des Zimmers eroberte. Schon kroch er still und langsam die Bettpfosten empor. So erreichte er auch letztendlich die Fingerkuppen der schwebenden rechten Hand. Dort hangelte es sich weiter hinauf, bis es schließlich den Rand der Wunde erwachte. Mit erreichen des Mondlichtes veränderte sich die Wunde an der Hand. Die Wundränder zogen sich auseinander und verfärbten sich dunkel, die Wunde pochte stark, selbst die umliegende Haut bewegte sich zuckend. Helles Blut und dunkles Blut stand wie in einem Krater darin. Es schien fast, als werfe es Blasen oder kochen. Doch vielmehr verhielt es sich so, dass das Blut einen stillen Kampf austrug. Das dunkle Blut, heiß und feurig, stürzte sich auf das helle Blut, welches versuchte, sich mehr und mehr zurückzuziehen. Es zischte leise, wie wenn ein Wassertropfen auf eine heiße Steinplatte fiel. Ein dünner Rauchfaden stieg von der Wunde auf und verbreitete einen beißenden Geruch. Es schien fast, als ob der Höhepunkt des Blutkampfes erreicht wäre. Mayla stöhnte leise im Schlaf. Sie sah die Augen der Bestie im Geiste. Diese gelben Augen, die sie fixiert hielten. Sie sah erneut die Lust auf ihr Fleisch und den Hunger darin. Sie sah auch wieder das aufflackern von Wahn und diesen kurzen Moment von mörderischer Intelligenz. In ihren Träumen erlebte sie in dieser Nacht die Begegnung mit dem großen Wolf ein zweites Mal. Diesmal nahm sie jedoch jede Einzelheit wahr. Die langen Zähne, der wilde Blick, die angespannten Muskeln unter dem grauschwarzen Fell und auch das kurze Winseln des Monstrums, als es sich an der Schneide der Axt selbst verletzte. Im Traum wurde ihr das gewahr und auch, wie etwas des Blutes der Bestie in ihre Hand gelangte. Im selben Augenblick der Traumszenerie färbte sich das Blut in der Wunde neu. Es war weder so wie das dunkle Blut, noch wie das helle. Es hatte sich irgendwo in der Mitte der beiden Schattierungen getroffen, kein Blut hatte den Kampf für sich entscheiden können. Es war ineinander übergegangen und bildete nun eine Einheit. Wusste man nicht, welche Farbe Maylas Blut vorher hatte, so konnte man nun keine Veränderung feststellen. Der Mond war in dieser Zeit bereits etwas weiter am Firmament gewandert und überließ nun das Zimmer und die Hand wieder dem Schatten der Nacht. Die Wundränder entkrampften langsam und auch das Pochen der Hand ebbte allmählich ab. Das Blut zog sich in die Wunde zurück und bildete erst zögerlich, dann etwas rascher, eine dunkle Kruste. Die Hand färbte sich wieder annähernd in den üblichen Teint von Mayla zurück. Auch ihr Geist kam langsam wieder zur Ruhe und wollte sich gerade von den Fesseln des bösen Traumes losreißen, als der Wolf in ihrem Geiste sie mit dem traurigen, lang gezogenen Heulen aus dem Schlaf aufschrecken ließ..
Am Morgen danach..
Ein Stiefel war zur Seite gekippt, der andere stand nahe der Tür. Die Kleidung lag nicht ordentlich zusammengelegt über der Stuhllehne. Sie sah noch schrecklicher aus, als am Tag zuvor. Das Haar stand nicht nur wirr ab, sondern war auch fettig und schweiß getränkt. Teils klebte es regelrecht am Kopf. An ihren Traum und die damit verbundenen Erkenntnisse konnte sie sich nicht mehr erinnern. Sie waren mit dem Heulen gegangen. Verwundert schaute sie an sich hinab und wurde ihrer Nacktheit gewahr. Ein kurzer Aufschrei der Empörung stahl sich von ihren Lippen. Auch wenn sie sich sicher war, dass sie so niemand sehen würde, zog sie doch schnell die Decke herbei und schlang sich darin ein. Dabei merkte sie, dass der Verband abhanden gekommen war. Auch ihr Kopf dröhnte, als würde ein Zwerg seinen Lieblingshammer auf den Amboss schwingen. Ihr Blickt suchte die Schnapsflasche vom Abend und musterte sie kritisch. Doch mehr, als ein großer Schluck fehlte nicht. Verwundert hob sie eine Braue an. Die zweite Braue folgte nur wenig später der ersten, als Mayla sich das Chaos in ihrem Zimmer betrachtete. Überall lag ihre Kleidung verstreut. Der zweite Stuhl war umgekippt und ihr Bett war genau im Umriss ihres Körpers klatschnass. Mühsam und schwankend stand sie auf und betrachtet kurz die verschorfte Wunde. „Tollwut.. ganz klar. Da braucht es einen guten Medicus“ murmelte sie kurz vor sich hin, ehe sie sich daran machte, das Chaos in ihrem Zimmer zu beseitigen. Als alles in einigermaßen geordnete Bahnen gebracht war, nahm sie etwas zu essen aus dem Beutel im Schrank und ließ sich auf den Stuhl plumpsen. Der Medicus musste erst einmal warten, denn beim Aufräumen hatte sie gemerkt, wie hungrig sie eigentlich war. Sie verspürte einen Heißhunger auf einen saftigen Schinken. Leider hatte sie nur den getrockneten zur Hand. So musste sie also mit diesem vorlieb nehmen. Sie schnitt sich mit einem kleinen Messer eine dicke Scheibe ab und stopfte sie sich gierig in den Mund. Scheinbar musste der Schrank oder der Leinensack aus etwas besonderem sein, denn der Schinken schmeckte ihr heute Morgen besonders gut. Und obwohl sie dem Geschmack frönte, schlang sie mehr als dass sie kaute, was sie aber nicht recht bemerkte. Erst als sie sich in ihrer Hast auf die Lippe biss und ihr eigenes Blut ihre Zunge berührte, blieb sie reglos sitzen, wie vom Blitz getroffen. Ihr Blut kribbelte auf der Zunge. Sie schmeckte jede Facette heraus. Vornehmlich das Eisen, dann aber auch eine gewisse Süße, gepaart mit einem leicht herben Nachgeschmack. Sie hatte sich schon öfters mal auf die Lippe gebissen, wie man das nun mal gelegentlich tat. Doch noch nie hatte sie so intensiv das Blut zerschmeckt. Ihr war nie bewusst, aus welchen einzelnen Noten sich der Geschmack zusammensetzte. Leicht verwirrt und verwundert kaute sie diesmal langsam weiter und beendete ihr Mahl kurze Zeit darauf später. Sie räumte alles weg und begab sich an die schwierige Aufgabe, sich zu waschen. Nach dem auch dies erledigt war, suchte sie sich ihre Siebensachen zusammen und war fast schon im Begriff, die Tür zu öffnen, um den nächsten Medicus aufzusuchen. Vorher warf sie nur zur Sicherheit nochmals einen Blick auf die Wunde der Hand. Die Wundränder hatten sich schon deutlich angenähert, wenn man zuvor das Ausmaß der Wunde gekannt hatte. Auch die Wundkruste war schon reichlich dick geworden, ein gutes Zeichen, das sich bald neue Haut bilden würde. Auch die Handinnenfläche sah schon viel besser aus. Schulterzuckend hielt sie den Blick darauf gerichtet. „Muss ich wohl von Vater geerbt haben..“ ließ sie leise, wie zu sich selbst vernehmen. „Da kann ich mir wohl die Goldstücke für das Kräuterzeug beim überteuerten Medicus sparen, wenn das alles so schnell und gut verheilt. Und ein bisschen Tollwut wird mich schon nicht umbringen. Vielleicht ein paar Tage mit leichtem Fieber und dann geht’s wieder. Nichts Bedrohliches..“ So ging sie dann doch hinaus und zog im gehen noch vorsichtig ihre Handschuhe an, damit man die Wunde nicht so sehen konnte. Sie machte sich jedoch nicht auf den Weg zum Medicus, sondern zum Markt. Dort wollte sie einige Besorgungen machen und sich vor allem nach saftigem Schinken umsehen, auf den sie immer noch Gelüste hatte.
Einige Tage später..
Die Wunde war fast komplett geschlossen. Immer noch verwundert über diese schnelle Heilung starrte Mayla bestimmt schon zum hundertsten Male diese Woche darauf. Irgendwas schien doch nicht so ganz zu stimmen. Auch wenn die Wunde als solche nicht wehtat, hatte sie doch manchmal ein unterschwelliges Ziehen in der Hand. Auch vermeinte sie, dass ihr Haar nicht mehr aber irgendwie fülliger geworden war. Ebenso kam ihr ihre Stimme einen Tick dunkler vor, als noch vor einem Mond. Merkwürdig war auch, dass sie viele Gerüche und Geschmacksrichtungen viel bewusster wahrnahm. Alles in allem schien irgendetwas mit dem großen Wolf doch nicht so in Ordnung gewesen zu sein, wie sie es sich immer wieder versuchte einzureden. Vielleicht hatte er doch Tollwut gehabt und es breitete sich nun in ihr aus? Zum Medicus würde sie jetzt nicht mehr gehen. Was sollte sie sagen? Das sie vor nunmehr einem dutzend Tagen von einem Wolf gebissen wurde? Der Medicus würde sie sicherlich fürchterlich schimpfen, dass sie nicht viel früher zu ihm gekommen ist und er ihr viel mehr Goldstücke hätte aus der Tasche ziehen können. Nein, diese Schmach wollte sie sich nicht geben. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass sich das alles wieder legte. Sonst musste sie vielleicht doch früher oder später noch zu einem Medicus oder gar einem Magier. Eine Axt konnte sie mit der Hand fast schon wieder schwingen und so ließ sie es sich noch einige Tage beim Müßiggang gut gehen, ehe sie wieder zum normalen Arbeitsalltag zurückkehren würde. Dann würde sicherlich auch wieder das Ziehen aus der Hand verschwinden.
Sie blinzelte einige Male. Es war der Wendepunkt ihres Lebens gewesen. Viele, die sie danach traf, nannten es einen Fluch, verabscheuten das Tier, die Bestie, die in ihnen lebte, Teil ihrer selbst war. Für sie, das Bauernkind, war es immer ein Segen, ein Geschenk gewesen. Es hatte ihr so viele neue Möglichkeiten geboten und sie zu dem gemacht, was sie heute war. Ohne diese Begegnung wäre ihr Leben in ganz anderen Bahnen verlaufen, dessen war sie sich sicher. Sie wäre niemals so viel mehr geworden..
Sie konnte sich noch gut an die allererste Begegnung mit einem anderen ihres neuen Seins erinnern. Sie war verwirrt, wusste nicht, was geschehen war.
Ein zauseliger Blondschopf hatte sie in Ansilon zur Seite genommen, in eine dunkle Gasse gezerrt und sie an eine Hauswand gedrückt. Sie hatte damals schon ihren Dolch griffbereit gehabt und musste aus heutiger Sicht darüber lachen, wie kindlich naiv sie doch gewesen war. So nichts ahnend und dumm.
Als Eryk stellte er sich vor. Eryk aus den Reihen des Equilibriums. Er erklärte ihr mit wenigen aber eindringlichen Worten, was ihr widerfahren war. Worauf sie zu achten hatte, was ihr blühen würde, sollte sie sich nicht an seine Worte halten. Und vor allem, wer ihre Feinde waren. Damit ließ er sie verstört zurück. Sie sollte ihn nie wieder zu Gesicht bekommen.
Was sie damals noch nicht wusste: Es sollte nicht der letzte der Ihren sein, der dem Equilibrium angehörte.
Die darauffolgenden Zeit verbrachte sie vor allem damit, ihr neues Sein besser kennen zu lernen. Jeden Tag lernte sie mehr und mehr. Und je mehr sie über sich selbst lernte, desto mehr lernte sie auch noch andere kennen, die ihr Schicksal teilten. Die ersten Schritte mit.. ja wem eigentlich alles? Cassedy diMedici - eine junge Magierin. Sie sollte für lange Zeit eine treue Begleiterin und Ratgeberin sein und sie bei ihren ersten Schritten zur Führerin des Rudels unterstützen. Tyladriel, ein rauer Geselle. Besuchte gerne die Tavernen und Wirtshäuser der Lande und dennoch war auf ihn verlass, auch wenn er gerne mal streitbar war. Fahlya und Amran, junge Frauen, die gerne lachten und noch einen tragende Rolle in ihrer eigenen Geschichte spielen sollten. Auch Kaleira noch. Sie war ein wenig älter als sie selbst gewesen. Und doch folgte sie ihr fast vom ersten Tage an. Sie alle waren die jungen Wilden gewesen, wortwörtlich. Bis sie das erste Mal an Sion gerieten. Ein melancholisches Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht und hielt sich für eine Weile, in den alten Erinnerungen schwelgend.
Das alles war so lange her. So viele waren seitdem gekommen und gegangen. So viel war passiert, Gutes wie Schlechtes. Und so viel war seitdem vergessen worden. Einzig eine Konstante gab es in diesem Spiel des Lebens bisher: Sie selbst!