Die Verwandlung

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Cecilia Tzyntares
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Die Verwandlung

Beitrag von Cecilia Tzyntares »

Der Jahrmarkt

Wie ein dicker Mantel legte sich der Nebel auf die dunklen Seitengassen der Stadt.
Nur wenige Lichtquellen durchbrachen ihn und warfen hier und da einen bewegten Schatten. Mal schien es eine Ratte zu sein, die hektisch davon eilte, und ein anderes Mal.. Wollen wir denn wirklich in Erfahrung bringen, was in der Nacht sonst noch so lebt? Wohl kaum. Ich will ja nicht für eure schlaflose Nächte verantwortlich sein. Werden wir uns einfach darin einig, dass in den tiefsten Nächten einige der absurdesten Wesen aus ihren Löchern herauskriechen.

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Und sagen wir mal, dass es nicht ratsam ist, spät nachts die Straßen aufzusuchen. Doch manche wissen es nicht besser und torkeln aus der nah gelegenen Schänke heraus und setzen bei der nächsten Gelegenheit zur feuchten Pause an. Wenn sie noch das Glück haben, das Gefühl der Erleichterung zu verspüren, bevor eine kühle Klinge ihre Kehle durchschneidet, oder scharfe Zähne sich saugend in ihr Fleisch bohren. Egal was von beiden es ist - am Ende pisst er sich vor Angst doch ein.
Ich rümpfte angewidert die Nasenflügel. Mein empfindlicher Geruchssinn kannte kein Erbarmen. Noch weniger, wenn ich nur eine Straße weiter im Schatten verharrte. Abwartend um nicht entdeckt zu werden, bis jene Handlung verzogen war, die sich vor meinen Augen auf der anderen Straßenseite abspielte. Aus Gewohnheit hielt ich den Atem an, was wenig Sinn machte, denn meine Lungen mussten nicht mehr mit Luft gefüllt werden, und dann vernahm ich den altbekannten metallischen Duft des Blutes, der sich mit dem unverkennbaren Geruch von Pisse vermischte. Meine Gedanken schienen auf einmal zu rasen. „Blut.“
Meine Zungenspitze glitt über meine spitzen Zähne, welche sich durch mein Zahnfleisch drückten. „Bloß weg hier.“, schoss es mir durch den Kopf wie eine laute, innere Stimme.
Ich durfte mich nicht ablenken lassen, nicht heute, nicht jetzt. So rannte ich los, ohne ein Geräusch zu verursachen.
Meinem Zielort immer näher kommend, sah ich schon von weitem die im Schatten liegenden Zelte.
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Der ganze Jahrmarkt schien in tiefem Schlaf zu liegen. Keine Menschenseele war mehr hier.
Kaum zu glauben, dass hier am Tage so viel los war. Der köstliche Geruch der gebrannten Mandeln lockte nicht nur die Kinder an. Auch auf die übrigen Besucher wirkten die farbenfrohen Zelte einladend. Hier und da rief eine laute Stimme: „Kommt, liebe Leute! Kommt näher! Seht das Unfassbare und Seltene!“ und der Schreier hatte Recht.
Die Wesen, die auf der Bühne zur Schau gestellt waren, waren wahrlich unfassbar hässlich und außergewöhnlich, kein Wunder, dass jeder diese Unfälle der Natur sehen wollte und anscheinend auch gewillt war, für diesen grotesken Anblick zu zahlen.

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Der Maskenmann



Und dort sah ich ihn zum ersten Mal und sein Anblick verursachte mir einen Schauer.
Seine seltsame Aura berührte mich flüchtig. Das Antlitz verborgen hinter einer lachenden Maske. Da nahm ich wahr, dass er anders war und mir doch zugleich in irgendeiner Art ähnelte.
Wieder hörte ich seine Stimme, die so mitreißend war, dass die Menschen von ihm angezogen waren und ihm, regelrecht gebannt von seinen Worten, ihm bereitwillig in sein Zelt folgten.
Ich wollte mehr von ihm wissen, ihn beobachten und ihm zuhören. Also folgte auch ich ihm.
Die Vorstellung begann mit lauten Zurufen der Zuschauer. Faszinierten und überraschten Lauten, welche ihre Gefühlswelt zum Vorschein brachten. Doch als sie das Zelt anschließend verließen, wirkten sie ruhig, müde und in sich gekehrt. Hatte sie die Vorstellung doch so verstört und zum Nachdenken gebracht? Oder schier ermüdet?

Also wartete ich, bis sich die Meute zerstreut hatte und nur der Maskenmann und ich allein im Zelt verblieben waren.
„Sind es deine Kunstwerke?“, fragte ich, um die Stille zwischen uns zu brechen.
„Sie sind so gut, dass keiner bemerkt, dass sie aus totem Fleisch gemacht sind“, fügte ich hinzu. Er stand zwischen den Wesen und blickte wie durch mich hindurch.
„Es sind Marionetten, nur für einen kurzen Zweck und für eine kurze Zeit, erschaffen aus meinen Händen.“ Er streckte die Arme von sich, öffnete seine behandschuhten Handflächen und untermalte damit seine Worte.
Nachdenklich nickte ich. „Und welcher Zweck soll es sein?“ Vielleicht war meine Neugier hier nicht angemessen. Aber ich war jung und manchmal auch neugierig
„Du trinkst das Blut der Lebenden, um selbst zu leben. Ich ernähre mich von ihrer positiven Energie.“ Und schon folgte wieder die Stille. Diese gab mir die Zeit, über seine Worte nachzudenken, während er mich nun einer genaueren Musterung unterzog, was mir deutlich unangenehm war. Ich fühlte mich plötzlich wie ein Insekt in seiner Gegenwart.
„Sie zerfallen zu schnell. Der Tod holt sich, was er einst genommen hat, manchmal schneller zurück, als es mir lieb ist.“ Um es mir zu demonstrieren, berührte er eines seiner erschaffenen Wesen, welches sogleich vor seinen Füssen zusammenbrach, um reglos am Boden liegen zu bleiben. Erst jetzt roch ich die Ausdünstung der Verwesung.
Vom Geruch abgelenkt, bemerkte ich zu spät, dass er sich bereits bewegt hatte und nun hinter mir stand.
Sein Antlitz und das Meinige spiegelten sich im lebensgroßen Spiegel mit der goldenen Umrandung am Ende der Zeltwand.

Er streckte seine mit Leder behandschuhte Hand aus und strich mir eine Haarsträhne von der Wange.
„Ich kann dir ein neues Gesicht geben. Diese Nase und diese Augen.“, er schnalzte mit der Zunge und machte dabei eine kleine Pause. “Also, nein. Du bist so gewöhnlich. Dabei könntest du so viel mehr sein. Ich kann dir die Fähigkeit geben, die Blicke auf dich zu lenken, wenn du es willst. Würde es dir keinen Spaß machen hübsch zu sein? Plötzlich spürte ich die Hitze in mir aufsteigen. War es Zorn, war es Demütigung? Mein Mund fühlte sich auf einmal trocken an.

„Schönheit macht alles etwas leichter, Schätzchen, auch bei der Jagd. Sie werden nicht deine spitzen Zähne bemerken, wenn sie gebannt in deine hübschen Augen blicken. Denke über die Vorteile nach, die du damit gewinnen könntest.“

Seine Stimme erklang neben meinem Ohr so berauschend wie ein Singsang. Ich schluckte und meine Stimme hörte sich auf einmal kratzig an. „Bist du ein Körperweber? Und was ist der Preis für deine Fähigkeit?“ Ich deutete auf das Häufchen Elend auf dem Boden und erntete nur ein amüsiertes tiefes Lachen. „Was schon tot ist, kann von Göttern nicht erneut geholt werden.“ Wo er recht hatte, hatte er wohl recht.
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Was der Preis war? Eine jahrelange Bindung meines Wortes an den Maskenmann. Ich würde für ihn Veranstaltungen planen und durchführen und er würde sich von der Energie ernähren, die durch die Besucher entstand. Und so willigte ich naiv ein - was hätte ich bei solch einem verlockenden Angebot auch sonst tun sollen?
Und so kam ich an, mitten in der Nacht auf dem Jahrmarkt. Eine in dunkler Robe vermummte Gestalt wartete bereits auf mich. Ich folgte ihm in eines der Gemächer und bemerkte, dass die Wände mit Masken bedeckt waren.

Masken aus Keramik und Pappmaschee, aus Glas und auch aus Ton. Mit Kindermasken, alten Menschenmasken, und verzerrten Gesichtern.
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Ein Raum der Gesichter, schön und hässlich und alles dazwischen zugleich. Er führte mich zu einer schwarzen Steinplatte, welche mit ledernen Riemen und glänzenden Schnallen versehen war. Und dann wies er mich an, mich auszuziehen, denn nur auf einer leeren Leinwand könne man malen, so sagte er.

Der Stein fühlte sich kühl an auf meiner nackten Haut. Ein erneutes Kribbeln durchfuhr mich. Dann sah ich seine Silhouette sich über mich beugen und hörte seine ruhige Stimme auf mich einsprechen. „Ich werde dich festbinden müssen.“ Ich nickte, denn so wird es hier sicher gemacht, ermahnte ich mich im Stillen..

Ich spürte, wie sich die Riemen und das Leder sich um meine Beine und Handgelenke schmiegten.
„Es wird jetzt wehtun, mein Schätzchen, aber ich weiß was ich tue, vertraue mir.“
„Weh tun?“ Und bevor ich es zur Gänze aussprach, spürte ich es. Schmerz! Unerträglichen Schmerz, der wie heißes Feuer in mir brannte.

Seine Finger bewegten sich über mich, als ob er auf einem Klavier spielen würde. Ich fühlte, wie mein Fleisch verlief, wie Wachs unter heißen Flammen. Ich biss die Zähne zusammen und blinzelte die Tränen weg. Der Schmerz brannte heißer.
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Nach weiteren nicht endend wollenden Augenblicken, hörte ich meine schreiende Stimme vor Schmerz nicht mehr. Ich viel in die Ohnmacht.
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Und als ich wieder aufwachte. Erblickte ich im Goldenem Spiegel mir eine Fremde Person. Meine Augen, meine Nase und selbst mein Haar wirkte verändert, verführerisch und Sinnlich. Ich musterte mich weiter, erblickte Wölbungen an Stellen wo zuvor nur zwei Erbsen eins waren. Meine Hüfte wirkte nun runder und passte pervekt zu den nun langen formschönen Beinen. Er hat wirklich sein Wort gehalten und eine dunkle Schönheit aus mir gemacht gehabt.
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Mein Versprechen

Diese Verwandlung schien mir so viel Kraft zu nehmen. Das ich einige Jahrzehnte in der Familiengruft schlief. Nicht nur die Zeit verging wie im Fluge, auch meine Erinnerungen schien in Vergessenheit geraten zu sein. Erst mit der Zeit nach meinem Erwachen und mit den darauf folgenden Ereignissen kehrten die Erinnerung der Vergangenheit zurück.

Jahre später tauchte der Maskenmann immer wieder bei mir auf. Und erwartete dass ich mein Wort hilt. Und das tat ich auch. Den jenes Geschäft war gut gewesen.

So veranstalteten wir Jahr für Jahr die schönsten Bälle und nur wir wussten, was der Preis des Einzelnen dafür war…
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