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Heimkehr in eine neue Welt

Verfasst: 30 Aug 2023, 23:44
von Eldarion
Regen prasselte auf die Straße, die sich in Richtung einer namenlosen Stadt schlängelte. Es war beinahe unangenehm warm, und so verdampften die Regentropfen fast im selben Moment, in dem sie auf das Kiesbett trafen. Aus dem Nebel schälte sich die Silhouette eines hoch gewachsenen Wanderers, der mit weit ausladenden Schritten auf die Tore der Stadt zuging.
Einem potentiellen Beobachter wäre eine gewisse Erhabenheit und Selbstverständnis in den Bewegungen aufgefallen - doch das äußere Bild der Gestalt schien dieser Aura Hohn zu sprechen. Ein alter, vernarbt aussehender Wanderstab, gepaart mit wettergegerbten Lederstiefeln und einem alten, ausgefransten Umhang dessen Kapuze weit ins Gesicht gezogen war.


Misstrauen war in den Blicken der Wachen, als die Gestalt sich näherte und um Einlass bat. Der Unbekannte zog die Kapuze zurück.
Lange Haare, helle Haut und spitze Ohren kamen zum Vorschein.

"Mae govannen!", sprach der Mann, "Ich benötige eine Überfahrt."
Die Wachen sahen sich an und zuckten mit den Schultern. Das waren anscheinend schon wieder Dinge, die sie nicht wissen wollten.
"Dann seid willkommen. Der Hafen ist in die Richtung."
Die linke Wache deutete nach Norden. Den Elfen hatte er hier noch nie gesehen. Ziemlich schlecht gekleidet war er, für einen Elf, befand die Wache. Aber Elfen machten in der Regel keinen Ärger. Also warum Zeit verschwenden bei diesem miesen Wetter.
"Hannad an tulu lîn. Namarie!" verabschiedete sich der Elf und ging seines Weges.

Die Wachen winkten ihn herein und würdigten ihn keines weiteren Blickes mehr.Zielstrebig, alle ihn musternden Blicke ignorierend, lief der Elf zum Hafen. Am Pier stehend hielt er Ausschau nach einem Schiff. Müde lächelnd durchwühlte er sein Goldsäckel. Er hatte auf seiner Reise so ziemlich alles verkauft oder verloren, was er besaß. Die übrig gebliebenden Münzen klimperten traurig. Sie würden die Auswahl deutlich einschränken. Sein Blick fiel auf ein kleines Fischerboot, das ein vom rauhen Seewetter gegärbter Mann unbestimmbaren Alters gerade zum Ablegen bereit machte.

Winkend lief er auf das Boot zu. "Guter Mann!" rief er, "Ja ihr auf dem Fischerboot!"
Der Mann hob den Kopf. "Meint ihr mich?" rief er zurück.
"Ja, euch", nickte der Elf, inzwischen beim Boot angekommen, "würdet ihr mir einen Gefallen tun?"
"Hm", brummte der Fischer, "das kommt darauf an. Fremden tue ich keinen Gefallen und umsonst ebensowenig."
Überraschung schlich sich in die Züge des Elfen, dann konnte er nicht anders und musste lachen. "Nennt mich Eldarion. Und ein paar Münzen hätte ich noch übrig. Ich benötige eine Überfahrt nach Ivren'mir."
Der Fischer blickte ein wenig skeptisch drein. "Richard" meinte er und streckte die Hand aus, die der ELf ergriff. Sie schüttelten sich die Hände. "Das ist ein ziemlicher Umweg und bei dem Wetter, mh, ... 100 Gold."
Der Elf kramte in seinem Beutel und seufzte. "Nun gut. Abgemacht." Er reichte dem Fischer das Gold und dieser half ihm an Bord.

Während sich die Umrisse Ivren'mirs langsam aus der Regenwand schälten, wurde Eldarion nachdenklich und versank in Grübeleien. Die Erinnerungen an eine längst vergangene Zeit kamen zurück. Wie lange war es nun her? Beinahe einhundert Jahre, seit seine Eltern ihn in die Welt hinaus geschickt hatten. Um sich selbst zu finden. Wissen zu finden. Ein Ziel zu finden. Nach dem großen Kataklysmus hatte er sich auf den Rückweg gemacht. Viel zu lange hatte er unter Fremden gelebt, jeglichen Kontakt mit seinen Eltern vermieden. Große Veränderungen hatten sich ereignet, und die Gerüchte besagten noch größere stünden bevor.
Das Boot legte im Hafen von Ivren'mir an. Eldarion ging von Bord, bedankte sich bei Richard und winkte zum Abschied.
Es war an der Zeit, zu seinem Volk zurück zu kehren und seinen eigenen Weg zu gehen.