Nach dem die Amazonen alle mit Aufgaben versorgt waren, gab es für sie noch etwas zu tun.
Das Schiff war verloren, das war allen klar.
Was nicht allen klar war, war die Tatsache, dass das Amazonenschiff ein Kleinod transportierte, das für manche von enormer Bedeutung war und unter anderem ein Grund, weshalb sie auf diesem Schiff mitgefahren war.
Der Mondstein ruhte wohl behütet in einem Kokon aus loser Baumwolle, Stoff und Leder im Zwischendeck.
Das Problem war nun, dass das Schiff kurzfristig nicht mehr seetüchtig zu machen war und das Wasser bis zur Treppe des Zwischendecks stand.
Sie hatte bei der Besprechung der Amazonen Niriel auf die besondere Fracht angesprochen. Sie war die einzige halbwegs eingeweihte Person. Sie gab die Erlaubnis, dass Livius an Bord kommen durfte. Schließlich war auch schon bei der Verladung dabei.
Es war nicht sonderlich schwer den Drachenmagier an Land zu finden. Ihre stumme Präsenz, ein kurzer Blick und eine sachte Kopfbewegung genügten, um ihm deutlich zu machen, dass sie ihr Unterfangen starten konnten. Sie hatten ein paar Tage davor schon darüber gesprochen, wie der Stein zu retten sei und wie sie das bewerkstelligen wollten. Entsprechend war er gut vorbereitet.
Die genauen Gegebenheiten vor Ort waren ihm jedoch neu. Die Aussicht auf ein nasses Bad in voller Montur steigerte die Laune seines überaus sonnigen Gemüts eher verhalten, gelinde gesagt. Die Frage nach der Art und Weise des Vorhabens war schnell geklärt.
Sie selbst verfügte über reichlich handwerkliches Geschick. Das wirken von Magie ging ihr aber ab.
Da unter Wasser gearbeitet werden musste, erklärte Livius ihr die Runen, die sie in den Stein ritzen musste und die er dann mittels Magie aktivieren würde. Irgendwie so ähnlich jedenfalls.
Er hatte mit einem Kohlestift die nötigen Runen auf ein kleines Stück Pergament geschrieben. Das würde aber unter Wasser nicht lange von Bestand sein und da man wohl bei Runen recht genau arbeiten musste, nahm sie sich die Zeit, die Runen mehrmals auf ein kleines Holzstück einzuritzen. Übung machte den Meister. Außerdem konnte sie das Holzstück und die Runen unter Wasser erfühlen, was im Zweifel hilfreich sein durfte.
Es war recht einfach. Ein umgedrehtes Y, ein krakeliges K und ein schiefer Kamm. Kal Por Ylem. Es war ihr schleierhaft, wie solche kruden Zeichen der Magie Halt geben sollten. War aber jetzt und hier nicht ihre dringlichste Sorge, dafür tieferes Verständnis aufbringen zu wollen.
Die beiden begaben sich in das brusthohe Wasser und arbeiteten sich zum Stein vor. Schnell war eine Stelle freigelegt und sie begann mit ihrem besonderen Dolch die drei Zeichen in den Kristall zu ritzen. Das Geräusch von Metall auf Kristall breitete sich unter Wasser aus und zog sich durch Mark und Bein. Es war kaum auszuhalten.
Sie benötigte nicht lange, um die Zeichen so tief in den Kristall zu ziehen, dass sie mit dem bloßen Finger spürbar waren.
Sie tauchte auf und gab Livius mit einem Nicken das Zeichen, dass er beginnen konnte.
Das nasse Unterdeck hallte von unverständlichen Worten wieder, die über die Wasseroberfläche hinweg rollten und unter Wasser mit dumpfen vibrieren am ganzen Leib zu spüren waren.
Als er die letzte Silbe gesprochen hatte, glühten die drei Runen giftgrün auf und waren deutlich durch das Wasser auf dem Stein zu erkennen. Einige Herzschläge lang leuchteten sie kräftig und erhellten die Umgebung wie bei strahlendem Sonnenschein. Dann verblassten sie langsam und die schummrige Dunkelheit kehrte zurück.
Sie beide verharrten noch eine Weile, ehe der Drachenmagier mit eine kurzen Deut zu verstehen gab, dass die Arbeit wohl erledigt sei.
Völlig durchnässt kehrten sie an Deck zurück, elendig im Anblick.
Der Zauber schien geglückt zu sein, jedenfalls war Livius zufrieden mit seinem tun und er hatte keine Kritik an den geritzten Runen zu üben.
Es war Zeit aus den nassen Sachen zu kommen. Man verabschiedete sich und würde die nächsten Tage nochmals zusammen kommen, um das Werk nochmals genauer in Augenschein zu nehmen. Hier würde keiner von ihnen beiden Nachlässigkeiten dulden. Dafür war das Kleinod zu wichtig, nicht nur für sie.