Tiefer Fall...

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Velnar'ae
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Tiefer Fall...

Beitrag von Velnar'ae »

Das Leder der Peitschte knirschte leise, als sich ihr Griff unbewusst verstärkte. Ihr ganzer Körper war angespannt wie ein Drahtseil, als würde er sich darauf vorbereiten in einem tobenden Kampf zu werden. Doch vor ihr herrschte derzeit keine Gefahr, nur das regsames Gewusel der Sklaven, die ihrer Arbeit nachgingen. Vorräte wurden auf den riesigen Tausendfüßlern verzurrt, die sich stoisch ruhig beladen ließen, während die Goblin- und Gnomensklaven hektisch hin – und her huschten und versuchten die Ladung gleichmäßig zu verteilen, damit die vielbeinigen Ungetüme später nicht behindert wurden und sie das angepeilte Reisetempo halten konnten. Zwei Sargtlin, die das Zeichen ihres Hauses trugen, das des glorreichen Familie Noquar, patrouillierten auf ihren Reitechsen entlang der stehenden Karawane und neigten ihr Haupt respektvoll, als sie an ihr und der Velg’larn an ihrer Seite vorbeischritten. Doch sie beachtete sie nicht weiter, sondern versuchte den Missmut und das dumpfe Brodeln der Wut in ihrem Inneren zu dämpfen. Niemand sollte wissen, dass sie alles andere als erfreut war, die Karawane ihrer Familie zur kürzlich korrumpierten Mykonoiden-Kolonie anzuführen. Dies war die Arbeit für eine niedere Priesterin, vielleicht eine Orntlu’Yathrin oder einer Yathrin, die sich noch vor den Augen der Ilharess beweisen musste, aber doch nicht für sie – Nhilzyne Noquar, dritte Tochter der Mutter Oberin des fünften Hauses von Ched Nasad!

Sie war sich sicher, dass eine drei Schwestern ihrer Mutter hinter dieser unrühmlichen Aufgabe steckte, die man ihr vor wenigen Narbondelzyklen zugewiesen hatte. Vermutlich hatte ihre Tante Filfiira mit samtener Zunge auf die Mutter Oberin eingeredet, das würde ihr ähnlich sehen. Offenkundig als Rache für den „Unfall“, den ihre Tochter bei der letzten Expedition erlitten hatte – dabei steckte sie gar nicht hinter dem tragischen Unglück, das ihre Cousine ereilt hatte, sondern ihre ältere Schwester Viersyne. Nhilzyne konnte nur erahnen, wie ihre ältere Schwester es eingefädelt hatte, dass die unliebsame Cousine einem Hakenschrecken zum Opfer fiel, jedoch gebührte ihr alleine für die Tat Respekt. Sie und ihre beiden Schwestern waren sich in wenig einig, doch dass die Macht ihrer Tanten und Cousinen beschnitten werden musste, das einte die drei weiblichen Nachkommen der Mutter Oberin.


Einige lärmende Cretok hievten grunzend die letzten schweren Kisten herbei. Normalerweise würde sie bei deren Gestank die Nase rümpfen, doch die imposante Gestalt der Drowpriesterin, die scheinbar mit unbewegter Mimik und rot glühenden Augen die Aufbruchsvorbeitungen der Karawane betrachteten, war schlicht eine Illusion. Sie hatte das Abbild nicht etwa aus Furcht vor den Klingen der Velg’larn neben sich geschaffen, die recht sicher zum loyalen Gefolge des langjährigen „Geliebten“ ihrer Tante gehörte, dem Qu'el'Velgluk  des edlen Hauses der Noquar. Sie erwartete keinen Anschlag so nahe der Stadt Ched Nasad, die sich in einer recht beachtlichen Kaverne nahe der Grenze vom Mittleren zum Oberen Unterreich befand. Die Attentäterin würde vermutlich erst später zuschlagen, vielleicht war sie auch nur die augenscheinlich präsentierte Gefahr, die aber am Ende nicht agieren würde, um nicht den Verdacht auf ihre Tante zu lenken. Wahrscheinlicher sollte ihre Präsenz sie einfach nur ablenken und die eigentliche Intrige und Gefahr verschleiern.

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Für den Moment ruhte sie einige Schritte entfernt wohlverborgen zwischen den mannshohen Schirmen der blau-grünlich schimmernden Pilze, gehüllt in einen Schleier, der sie vor fremden Blicken schützte. Hier konnte sie im Stummen vor sich hin brodeln, ohne das eine unachtsame Geste oder unbeherrschte Mimik ihre wahren Gefühls- und Gedankengänge offenbarte. Sie würde der Velg’larn, die auf den Namen Velnar’ae hörte, nicht die Genugtuung geben dem Schattenmeister und somit ihrer Tante zu berichten, wie sehr sie von dieser Abordnung in ihrem Stolz verletzt wurde.


Unter normalen Umständen hätte sie die Leitung der Expedition auch nicht gestört, immerhin war die korrumpierte Mykonoiden-Kolonie ein wohlgehüteter und kürzlich erschlossener Schatz ihres Hauses, der ihnen Zugang zu seltenen Ressourcen der Unterwelt ermöglichte. Und seltene Ressourcen versprachen Einfluss und Macht, um ihre Stellung gegenüber den anderen Familien in Ched Nasad zu festigen. So fest, dass die Mutter Oberin es in Erwägung zog, einen Ableger der Familie in einer höhergelegenen Siedlung zu errichten. Nhilzyne leckte sich über die Lippen, welch köstlicher Gedanke solch einen Familienableger zu führen, weit entfernt von ihren verhassten Tanten, die ihre kürzlichen Aufstieg zur Yathallar versuchten kleinzureden. Erneut knirschte das Leder ihrer Schlangenpeitsche, als eine erneute Woge der Unbeherrschtheit ihren Körper durchflutete. Die Gespräche über die Führung des Familienzweiges wurden in wenigen Zyklen besprochen – und wer war offensichtlich nicht im Anwesen der Familie, um mitzumischen? Doch sie würde ihre Chance anderweitig nutzen, immerhin war sie bald an der Ader der neuen Machtquelle ihrer Familie. Sie würde die Pilzkolonie auf sich prägen! Sie würde nur den gedankenbeherrschenden Zauber, den die Priesterinnen der Noquars wie ein feines Netz um die Gedanken des Souveräns der Kolonie gesponnen hatten, hier und da verändern müssen. Einen entsprechend schwer zu verortenden und unumkehrbaren Ritus hatte sie in den Bibliotheken des Tempels in mühsamer Recherche rekonstruieren können. Mit der Macht über den Anführer dieser Pilzwesen hatte sie Macht über die Geschicke der Familie – ein Prickeln, diesmal wohltuend, durchlief ihren Körper, als würden hunderte Spinnen über sie krabbeln.

Doch das Hochgefühl dauerte nur kurz an. Eine telepathische Nachricht ihrer Vertrauten riss sie aus dem Schwelgen ihrer Rachefantasien: „Gefahr!“.

Nhilzyne blinzelte und fokussierte sofort Velnar’ae, die neben ihrem illusionärem Abbild stand und offensichtlich die Sklaven beobachtete, die soeben das letzte Reisegut auf den gigantischen Tausendfüßlern befestigt hatten. Die Hände der Velg’larn ruhten gefaltet vor ihrem Bauch, sie hatte keinen Dolch gezogen, noch verhielt sie sich verdächtig.
Beunruhigt ließ die Hohepriesterin ihren Blick weiter schweifen. Ihre junge Bebilith-Vertraute irrte sich selten, auch wenn sie diese erst bei ihrer kürzlichen Erhebung zur Yathallar beschworen und an sich gebunden hatte und noch nicht genau abschätzen konnte, welche Fähigkeiten der Spinnendämon hatte. Sie engte die Brauen und zischte leise einen Hellsichtszauber, während sie die rechte Hand locker auf ihren Reagenzienbehälter legte, um die Energien des astralen Gefüges durch die Gunst der Weberin zu beeinflussen. Vorsichtig wob sie das benötigte Muster, sorgsam darauf achtend keine verräterischen Energien und Schwingungen zu verursachen, die ihren magisch verhüllten Standort verraten könnten.

Ihre Sicht verschwamm und ordnete sich neu, mehr Farben hielten Einzug in ihr Blickfeld, als die Auren der Lebewesen diffus schimmernd hervorgehoben wurden. Flackerndes Blau und  Nuancen von Rot – die Furcht und gleichsam unterdrückte Wut vieler der Sklaven, nicht ungewöhnliches. Auch die Aura der Attentäterin verriet nichts ungewöhnliches. Rasch, aber konzentriert studierte sie die vielen Sargtlin, die sich auf ihren Reitechsen parallel zu den Tausendfüßlern aufstellten, um die gleich aufbrechende Karawane zu flankieren.
Langsam wurde die Yathallar unruhig, als sie die von ihrer Vertrauten benannten Quelle der Gefahr nicht ausfindig machen konnte.
Nindyn vel'uss kyorl nund ratha thalra elghinn dal lil alust – Jene, die auf ihren Rücken achten, ereilt der Tod von vorne, ein bekanntes Sprichwort in ihrem Volk. Doch vor der Karawane gähnte nur der schwarze, nicht vom fluoreszierenden Licht der Moose und Pilze erhellte Höhlengang in die tieferen Ebenen des Unterreiches. Und im Rücken der Karawane, im Pilzwald, stand sie selbst. Doch, stand jemand in ihrem Rücken?


Sie drückte sich tiefer zwischen die Stämme der großen, baumhohen Pilze und spähte hinter sich. Eine Vielzahl ineinander verschwimmender, magisch gedämpfter Energien wurde sichtbar. Jemand bemühte sich offenbar eine kleine Streitmacht verdeckt heranrücken zu lassen.
Nhilzyne war für wenige Herzschläge lang verwirrt. Wer würde es wagen die Karawane des fünften Hauses so nahe der Stadt anzugreifen? Das glich einem politischem Selbstmord. Immerhin waren alle wichtigen Würdenträger des Hauses (außer ihr) und ihre gesamte Hausstreitmacht beim Anwesen ihrer Familie. Diese würden einen Angriff auf ihr Hab und Gut fürchterlich rächen.

Instinktiv rückte sie einige Schritte seitlich weiter entlang des Pilzwaldes, um nicht auf die näherkommende Streitmacht zu stoßen und  befahl der Bebilith sich ebenfalls etwas zurückzuziehen. Sie entschied die Karawane als Köder zu benutzen, um an weitere Informationen zu kommen, denn die verhüllende Magie, die den Hinterhalt des unbekannten Feindes deckte, war eindeutig dunkelelfischen Ursprungs – dahinter konnte nur eine andere Familie Ched Nasads stecken. Und was dies für Konsequenzen hätte, davor graute es der Dunkelelfin.

Nhilzyne konzentriere sich auf die Verbindung zu ihrem Abbild und ließ deren Finger fließend bewegen, während sie darauf achtete, dass ihr Trugwerk mit dem Rücken zum Pilzwald stand. Velnar’ae schien ihre Warnung zu verstehen, die sie ihr in der Zeichensprache übermittelt hatte, auch wenn die Attentäterin kein Anzeichen von Anspannung zeigte, setzte sie sich in scheinbar lässigem Schritt in Bewegung und informierte auf die gleiche Weise die Schutzmacht der Karawane.

Die ersten Schemen wurden sichtbar – Attentäter aber auch einfache Soldaten ohne erkennbare Hauszuordnung, die sich verstohlen der Karawane näherten und durch den Pilzwald pirschten. Immer mehr und mehr Schatten lösten sich aus der Dunkelheit. Ihre schiere Anzahl schnürten Nhilzyne förmlich die Luft ab. Denn ihr zahlreiches Auftreten ließ nur einen Schluss zu:
Ein oder mehrere andere Häuser griffen ihre Familie an. Und keine Dunkelelfen-Familie wäre so töricht, nur die Karawane anzugreifen, die so nahe der Stadt lagerte. Man würde die Häuser identifizieren und vor dem Rat der Stadt anklagen und sie schließlich vernichten. Entsprechend musste dies also nur ein kleiner Teil der Hauptstreitmacht der Herausforderer sein, während der eigentliche Angriff nahezu zeitgleich auf das Anwesen der Noquar erfolgen würde.

Hatten sich zwei höhere Häuser verbündet, um ihre Familie zu stürzen? Eine Familie alleine reichte nicht aus, dafür kannte Nhilzyne die Kräfteverhältnisse in Ched Nasad zu gut. Doch welchen Grund hätten zwei höhere Häuser, um das ihre zu stürzen? Hatten sie etwa das Geheimnis der Mykonoiden-Kolonie herausgefunden und waren erpicht auf den damit verbundenen Ressourcenreichtum?

Fiebrig überschlugen sich die Gedanken der Dunkelelfe, ehe sie sich in einem Willensakt dazu zwang die Augenlider niederzuschlagen und sich auf das Überleben zu konzentrieren.

Lolth tlu malla, jal Ultrinnan zhah xundusin stummer Lobpreisung der Weberin, fokussierte sie sich wieder und observierte die sich möglichst unauffällig bildende Verteidigungslinie ihrer Karawane, die von der umherschlendernden Velg’larn angeordnet wurde und den Anschein erweckte, als würde die Karawane nur einfach aufbrechen und sich nicht gegen den heranrückenden Feind in Stellung bringen. Velnar’ae verstand ihr Handwerk, jedoch verspürte die Hohepriesterin kein Bedauern, als sie die Rune zum Inneren des Familienanwesen aus dem Ornatsgewand hervorholte und sich auf einen Reisezauber besann. Je länger Velnar’ae und die Sargtlin ihres Hauses die Angreifer in Atem hielten und verhinderten, dass sie zu den Angreifern stießen, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gleich das Anwesen der Noquar stürmen wollten, umso bessere Chancen hatte ihr Haus, zu überleben.

Ihre Spinnenvertraute eilte zu ihr, als die Umgebung wabberte und der Teleportationszauber zu wirken begann. Die Umrisse und Konturen der Umgebung lösten sich auf und diffuse graue Schemen rauschten an ihr vorbei, im Begriff sich neu zu bilden…

Urplötzlich erfasste sie eine ungetüme Wucht, als würde ein Tausendfüßler über sie trampeln. Ehe sie noch einen Gedanken daran verschwenden zu können, den Zauber aufrecht zu halten oder zu erahnen, was oder wer da intervenierte, hüllte sich ihre Welt in Schwarz und die gnädige Bewusstlosigkeit zog sie hinab in ihre bleierne Finsternis…
 
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Ein leises, monotones Geräusch durchbrach den dichten Schleier der Schwärze und kratzte am Rande ihres Bewusstseins. Platsch…plitsch…
Mühsam kämpfte sie gegen die erdrückende Finsternis an, die sich ihres Verstandes bemächtigt hatte. Schmerz, Kälte, Kraftlosigkeit – die ersten Rückmeldungen ihres Körpers ließen darauf schließen, dass sie noch lebte. Sie unterdrückte ein Stöhnen, als sie die Augen öffnete und gegen die trüben Schlieren ankämpfte, die ihr benebelter Geist vor ihren Augen erfasste. Stalagmiten und Stalaktiten, sie war wohl in einer Höhle, doch hier roch es anders, frischer. Sie tastete den Boden ab, um sich zu orientieren.

Ächzend konnte sie ihren Oberkörper anheben, um die kleine Höhle zu betrachten, in der sie gelandet war. Irgendetwas stimme nicht, natürlich einmal abgesehen davon, dass dies nicht das Anwesen ihrer Familie war. Sie fühlte sich komplett entkräftet, nahezu nackt! Ein heiseres, gedämpftes Lachen drang aus ihrer Kehle hervor, als sie erkannte, dass sie wirklich gänzlich unbekleidet war. Was bei der Weberin war eben geschehen?

Nhilzyne tastete rasch ihren Leib ab, doch bis auf wenige Blessuren schien sie unbeschadet zu sein, nur eben bar jeglicher Kleidung. War ihr deshalb so kalt? Diese schneidende Kälte schien bis in ihre Knochen vorgedrungen zu sein und ließ sie kurz zittern. Doch da war noch mehr, eine Leere und Schwäche, die tiefer reichte als die fehlende Wärme.

Sie sog die Luft tief ein. Die Gerüche waren unvertraut, anders...leichter? War sie etwa im Oberen Unterreich nahe der Oberwelt? Sie sollte sich besser rasch einen Überblick über das Terrain machen, indem sie sich befand, beschied sie nüchtern, als der automatische Griff zu ihren Reiserunen anhand fehlendem Gewand und damit fehlenden Runen offenkundig fehlschlug. Die Dunkelelfe bemühte sich um einen weiteren Funken Konzentration, um ihrer Vertrauten zu befehlen, die nähere Umgebung zu erkunden. Doch…da war nichts! Sie spürte die ihr liebgewonnene Präsenz des Spinnendämons nicht, als hätte ihre Bindung nie existiert.

Argwöhnisch und zugleich mit aufkeimender Panik richtete sie ihren Blick tastend nach innen. Nhilzyne erstarrte – was sie dort vorfand war kümmerlich! Ein kleines Flämmchen der Macht, eine fast versiegte Quelle der Macht, die kaum dem entsprach, auf was sie noch vor Kurzem zugreifen konnte. Sie war erbärmlich, als hätte die Gunst der Weberin der Netze sie fast vollständig verlassen.

Sie wusste nicht mehr, wie lange sie apathisch auf dem Boden gesessen hatte. Anfangs verzweifelt nach der Bindung zu ihrer Vertrauten und der einst beachtlichen Macht suchend, die sie besessen hatte, um sich dann wieder vor Auge zu führen, wie ihr Haus gerade von Feinden geschliffen wurde. Vermutlich waren sie schon längst alle tot, wer weiß, wie lange sie da bewusst- und regungslos in der fremden Höhle gelegen hatte. Immer wieder wurden ihre fahrigen Gedankengänge von leisen Zweifeln unterbrochen, doch sie rang sie jedes Mal nieder: Sie wollte nicht an der Spinnenkönigin zweifeln. Denn Zweifel an Lloth waren der Tod…und sie lebte, gerade so.

Sie nahm jedes Quäntchen Willen zusammen, den sie aufbringen konnte und erhob sich. Xas, sie würde nicht verkümmern und hier sterben, sie war eine stolze Tochter aus dem Haus Noquar! Der fingierte Zuspruch an sich selbst tat ihr gut und sie merkte, wie sich ihre Lebensgeister wieder regten. Sie verließ die kleine Höhle und fand sich auf einen kleinen Plateau wieder. Unter ihr erstreckte sich scheinbar endlos weit ein großes Höhlensystem, dass an Eintönigkeit und Kargheit kaum zu überbieten war. Die Lippen der Dunkelelfe hoben sich zu einem schwachen Zucken nach oben, als sie die Trostlosigkeit betrachtete. Das Unterreich hatte wohl auch recht unaufregende Orte zu bieten. Sicherlich lag das an der Nähe zur Oberwelt mit seinen niederen Lebensformen. Sie hatte von der Sonne gehört, dem brennenden Feuerball, der wohl alles niederbrannte. Man könnte fast Mitleid mit ihnen haben, dass sie so fern der Pracht des Reiches der Göttin leben mussten. Anderen Wesen ging es demnach deutlich schlechter als ihr, die immerhin noch vage die Nähe der Weberin spüren konnte.

Etwas erweckte ihre Aufmerksamkeit und veranlasste sie dazu in die Hocke zu gehen. Schwach, mit dem Auge kaum noch zu sehen, dafür aber sehr wohl gut zu tasten, eine Inschrift oder vielmehr Striche. Zeichen ihres Volkes, die eine Verschriftlichung der Zeichensprache waren. Es war ein Wegweiser! Eine Stadt ihres Volkes war nicht weit von hier. Ihre Fingerkuppen strichen sanft über die Linien im Stein: „Sold’Orbb“.

Nhilzyne meinte von Erzählungen über diese Siedlung gehört zu haben, die einst von einem Dämonenkult heimgesucht wurde und anschließend von Flüchtenden der Stadt Ch’el del do’su erobert und neu besiedelt wurde…
Wer wusste, wer dieser Tage über die Stadt herrschte, sie sollte Vorsicht walten lassen und am besten auch einen anderen Namen annehmen. Wer wusste, ob auch hier Feinde ihres Hauses Sympathisanten hatten. Ein erneutes Frösteln legte sich um die Dunkelelfe, als sie an die Möglichkeit dachte, dass ihre Familie schon längst ausgelöscht war. So oder so wäre sie hauslos…machtlos. Rasch schob sie den Gedanken beiseite.

Sie sollte erst einmal die Stadt erreichen, sich Kleidung besorgen und dann konnte sie versuchen die Irrnisse und Wirrnisse ihres Schicksals zu lüften. Doch zuerst brauchte es einen neuen Namen, der ihre Herkunft verbarg.

Xas, die Attentäterin würde ihr einen weiteren Dienst leisten können – ihren Namen.
Zuletzt geändert von Velnar'ae am 27 Dez 2023, 17:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Velnar'ae »

Schwarzgraue Schlieren tanzten wild durcheinander, wie aufgewirbelter Rauch, ehe sich der Reigen allmählich beruhigte und sich zu Formen zusammenfand. Wallend bildeten sich mehrere Säulen, während der graue Nebel sich am Boden zu Fliesen verdichtete, an den Seiten hochkriechend steinerne Wände manifestierte, aus denen Feuerbecken erwuchsen, die sinister flackernde Feenfeuer in die spärlich erhellte Umgebung warfen. Nhilzyne blinzelte mehrmals, während die roten Iriden ihrer Augen aufflackerten, als sich an die spärlichen Lichtverhältnisse des Raumes anpassten. Wie traumwandelnd wanderte ihr Blick über die kunstvoll behauenen Wände, die verschiedene llothgefällige Szenerien als auch Episoden der Familiengeschichte zeigten.
 
War sie nicht eben noch im notdürftig errichteten Lager der Dunkelelfen von Sold'Orbb gewesen?

Sie stutzte kurz und legte die obsidianfarbene, zierliche Hand auf eine Steinsäule, die sich spiralförmig nach oben wand und die Decke stützte. Sie fühlte sich kalt und vertraut an, echt. Hatte sie sich etwa diese schmerzlich-demütigende Episode nur eingebildet? War es nur eine Warnung der dunklen Mutter, der Herrin der Lügen? Würde ihr dieses Schicksal drohen, wenn der Fall des Hauses Noquar nicht aufgehalten werden konnte?

Das aufgeregte Klackern der Mandibel ihres Vertrauten rissen sie aus ihren Gedanken. Ein Schauer der Freude erfasste sie, als sie den vertrauten Laut hörte. Es dauerte einen Moment, in der die Erleichterung durch ihren Körper strömte, ehe sie die mahnende Warnung des Spinnendämons erfasste: Feinde kämpften auf den tieferen Stockwerken des Hauses. Der Ansturm auf das Familienanwesen hatte also begonnen - sie sollte sich beeilen, um in die hohe Kammer der Mutter Oberin zu gelangen. Von dort aus würde sie die Verteidigung des Hauses sicherlich befehligen.
 
Die Dunkelelfe schob alle ungelösten Fragen und auch den leise nagenden Zweifel beiseite und konzentrierte sich auf das Wirken einiger schützenden Zauber, die sie mit gedämpft raunender Stimme und weisenden Handgesten gleich einem Kokon um sich wob. Mit einer weiteren herrschaftlichen Geste griff sie in die schattenumhüllten Ecken des Raumes und zischte eine Beschwörung, die in der Stille ätherisch nachhalte. Die Dunkelheit regte sich folgsam und spukte zwei schemenhafte Gestalte aus, die dem Ruf der Yathallar sogleich gefolgt waren und sich respektvoll verneigten.
"Ihr seid meine Augen und Ohren, ebnet mein Vorrücken und deckt meinen Rücken!", ertönte der befehlsgewohnte, melodisch perlende Ton der Tochter des Hauses Noquar, dem das untermalende Knallen der Spinnenpeitsche folgte, um auch den letzten Rest an Zweifel auszuräumen, dass sie ein Aufbegehren der Schattendämonen nicht duldete.
 
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Ohne das gefügige Neigen der diffus wabernden Beschwörungen abzuwarten, trat Nhilzyne an das mannshohe, steinerne Wandrelief, dass ihre Großmutter, die vormalige Mutter Oberin in lebensechtem Detailreichtum zeigte. Sie strich mit den Fingern über die Augen der steinernen Abbildung: "Zhaunil Dwe'org!"
Ein Flirren huschte über das eherne Gesicht der ehemaligen Ilharess, als sich der steinerne Mund zu öffnen begann und statt einer Zunge ein Knauf sichtbar wurde, der sich aus der Mundhöhle schob. Rasch griff Nhilzyne danach und drehte ihn exakt 6mal gegen den Uhrzeigersinn. Geräuschlos wurde die Mechanik der verborgenen Tür in Gang gesetzt, ehe das Wandrelief stumm aufschwang und etwas Staub aufwirbelte - der geheime Zugang war also schon eine Weile nicht mehr benutzt worden, bweal.

Sie tauchte in den nachtschwarzen Gang und schloss die Tür hinter sich, ehe sie lautlosen Schrittes in dem Labyrinth verborgener Gänge verschwand.

Die schmucklosen, kargen Wände flogen an ihr vorbei, als sie das Netz an sich kreuzenden, schmalen Korridoren in eilendem Tempo durchschritt. Sie kannte sich hier blind aus, war sich jeder Unebenheit im Boden und jedes Ein-und Ausgangs bewusst. Mittlerweile musste sie schon in den höheren Ebenen des Hauses sein. Zweimal erhielt sie von ihrer Vertrauten und dem beschworenen Geleit die abwechselnde Warnung, dass sich feindselige Dunkelelfen in der Nähe aufhielten - vermutlich vorauseilende Attentäter, die den Fußsoldaten den Weg bereiteten und für Chaos bei den abwehrenden Einheiten sorgten. Sie musste schneller als die heimtückischen Klingen sein, deren Hauptziel sicherlich das Ausschalten der Hausführung war. Aber darauf waren ihre Mutter, ihre Tanten, Schwestern und ihre nutzlosen Cousinen sicher vorbereitet.

Die letzte Abbiegung nach links wurde genommen, nur noch wenige Schritte trennten sie zum Durchgang in die hohe Kammer der Malla Ilharess. Unter normalen Umständen hätte sie niemals gewagt dort unangemeldet einzutreten, doch der drohende Sturz der Familie war wohl Rechtfertigung genug. Der metallische und nur zu bekannte Geruch, der in der Luft lag, ließ sie sofort innehalten. Es roch nach Tod. Ihre Finger tasteten forschend über die am Boden liegende Gestalt - es war der Waffenmeister und Ilharn ihrer Mutter. Es hatte also die ersten Mitglieder des inneren Kreises erwischt und sie wussten wohl um die Geheimgänge.

Sie sollte nun...
Ihre Sicht trübte sich schlagartig für wenige Wimpernschläge, als die Bebilith-Vertraute ihr mental ihre vielen Augen lieh und ein Blick in den anliegenden Raum ermöglichte. Ihr Atem stockte.
 
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Bis ins Mark erschüttert, erwachte sie aus ihrer Meditation - im Lager der Dunkelelfen aus Sold'Orbb.                                                      
Zuletzt geändert von Velnar'ae am 11 Jan 2024, 19:47, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitrag von Velnar'ae »

Einige Zyklen lang hatte Nhilzyne Noquar, die sich den Dunkelelfen von Sold’Orbb als Velnar’ae vorgestellt hatte, es geschafft, nicht weiter in dem beständigen Treiben des „Exils“ aufzufallen. Die Rothe, vorwiegend versklavte Rivvil, wagten es nicht sie anzusehen und die meisten Jalukul vermieden es, einer Jalil allzu unangenehme Fragen zu stellen. Sie wusste, dass die Kunde ihrer Anwesenheit im Außenlager der Ilythiiri irgendwann unweigerlich an die Ohren der Mächtigen von Sold’Orbb gelange würde, nur hatte sie gehofft, dass die existenzielle Bedrohung des Auseinanderbrechens des Kontinents ihr mehr Zeit verschaffen würde…

Zeit, die sie benötigte, um ihrem geschwächten Körper wieder genesen zu lassen und zu einem Ansatz alter Stärke zu finden. Zeit, die sie brauchte, um an Informationen zu gelangen, ob eine Rückkehr in die tieferen Ebenen des Har'oloth möglich, aber auch sinnvoll war, angesichts des andauernden Bebens der Erde und dem Vordringen der Anomalien.

Diese Zeit wurde ihr kaum gewährt.

Nhil wusste nicht, ob es eine weitere Laune der Fleischschneiderin war, dass sie bereits nach kürzester Zeit in die Arme der Ilharess des Qu’ellar Filifar und der Yathallar der Tier Breche lief oder ob es schlicht Pech war. Während die Ilharess ohne Zweifel eine Jalil von offensichtlich beeindruckender Macht war, derer man nicht selten ansichtig wurde, wenn man sie eine Weile begleitete, wirkte die Yathallar deutlich unleserlicher und scharfzüngiger. Sie war auf eine Art gefährlich, die an einen verborgenen Dolch erinnerte, bei dem man nie wusste, wann er vorstieß, während die Matriarchin der Filifars eine unverhüllte und brachiale Waffe war, an deren imposanter Präsenz man sich wagte zu gewöhnen – auch wenn jene sicherlich viele verhüllte Trümpfe verborgen hielt.

Angesichts solcher Gesprächspartner und der derzeit eingeschränkten Ressourcen und Möglichkeiten wie eines verschleiernden Zaubers, der ihre wahren Absichten und Gedankengänge abschirmte, musste sich die Dalharil aus dem Haus der Noquar der grundlegenden Fähigkeiten bedienen, die sie in Arach-Tinilith in Ched Nasad gelernt hatte:
Stoische Ruhe und Selbstbeherrschung, um Wort, Gestik und Mimik völlig zu kontrollieren, während der Herzschlag gleichmäßig ertönte – das Spiel der Masken, das über Sieg oder Niederlage, Überleben oder dem vernichtenden Tod entscheiden konnte. Nhilzyne sank auf ein Knie, wenn es geboten war, neigte den Kopf ehrerbietend, an den entscheidenden Punkten im Verlauf des Verhörs, zeigte jedoch auch Courage und Selbstbewusstsein, um nicht als schneidloses Exemplar zu gelten. Zudem wob sie ein sehr simples, aber der aktuellen Lage nach kaum überprüfbares Bild ihrer selbst, das im Ansatz mit Elementen der Wahrheit gespickt war – solche diffusen Lügen waren schwerer greifbar:

Eine Yathrin aus Sshamath, einer sehr fernen Stadt der Dunkelelfen an der Grenze zum tieferen Unterreich, die vom Konklave der Faern „regiert“ wurde, nachdem ein Aufstand in grauer Vorzeit zum Mord an den Mutteroberinnen geführt hatte. Zwar existierten dort noch die Geweihten der dunklen Mutter im örtlich ansässigem Tempel „Netz der Spinnenkönigin“, doch die Ehrerbietung, die man der großen Weberin außerhalb des Tempels entgegenbrachte, war bestenfalls symbolisch.


Aus eben jener zweifelhaften und entlegenen Siedlung hinaus hätte sie eine Eingebung der Herrin der Dämonennetzgrube geführt, um schließlich, durch eines der berüchtigten wilden Portale stolpernd, hier im „Exil“ anzukommen – geschwächt und derzeit nur mit dem Kräfteumfang einer Orn’tlu’Yathrin bestückt.

Ihre mit Teilwahrheiten beseelte Geschichte wurde berechtigterweise angezweifelt, aber welcher llothgetreue, halbwegs intelligente und angeboren misstrauischer Dunkelelf würde nicht jedes Wort eines seiner Brüder und Schwestern anzweifelnd auf die Waageschale der Überprüfung werfen?

Der Hauptzweck des Teppichs aus Lug und Trug war es, dass die Ilharess und die Yathallar davon absahen, Ermittlungen anzustellen, um ihren wahren Hintergrund aufzudecken. Denn noch immer war der dritten Tochter des fünften Hauses von Ched Nasad die Identität der Angreifer unbekannt, die das Anwesen ihrer Familie gestürmt hatten. Etwas, dass sich in eine lange Liste weiterer Dinge einreihte, die sie nicht wusste:

Wie war die Schlacht ausgegangen? Wer hatte überlebt? Wurde sie vermisst und gesucht? Wer oder was hatte ihren Teleportationszauber manipuliert und sie nach Sold’Orrb gebracht – und bei Lloth, wozu? Stand das Qu’ellar Filifar gar mit den Angreifern unter einer Decke?

Frustrierenderweise offenbarte sich bisher keine Antwort auf ihre vielen Fragen, auch wenn sie verdeckt Erkundigungen einzog und in ihren zyklenbegleitenden Gebeten und Meditationen auf einen Hinweis oder eine Erleuchtung hoffte.
Immerhin hatte sie über andere Dinge nun Gewissheit erfahren:

Sie stand (noch) in der Gunst der Lloth und konnte sich der klerikalen Magie bemühen, auch wenn es nur ein Bruchteil ihres ursprünglichen Potentials war. Sie war eine tönerne Vase, die nur ein Handbreit gefüllt war, während sie den Rest ihrer einstigen Kräfte erahnen konnte, doch wenn sie mehr schöpfen wollte, so entzog es sich wie ein verhallendes Echo.

Auch war ihr das über viele Dekaden erworbene Wissen geblieben, dass sie viele Wechsel vertiefend über ihre Grundausbildung hinaus gesammelt hatte und sie schließlich zu einer anerkannten Yathallar heranreifen ließ. Doch sie hütete sich, jenen Wissensschatz offenkundig zu präsentieren, stellte sie doch eine entkräftete Yathrin aus dem verruchten Sshamath dar und keine orientierungslose drittgeborene Yathallar aus den Reihen der regierenden Häuser der zweitgrößten Stadt der Ilythiiri. So beantwortete sie einige Fragen der Ilharess über das Wesen des Unterreiches, des Glaubens und der klerikalen Magie ohne zu zögern, während sie sich bei anderen unwissend stellte und die Ahnungslose mimte.

Eine Tatsache war jedoch unumstößlich und glasklar:
Eine Rückkehr nach Ched Nasad war nicht möglich. Die ständigen Beben, des sich im Todeskampf befindlichen, brennenden Kontinents, hatten viele Gänge und Stollen nach „unten“ verschüttet und die wuchernden magischen Anomalien verhinderten weitere Portalreisen und ließen kürzere Distanzen zu einem ständigen Glücksspiel werden: Manche Durchgänge öffneten sich nicht, andere führten an ungewollte Orte und andere Portale flackerten bereits nach wenigen Herzschlägen und kollabierten, was nicht wenige Lebensfäden jäh abgeschnitten hatte. Die einzige Devise und Option war es, vom Kontinent zu fliehen, per Schiff.

Der Exodus hatte begonnen und nur wenigen Wesen war dieses vollkommene Chaos eine huldvolle Labsal.

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Lloth tlu malla!
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Zuletzt geändert von Velnar'ae am 11 Jan 2024, 19:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Velnar'ae »

 
Erhabene Lloth, Gebieterin der Spinnen und gefürchtete Göttin der Dunkelheit,
Die du in den Geweben des Schatten lauerst, in deinem verhüllten Reich,
Wir rufen und preisen deine vielen Namen, überdauernd den Strom der Zeit!
Gepriesen sei Lloth!

Malla Lloth, Jabbress d'Orbben lu'Qosou Quar'valsharess d'Oloth,
Dos vel'uss saibh wun l'gilen d'l'barra, wun dosst vetus phreng,
Udos lar lu'falduna dosst mzil kaaseel, elendarin l'falanni d'draeval!

Falduna tlu ulu Lloth!
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Dunkle Mutter, die uns Verbannten erschien in der Not des Exil,
Schenktest uns deinen süß-brennenden Spinnenkuss,
Geboren das Volk der Dunkelelfen, falsche Schwäche zerfiel!
Gepriesen sei Lloth!

Olath Ilhar, vel'uss casexigg ulu udossa chi wun l'morbann d'rivis,
Dos belbaus udossa dosst ssinjin-flamgra'in orbb tsoss,
Rosin l'dazzan d'lilIlythiiri, myar'a yibinss paxil!

Falduna tlu ulu Lloth!
🕷️ 🕷️ 🕷️ 🕷️ 🕷️
 
Gnadenlose Formerin des Fleisches, sinistre Geliebte der Täuschung und Lüge,
Offenbartest uns dein dunkles Antlitz, lehrtest uns die Wege der Schattenpfade,
Gesponnenes Trugbild, kalt geschürter Hass, was auch immer zu deinem Ebenbild verfüge!
Gepriesen sei Lloth!
 
Verin zhuel d'l'siltrin, olath mrannd'ssinss d'kal'ythxal lu'ulnar,
Dos shunveilus dosst olath jindurn ulu udossa, dos keer udossa l'i'dollen d'l'barra menvissen,
Tuin yaxun, inthuul e'ussus phor plithut, Vel'rin dos inbal wun dosst zigh!

Falduna tlu ulu Lloth!
🕷️ 🕷️ 🕷️ 🕷️ 🕷️
 
Weberin der Netze, Weberin des Schicksals, gehüllt in Schweigen und Stille,
Deine niederträchtigen Feinde wetzten oft erfolglos  ihre Klinge,
Glorreich deine unaufhaltsame Wiederkehr, unverbrüchlich unsere Loyalität und Wille!
Gepriesen sei Lloth!
 
Lodtyna d'gilen, lodtyna d'ap'za, sjaalus wun venorsh lu'venorsh,
Elakar ogglinnar desu nizzikef nind velven wun ist'a,
Ahaluthh tlu elakar per'llas yutsu, enrovil udossta zin'olhyrran lu'orn!

Falduna tlu ulu Lloth!

🕷️ 🕷️ 🕷️ 🕷️ 🕷️

Herrin Dämonennetzgrube, wo Chaos regiert und Schreie gellend erschallen,
Dissonantes Klackern der Mandibel, ergötzendes Flehen des Opferlamms,
Gemartert die Nutzlosen und Schwachen, ihre Existenzen auf ewig verhallen.
Gepriesen sei Lloth!

Jabbress Errdegahr Cress resk'afar, vel'klar vhid ishuee lu'ul'nussten ul'trin,
Olath sunduin d'l'orbb, waelbror'url ann d'l'or'shausedus,
Jiv'undusus l'kl'eril lu'yibin, nind tluin avi tarthe mal'rak.


Falduna tlu ulu Lloth!
Lloth tlu malla!

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Velnar'ae
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Beitrag von Velnar'ae »

[Achtung, enthält Spuren von dunkelelfischer Arroganz]

Die roten Iriden erwachten glimmend zum Leben, als sie ihre Augenlider öffnete, um in der abgedunkelten und geschützten Kabine der Priesterinnen an Bord des Flaggschiffs, der Ameda, aus ihrer Trance zu erwachen.
Die ihr mittlerweile vertrauten Wärmesignaturen der anderen Dunkelelfinnen tauchten vor ihrem Auge auf, als ihre Infravisionssicht die Dunkelheit zurückdrängte und ihr die Ruhepositionen der anderen verriet. Nhilzyne drehte den Kopf in ihrer liegenden Position zur Seite und schaute auf die mit Teppichen ausgekleideten Planken des Bodens. Unzählige Wärmeauren aus den unter ihr liegenden Decks nahmen vor ihrem Auge Gestalt an, deutlich schärfer und farbintensiver als die Tage zuvor. Das konnte nur eines bedeuten: Die Umgebungstemperatur war wohl rapide gefallen.

Sie richtete ihren Fokus auf die ausgeprägte haptische Wahrnehmung, die neben dem Gehörsinn wohl zu den stärksten Sinnen der Drow gehörte. Sie vernahm fernes Scharren, die gedämpften, trippelnden Vibrationen eines Nagetieres irgendwo in den Tiefen der Lagerräume und schwerere Schritte, die von den ächzenden Planken des Oberdecks ausgingen. Die Erschütterungen, die wohl von den Stiefeln eines Rivvil herrührten, hallten dumpf wieder. Eine weitere Bestätigung dafür, dass dies ein Werk der Kälte war, die das Holz der Planken zusammenzog und die Schwingungen der Schritte veränderte.

Wo auch immer sich die Ameda auf ihrem Weg in den Norden segelnd befand: Es war kalt!

Geschmeidig und lautlos erhob sie sich, um sich leise einzukleiden und durch den schweren, abtrennenden Vorhang hinaus in den Gang zu treten. Schlagartig umhüllte sie der eisige Griff der Kälte und ließ sie nach der (wohl von der Ilharess magisch erwärmten und abgeschirmten) Kabine sehnen oder vielmehr nach der Pracht der dunkelelfischen Städte, die stets in der Nähe der aufsteigenden Hitzeschleier der Lavaadern gebaut wurden, die sich gleich feurigen Adern durch den Leib des Unterreiches zogen.

Eine Prüfung Lloths, so hörte sie es stets von ihren Artgenossen, wenn man mit Widrigkeiten zu kämpfen hatte, als gelte es sich damit anzuspornen. Doch die Wahrheit war, dass sie nach ihrem missglückten Teleportationszaubers, der sie in die oberflächliche Peripherie des Unterreiches ausspuckte, durchgehend mit Widrigkeiten zu kämpfen hatte:

Nackt, machtlos, fern der Heimat gestrandet, um sich in einer Stätte des Exils der überrannten Stadt Sold’Orbb wiederzufinden, die von den Lakaien irgendeines Schergens eingenommen wurde, dessen Zerstörung auch den ganzen Kontinent in Brand gesetzt hatte.

Und nun musste sie auf einem Schiff mit Rivvin ausharren, deren offensichtliche Unzulänglichkeiten den Funken der Wut und Verachtung in ihr erglühen ließ. Wären sie im Unterreich, hätte sie deren stumpfes Gequake mit einigen Peitschenhieben zum Verstummen gebracht, doch die Ilharess des Hauses Filifar hatte sie gebeten, eine Maske der Höflichkeit zu tragen. Und die „Bitte“ einer Mutter Oberin war ein eiserner Befehl, den man nicht unbedacht missachtete. Also lächelte sie freundlich, wenn die Rivvin orientierungslos über das Deck hetzten und erst die Segel hissten, ehe ihnen einfiel, dass Schiffe wohl auch Anker hatten. Sie nickte höflich, wenn das Gewürm vielstimmig stammelnd über Wörter und Sätze in ihrer eigenen Sprache stolperten, als hätten sie noch nie ein Mindestmaß an Bildung genossen oder je von Sprachmelodik oder Sprachgefühl gehört. Aber das war wohl bei schnelllebigen Völkern üblich, deren Leben genauso schnell auf- wie verblühte. Immerhin gab es wenige Führungspersönlichkeiten unter ihnen, die zu etwas taugten. Etwa der Oberste Wächter, dessen einlullende Rede sie mit etwas mehr Interesse verfolgt hatte. Umso erschreckender und zugleich faszinierender war das leere, bellende Gegeifer seiner Hunde am Ende seiner Rede. Jede Mutter Oberin hätte wohl neidlos anerkannt, dass Agroniam seine Handlager gut abgerichtet hatte.

Nhilzyne ließ die Verachtung tief in sich hinabsinken und verstummen. Eine perfekte Maskerade und mentaler Schirm durfte nicht von aufkeimenden Gefühlen geschwächt werden, denn immerhin befanden sich eins, zwei fähigere Magier unter den Rivvin, denen sie nicht ihre Gedanken- und Gefühlswelt offenbaren wollte.

Gefasst verließ sie das Halbdunkel des Kabinengangs und trat auf das Hauptdeck des Schiffs, das sich im festen Griff des Eises befand. Auch wenn der Himmel eher grau und trüb wirkte, brach sich das Licht schmerzend hell in dem gefrorenen Wasser, das sich in Form von Eisschollen neben dem Schiff oder als klirrender Raureifpanzer auf dem Schiff, Segel und Holz überwuchernd, befand.

Die Dunkelelfe entschied sich, wieder in die Dunkelheit zu tauchen, um in der wärmeren Kombüse unter Deck zu warten, bis das Licht weiter abgenommen hatte.

Nicht mehr lange und sie würden seine Strahlen verschlingen!
 
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Als die orange-glühende Lichtscheibe im Westen verglühend in den Tiefen der weiten See versank, versammelte sich das elfische Volk des Unterreiches auf dem Steuerdeck der Ameda. Der grün berobte Faern platzierte eine wertvoll aussehende Schale aus Spinnenstein mit ebenso feinen Netz-Intarsien auf dem Pentagramm, während sich die Priesterinnen und die anderen Dunkelelfen vorbereitend aufstellten. Pünktlich zum neunten, abendlichen Zyklus des sterbenden Lichtes des Narbondels, nahm das unheimliche Spektakel seinen Lauf. Der Gesang der Priesterinnen verwob sich mit den geleitenden Klängen von Instrumenten und den beschwörenden Formeln des Magiers zu einer düsteren Anrufung, die gleichsam mit dem aufsteigenden, wabernden Rauch aus der Schale die Luft schwängerte.

Nhilzyne verlor sich im gemeinsamen Reigen des Rituals, den verflochtenen Klängen und Stimmen und dem ekstatischem Wiegen der Körper, während sie mit rauchig-dunkler Stimme die Dunkelheit in ihrer Muttersprache anrief:
 
Finsternis, treue Begleiterin und Herrscherin der Nacht,
Wir rufen dich in deiner erstarkenden Stunde,
Wenn die Macht der Dunkelheit erwacht!
 
Oloth, ku'nal abbil lu'kult'ressin d'l'isto,
Udos lar dos wun dosst gareth klew'kin,
Vel'drav l'yorn d'oloth guuane phor!
 
Das Gespinst des Schattens webend,
Empfangen wir den Mantel, der verhüllt,
Reichen Dir das Szepter, sei Regent!
 
Lodtynin l'cress d'veldrin,
Ori'gato udossa rhseev l'piwafwi nindel kri'shae,
Rah dos l'kuk, tlu kult'ressin!
 
Wallende Schwärze, erhebe dich,
Durchdringe jedes Deck und jede Planke,
Verschlinge der Sonne brennend Stich!

Vetin renorlir, ku'lam,
Resk'sultha ril nythe lu'ril rossou,
Mylthar l'sssiks' flamgra'in pielch!
 
Schwester Dunkelheit, verweile auf diesem Schiff,
Solang der Name Lloths geehrt,
Triumphiere die Nacht mit eisernem Griff!

Dalninil Oloth, wayc'e pholor nindol ozam,
'zil verve 'zil l'kaas d'Lloth zhah malla,
Jyrr l'isto xuil biu vholk mir!

Lloth tlu malla!

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Velnar'ae
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Beitrag von Velnar'ae »

Gedämpft ertönte das rhythmische Knirschen des Stößels, der die Reagenzien in der steinernen Schale zerrieb. Die kleingehakte Alraune erwies sich als überaus hartnäckig, was an den niedrigen Temperaturen liegen musste, die das Schiff immer noch heimsuchten, auch wenn die klirrende Kälte jeden Tag etwas erträglicher wurde.

Der drückende, allesverschluckende Nebel, der nun alle Flotten, die nach Norden strebte, heimsuchte und der Mehrheit der Schiffsbesatzung zusetzte, kümmerte Nhilzyne nicht besonders. Ihr Volk hatte andere Sinne, die sich in dieser undurchdringlichen Suppe als überaus wertvoll erwiesen, allen voran der ausgeprägte Tastsinn, der selbst feine Vibrationen wahrnahm. Wie ein Schatten konnte sie über die Decks der Ameda wandeln, die von der Kugel der Dunkelheit und nun auch vom Nebel eingehüllt wurden. Wenn sie etwa den schweren Schritt der Wächter wahrnahm oder die gedämpften Schwingungen von Lederstiefeln auf dem Holz, wich sie lautlos einen Schritt zur Seite und ließ die Umherirrenden eine Handbreit entfernt an sich vorbeiziehen. Der Nebel hatte durchaus etwas Befreiendes an sich – die Enge des Schiffs, die ein Aufeinandertreffen unmöglich gemacht hatte, war nun verschwunden und man konnte den Rivvin ausweichen, wenn es keinen Anlass gab, miteinander zu sprechen. Die einzige Sorge, die sie umtrieb, war die blinde Fahrt des Schiffes, die eine Menge an Risiken barg.
 
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Die Ameda irrt im Nebel...

Doch jenes Problem war für den Moment vernachlässigbar, denn ein entscheidender Zeitpunkt war gekommen: Nhilzyne hatte die vergangenen Zyklen wahrgenommen, wie ihr Körper und Geist, der seit ihrer unfreiwilligen Ankunft nahe Sold’Orbbs total ermattet und geschwächt war, sich langsam wieder erholte – ein Hauch ihrer alten Stärke beseelte sie. Zudem hatte sie sich nicht nur vor der Ilharess und der Hohepriestern mehrmals beweisen können, als sie das Artefakt bewachte, die Schleier der Dunkelheit mit herabrief oder etwa nützliche Handlanger gewann, sondern auch die Gunst der großen Weberin gewinnen können – ein schwacher Funke im Vergleich zu ihrer früheren Machtfülle. Doch selbst dieser kleine Hauch erfüllte sie mit seiner balsamartigen Wärme, der sie nach mehr gieren ließ!

Es war irgendwie erfrischend und belebend wieder achtsam sein zu müssen, jeden Schritt, jede Geste und jedes Wort abzuwägen, um im Ansehen der dunklen Mutter wieder aufzusteigen. Lange hatte sie abgewogen, wie sie ihre neu gewonnenen Kräfte einsetzen sollte und stets mitbedacht, welches Vorgehen ihr den größtmöglichen Vorteil brachte. Schließlich hatte sie sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, den Kontakt zu ihrem vertrauten Dämonenhandlanger zu suchen und sie erneut an sich zu binden. Zusätzliche Augenpaare, die Angriffe von vorne und von hinten kommen sahen, waren unerlässlich.

Die Drowpriesterin hatte lange gebraucht, um alle Utensilien zusammenzusuchen, die man für ein Invokationsritual brauchte. Sie befand sich weder im heimischen Anwesen ihrer Familie noch in Arach-Tinilith, wo ein Fingerschnippen auslangte, um emsige Rothe auszusenden, die einem das Benötigte besorgten. Hier auf dem Schiff gab es keine Rothe, man hatte sie im ‚Exil‘ zurückgelassen – zu viele hungrige Mäuler. Ein paar Bestechungen oder Drohungen hier, ein paar arglos geöffnete oder aufgebrochene Truhen da, ehe sie das Notwendigste für die Beschwörung in ihrem Besitz hatte.

Im Lagerraum der Dunkelelfen, in der sich auch das Faerzress-Artefakt befand, fand sie einen geeigneten Rückzugsort, um die Paraphernalien für das Ritual vorzubereiten und das Oktagramm samt Bann- und Schutzkreis zu ziehen. Sie nutzte eine Paste aus Alraune, Blutmoos und Molchauge, die sie mit Spinnenseide und einigen Tropfen Eigenblut verstärkte, um die persönliche Bindungskomponente zu verstärken. Nhilzyne hatte in ihrem Leben bereits reichhaltig Erfahrung mit gelungenen, aber auch misslungenen Beschwörungen gemacht und wusste, dass man nicht immer das herbeirief, was man ursprünglich im Sinn hatte. Die Tanari, die Dämonen waren ebenso chaotische Wesen wie ihre Göttin. Einen Schutzkreis zu ziehen, war also obligat, außer man wollte mit seinem Leben abschließen. Jener beschränkte die Macht des gerufenen Wesens und sorgte optimalerweise dafür, dass sich die Gedärme des Rufenden nicht in der Umgebung verteilten, wenn die Beschwörung misslang. Ein zusätzlicher Bannkreis ermöglichte, ein weniger wohlmeinendes Wesen wieder in seine Heimatsphäre zu schicken.
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Oktagramm mit Schutz- und Bannkreis und verstärkenden Runen

Die Runen im Inneren beschrieben die Worte der Macht „Lar Gre'as'anto Aterruce“, die für das Herbeirufen und (erneute) Binden eines Vertrauten üblich waren. Zusätzliche Schriftzeichen und Symbole in der Sprache der Unterwelt und der Hölle beschrieben nicht nur die achtbeinigen Arachnidendämonenform der Bebilith aus der Domäne der Spinnenkönigin, sondern auch den geheimen Namen der jungen Bebilith, die sie nach ihrem Aufstieg zur Yathallar einst an sich gebunden hatte. Sie wollte nicht irgendeine Bebilith an sich binden, sondern die junge Dämonenspinnenbrut, die sich schon einmal als zuverlässig erwiesen hatte.
 
Als sie alle Vorbereitungen abgeschlossen hatte, sperrte sie jeglichen Zweifel, jeden Makel und jede Schwäche aus und konzentrierte sich eisern und entschlossen auf ihr Ziel.

Dumpf drangen die melodischen Gesänge aus dem Lagerraum der Dunkelelfen, vornehmlich durch den wallenden Nebel geschluckt. Der Geruch von Räucherwerk schwängerte die nasse, nebelverhangene Luft im untersten Deck und Lichtschimmer tanzten irrlichternd durch den dicken Dunst. Die weibliche Stimme wurde dunkler, tiefer, als die einleitende Lobpreisung der dunklen Mutter in das Kernritual überging, der Beschwörung. Fauchend erwachten die Runen und Symbole des Ritualkreises zum Leben, als der drängende, unbarmherzige Ruf die Schleier der Welten durchdrang, um erneut an sich zu binden, was ihr einst diente…
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Velnar'ae
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Beitrag von Velnar'ae »

Gleißend zuckte ein purpurfarbener Blitz herab, zerriss den Mantel der Dunkelheit mit einer messerscharfen Linie aus Licht und beleuchtete das karge Plateau, auf dem sich vereinzelte Zelte an den verwitterten Stein der verlassenen Ruinenstadt der Ilythiiri drückten. Im Hintergrund illuminierte ein beständiger, von knisternden Entladung geschwängerter Nebel die Weiten der Höhle des oberen Unterreiches. Die chaotische Strahlung des Faerzress, die bei hoher Konzentration dazu neigte, wild flackernde Feenfeuer zu entzünden, glich hier einem rasendem Mahlstrom chaotischer Energie, der jeden zu pulverisieren drohte, der es wagte, sich ihm unvorbereitet zu nähern. Gleich dem heilsbringendem Sonnenlicht der Oberwelt, das erhellte, wärmte und Wachstum und Leben ermöglichte, war die chaotische Strahlung die Lebensader des Har'oloth. Das edle Volk der Ilythiiri, das gelernt hatte, aus ihr seine Magie zu schöpfen und sich am Chaos zu laben, siedelte seit jeher an Stellen hoher Faerzress-Strahlung, um dort, bevorzugt in großen Kavernen und Höhlen, seine majestätischen Türme in die Höhe wachsen zu lassen oder kunstvolle Gebäude aus dem Stein zu formen. Jedoch macht, wie eine volksübergreifende Weisheit besagt, die Dosis das Gift. Und selbst die auserkorenen Geschöpfe der Herrin des Abbys und des Chaos waren einem solchen Sturm mutierender und zerstörerischer Kraft nicht gefeit. Das Unergründliche musste erforscht, das Unabwägbare gewagt und das Unbezwingbare gezähmt werden.

Während in anderen Völkern langatmig beratschlagt wurde, funktionierte die eherne und unantastbare Hierarchie der Dunkelelfen tadellos: Die weisenden Worte der Priesterinnen wiesen einem jeden Würdigen eine Aufgabe nach Rang und Fähigkeiten zu, um die Besiedelung und Annektion des Har'oloth rasch und reibungslos vonstatten gehen zu lassen. Die Sargtlinnen strömten aus, um das Bergplateau und den nahen Reisepunkt zu besetzen, um jeden unliebsamen Besuch mit scharfen Adamantstahl zu begrüßen, während die Uiboxul'ra, die sich meisterlich auf die Bearbeitung von Stahl, Stein oder Stoff verstanden, die von der Schiffsreise erschöpften Lager zu füllen. Die Dunkelelfe Velnar'ae, die unter diesem Namen unter den Exilanten von Sold'Orbb bekannt war, schloss sich zuerst den ausströmenden und erkundenden Patrouillen an, die sich tiefer in das Unbekannte wagten. Die Priesterin wollte einen Eindruck von der heimischen Flora und Fauna gewinnen - vor allem von der Belebten. 

Unzählige Längen lang begleitete sie über einige Narbondelzyklen hinweg verschiedene Wachtruppen, um das Labyrinth aus Gängen und Höhlensystemen zu erforschen und Proben in das provisorische, aber beständig wachsende Zwischenlager auf dem Bergplateau zu bringen. Sie entdeckten schwefelerfüllte Kammern, aus deren Wänden und Böden sich das heiße Erdfeuer aus den Tiefen der Gebeine der Welt hindurchfraß, weite Höhle, in deren Mitte perlengleich-schimmernd ein Süßwassersee ruhte, aber auch von Gift- und Säurewolken zerfressene Gänge, in denen sich unzählige todesbringende Manifestationen auf die Sargtlinnen stürzten. An jeder Biegung wartete das Unterreich mit neuen atemberaubenden Gefahren, aber auch Wundern auf:
 
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Etwa Alleen aus rhythmisch pulsierenden Leuchtschirmlingen, deren Myzelien unterirdisch miteinander verbunden waren, um Signale und Informationen über elektrische Impulse zu teilen und so synchron die Intensität oder den Rhythmus des Aufleuchtens abzustimmen. Einem aufmerksamen und kundigen Beobachter konnten sie auch als vorauseilende Warnung dienen, etwa, wenn sich ein Hakenschrecken einer miteinander verbundenen Pilzkolonie näherte. 

Nach der dritten Erkundungsmission entschied die Priesterin, dass sie genug Informationen über die Umgebung der verlassenen Stadt des Unterreiches gesammelt hatte und beschloss, im Lager zu verbleiben, um sich einer neuen Aufgabe zu widmen. Eine Weile spielte sie mit dem Gedanken, die Faern bei der Untersuchung des Faerzress-Sturms zu unterstützen, wählte aber letztlich eine naheliegendere, llothgefällige Aufgabe: Das Verschwinden der achtbeinigen Kinder der dunklen Mutter zu lüften.

Nachdem sie sich die ausdrückliche Erlaubnis der Mutteroberin eingeholt hatte, machte sie sich auf, um Faerala zu suchen...

 
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Velnar'ae
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Beitrag von Velnar'ae »

Mit der lautlosen Anmut eines Raubtiers erklomm sie die schroffen, aus dem Felsen geformten Steinstufen, die hinauf zum verlassenen Spinnennest führten, das sich über zwei schlauchförmig miteinander verbundene Höhlen erstreckte. Auf halber Höhe hielt sie inne, um die gewaltigen Spinnennetze zu betrachten, die sich dicht über der Höhlendecke aufspannten. Neugierig erkundete ihr Blick die perfekt gewobenen Kunstwerke, die in tadelloser Symmetrie im fahlen Licht eines Feenfeuers glänzten. Welch bewundernswerte und vollendete Jagdtechnik, um die ahnungslose Beute in seine tödlichen, klebrigen Fäden zu locken, aus deren stahlseidenen Umklammerung sie nie wieder entfliehen würden. War es da verwunderlich, dass die Ilythiiri den achtbeinigen Kindern der Mutter nachahmten und mit ebenso großem Geschick ein Netz aus giftgetränkten verbalen Spitzen, verführerischer Umgarnung und hinterrücks aufblitzendem Stahl woben?

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Die gefallene Yathallar überwand die restlichen Stufen zum Eingang des Arachnidenhortes mit müheloser Leichtigkeit, setzte nun aber deutlich bedachter einen Fuß vor den anderen, um die dichter werdenden Webwerke nicht durch eine unachtsame Bewegung zu beschädigen. Mit einem kurzen Anflug von Bedauern registrierte sie die unbewohnten Leere der Kaverne. Glühend erwachten die roten Augen der Dunkelelfe, als sie sich der angeborenen Sicht der Infravision bediente, um nach Spuren des Verbleibs der Kinder zu suchen. Die Umgebung färbte sich ein Spektrum aus kühlen Blautönen, die teilweise fließend in ein wärmeres Grün übergingen und teils von sanft-orangenen Flächen durchzogen waren: vornehmlich der unbelebte oder von der Flora bewachsene Fels, indem einige Wärmeader aus den Tiefen verästelnd nach oben stiegen. Das Har'oloth war weder karg noch kalt - die Dunkelelfen bevorzugten sowieso die von Lavaflüssen erwärmten Höhlen.

Die erhofften warmstrahlenden Wärmesignaturen der Spinnen offenbarten sich, wie zu erwarten war, beim sorgsamen Rundumblick nicht. Einzig ein Schwarm Fledermäuse rauschte lautlos in der Ferne vorbei und zog eine fast augenblicklich erkaltende rote Schlierenspur hinter sich her. Geschmeidig glitt Velnar'ae in die Hocke und tastete den Boden ab. Die Fingerspitzen strichen über einen ausgeblichenen Knochen eines größeren Beutetiers, was Rückschlüsse auf die körperlichen Maße der einstigen Bewohner zuließ. Es mussten Arachniden beachtlicher Größe gewesen sein - doch die Knochen und andere Hinterlassenschaften der verschollenen Predatoren, die sie im Verlauf der weiteren Erkundung des Nests entdeckte, ließen die Ursache ihres Verschwindens ungeklärt - ebenso ungeklärt wie das Verschwinden der Ilythiiri aus der verfallenden Siedlung oder der Bürger der verlassenen Stadt, die nun von den Wächtern wieder aufgebaut wurde. 

Es gab nur wenige Gründe, warum ein Raubtier sein Revier verließ:
Entweder es wurde es von etwas Stärkerem vertrieben oder es folgte seiner Beute, die sein Jagdterritorium verlassen hatte. Es gab jedenfalls keine schlüssigen Anhaltspunkte dafür, dass die Brut dieses Nests ausgelöscht worden war, kein Kadaver zu sehen, der ein solches Ende hätte bezeugen können. Wohlmöglich hatte gar der Faerzress-Sturm zu wilden Manifestationen von Magieelementaren geführt, die den seidenen Hort bedroht hatten. Der Gedanke erschien der zierlichen Priesterin nicht abwegig.

Sie schloss ihre Augenlider ansatzweise und konzentrierte sich auf ihre innere Verbindung zur grausamen Herrin des Abbys - Lloth. Unvermittelt durchdrang ihre volltönende Stimme die Spinnengrube und füllte die Leere mit echogleich widerhallenden, düsteren Gesängen, die sich wie ein schwerer Klangteppich über die Umgebung legten. In die angestimmte Hymne der Lobpreisung zu Ehren der Fleischformerin verwob sie die Worte der Macht, die einem einen Einblick auf das feine Geflecht der nicht-stofflichen Ebene und den Verwirbelungen der Astralebene erhaschen ließen: Faer Zhaunil! Von düsterer Wonne und Macht erfüllt, wiegte sie ihren Körper zu dem vielstimmig an den Wänden brechenden und anschwellenden Choral, während sie ihre nicht-mundanen Sinne gleich schattenhaften Tentakeln ausstreckte, um jeden feinen Geruch, jeden verflüchtigenden Geschmack und jeden verblassenden Schatten von Magie zu erhaschen. Doch es waren wohl schon zu viele Narbondelzyklen in der lichtlosen Tiefe zerflossen, als dass ihre Bestrebungen mit den ihr derzeit gewährten Fähigkeiten die entfernt zurückliegenden Ereignisse aus dem Vergessen der Vergangenheit hieven konnten.

Nur schwermütig und mit gebündelter, eiserner Disziplin ließ sie von der verführerisch-chaotischen Quelle der Macht ab und wappnete sich gegen die hereinbrechende Welle der Erschöpfung, die sie früher mit müheloser Leichtigkeit abgeschüttelt hätte. Knirschend mahlten ihre Zähne aufeinander, ehe sie die aufbrodelnden Emotionen wie stets hart zäumte und tief in ihr Inneres verbannte.

Sie kehrte in das Lager der Ilythiiri zurück - Bericht erstatten.
 
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