Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

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Radesvald
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Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

Beitrag von Radesvald »

Wie ich lernte den Pilz zu lieben


 Die Waldelfen nennen es das Faer. Seelenenergie, Lebenskraft, ein Energiefeld, das von allen lebenden Dingen ausgeht, von dem sie ihre magische Natur nähren. Ich bin kein Waldelf, aber die Idee dahinter faszinierte mich, denn sie erschien mir so verwandt mit der Weise, in der wir Druiden Magie wirken.

Druiden haben einen Ruf dafür, die Magie nicht wissenschaftlich zu studieren. Das Bild des Druiden ist ein Einsiedler, der tief im Wald wohnt und mit Pflanzen und Tieren im Einklang lebt. Das ist natürlich weder wahr noch praktisch, viele Druiden leben in gewöhnlichen Häusern und bedienen sich all dem Wissen und Fortschritt die unsere Gesellschaft zu bieten hat.Doch ein Kern der Wahrheit liegt in diesem Ruf, denn ein Druide bedient sich Kräften die man nicht verstehen kann wenn man versucht sie akademisch zu studieren.

Die Elementaristen haben die Elementarebenen, die Nekromanten den Äther, die Astralmagier die Astralebene. Die Illusionisten als Meister der Planaristik können bis in die äußeren Ebenen reichen um Verbündete zu finden. Aber wir Druiden haben keine Ebene in der unsere Kraft in einem Vakuum existiert. Wir benutzen zwar die positive Energieebene um Lebewesen zu heilen, aber der Wahre ursprung unserer Magie ist die materielle Ebene. Die Ebene wo alle anderen Ebenen in perfekter Balance zusammenfinden. Die einzige Ebene wo wahres Leben existiert.

Diese Erkenntnis führt zu einem Schluss: Das Leben ist nicht eine einfache Kraft, die man manipulieren kann wie Feuer oder Wasser. Das Leben ist die höchste Ordnung  aller Mächte des Kosmos in Harmonie. Dies ist der Grund, warum Druiden nicht wie andere Magier an der Akademie studieren. Ein Elementarist kann seine ganze Karriere damit verbringen, die Elemente zu studieren und wird sie dennoch nie so geschickt verweben können, um Fleisch oder Holz zu erzeugen. Diese sind einfach zu komplex.

Wenn das Leben so komplex ist, wie kann ein Druide es dann beeinflussen? Das ist wo die Idee des Faer ins Spiel kommt. Das Leben erzeugt eine eigene Form der Energie. Diese ist schwer zu bemerken, weil sie aus allen anderen Energien zusammengesetzt ist. So wie ein geschliffener Kristall einen unsichtbaren Lichtstrahl in viele brilliante Farben zerstreuen kann so werden umgekehrt all die eindrucksvollen Mächte des Kosmos zusammen gebündelt um ein augenscheinlich bescheidenes Lebewesen zu erzeugen. Diese Kraft ist schwer wahrzunehmen, und schwerer zu verstehen, aber nur ein intuitives Verständnis der Lebenskraft selbst erlaubt einem Magier, sie direkt zu manipulieren.

Daher zog es mich in den Wald. Ein Mensch ist nicht mit den Sinnen eines Elfen gewappnet, aber ich dachte mir es müsste mir möglich sein dieses Faer zu vernehmen wenn ich mich von allen Orten isoliere wo die Menschheit die Kräfte der Natur aufgedröselt hatte und damit die subtile Kraft des Lebens mit kosmischem Lärm übertönte.

Meine Zeit in der Natur war nicht sofort mit dem Erfolg gekrönt, den ich mir erhofft hatte. Am Anfang fing ich an daran zu zweifeln, dass es überhaupt möglich war, das Leben so zu spüren, wie die Waldelfen es konnten. Als meine Kräfte wuchsen, begann ich jedoch langsam, mein Gespür dafür zu entwickeln. Ich übte mit dem Heiltotem Zauber, welchen ich immer und immer wieder sprach. Das Resultat war eine art Ebbe und Flut in der Lebenskraft des Waldstückes indem ich mich niedergelassen hatte. Wenn der Zauber seine positive Energie abgab, war alles rings herum plötzlich mit neuer Kraft gefüllt, etwas saftiger, etwas lebendiger.

Ich begann den Unterschied zu spüren, dieses stetige Pulsieren des Lebens, das kam und ging mit den Schüben von positiver Energie aus meinem Totem. Ich konzentrierte mich auf das Gefühl und versuchte es in Erinnerung zu behalten und es weiter zu spüren, nachdem meine Totems abgeklungen waren. Am Anfang konnte ich mich nur für wenige Momente daran festhalten, doch es wurde einfacher, bis es mir möglich war, das Leben zu spüren, ohne erst ein Heiltotem zu zaubern.

Meine Fähigkeit war zu diesem Zeitpunkt noch nicht sehr ausgeprägt. Einen Wald zu spüren ist nicht sehr eindrucksvoll, wenn man ihn wesentlich einfacher mit all seinen anderen Sinnen wahrnehmen kann. Also entschloss ich mich, Orte aufzusuchen, an denen es sehr wenig Leben gab, um zu sehen, ob ich es ausfindig machen konnte, wenn es nicht offensichtlich war.
Die ersten Versuche scheiterten auch hier kläglich. Auf den Straßen des Reiches fand ich keine Abwesenheit von Leben. Selbst auf denen, die mit schwerem Stein gepflastert waren. In den Städten konnte ich auch dieses Gefühl verspüren, was ich im Wald hatte. Erst als ich wahrhaft extreme Gegenden aufsuchte, wie eisbedeckte Bergspitzen, die sengende Wüste, und das von Asche erstickte Vulkangebiet fand ich, dass das Leben nahezu abwesend war.

Hier meditierte ich wieder, versuchte die minimalen Mengen an Leben, die ich wusste, die dennoch existieren müssen zu finden. Tatsächlich schaffte ich es nach einiger Zeit, mich selbst zu spüren. Meine eigene Lebenskraft war besonders schwer zu erkennen, wenn ich von Leben umgeben war, aber in sehr lebensfeindlichen Gegenden wurde sie offensichtlich. Ich entdeckte auch Leben an anderen Stellen, die mich überraschten, wie in Schwefelablagerungen nahe Vulkanen. Es war kein Leben sichtbar auf diesen Steinen, aber irgendwas sehr winziges, sehr primitives gab ihnen den minimalsten Schimmer der Lebenskraft.

Das war meine erste Erfahrung mit dem Kleinleben, Bet Mani, wie ich es fortan in den Worten der Macht definieren werde. Die Idee, dass Lebewesen so winzig sein können, dass sie für die Sinne des Menschen nicht wahrnehmbar sind, faszinierte mich, und ich begann zu forschen. Ein erheblicher Durchbruch war die Erkenntnis, dass frisch gekochte Nahrung kein Leben beinhaltete, aber je älter sie wurde, desto mehr Leben strahlte sie aus. Wenn sie schimmlig und gammelig wurde, war sie plötzlich voller Leben. Ich zog daraus den Schluss, dass der Verwesungsprozess nicht von negativer Energie kam, sondern von Kleinleben, das sich über die Nahrung hermachte.

Ich fand ebenso Leben in Leichen, der Erde, Wasser, meinem Atem. Fast alles war von Bet Mani durchzogen. Die obersten zwei Schritte des Bodens enthielten mehr Leben als die Oberfläche. Langsam vermochte ich die verschiedenen Arten des Lebens voneinander zu unterscheiden während meiner Meditation. Ein Reh fühlte sich anders an als ein Baum, ein Vogel anders als ein Reh. Was mich überraschte war, als ich anfing, Pilze zu spüren. Sie waren nicht nur die kleinen Stiele und Kappen, die aus dem Boden wuchsen, sondern wucherten weit und breit unter dem Boden, vermischt mit der Erde in unsichtbarer Form. Diese Kleinleben Form von Pilzen war auch in viel Nahrung anwesend und schien als Schimmel hervorzutreten.

Pilze begannen mich immer mehr zu faszinieren, weil sie in dieser Weise besonders anpassbar schienen. Pilze konnten sogar in anderen Lebensformen wachsen. Ich entdeckte ihre Signatur in den Schuppen aus meinem Haar, und in den gelben Zehennägeln eines Ogers. Ich sah eine Vielzahl an Möglichkeiten, diese Eigenschaft von Pilzen in neue Magieformen einzubinden. Als erstes musste ich mir jedoch ein besseres Verständnis dafür aneignen, wie Pilze wahrhaft aufgebaut waren. Da die wichtigsten Bestandteile so klein waren, dass ich sie nur im vagesten Sinne wahrnehmen konnte, war es mir noch nicht möglich, sie zu manipulieren.

Mein Durchbruch kam durch einen traurigen, aber auch sehr lehrreichen Zwischenfall. Während all meiner Forschungen tobte ein Krieg im Land gegen einen Lich namens Ziron. Die Untoten Armeen des gleichen marschierten im Jahre 81 auf die Sala der Waldelfen, und ich entschloss mich, dass es an der Zeit war, dieses scheue Volk aufzusuchen, um ihnen beizustehen. Ich wollte schon lange wirklich mit den Waldelfen sprechen und mehr über das Faer von ihnen lernen, aber ich wollte nichts überstürzen. Aber die Zeit für geduldiges Manövrieren war vorbei, die Waldelfen brauchten sofort Beistand. Eine gute Gelegenheit, sich vorzustellen, war das auch.

Die Schlacht war kein Sieg. Sie endete mit dem Tod des Waldhüters, über welchen ich gerne gelernt hätte, aber nie die Gelegenheit bekam. Es stellte sich später heraus, dass Ziron vielleicht mit dem Tode des Waldhüters sein eigenes Schicksal besiegelte, aber das ist eine andere Geschichte. Trotz der Niederlage war es in gewisser Weise ein Sieg für mich. Die Waldelfen konnten alle entkommen und ich hatte das Gefühl, ihr Ansehen gewonnen zu haben. Ich freute mich darauf, sie wieder zu treffen in der Zukunft. Ebenso erzählten sie mir von einem geheimen Ort, an dem ein ganz besonderer Freund von ihnen lebte.

Und so traf ich die Wesenheit, die mir alles über Pilze beibrachte. Er hatte keinen Namen, oder zumindest nannte er mir keinen. Er war ein Pilz, oder besser gesagt, ein riesiges Netzwerk aus Pilzen, das unterirdisch durch den Zauberwald wucherte.  Dieses Netzwerk war so komplex und ausgefuchst, dass es die Sprache der Elfen sowie auch Menschen verstehen konnte. Die großen goldenen Pilze konnten sogar  in gewisser Weise sprechen. Die Kommunikation war etwas zäh. Der Pilz konnte nicht wirklich reden, sondern übermittelte Ideen durch Sporen, die mich Worte und Sätze halluzinieren ließen. Dieser Prozess dauerte eine lange Zeit. Eine einfache Konversation mit dem Pilz zog sich über mehrere Stunden hinweg, schlicht weil dieses Wesen so riesig war, dass seine Gedanken sich in der gleichen Weise formten wie sich ein Gerücht in einer Stadt verbreitete.

Nach mehreren Tagen hatte ich jedoch viel über die Natur von Pilzen gelernt, und auch eine grundlegende Idee dazu entwickelt, wie es möglich war, mit ihnen zu kommunizieren. Gewöhnliche Pilze waren nicht so komplex verwoben, dass sie Intelligenz besaßen, aber sie kommunizierten in ihrer rudimentären Weise durch verschiedene Absonderungen, die ich nachahmen konnte, und dann zur gleichen Zeit durch Zugabe von positiver Energie eine schnelle Antwort stimulieren. 
 
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Radesvald
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Re: Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

Beitrag von Radesvald »

Das Kleinleben und die Mutter der Mikroskopie


Die Entdeckung von Kleinleben wurde zu einem fortlaufenden Forschungsthema für mich. Pflanzen und Tiere waren zwar durchaus interessant, aber meine Liebe zur Natur war immer mehr auf einem nagende Neugierde zurückzuführen, wie das Leben wirklich funktioniert. In vielerlei Hinsicht war es komplizierter als die Magie selbst, denn es gab keine einfachen Worte, die man sprechen konnte, um mit dem Leben zu kommunizieren, so wie man es mit den Mächten des Kosmos konnte. Das Leben sprach eine Sprache aus Alchemischen Substanzen, wie Molchaugenextrakt das einem Halluzinationen geben konnte. Wir Menschen kannten zwar ein paar dieser geheimen Signale und konnten sie in Tränke und Medizin verkochen, aber um komplexere Ideen zu kommunizieren, war es notwendig, das Kleinleben direkt beobachten zu können.

Mein erster Gedanke, wie man etwas näher betrachten könnte, galt der Magie. Ein Zauber, der Licht bündelt, wäre in der Theorie relativ einfach zu wirken. Ein einfaches Rel Lor wäre wahrscheinlich ausreichend um in die Ferne zu sehen, Dinge zu vergrößern, oder sogar um Ecken zu schauen. Spinnenseide wäre wahrscheinlich die einzige nötige Reagenz, um das Licht so zu beeinflussen. Ich war schon halb dabei, praktische Versuche für einen “Licht Biegen” Zauber zu beginnen, als mir ein Problem mit dieser Idee klar wurde. 

Ein Zauber, der das Licht biegt, brauchte zwar nicht viel Kraft, aber er brauchte viel Kontrolle, besonders wenn man sich nicht mit gebündeltem Lupenlicht ins Auge schießen wollte. Wenn man mit einem solchen Zauber langzeitig forschen wollte, müsste man ihn vollends meistern, um ihn über lange Zeiträume ohne große Konzentration nutzen zu können. Einen Zauber zu benutzen, um einen anderen Zauber zu beobachten, konnte obendrein das Ergebnis verfälschen. Wenn man etwas beobachtete, das andernfalls völlig unsichtbar war, würde man es nicht mal wissen, wenn man sich selbst etwas vorgegaukelt hatte.

Nein, um das ganze richtig zu machen, musste ich eine Methode finden, die winzigen Fäden und Sporen, aus denen die Pilze zusammengesetzt waren, zu beobachten, ohne Magie zu benutzen. Die Antwort war eigentlich offensichtlich. Eine Lupe! Ich eilte sofort los, um mir einen Zwicker zu kaufen, allerdings stellte sich schnell heraus, dass ein Zwicker in erster Linie eine Korrekturlinse war und keinen erheblichen vergrößernden Effekt erzeugte. Das ständige Kanalisieren von positiver Energie durch meinen Körper hatte dafür gesorgt, dass meine Alterserscheinungen über die Jahre großteils oberflächlich blieben, daher bewirkte der Zwicker überhaupt nichts bei mir. Im Gegenteil, er ließ alles verschwimmen, als hätte man Tränen in den Augen oder war besoffen.

Ein Experte in optischen Geräten war ich zu diesem Zeitpunkt nicht, und ich schätze, ich hatte ein bisschen der Arroganz der meisten Magier in mir, denn ich dachte, dass etwas, das nichts mit Magie zu tun hat, nicht sehr kompliziert  sein könnte. Also entschloss ich mich, dass ich einfach ein Fernrohr kaufen und es umdrehen, um in die Nähe zu schauen. Die Arroganz verließ meinen Körper mit einem lauten, von mir selbst enttäuschten Stöhnen, als mir klar wurde, dass ein Fernrohr, wenn man es rückwärts hält, nicht nahe Dinge vergrößert, sondern Dinge verkleinert.

Meine ersten sehr ungeschickten Versuche mit optischen Geräten führten mich jedoch dazu, die Wissenschaft der Optik wesentlich ernster zu nehmen und eine Serie von ernsthaften Versuchen zu beginnen. Als erstes nahm ich mein Fernrohr auseinander und entdeckte, dass in ihm zwei Linsen steckten. Die erste Linse war wie eine tatsächliche Linse geformt, bauchig auf beiden Seiten. Wenn man durch sie hindurch blickte, vergrößerte sie alles wie eine Lupe, jedoch konnte man Dinge in der Ferne durch sie nicht viel größer sehen, weil sie sehr unscharf waren oder auf dem Kopf standen. Die zweite Linse des Fernrohrs war genau anders herum geformt und hatte eine Schüssel auf beiden Seiten. Durch diese Linse sah alles kleiner und näher dran aus. 

Mit der richtigen Distanz zwischen den beiden Linsen konnten sie ein scharfes Bild von fernen Objekten erzeugen. Was ich später lernte war, dass die große Linse das Licht, das in sie fiel, in einen Kegel bog, und die kleinere Linse das Licht des Kegels dann wieder in einen Strahl bog, der einem ins Auge fallen konnte. Auf diese Weise konnte das geradlinige Licht, das in die große Linse fiel, zu einem ebenso geradlinigen Strahl reduziert werden, der dann ins Auge fiel. Ein Teleskop war im striktesten Sinne eine Vergrößerung für das Auge, ebenso wie man sich einen Trichter ans Ohr halten konnte, um dieses zu vergrößern.

Daraus folgerte, dass das Instrument, was ich brauchte, keine Vergrößerung des Auges war, sondern eine Verkleinerung des Auges. Was ich brauchte, war die Fähigkeit, mich einem Objekt bis auf Haaresbreite zu nähern und es immer noch klar sehen zu können. Die Antwort war nicht eine besonders große Linse, sondern eine besonders kleine Linse, und weitere Linsen, die den winzig kleinen Lichtstrahl, den diese einfing, zu einem größeren Lichtstrahl ausbreiten konnten, den das menschliche Auge sinnvoll wahrnehmen konnte.

Ich war kein Linsenschleifer, und nur ein mittelmäßig begabter Bastler, der Heißarbeit Leuten mit mehr Erfahrung überließ, also sah ich keine große Chance, dass ich selber ein Präzisionsgerät dieser Art bauen könnte. Allerdings kam mir eine einfache Idee. Ich bohrte ein winziges Loch in eine Kupferplatte und tropfte etwas Wasser darauf. Der Tropfen formte sich in eine sehr klare, obwohl temporäre, Linse. Das Gerät funktionierte. Wenn man sich die Kupferkarte vor das Auge hielt, konnte man sehr kleine Dinge dahinter weit größer sehen als mit allem anderen, was ich zuvor versucht hatte. Das Problem war, dass die Linse sehr unbeständig war. Eine winzige Berührung mit der Nase konnte sie zerstören, und wenn man das Kupferplättchen auch nur zu stark anstieß, war die Linse ruiniert. Ich brauchte eine echte Glaslinse in der entsprechenden Größe.

Ich begann nach einem Linsenschleifer zu suchen um ihm von meiner Idee zu erzählen, jedoch geschah all dies in den letzten Tagen eines sterbenden Landes, das durch den Lich Ziron und die Überheblichkeit der alten Magokraten auf ein unausweichliches Ende zusteuerte. Wir mussten evakuieren, und der einzige Linsenschleifer, den ich finden konnte, reiste auf einer anderen Flotte mit. Ohne große Hoffnung auf Fortschritt während unserer ungewissen Zeit auf See kaufte ich mir ein paar Stücke Rohglas und etwas Metall, das ich an Bord brachte nur für den Fall, dass sich auf der Echidna ein Linsenschleifer befand, der mir helfen konnte.

Welch Glück ich hatte! Nach den ersten Wochen auf dem Schiff fand ich endlich die richtige Person. Mara, die Bibliothekarin der Königlichen Sammlung stellte sich als viel mehr heraus als nur eine Dame, die Bücher in Regale einräumt. Diese Dame hatte sie auch gelesen und einen substanziellen Anteil davon selbst geschrieben. Um genau zu sein, bin ich mittlerweile überzeugt, dass sie eine der wichtigsten Denkerinnen unserer Zeit ist. 

In unserer Gesellschaft wird der Intellekt von Leuten, die keine magische Begabung haben, meistens als irrelevant behandelt. Schließlich können sie mit all ihrem Wissen und all ihrer Weisheit keine Feuerbälle schmeißen. Eine kluge Person, die nicht zaubern kann, wird als gerissen oder vielleicht aufgeweckt oder clever bezeichnet, aber selten wirklich für die Tiefe ihrer Gedanken geschätzt. Ich selbst war vielleicht schuldig so zu denken. Einen Handwerker suchte ich, jemand der die Teile herstellen konnte, mit denen ich experimentieren wollte. Ich hatte nicht damit gerechnet, jemanden zu finden, der über das Thema weit mehr wusste als ich. Wahrhaftig, dass die Bibliothekarin keine Magie beherrschte, war wahrscheinlich ihre größte Stärke. Statt sich mit Reagenzien und Worten der Macht auseinanderzusetzen, hatte sie die blanke Wirklichkeit studiert und ihr viele Geheimnisse entlockt, die ein Magier übersehen hätte.

Was Mara nicht im Kopf hatte, hatte sie in den tausenden von Büchern aus der Königlichen Sammlung im Lagerraum der Echidna. Ich hätte nicht nach einem besseren Forschungspartner fragen können. Nachdem ich ihr die Idee erklärte, zeigte sie sich sofort interessiert. Nicht viel später waren wir in der Werkstatt des Schiffes und sie zeigte mir eine Methode, um kleine Glasperlen zu erzeugen indem man das Glas tropfen ließ, wodurch es sich zu perfekten winzigen Sphären formte. Wir bauten eine weitere Kupferplatte mit einer dieser winzigen Glasperlen in ihrem Loch, und mit diesem primitiven Gerät begannen wir erste Entdeckungen zu machen. 

Wir entdeckten, dass Pergament aus der Nähe aussieht wie ein dichter verfilzter Pelz, und eine Feder tiefe Furchen darin hinterlässt. Die Tinte klebt sichtbar wie verschmierter Teer in den Gräben des zerklüfteten Papiers. Die filigranste Kalligraphie war unglaublich unordentlich und unpräzise, wenn man sie von so nah dran beobachtete. Wir betrachteten auch verschimmelte Nahrung und konnten tatsächlich die winzigen Fäden darin erkennen, von denen der magische Pilz gesprochen hatte. Der pelzige Teil des Schimmelpilzes sah aus wie Wälder von winzigen Blumen. Es war wundervoll endlich zu sehen, nach was ich gesucht hatte, und ich war ebenso froh jemanden zu haben, der meine Begeisterung dafür teilte. 

Dieses erste optische Gerät war allerdings nicht viel besser als der Wassertropfen in seiner Stabilität. Es war sehr schwer, es ruhig zu halten, besonders auf dem schwankenden Schiff. Man musste es sich immer noch direkt vor das Auge halten, und man konnte oftmals nur kurze Blicke von etwas erhaschen, ehe es wieder unscharf und verwackelt wurde. Ein besseres Gerät musste her, und wie das Teleskop würde es mehrere Linsen beinhalten müssen, um das Licht wieder grade zu biegen, bevor es zum Auge kam, damit man von einer respektablen Distanz schauen konnte.
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Radesvald
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Re: Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

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Mara
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Re: Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

Beitrag von Mara »

Die Überfahrt hatte sich doch recht in die Länge gezogen. Sicher- es war nett, alte Bekanntschaften aufzufrischen und neue zu schließen, aber abgesehen von Eis pickeln und Wasserschöpfen gab es nicht wirklich etwas zu tun.

Und dann Radesvald und seine Pilze! Was für ein spannender Mann, was für ein spannendes Thema! Was für eine ungewöhnliche Idee, in die Nähe schauen zu wollen, statt in die Ferne!


Einfache Vergrößerungsapparate waren natürlich schon oft gebaut worden. Sie selbst trug tagtäglich einen auf der Nase, um ihre Weitsichtigkeit zu korrigieren. 

Wie nun musste eine Lupe beschaffen sein, die weniger zum Lesen taugte, sondern imstande wäre, viel kleinere Dinge als Buchstaben abzubilden? 

Nun, das war ja eine recht einfache Rechnung. Die Vergrößerung V einer Lupe ließ sich aus dem Quotienten der deutlichen Sehweite (bei einem gesunden, jungen Auge wären das in etwa 25 cm) und der Brennweite der nach außen gebogenen Linse ermitteln. Eine Vergrößerung von V=5 bedeutete, dass die Lupe den Gegenstand 5 mal so groß darstellte. 
Zu wenig für Radesvalds Vorhaben.
Sie würden eine Linse brauchen, fein wie ein Wassertropfen, deren Brennweite im Bereich von 1mm lag, so dass eine Vergrößerung von etwa 200 möglich wäre. Im Idealfall. Die Hälfte davon wäre aber auch schon gut. 

Je kugelförmiger die Linse, desto stärker die Vergrößerung. Wie man feine Glasperlen herstellte, war kein Geheimnis: Man zog beim Glasbrennen einen hauchdünnen Faden, dessen Spitze man abtrennte und erneut brannte. So entstand ein winziges Glaskügelchen. 

Dieses Kügelchen befestigte man zwischen zwei Messingplatten und befestigte eine Pinzette davor, damit das zu untersuchende Objekt fixiert wurde. Solche Apparate waren bereits gebaut worden, aber selten im Einsatz und daher auch selten gebaut.   

Und so verbrachte Mara einige Zeit in der kleinen Werkstatt an Bord der Echidna, schnitt Gewinde und tüftelte an der simplen, aber zweckdienlichen Mechanik herum, bis die Apparatur mit der Glasperlenlinse imstande war, die Pinzettenhalterung in zwei Richtungen zu justieren: auf und ab sowie dichter an die Linse heran oder weiter von ihr entfernt.

Die Kombüse der Echidna erwies sich als dankbares Forschungsfeld. Es war interessant und kurzweilig, mit Radesvald die verschiedensten Dinge vor den Vergrößerungsapparat zu pinnen und die Umgebung neu zu entdecken. Die Langeweile war wie weggeblasen! 

 
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Radesvald
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Re: Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

Beitrag von Radesvald »

Die Mikroskopie im Detail


Die Arbeit an unserem optischen Gerät schritt langsam voran auf der Echidna, aber ein Rückschlag für unsere Reise wurde zum Vorteil für unsere Forschung. Nachdem wir uns mit einer gefräßigen Nebelbank und deren gespenstischen Einwohnern herumschlagen mussten, gerieten wir in einen gefährlichen Sturm. Alle Schiffe unserer Flotte wurden schwer beschädigt, aber wir stießen endlich auf Land.


Das Land stellte sich als eine unbewohnte Insel heraus, auf der nicht nur die Flotte des Königreiches und der alten Völker landete, sondern auch die Schiffe der Greifen und die Schiffe der Diener des Namenlosen und Magokraten. Trotz der Spannung der Lage, die durch diese große Nähe verfeindeter Parteien entstand, war der Aufenthalt auf der Insel zum Glück relativ friedlich.


Die Insel bot uns neue Möglichkeiten, an unserem Gerät zu arbeiten. Mara hatte Zeit, im Frachtraum des Schiffes nach einigen Büchern zu suchen, die uns weiterhelfen würden, und fand ein Buch über Linsen und wie diese kombiniert werden können. Das Werk enthielt einige interessante neue Informationen von Leuten, die bereits vor uns an diesen Geräten forschten. Es sprach von verschiedenen optischen Defekten, was diese verursacht, und wie man sie entfernen kann.


Einer der wichtigsten Schritte ein präzises optisches Gerät zu bauen war es Problemen wie sphärischen Aberrationen in der Line vorzubeugen indem man Linsen in der richtigen Reihenfolge kombinierte, und verschiedene Glassorten benutzte. Um unsere Experimente fortzusetzen, mussten wir daher neues Glas schmelzen. Dieses Glas musste auch so blasenfrei wie möglich sein, damit es das Licht gleichmäßig krümmen konnte.


Die erste Aufgabe war das Sammeln von besonders reinem Sand. Wir wollten jegliche Einschlüsse und Unreinheiten vermeiden für das neue Glas. Die Insel, auf der wir uns fanden, hatte zum Glück eine große Menge an Quarzsand, den wir für unsere Zwecke nutzen konnten. Über zwei Tage und mehrere Stunden hinweg siebten wir durch den Sand, um nur die feinsten Körner zu behalten. Den so gefilterten Sand wuschen wir und benutzten andere Techniken, um so viele leichtere Bestandteile wie möglich davon zu trennen.


Wir fanden eine kleine Menge Galenit in einer der verborgenen Minen der Insel und konnten daraus Blei schmelzen für die Herstellung von Bleiglas. Eine dritte Glassorte, Kronglas, konnten wir leider nicht herstellen, weil wir keine Ader von Kaliglimmer finden konnten. Mit unseren Rohstoffen vorbereitet, begannen wir, das Glas in der Esse zu schmelzen, die für die Reparaturarbeiten am Schiff errichtet wurde. Mara wollte eine Technik benutzen, die in der Luft durch die Glasmacherpfeife unten in den Tiegel geblasen wird, um große Luftblasen zu erzeugen, die winzige Blasen im Glas verschlingen, während sie aufsteigen. 


Uns beiden fehlte die Kraft, um stark genug in das glühende Glas zu blasen, aber wir konnten zum Glück den Hünen Knut Grosmet überzeugen, uns seine Lungen zu leihen. Knut verstand zwar nicht, was wir genau machen oder warum sich jemand dafür interessieren sollte, etwas sehr Kleines anzusehen, aber der gute Mann kann pusten wie ein Blasebalg mit Bierfahne. Das Glas wurde ordentlich durchblubbert und in Formen gegossen um die Rohlinge für die Linsen herzustellen.


Über die nächsten Wochen verweilen wir auf der Insel. Es gab viel Arbeit, um das Schiff zu reparieren, Ärger mit einem schlafenden Drachen, verschiedene Streitigkeiten zwischen den Flotten und Konflikte zwischen den Völkern unserer eigenen Flotte. Mara arbeitete während all dem an den Linsen. Der Schleifprozess war eine langsame, geduldige Aufgabe. Nach einiger Zeit hatte sie genug davon erzeugt, um mit verschiedenen Experimenten zu beginnen.


Wir sprachen viel darüber, wie wir das neue Gerät nennen sollten. Als Inspiration diente uns das Teleskop, welches seinen Namen aus einer alten Sprache bezieht. Tēle bedeutet “weit entfernt” in dieser Sprache, und “skopein” war das Wort für betrachten oder anschauen. Wir versuchten ein paar unterschiedliche Namen wie in Iuxtaskop oder ein Minuskop, welche ihre erste Silbe aus einer neueren, doch ebenso vergessenen Sprache zogen, welche Tēle und Skopein absorbiert hatte als Telescopium. Am Ende entschloss ich, in die noch ältere Sprache zu greifen, aus denen die Worte hervorgingen, und benutzte das Wort “Mikros”, welches schlicht “klein” bedeutete. Ob unsere Namensschöpfung Bestand hat, wird die Zukunft zeigen müssen, aber von hier ab werde ich unser Gerät ein Mikroskop nennen.

 
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Wir arrangierten die Linsen in verschiedenen Kombinationen und bauten ein erstes einfaches Mikroskop daraus. Es hatte drei aplanate Linsen Paare, die in Kombination miteinander eine erstaunliche Vergrößerung erzeugen konnten. Die Apparatur hatte allerdings noch einige erhebliche Nachteile. Die Plattform, auf der das anzuschauende Objekt ruhte, war nicht beweglich an diesem ersten Mikroskop, und man konnte es nur justieren, indem man ein Gewinde im Körper des Gerätes drehte. Dadurch dauerte es sehr lange, ein scharfes Bild zu erhalten und man konnte es nicht wirklich bewegen. Dennoch war dieses Gerät ein großer Erfolg und diente mir treu während einiger Forschungen zu den verschiedenen Eigenschaften von Pilzen, welche ich separat niederschreiben werde.

 
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Die Lektionen, die wir von unserem ersten Mikroskop gelernt hatten, wollten wir bald in ein komplexeres Modell einbauen. Pläne wurden für ein neues Gerät, dessen Objekttisch und Körper verstellbar waren, an einer Stange. Platz für komplexere Arrangements von Linsen, wie ein apochromates Trio, wurde ebenso eingeplant, für die Zeit wo wir weitere Sorten an Glas anschaffen konnten.


Unsere Forschung wurde von der Weiterreise unterbrochen, doch diesmal fiel die Seereise nicht so lang aus wie zuvor, sondern kam zügig zum Ende. Wir hatten endlich einen neuen Kontinent erreicht, der viele neue Geheimnisse barg. Auch dies ist etwas, das in anderen Texten tiefer behandelt werden sollte. Der erhebliche Schaden an unserem Schiff und ein fortwährender Kampf mit einem aggressiven Harpien Schwarm verzögerten die montage des finalen Mikroskops etwas, doch hoffentlich würde es bald Vollendung finden.
 
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Zuletzt geändert von Radesvald am 14 Mär 2024, 11:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

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Re: Radesvalds Forschungsjournal - Die Kleine Kunde

Beitrag von Radesvald »

Mikroskop Forschung

Das Mikroskop hatte mir ungeahnte Möglichkeiten eröffnet, die Welt des Bet Mani zu ergründen. Ich konnte viele Dinge entdecken, die dem bloßen Auge verborgen blieben. In einem Tropfen Wasser verbargen sich Wasserflöhe und winzige Würmer, winzige Algen und Wesen, die schwammen wie die Schleimwesen, die man vielerorts auf gottverlassenen Friedhöfen findet. Ich konnte sogar Cara’las, einer Waldelfe, die mir viel über das Leben beigebracht hatte, einige Wesen zeigen, die sie nicht kannte. Was der Menschheit an übernatürlichen Sinnen fehlte, konnten wir mit Technologie aufholen, und dabei sogar Dinge entdecken, die den Elfen, die die Natur besser als alle anderen verstanden, bisher entgangen waren.

Doch was mich immer noch am meisten interessierte, waren die langen Fäden, die die Pilze sponnen. Ich wollte lernen, mit ihnen zusammenzuarbeiten, ihnen Lebenskraft zuzufügen und sie zu dirigieren. Ich begann damit, Proben von verschiedenen Pilzen zu sammeln. Als erstes konzentrierte ich mich auf die gewöhnlichen Pilzarten, die in den Wäldern unserer neuen Heimat wuchsen, und einfachen Schimmelpilzen. Blutmoos, Molchauge und Henkerskappen nahm ich auch in meiner Forschung auf.  

Dann entdeckte ich, dass im Untergrund der Welt wahrhaft gigantische Pilze wuchsen. Ich sammelte auch von diesen einige Proben und begann auch diese zu untersuchen. Leider starben die kleineren Pilze, die ich intakt an die Oberfläche brachte, sehr schnell. Ich began mich zu fragen, warum so riesige Pilze nur unterirdisch wachsen konnten. Zuerst vermutete ich, dass es an der Wärme und Feuchtigkeit des Unterreiches lag. Allerdings gab es auch warme, feuchte Gebiete an der Oberfläche der Insel, in denen die Pilze nicht wuchsen. Als nächstes vermutete ich die Dunkelheit des Unterreiches, aber einige einfache Versuche, die Pilze im Dunkeln am Leben zu halten, scheiterten ebenso.

Dies ließ mich eine letzte Möglichkeit erahnen. Eine der bekannten Gefahren des Unterreiches die Magiern stark zu schaffen macht ist ein ungewöhnlich starkes magisches Energiefeld das dort existiert. Es war schwer gewesen, das Leben in der Oberwelt spüren zu lernen, weil all die magischen Mächte, die in unserer Welt verwoben sind, ein solch grandioses Kaleidoskop von kosmischen Energien erzeugten. In der Unterwelt tobte ein wahrer Ozean an magischem Potenzial, unbändig und voller Tücke. Der ständige Einfluss dieser Energie konnte Lebewesen von der Oberfläche, die ihr zu lange ausgesetzt waren, ernste Schäden zufügen. Leute, die sich im Unterreich verliefen, begannen oftmals, dem Wahnsinn zu verfallen. Die, die ihren Weg für lange Zeit nicht wieder nach oben fanden, erlitten oftmals seltsame Mutationen. Entlaufene Sklaven der Dunkelelfen berichteten von speziellen Moosen und Mineralien, die sie in ihre mageren Mahlzeiten mischten, um ihre Resistenz gegen die Energie der Unterwelt zu erhöhen und den schlimmsten Effekten entgegenzuwirken.

War es möglich, dass die Pilze, die in diesen gefährlichen Höhlen wuchsen, diese Energie benötigen um zu gedeihen? War es möglich, dass sie durch ihre Affinität für Magie die idealen Kandidaten waren, um durch die Lebensmagie genährt zu werden? Ich begann zu experimentieren. Über einige Tage hinweg fügte ich verschiedenen Pilzen, die ich an die Oberfläche gebracht hatte, Magie zu. Ein Erblühen Zauber, In Mani Hur Grav, eignete sich hierzu hervorragend. Was ich fand, war, dass der Zauber die Pilze tatsächlich länger am Leben halten konnte, aber sie völlig davon abhängig waren, dass ich ihnen regelmäßig mehr Energie zukommen ließ. Ich entdeckte ebenso, dass die Sporen der Untergrund Pilze überlebten, wenn die Pilze an Mangel an magischer Energie starben, und durch Zuführung von neuer magischer Kraft wieder zum Leben erweckt werden konnten. 

Die Experimente führten mich zu einer Gattung von Leuchtschirmling der die positive Energie die ich durch die Macht Mani rief sehr verträglich war. Die Pilze wucherten nahezu, wenn sie diesen Energien ausgesetzt waren. Sie erzeugten große Mengen an neuen Sporen, die ich einsammeln konnte, um durch einfaches Zuführen von etwas Magie immer neues Pilzmaterial schaffen zu können. Was mir fehlte, war eine Methode, das Wachstum der Pilze zu kontrollieren, und dem Myzel, das sich formte Befehle zu geben.

Hier wurde das Mikroskop unersetzlich. Es gab keine einfache Formel, wie man mit einem Pilz kommunizierte. Tag um Tag verbrachte ich damit verschiedene alchemische Substanzen aus Pilzen zu extrahieren und an meinen Pilzproben zu testen. Ich beobachtete die Reaktion unter dem Mikroskop, und nach und nach fand ich nützliche Substanzen. Einige konnten das Myzel dazu bringen sich zu holzigen Stämmen zu formen, andere zu weichen Kappen und Lamellen, oder Sporen. Wieder andere brachten es dazu, komplexe Netzwerke zu formen. Ich konnte die Pilzmasse dazu animieren, schwammartige Strukturen zu formen und diese dann dazu bringen, sich zu öffnen, um Wasser aufzusaugen, oder sich zusammenzuziehen, um es wieder auszustoßen.

Durch diese Mechanismen war es mir möglich, Pilze in funktionelle Formen wachsen zu lassen. Meine erste Idee war, einen Beschützer zu erschaffen, der mir auf meinen Reisen zur Seite stehen würde. Die verhärteten Teile könnten eine art Skelett formen für die Kreatur, die weichen Kappen eine dicke Haut, Netzwerke aus Myzel würden der Kreatur als Gehirn und Nerven dienen, und Wasser konnte in gefäßen hin und her gepumpt werden um ihr bewegung zu geben.  

Um das Wachstum der Pilze großflächig und präzise manipulieren zu können, musste ich erst einen Zauber erschaffen, um die Pilzextrakte, mit denen ich arbeitete, durch meine Gedanken kontrollieren zu können. Die verschiedenen Substanzen, die ich manipulieren wollte, würde ich durch das kombinatorische Wort Quas Ylem benennen, da die verschiedenen Sporen Halluzinationen hervorrufen konnten. Die Worte des Zaubers würden schlicht Ort Por Quas Ylem sein. Eine extrem spezifische Variante des Telekinese Zaubers, der nur ganz bestimmte Dinge manipulieren konnte, aber alles andere in Ruhe ließ. Als Reagenzien wählte ich wie beim Telekinese Zauber Blutmoos, aber ich ersetzte die Alraune mit Spinnenseide, weil ich nichts Schweres bewegen musste, aber sehr feine Kontrolle brauchte, um mein Pilzwesen zu formen. 

Ich begann, Vorbereitungen für das Experiment zu treffen. Ich entschied mich es im Unterreich selbst durchzuführen damit die Pilze an denen ich arbeitete der natürlichen Energie ausgesetzt waren, die sie zum Leben benötigten, ohne dass ich während ich mit meinem Zauber arbeitete noch zusätzliche Energie zuführen musste, um mein Experiment am Leben zu halten. Ein paar willige Helfer hatte ich bereits finden können, um mich im Notfall zu verteidigen. Bald würde ich wissen, ob meine Forschung mit Erfolg gekrönt sein würde.

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Beitrag von Radesvald »

Myzelion

Die Expedition ins Unterreich war bereit zur Abreise. Für meinen Versuch ein Lebewesen aus Pilzen zu erschaffen, hatte ich mir einige Helfer gesucht, die in der Lichten Stadt ansässig waren. Sloan, Aedan und Dirion hatten sich bereit erklärt, mich zu bewachen, während ich meine Versuche durchführte. Caerwen, eine Druidin so wie ich, hatte sich uns angeschlossen, um mir zur Hand zu gehen. Wir brachen auf und betraten das Unerreich durch einen Eingang im Elfenwald, den ich bei der Erkundung der Insel einige Wochen zuvor entdeckt hatte. Ich hielt diesen für den besten Eingang, weil er fernab der Orte lag, wo man oft Dunkelelfen sah. 

Ich hatte Taumaril schon seit langer Zeit nicht mehr gesehen, und daher fehlte mir ein Kontakt mit den Dunkelelfen, den ich hätte fragen können, ob sie mir Passage durch ihr Reich erlauben. Ich hatte aus meiner Zeit in Ansilon gelernt, dass ein Handel mit den Dunkelelfen niemals billig kam, und selbst nachdem man in teurem Geld oder harter Arbeit bezahlt hatte, musste man auch die Kasse seines Gewissens greifen um eine Schuld mit ihnen zu begleichen. Dennoch bevorzugte ich es üblicherweise, Handel und Diplomatie einzusetzen, wo ich dadurch einen Konflikt vermeiden konnte. 

In diesem Falle hatten wir keine Zusagen von dem finsteren Volk. Die Strategie war, unser Geschäft in den Höhlen so schnell wie möglich zu beenden und wieder auf unserem Weg zu sein, bevor und irgendwer, oder irgendwas, dort unten entdeckte. Die finsteren Passagen des Unterreichs waren von den fluoreszierenden Pilzen in sanftes, buntes Licht getaucht. Der Ort war genauso schön, wie er gefährlich war. Ich steuerte eine größere Höhle an, in der ich bereits die Sporen gesammelt hatte, mit denen ich meine Forschung begonnen hatte.

Dort angekommen, baute ich schnell mein mobiles Labor auf. Ich hatte eine Menge Kerzen mitgebracht, weil das Mikroskop am besten funktionierte, wenn es eine Menge Licht hatte. Die zusätzliche Beleuchtung konnte Aufmerksamkeit auf uns ziehen, aber sie war notwendig. Die Kämpfer positionierten sich am Mund der Höhle, um jedwede Gefahren, die uns durch die feuchtwarmen Passagen erspäht hatten, abzufangen.

Ich begann meine Arbeit. Zuerst legte ich die Sporen auf den Objekttisch und bat Caerwen sie mit einem Erblühen Zauber aus ihrem Schlummer zu erwecken. Meine Kollegin war eine viel mehr traditionelle Druidin als ich. Ich hatte mich neben meinen Studien der subtilen Macht des Lebens der Wissenschaft verschrieben, und versuchte diese zu vereinen, wo immer möglich. Caerwen hingegen war ein wahrer Freund der Natur und betrachtete Geräte wie das Mikroskop mit großer Skepsis. 

Um ehrlich zu sein, war ich froh, dass ich sie dabei hatte. Seit meinem Versuch ein leckes Boot mit lebendem Holz zu reparieren, hatte ich teilweise Zweifel, ob ich immer auf dem rechten Pfade war. Eine Druidin an meiner Seite zu wissen, die solch perverse Magie nicht mitmachen würde, war mir wichtig. Meine Pilzwesen waren keine völlig neue Lebensform. Vielmehr waren sie eine neue Konfiguration von existierenden Strukturen, die Pilze bereits formen konnten in eine humanoide Form. Ich war mir sicher, dass sich das Myzel, das ich manipulierte, nicht dagegen auflehnen würde, in eine Form gebracht zu werden, in der es sich leichter Nahrung suchen konnte, und sich gegebenenfalls aus einem Suppentopf retten.

Der Zauber von Caerwen wirkte sofort, und die Sporen begannen, winzige Fäden zu spinnen, die sich auf dem Objekttisch ausbreiteten und nach Nahrung suchten. Durch den Zauber war das Wachstum rasant, und gespeist von der magischen Strahlung des Unterreichs waren die Pilze nun lebendig. Ich zeigte der Druidin das Resultat unter dem Mikroskop. Man sagte ihr einen grünen Daumen nach, und wahrhaft, ihre Verwendung des Erblühen Zaubers war meisterlich.

Ich begann mit der nächsten Phase. Ich hatte die diversen alchemischen Extrakte, die ich erzeugt hatte, in Flaschen abgefüllt und mit mir gebracht. Ich träufelte die erste Substanz auf den Objekttisch und begann meinen Zauber zu wirken, um diese zu manipulieren. Ort Por Quas Ylem. Magische Bewegung von halluzinogener Materie. Ich began das Pilzextrakt zu bewegen. Die winzigen Fäden des Myzel aren blind, taub und dumm für sich selbst, aber sie konnten sich in viele Formen verändern die eigene Funktionen hatten, und zusammen einen großen Pilz bilden. Ich hatte entschlüsselt, wie ich ihnen durch die Pilzextrakte neue Instruktionen geben konnte, und ihnen dadurch einen Bauplan geben für Dinge, die der einzelne Faden nicht verstehen konnte.

Als erstes formte ich die Nerven der Kreatur. Ein Bündel von eng verwobenen Myzel, das kommunizieren konnte, so wie der Elfenpilz in der alten Heimat über Meilen hinweg mit seinen anderen Körpern in Verbindung stand. Ich konnte diese Masse nicht direkt zu einem funktionierenden Gehirn formen, dies war ein Prozess, den die Natur für mich übernehmen musste. Ich hoffte, dass wenn ich dem Wesen das Potenzial gab, eine rudimentäre Intelligenz zu entwickeln, es dieses auch nutzen würde, so wie der Elfenpilz Intelligenz entwickelt hatte. 

Ich fügte weitere Stoffe hinzu, und formte ein Skelett aus den holzartigen Teilen des Pilzstils, Schwammartige Säcke voller Schleimpilze die als Muskeln dienen würden, eine dicke Haut aus Pileipellis material das den Hut von Pilzen beschützte. Ich gab ihnen Hymenium damit sie Sporen bilden konnten um sich fortzupflanzen. Dann konzentrierte ich die mir bekannten Lichtrezeptoren des Pilzes in zwei Augen, um der Kreatur eine Art Gesicht zu geben. Ich bezweifelte, dass die Pilzwesen je sehr scharfe Sicht haben würden, aber solange es ausreichte, um sich durch die Welt zu bewegen, war es genug. Ich gab ihnen auch die Fähigkeit, selbst Licht auszustrahlen, so wie ihre riesigen Brüder im Unterreich, um vielleicht miteinander kommunizieren zu können. 

Das Resultierende Wesen war ein winziges Pilzmännchen, nicht viel größer als ein Fingernagel. Vier Stück an der Zahl erzeugte ich unter dem Mikroskop. Zwei davon gab ich an Caerwen und bat sie darum, sie irgendwo in der Höhle abzusetzen, wo sie wachsen und gedeihen konnten. Ich vertraute auf ihren grünen Daumen. Zwei weitere setzte ich selber ab. Einen in eine Felsspalte, und einen in eine seichte Mulde, in die ich etwas fruchtbare Erde gab. Caerwen fand den beiden Myzelmännchen sichere Moosbetten nahe einem kleinen Wasserfall. 

Nach vollbrachter Tat zog sich unser kleiner Trupp aus dem tückischen Unterreich zurück. Ich war meinen Helfern sehr dankbar. Die esten meiner Pilzkreaturen waren erschaffen. Nun musste ich warten, um zu sehen, ob die Natur sie annehmen würde, sie wachsen und gedeihen lassen, oder ob sie nicht stark genug waren, um zu überleben. In einigen Wochen würde ich wiederkehren um zu sehen ob sie herangewachsen waren. Dann konnte ich den Prozess beginnen, mich so vertraut mit ihnen zu machen, dass ich sie heraufbeschwören konnte. Ich fühlte mich, als wüsste ich bereits mehr über diese Kreaturen als über alle anderen Wesen, die ich rufen konnte. Ich hoffte, dass sie mich erwarten würden. Meine Pilzmänner, meine Myzelionen.

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