Ein Stück fernöstliche Schneiderskunst

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Giordano Argento
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Ein Stück fernöstliche Schneiderskunst

Beitrag von Giordano Argento »

Es war ein Tag wie jeder andere. Der Morgen wurde bereits in der Früh von den unzähligen Geräuschen der tierischen Waldbewohner des Trolleichenwalds eingeleitet. So war es nicht unüblich, dass Ar’dran bereits in den frühen Morgenstunden wach war und seinem alltäglichen Ritual, dem Bad im kühlen Teich neben der Hütte, um wach zu werden, nachging. Fröstelnd stieg er nach dem Bad wieder hinaus, um sich dann hinein zu begeben. Das Innere war recht spärlich und eher praktisch eingerichtet, wie man es oftmals von Männern kennt. Nur wenige Felle, Kissen und Decken sorgten noch für eine gewisse Gemütlichkeit, damit man dort anständig leben konnte – sofern man sich mit einem eher niedrigen Standard zurecht geben konnte.

Der heutige Tag war etwas Besonderes, denn der Hüne - oder Waldschrat, wie er in den letzten Mondläufen ‘liebevoll’ genannt wurde - hatte es sich zur Aufgabe gemacht, sein einst ‘abgelegtes’ Schneiderhandwerk wiederaufzunehmen. Doch es handelte sich nur um eine Ausnahme, wie er selbst zu sich sagte.
Worum handelte es sich dabei? Der Grund für seine Mühen war ein fernöstlich angehauchtes Kleidungsstück, ‘Kimono’ genannt. Nachdem Minfay ihn für einige Mondläufe mit zu sich in die Heimat nahm – eine Insel, die sich mehrere Wochenläufe von diesem Kontinent entfernt befand, fielen ihm dort die besonderen Kleidungsstücke auf. Seiner Nachforschung nach, wurden die Stücke aus dem Osten importiert und hatten daher einen beachtlichen Preis.
Gerüchten zufolge besass zudem eine ältere Dame eine Skizze der Schnittmuster, anhand jener man diese Kimonos fertigen könnte. Diese verabscheute jedoch diese Roben, denn sie waren wesentlich beliebter, als ihre Werke. Das war Grund genug für sie, nicht Gebrauch davon zu machen und die Pläne zu verstecken.

Für Ar’dran jedoch, der nach seinem Werdegang zum Waldläufer seinen einstigen Wurzeln verfiel und wieder zum Dieb wurde, war es ein Leichtes, die gesammelten Lebenserfahrungen für sich zu nutzen, um an die Information ihres Standorts zu kommen und in das Haus einzubrechen. Er nutzte die Zeit kurz nach dem Sonnenuntergang, in der sich die Frau noch in ihrem Laden befand, um sich ungesehen, mittels einiger Dietriche, einen Weg in das Innere zu beschaffen. Sorgfältig durchkämmte er das Haus, bedacht darauf keinen Lärm zu erzeugen. Es dauerte eine Weile, da stiess er auf eine verschlossene Schatulle. Es befand sich in einer Schublade, die durch einen Defekt leicht offenstand. Rasch schob er sich die Schatulle unter sein Gewand, eilte zum Ausgang hinaus und war dann bereits wieder verschwunden, ohne Hinweise auf seine Tat zurückzulassen. Am nächsten Morgen breitete sich die Nachricht, dass die Frau um ihre Skizzen bestohlen wurde, wie ein Lauffeuer aus. Doch niemand wusste, wer dafür verantwortlich war. Nicht einmal Madalyn – nur Ar’dran, dessen Mund ein mattes Lächeln bildete.

Zugegeben, es fühlte sich für den Hünen merkwürdig an, wieder Faden und Nadel in den Händen zu halten. Für gewöhnlich tat er dies nur noch, um seine Rüstungen zu reparieren oder gelegentlich für einen gewissen Austausch, Kleidungen für Frauen zu fertigen. Er wollte sich etwas selbst beweisen, vermutlich aber auch damit beeindrucken. So richtig wusste er es nicht. Doch das hinderte ihn nicht daran, sein Glück zu versuchen.

Sorgfältig breitete er den seidenen Stoff auf dem grossen Tisch aus und strich es dann glatt, ehe er die Ränder befestigte, damit er mithilfe eines Kohlestifts vorsichtig die Schnittmuster auftragen konnte. Stück für Stück schnitt er schliesslich den Stoff zurecht, samt einer kleinen Nahtzugabe. Rasch waren die Stücke zurechtgeschnitten. Vorderseite, Ärmel, Gürtel, Halsblende und das Rückenteil. Der Rest war recht simpel. Die einzelnen Stofflagen mussten nur noch übereinandergelegt, respektive eingesetzt und zusammen vernäht werden. Eine Arbeit, die er in etwa einer bis zwei Stundenläufen bewerkstelligen konnte.
Viel anstrengender war es, die fertige Robe zu besticken. Als Motiv entschied er sich für rosa und rote Lotusblüten, schlicht aus dem Grund, weil es das häufigste Muster war, dass er zu sehen bekam. Die rechte Brust, als auch die Kimono-typischen Ärmel wurden damit verziert und die Robe damit vervollständigt. Ein Prozess, der ihn mehrere Stunden kostete, da er es sich nicht erlauben konnte, bei dem wertvollen Stoff, Fehler zu begehen. Weshalb er jeden Schritt zwei Mal im Kopf durchging.

Letztendlich war er jedoch zufrieden mit dem Ergebnis. Womöglich war es auch das erste Kleidungsstück, auf dass er wirklich stolz war. Es galt nur noch, die Robe von einer bestimmten Frau getragen zu sehen.

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