Kapitel 2: Die Flucht auf der Echidna und die neue Welt
Als Britain und die umliegenden Landschaften unter dem Feuer der alten Drachenbrut fielen, wurde Fenrias bisheriges Leben aus den Angeln gerissen. Verloren und voller Panik fand sie sich zusammen mit anderen Flüchtlingen am Hafen wieder. Das ihr noch unbekannte Schiff, die Echidna, sollte sie aufnehmen und in eine fremde und unbekannte Welt bringen. Es war ein Akt des Überlebensinstinkts, der sie auf dieses Schiff trieb - ein Zufall oder vielleicht auch ein Schicksalswink, der sie in eine neue Zukunft führte. Absolut überfordert von den Ereignissen und der Schnelligkeit, mit der sich das Feuer überall ausbreitete, eilte sie nach dem besteigen des Schiffs mit ihrem Pferd in die Laderäume, um zumindest das Pferd für die Reise bereit zu machen, sie selbst war es ganz sicher nicht. Als sie wieder auf dem Deck ankam und das Schiff ablegte, sah sie einen Anblick, den sie ihr gesamtes Leben nie wieder vergessen würde: eine Welt in Flammen und riesige Drachen, die darüber kreisten. Ihr war schlecht bei dem Anblick, wissend, dass hunderte Meilen Wälder, Landstriche und dutzende Tiere darin ihr Ende fanden.
Die Ankunft auf der neuen Welt war von Chaos und Unsicherheit geprägt. Als eine der Ersten führte sie ihr Pferd vom Schiff und machte sich rasch daran, ihre Ausrüstung zu erneuern und die umliegenden Landstriche zu erkunden. Sie zeichnete einfache Karten von ihren Funden und kehrte regelmäßig in mehreren Tagesabständen zum Landungslager zurück, um anderen davon zu berichten. Teilweise wurde sie sogar eingeladen, kleine Expeditionen mit zu begleiten, was die junge und doch meist recht unsichere Fenria sehr erfreute und begeisterte.
Die Überlebenden wurden mit den ersten Bedrohungen und Angriffen auf den Landungspunkt konfrontiert, darunter auch rattenähnliche Kreaturen, die aus den Schatten der Wälder hervorkrochen. Inmitten des Chaos erwies sich Fenria als mutige Kämpferin, bewaffnet nur mit einer Heugabel, doch entschlossen, sich den feindlichen Horden entgegenzustellen. Ihr unbeugsamer Mut und ihre Entschlossenheit, sich in die erste Reihe zu stellen, beeindruckte einige der anderen Überlebenden und brachten ihr die Anerkennung der königlichen Ritterschaft ein, die ebenfalls zugegen war, um gegen die Bedrohung zu kämpfen. So lernte sie einen Junker kennen, Tyrion sein Name, der sie einlud, sich auf einem Treffen der königlichen Ritterschaft vorzustellen und sich anzuhören, was der Orden der königlichen Ritterschaft an Ausbildung zu bieten hat. Als Teil dieser ehrwürdigen Institution hoffte sie, eine neue Bestimmung und eine neue Familie in dieser fremden Welt zu finden. Doch die Herausforderungen waren noch lange nicht vorbei, und Fenria wusste, dass sie sich weiterhin beweisen müsse und für das Überleben ihres Volkes kämpfen würde.
So verstrich die Zeit im Landungslager wie im Flug. Ein roter Faden durch ihre Lebensgeschichte - immer wenn sie von Aufgaben und Pflichten geschäftig war, wurde der Aufwand und die nötigen Opfer dafür verkraftbar, und die Zeit rannte förmlich an ihr vorbei. Hohe Lasten wurden ertragbarer, und mit Hilfe ihrer neuen Kameraden lernte sie in kurzer Zeit sehr viel. So lernte sie bei ihren Diensten auch den König kennen und erhielt sogar hier und da einzelne Unterrichtsstunden durch ihn selbst. Nicht alle so erfreulich, wie sie es sich vorstellte. Rückblickend erinnerte sich Fenria nicht mehr, weswegen, doch sie erzürnte den König einmal und musste sich dann darin beweisen, wie gut sie schon Zaubern ausweichen konnte. Unermüdlich sprach der König Blitze auf Fenria, und diese hechtete gefühlt um ihr Leben in den nahen Wäldern um das Landungslager. Sie nahm jeden Fehltritt, jede Bestrafung und Disziplinierung mit einer gewissen Würde an und entschloss sich rasch, als Stadtwache dem König dienen zu wollen.
Als Silberburg errichtet wurde und der König es als neue Hauptstadt des Königreichs erwählte, war Fenria auch in gewisser Maße stolz. Zwar hatte sie bis dahin wenig für die Gesamtheit geleistet, doch sie identifizierte sich schon mit dem Orden, dem König und seinen Zielen. Sie wuchs und gedieh im Schatten der Entwicklungen, und als die Stadt fertig errichtet wurde, folgte rasch eine Beförderung für sie zur Unteroffizierin der Stadtwache, samt dem Oberbefehl über die Laufbahn der gesamten Stadtwachen. Von Seiten der Ritterschaft fühlte sie sich gefördert und wertgeschätzt - im Gegensatz zum König selbst. Es kam immer wieder zu Konfrontationen, doch nicht nur mit ihr, sondern mit der gesamten Ritterschaft. So kam es auch, als der Junker Tyrion als Großmeister die Ritterschaft führte, dass durch einen Vorfall mit einem Dunkelelfen die Ritterschaft gegen den König rebellierte. Eine schwierige Situation entstand zwischen den Waffengeschwistern, und zwei Lager bildeten sich sofort: jene um Tyrion und Rhi Tolion, die den König stürzen wollten, und jene, die dem König treu und ergeben waren. Es endete in einem blutigen, aber kurzen Gefecht innerhalb der Ritterschaft und der Stadt, zugunsten des Königs. Die Briganten flohen und wurden auch nie wieder gesehen. Fenria war zwar auch einer der Auslöser des Streits, doch suchte sie während des Konflikts das Gespräch mit dem König und entschloss sich rasch, sich auf die Seite des Königs zu stellen. Sie kämpfte gegen ihren eigenen Waffenmeister Rhi Tolion in den Gefechten und wurde von ihm fast totgeprügelt. Schmerzen, die sie auch heute noch spürte, wenn dieses dunkle Kapitel der Ritterschaft den frischen Rekruten als Mahnung erzählt wurde. Auch wenn sie wusste, dass die Geschichte einige Wahrheiten verbarg und die Sieger die Geschichte formten, verlor sie an diesen Tagen nicht nur einige Kameraden wie Rhi, sondern auch Tyrion, mit dem sie zu diesem Zeitpunkt verlobt war, und das Kind, das noch in ihr wuchs. Rückblickend bereute sie nie ihre Entscheidung gegen die Liebe und für die Pflicht, doch war es prägend für ihr weiteres Leben.
Nach der Rebellion gegen die Krone durch die Briganten übernahm Fenria das erste Mal die Ritterschaft als Großmeisterin, zwar auch nur im Stande einer Unteroffizierin, doch der König kannte die Wahrheit hinter ihrem Kampf und Leiden sowie das Geheimnis ihrer Verluste, was sie nie jemandem sonst erzählte. Es sollte noch viele Jahre vergehen, ehe sie das erste Mal mit jemand anderem als dem König darüber sprach. Doch innerlich war vieles in ihr gebrochen und zerrüttet, ebenso wie ihr Band zum König eine schwere Probe erlebte. Es sollte sich auch zeigen, dass der König ihr den ersten, eigentlichen Verrat niemals verzeihen würde und vielleicht zu diesem Zeitpunkt beschloss, dass sie niemals die höchsten Würden tragen dürfe. Zumindest vermutete Fenria das später; eine Klarheit darüber fand sie nie, noch ein wirklich ehrliches Gespräch mit dem König darüber. Doch sie fühlte sich sehr lange schuldig für das, was geschah und den Fehler, den sie begangen hatte. So suchte sie auch Trost und Zuflucht im Glauben und im Gebet an den Herrn.
Nach einem weiteren Nahtoderlebnis, in kürzester Zeit, im Dienst für die Krone fand sich Fenria in einem Kloster wieder. Umgeben von freiwilligen Helfern, Priestern und anderen gesegneten Menschen wurde sie behandelt und gepflegt. Es war Drachenfeuer, das die kleine Frau zu Boden brachte und ihre Haut so stark verbrannte, dass es viele Stunden für die Kleriker dauerte, die Plattenrüstung zu entfernen und die großflächigen Wunden zu behandeln und mit Gebeten zu heilen. Als sie einige Tage später wieder zur Besinnung kam, erkannte sie das Kloster; es war jenes der Hüter außerhalb von Ansilon, das sie öfter sah, aber niemals selbst besuchte. Dort traf sie auch bekannte Gesichter aus Silberburg, wie Malina, die sich dort freiwillig, neben dem Dienst im Orden der Paladine, den Nöten des einfachen Volkes widmete. Sie waren Wohltäter und Prediger mit einer neutralen Gesinnung des Glaubens an den Herrn, angeführt von Izual von Aramis.
Nach einigen Wochen der Genesung kehrte Fenria zur Ritterschaft zurück und verkündete dem König persönlich ihren Rücktritt vom Amt der Großmeisterin und die Bitte um seine Gunst für die Ausbildung zu einer Novizin des Glaubens. Da sie die Ritterschaft dennoch liebte und dem König und Volk weiterhin dienen wollte, bot sie sich ihm als Beraterin an.
Ein Schicksalswink möglicherweise wieder in ihrem Leben tauchte zu diesem Zeitpunkt auch der erste Ritter der Krone wieder auf und übernahm die Ritterschaft als Großmeister. So konnte Fenria sich einer ganz neuen Lehre widmen und hoffte, den Glauben und den Dienst an die Krone zu vereinen.
Ein Wunsch, der nicht lange währte. Zwar hatte sie sich als gute Beraterin gezeigt und viele Aufgaben für den König erledigt, doch eines Tages zog es sie fern von der Ritterschaft und Silberburg. Jedoch nicht aus fehlender Zuneigung oder einem Bruch ihres Willens; es war eher die Reiselust, die sie packte, nachdem Izual ihr das Herzt brach und sie verschwand einige Monate lang auf langen Reisen.