Vom Ende eines Kriegers

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Die letzten zwei Wochenläufe waren nicht gerade das, was ich als ereignisreich bezeichnen würde. Im Vergleich zu den Umläufen davor, verhielt sich alles relativ ruhig. Das war jedoch unter anderem dem Umstand geschuldet, dass ich einen Grossteil meiner Zeit den Studien gewidmet habe. Studien über die Magie, Paraphernalien, den Wörtern der Macht und der Alchemie. Mit Letzterem habe ich mich gar so intensiv auseinandergesetzt, dass mir inzwischen gelingt, meisterliche Tränke herzustellen. Zum Preis, dass ich damit beinahe meinen Verstand ausgebrannt hätte und am liebsten für die nächsten Jahresläufe keine einzelne Flasche mehr in die Hand nehmen möchte. Etwas Positives gibt es daran aber durchaus; Die Beschaffung, als auch Verarbeitung der Reagenzien fällt mir inzwischen relativ leicht.

Hätte mir jemand noch vor einem Mondlauf gesagt, dass ich mich damit auseinandersetzen würde, hätte ich die Person ausgelacht. Inzwischen musste ich jedoch resigniert feststellen, dass ich langsam beginne, mich zu verändern. Ich stehe im Zwiespalt. Zum einen hasse ich die Magie und das, was manche Magier aus dieser machen noch immer und zum anderen beginne ich selbst Gefallen an dieser zu finden – vor allem an der Theorie. Je mehr ich mich damit auseinandersetze, umso mehr möchte ich in Erfahrung bringen. Das Problem an der Sache? Ich befinde mich noch am Anfang der Studien und muss mich entsprechend zurückhalten und erst einmal die Grundlagen verinnerlichen. Ein Umstand der mich verärgert, vor allem, da die Drachenmagierin mir gefühlt ständig über die Schulter blickt und darauf Acht gibt, dass ich nichts tue, dass meinen Fähigkeiten noch nicht entspricht. Logisch und nachvollziehbar, ja – aber dennoch ärgerlich. Zum einen würde ich das theoretische Wissen gerne in der Praxis testen, zum anderen weiss ich, dass ich es mir nur mit ihr verscherzen und dadurch eine fähige Lehrerin verlieren würde. Zu ihrem Glück – oder zu meinem? – weiss sie mich aber mit Aufgaben, wie das Ausarbeiten einer Zauberbeschreibung, zu beschäftigen. Eine Aufgabe, die mir zugegebenermassen gefällt. Der erste selbstständige Versuch jedoch, fiel weniger erfreulich aus, als ich erhofft hatte. Zu viele Fehler, verdammt!

Die Verärgerung in meiner Mimik versuchte ich in dem Moment, als sie mir die Pergamentrolle zurückreichte und ich die Verbesserungen überflogen habe, zu verstecken. Das lag vor allem an der Anwesenheit des Flammschlags, dessen vampirisches Ich mein Inneres zum brodeln brachte, auch wenn es mir gelang, den Hass zu unterdrücken. Umso mehr kratzte es an meinem Ego, mich zusätzlich zu Shirins Anmerkungen von ihm belehren zu lassen. Dass seine Ratschläge jeweils hilfreich und gut waren, das muss ich ihm jedoch zugestehen. Das war auch der Grund, warum ich mich dazu aufraffte, ihn trotz meiner Abneigung zu bitten, mir zu erzählen, was der Pfad der Elementarmagier zu bieten hat. Ein erster Schritt zur Findung meines Pfades.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Von Abwägen und der Rückkehr zur Normalität
Hier sasss ich nun, inmitten der Blutlache und den sterblichen Überresten – oder besser gesagt Bruchstücken - eines Mannes, der meiner inneren Bestie zum Opfer fiel. Ein Mann, der einst einen grossen Namen trug, am heutigen Abend jedoch durch meine Hände sein Ende fand. Silvanus Feuerhain, Erzmagier der «Akademie zu Laurentum». Der Mann, der mir durch seinen Entscheid, unseren Feinden zu helfen, alles nahm, was mir lieb und teuer war.
Zwei Jahresläufe ist es nun bereits her, seit wir - ich - die neue Welt zurückgelassen hatte, um mit Shira’niryn die verschiedenen Sphären zu bereisen und die Welten zu erkunden. In der neuen Welt mögen wir vielleicht nur Wochenläufe oder Monde abwesend gewesen sein, doch durch die Regeln der anderen Sphären verging die Zeit für uns deutlich schneller – aus dem Blickwinkel der Bewohner der Insel. Zeit ist und war schon immer äusserst kompliziert, aber interessant. Ein Bereich, den auch ich erforschen wollte. Doch zugegeben hatte ich mein Zeil vor den Augen verloren. Nach einem Jahr der pausenlosen Reisen erfüllte mich ein Verlangen. Ein Verlangen nach Rache. Es wollte nicht mehr loslassen und raubte mir meinen Schlaf.
Eine unterschwellige Wut war es, die sich über all die Jahre verborgen hielt und letztendlich zum hervorscheinen kam. Vermutlich bestärkt durch den Verlust meiner Mentorin. Dieses unbefriedigende Gefühl fehlender Genugtuung gegenüber den Magiern der Akademie und dem Kristalldrachen. Ich hoffte, dieses Gefühl endlich befriedigen zu können und so entschied ich mich, einen Schritt in die Vergangenheit zu wagen und Tod und Verderben über jene zu bringen, die mich hintergingen.


Doch durch unsere Verbindung dauerte es nicht lange, bis auch Shira’niryn merkte, dass mich etwas beschäftigte. So sehr ich es auch zu verstecken versuchte, ein Bruchteil davon musste sie unwillkürlich erreicht haben. Meine Versuche, ihr zu erklären, warum ich diesen Schritt gehen musste, traf auf Unverständnis. In diesem Moment konnte ich nicht sagen, ob es die fehlenden Erfahrungen im Umgang mit Menschen oder ihre Sichtweise auf das Leben es war, die sie nicht einsehen liessen, dass ich diesen Schritt gehen musste. Ein langes Gespräch begann, dessen Ausgang ich bereits zu Beginn hätte voraussagen können; Ein stetiges Hin und Her der Argumente für oder gegen das Unterfangen, um uns letztendlich darauf zu einigen, dass wir komplett unterschiedliche Ansichten hatten und uns nicht einigen könnten.
Mein Entschluss war jedoch bereits in Stein gemeisselt und so liess ich mich nicht davon abbringen, meine persönlichen Ziele zu erreichen und klärte sie darüber auf, dass ich noch am Folgetag abreisen würde. Sie war alles andere als erfreut darüber, doch es war an der Zeit, dass auch sie lernte, auf eigenen Füssen zu stehen. Abseits von Freunden oder einem einfachen Magier, der durch das Schicksal mit ihr verbunden wurde. Shira’niryn würde daran wachsen, da war ich mir sicher.


Und so verging inzwischen bereits ein weiterer Jahreslauf, den ich damit verbrachte, alle damaligen Mitglieder der Akademie aufzuspüren und zu töten. Manche durch meine «neue», magische Begabung, andere indem ich mich mithilfe des Buches in den Schatten verbarg und mich ihnen näherte - als schwebendes Buch, was mich im Nachhinein betrachtet, trotz der Umstände, ein Stück weit amüsiert – um sie dann zu töten. Andere wiederum durch die rohe Kraft meiner wölfischen Ader. Ein Jahr als einsamer Wolf, der seine Studien vernachlässigte, um auf die Jagd zu gehen. Doch jetzt, wo ich mein Ziel erreicht hatte und auch der letzte dieser Bastarde starb, erfüllte mich nicht, wie erhofft, die Genugtuung, sondern eine Leere. Rückblickend erkenne ich, dass ich meine Zeit sinnlos hinweggeworfen habe, auch wenn es mir wahrlich nicht daran mangelte. Nichtsdestotrotz erkannte ich, dass ich wichtigere Dinge hatte, denen ich nachgehen musste. Meine Studien im Bereich der Astralmagie, aber auch jener der Drachenmagie. Denn ich wusste noch immer nicht so richtig, welche Auswirkungen der Splitter in meinem Herzen auf mein Wesen hatte. Das galt es herauszufinden. So griff ich in meinen blutbefleckten Beutel, griff nach einem der Runenbücher und zeichnete die entsprechenden Runen in die Luft, ehe ich die Worte der Macht intonierten, die mich auf das Plateau in den Gebirgen der neuen Welt führte. Ich musste noch jemanden besuchen, ehe mich die Schritte zum Turm zurückführen würden.
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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

 
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Private Angelegenheiten

Inzwischen vergingen bereits einige Wochenläufe seit meiner Rückkehr und ich kann wahrlich sagen, dass ich überrascht bin, dass es sich als leichter herausstellte, als erwartet. So lange von dieser Heimat entfernt zu sein, hinterliess doch seine Zeichen und so erwische ich mich ab und an dabei, wie ich mich am Vorabend bereits mit dem Gedanken auseinandersetze, wo ich die nächste Nacht verweilen würde. Nur um dann zu realisieren, dass ich bereits «Zuhause» bin. Es fühlte sich merkwürdig an, einen Ort, dann auch noch den Turm, so zu bezeichnen. Für gewöhnlich sehe ich mich immer als einen temporären Bewohner, der weiterzieht, sobald die richtige Zeit gekommen ist. Doch wie ich im Gespräch mit Shira’niryn herausfand, zieht es nicht nur mich immer wieder hierher zurück. Als wäre man mit diesem Kontinent und dessen Schicksal verbunden. Dieser Gedanke liess mich mit der Frage zurück, ob wir tatsächlich in einem Plan der Weltenschlange verwickelt sind und daher hierbleiben mussten. Vermutlich würde ich die Antwort hierzu nie erfahren, doch das stört mich in diesem Augenblick nicht. Es gibt Wissen, dass einzig den Drachen und der Schöpferin selbst vorbehalten ist. Etwas, dass ich selbstredend akzeptierte.

Das erste Aufeinandertreffen mit Shira verlief nicht anders, als erwartet. Sie zeigte mir die kalte Schulter und wenn ihr ehrlich bin, hatte sie jeden Grund dazu. Obwohl ich es ihr anfangs, als unsere beiden Leben durch den Splitter unweigerlich miteinander verbunden wurden, versprach sie nicht zu verlassen, liess ich sie zurück um einem persönlichen Rachezug nachzugehen. Die ersten Tage waren daher recht unangenehm, verglich ich es doch immer mit dem Zustand, in dem wir uns vor meiner Abreise befanden. Mit der Zeit jedoch, schaffte ich es zu ihr vorzudringen und ihr gegenüber gar meine Fehler einzugestehen. Natürlich war ihr Vertrauen in mir durch den Bruch des Versprechens gebrochen, doch ich schaffte es, sie davon zu überzeugen, dass es nicht wieder vorkommen würde. Etwas, dass ich gewiss einhalten werde.

Ich komme nicht umhin, an das Gespräch mit Balthasar zurückzudenken und muss dabei schmunzeln. Sein Versuch, mir in die Karten zu schauen, habe ich mehr oder weniger abgewehrt. Doch ich konnte fühlen, dass er womöglich eine Ahnung oder Vermutung hat. Er ist durchaus im Recht, dass ich viel Zeit mit ihr verbringe. So kann ich nachvollziehen, warum er mich fragte, ob ich es denn mochte, dass ich Shira – und auch einen Teil ihrer selbst in mir – in meiner Nähe habe. Zeitgleich offenbarte er mir, dass er immer vermutet hatte, dass mehr als nur Freundschaft zwischen Shirin und mir bestand und dass Shiras Erscheinungsbild, dass der Magierin so ähnelte, mich anziehen würde. Balthasar hatte immer wieder bewiesen, dass sein Verstand zu weitaus mehr als nur Vernichtung zustande war und auch dieses Mal traf er den Nagel auf den Kopf.
Der Grund jedoch, warum ich mich nicht dazu äusserte und seine Vermutung bestätigt hatte, war schlicht der, dass ich es vorziehe, Privates auch als solches zu halten. In der Öffentlichkeit gab ich mich absichtlich so, wie ich es bisher auch tat. Es sollte verhindern, dass meine Gefühle oder Gedanken und so womöglich Schwächen offenbart werden. Das wird sich auch nicht ändern, was jedoch nicht bedeutete, dass ich meine Beziehung geheim halten werde. Was andere von mir denken, war mir ohnehin gleichgültig.

 
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Von Fortschritt und weiteren Plänen

Meine Studien gehen inzwischen wieder voran. Nachdem ich meine Notizen aus den damaligen Unterrichten von neuem verinnerlicht hatte, habe ich nun endlich wieder Zeit, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Mein Ziel, mehr über die Manipulation der Zeit herauszufinden, muss ich zwar noch eine ganze Weile zurückstecken, doch gibt es noch andere Bereiche, die ich kennenlernen möchte, wie die Ritualistik oder die Erforschung der Auswirkungen des Splitters auf meinen Körper. Ich bin mir nicht recht sicher, ob es am Angol in meiner Brust liegt, doch ich konnte in den vergangenen Tagesläufen bemerken, wie mein Körper sich erschöpfter als sonst anfühlte, nachdem ich mich durch Anwendung der Magie verausgabte. Besonders als ich es mir zur Aufgabe machte, einige Edelsteinrunen mit neuer Energie zu füllen, zeigte es sich deutlich. Mental jedoch tat sich nichts. Keine Erschöpfung, wie zu meiner Anfangszeit. Das lässt mich vermuten, dass sich etwas geändert haben muss. Als ich mich vor einigen Tagesläufen mit Shira darüber unterhielt, schob sie es jedoch auf meinen Körper. Ich bin mir aber sicher, dass es etwas anderes sein muss. Der Wolf ermöglicht es mir, ausdauernd und gesund zu bleiben. Diese Schwächung des Körpers, nachdem ich zaubere, wenngleich auch nur schwach bemerkbar, muss somit auf den Drachenangol zurückzuführen sein. Mir bleibt nichts anderes übrig, als das die nächste Zeit über weiter zu beobachten und zu versuchen, zusätzliche Hinweise zu finden. Und wenn ich schon dabei bin, kann ich mir auch gleich die Worte der Macht in der Sprache der Drachen vornehmen. Vielleicht bin ich zu naiv, zu denken dass ich damit Erfolg haben könnte. Doch so die Drachenmagie sich wahrlich in mir ausbreitet, muss ich mich mit allen Aspekten auseinandersetzen und diese Art der Magie verinnerlichen. Ein Prozess, der sicherlich dauern wird. Doch es soll mir recht sein, wenn es mir wahrlich den Zugang zur Magie der Drachen öffnet.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

 
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Von der Faszination von Drachen

Schon seit ich denken kann, haben Drachen eine grosse Rolle in meinem Leben gespielt. Sie waren und sind immer noch mächtige, majestätische Wesen und wenn man der Entstehungsgeschichte unserer Welt Glauben schenken mag, war es die Weltenschlange - ein Drache - die unsere Sphäre erschaffen hatte. Eine Überzeugung, an der ich durch die Erziehung meiner Eltern festhielt. So stellten Drachen für mich schon immer Wesen dar, die über allem anderen stehen.
Man erzählte mir viele Geschichten über Aufeinandertreffen mit verschiedensten Drachen und über Mythen und Legenden, die solche beinhalteten. Unsere Familie war so vernarrt und überzeugt davon, dass Drachen die rechtmässigen Herrscher waren, dass unser Haus jenen die Treue schwor und einen stilisierten Drachen als Wappen besass.
Mein Grossvater, so sagte man mir, war ein mächtiger Magier, der die Seele eines Drachens aufgenommen haben soll. Und auch wenn ich ihn nie kennenlernte, da unser Familienzweig sich eher dem Armeezweig widmete und dadurch in einem anderen Teil des Landes verweilte, so blieb der Wunsch bestehen, es ihm eines Tages gleich zu tun.


Damals noch, als meine ersten Schritte mich über den Kontinent der neuen Welt führten, traf ich auf die Gemeinschaft der Schwingen der Verdammnis. Ein Zusammenschluss aus Menschen, die eine ähnliche Ansicht wie ich vertraten und dadurch meine Sympathie erhielten. Ich erkundigte mich über die Schwingen, sprach mit mehreren Personen, darunter Nimue und Slain und äusserte schliesslich mein Interesse, ihnen beizutreten. Man lockte mich mit dem Versprechen, dass die Schwingen in der Lage wären, meine Macht zu mehren und für Bekanntheit zu sorgen. Und da kam es auch, dass ich vom Geist der Drachen erfuhr. Ein Geist, der von einem gewissen Berinnor, dem «Drachenlord», abstammte, der Geschichten zufolge von einem Drachen der ersten Brut berührt wurde.
Sie versicherten mir, dass auch ich diesen Geist in mich aufnehmen könnte, so ich mich als würdig erwies. Bedauerlicherweise stellte sich jedoch heraus, dass es der Gemeinschaft an Magiern mangelte, die über den Vorgang des Rituals bescheid wussten. Zu meiner Enttäuschung musste ich feststellen, dass keiner der Versprechen jemals erfüllt werden würden.


Es war zu der Zeit, als ich die Drachenmagierin Shirin Shanaz kennenlernte. Ihr sonderbares Aussehen erregte direkt meine Aufmerksamkeit. Durchgehend weisse Haut, rubinrote Augen und Narben, die sich über ihren Körper erstreckten und auf ihrem Bauch einen Drachen abbildeten. Ihr Äusseres deutete bereits darauf hin, dass sie sich von gewöhnlichen Menschen unterschied.
Ich glaube mich zu erinnern, mit ihr ins Gespräch gekommen zu sein, als ich mich als Drachenkrieger vorgestellt hatte. So nannten wir die Krieger innerhalb der Schwingen. Shirins Interesse schien dadurch geweckt worden zu sein, denn sie wusste noch nicht sehr viel über die Schwingen und so brachte ich ihr die Gemeinschaft in mehreren Gesprächen näher, bis ich in Erfahrung gebracht hatte, dass sie ein Fragment eines Drachens in sich trug. Eine lebendige Drachenseele der vierten Brut, Naurm.
Anfangs noch waren es nur spärliche Informationen, die sie mir zukommen liessen doch über die Zeit entwickelte sich ein beinahe schon vertrautes Verhältnis zwischen der Drachin und meiner Person, nachdem sie begonnen hatte, an Shirins statt, mit mir zu sprechen. Sie sah wohl Potential in mir, wie ich später erfuhr. Tatsächlich entstand gar ein Pakt zwischen uns, nachdem ein gewisses Vertrauen aufgebaut war. Wir schlossen uns zusammen, kämpften gemeinsam gegen Shirin und taten alles Erdenkliche, um ihren Willen zu brechen. Das Ziel war es, Naurm die Kontrolle über den Leib zu verschaffen und Shirins Seele zu extrahieren, um das Fortbestehen der Drachin zu gewährleisten.


Und nun sitze ich hier in der Bibliothek des Drachenturmes der einst Shirin gehörte. Den Geist der Drachen erhielt ich nie, noch habe ich es selbst geschafft, das Wesen eines Drachens in mich aufzunehmen. Shirin war tot und somit auch Naurm. Wiedergeboren in einem neuen Körper und ihre Seelen und Erinnerungen mit jener von Zah’niryn verbunden. Wäre nicht das undenkliche geschehen, hätte ich die Hoffnung, mein Ziel zu erreichen, verloren.
Es handele sich um reinen Zufall, dass ein Splitter des Drachenangols sich beim Angriff Thak’chrens in meine Brust bohrte. Etwas, dass mich eigentlich hätte töten müssen. Zah’niryn brachte mich jedoch von der Schwelle des Todes zurück, indem sie mir ihr Blut und damit eine Teilessenz ihrer Lebenskraft einflösste. Ein Geschenk der Wächterin Glaedis’ Sphäre. Inzwischen bin ich mir recht sicher, dass die Essenz Zah’niryns und ihr Blut, dass von meinem Körper aufgenommen wurde, zusammen mit dem Drachenangol dazu führte, dass sich die Magie, die ich wirke, veränderte.
Meine Beobachtungen bestätigten sich in den vergangenen Wochenläufen nochmal. Das wiederholte Wirken von Zaubern zerrte noch immer an meiner körperlichen Kraft, statt meinem Geist. Shira’niryn habe ich bereits öfter davon erzählt, aber bis auf besorgte und nachdenkliche Blicke, konnte ich ihr noch keine Einschätzung dazu entlocken. Konnte es sein, dass dieser «Vorfall» mit dem Splitter mir eine Tür zur Drachenmagie verschaffte?


Mein Blick wanderte durch den Raum des Turmes, der nur vage von den flackernden Flammen der Kerzen auf dem steinernen Tisch beleuchtet wurde. Eine Weile lang betrachtete ich die Bücherregale zu meiner Rechten mit einem nachdenklichen Ausdruck, bevor ich den Entschluss fasste, mich auf die Suche zu begeben. Ich erhob mich von der Bank und begab mich zum Bücherregal. Meine Augen wanderten über die verschiedenen Einbände der Bücher. Sie suchten nach etwas Bestimmtem. Bücher oder Schriften über Drachenmagie. Shirin musste etwas davon hier haben. Die Sammlung war gross und daher dauerte es eine Weile, bis ich fündig wurde.
Es handelte sich um ein Buch, in dem diverse Informationen zu Drachen dokumentiert wurden, unter anderem auch die Worte der Macht in deren Sprache. Für Menschen, wie mich, wirkten die Worte als habe man Buchstaben wahllos aneinandergereiht, doch für sie bildeten es Schlüsselwörter, die ihnen den Zugriff zur Magie erlaubte.
Mit dem Buch in der Hand begab ich mich wieder zu der Steinbank, auf der ich es mir gemütlich machte. Ich schlug das Buch auf, überflog die ersten Seiten und hielt dann inne, als ich wieder die Seite mit den Machtworten gefunden hatte. Mir war bewusst, dass wenn ich jemals die Drachenmagie beherrschen wollte – sofern sie denn wirklich in meinem Körper ruht – dass es nicht ausreiche würde, die Worte auswendig zu lernen. Die Philosophie der Drache musste auch verstanden werden, um sich die Magie zu Nutzen machen zu können. Doch das war ein Punkt, den ich mit Shira’niryn durchgehen würde. Durch die letzten Jahresläufe, die ich in der Nähe von Drachen verbrachte konnte ich mir zwar bereits ein recht gutes Bild davon machen. Gewissheit durch die Worte eines Drachenwesens zu erhalten, war mir dennoch wichtiger. Fürs erste hiess es aber, die Worte der Macht zu verinnerlichen.

 
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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Von einem neuen Drachenmagier

Das leise Knistern und Knacken des brennenden Holzes im Kamin erfüllten das Schlafzimmer und hüllten es in einem vagen, gelben Lichtschimmer. Durch die Flammen, die sich züngelnd in die Höhe reckten, bildete sich an den Wänden des Zimmers ein bewegtes Schauspiel der Schatten. Gelegentlich schob sich der Mondschein durch den Vorhang durch das kleine Fenster und liess die türkise Angolquarzkiste zusätzlich silbern aufglimmen. Ein bewegtes Bild, dass den Eindruck erweckte, das Zimmer wäre lebendig.

Von meinem Schlafplatz aus beobachtete ich dies stillschweigend und machte mir ab und an einen Spass daraus, einen meiner Füsse auf den Boden gleiten zu lassen, um die dort liegenden Goldmünzen und Edelsteine herumzuschieben. Meist resultierte das klimpernde Geräusch in einem Wackeln der Kristallkiste, in der Shira lag, um sich auszuruhen. Immer dann, wenn ich es zu weit trieb, hob sich der Deckel an, woraufhin zwei giftgrüne Augen mir vorwurfsvoll, aber auch verspielt entgegenblickten – vorausgesetzt sie hatte sich bereits ausreichend ausgeruht. In seltenen Fällen animierte es sie auch dazu, ihre Kiste zu verlassen, rasch über die Goldhaufen und Edelsteine zu rasen und auf mich zu springen. Etwas, dass durch die scharfen Kanten ihres kristallinen Körpers und den Krallen nicht selten Schnittverletzungen hervorrief, die jedoch durch die Werwolfsregeneration geheilt wurden. Etwas, dass mich erheiterte.

Tatsächlich bin ich inzwischen an einem Punkt gelangt, an dem ich das erste Mal behaupten kann, dass ich richtig zufrieden bin und es mir erlauben kann, die nächsten Ziele entspannter anzugehen. Meine Ausdauer und mein Fleiss im Bereich der Drachenmagie haben sich endlich ausgezahlt. Zwar nicht, auf dem Weg, den ich erwartet habe, aber so wie es kam, ist es noch besser.
Nachdem wir Eostycal aus seinem Drachenei befreit hatten, änderte sich für mich alles. Als Zeichen der Dankbarkeit, dass ich beinahe mein Leben für den Sternendrachen gelassen hatte, schenkte er mir ein Teil seiner Kraft. Doch das war nicht alles. Just in dem Moment, als er meinen Körper verliess, da die Kräfte ihn auseinanderzureissen drohten, löste er die Energien des Drachenangols in meiner Brust auf. Der Angol war damit verschwunden, doch all dessen Eigenschaften liess er auf meine Seele hinüber fliessen. Damit ermöglichte er mir nicht nur den Zugriff auf eine unerschöpfliche Energiequelle, die nun mein Körper bildete, sondern stärkte im gleichen Zuge die Verbindung zwischen Shira’niryn und mir.


Was ich für eine starke Bindung hielt, entpuppte sich als etwas, dass ab diesem Zeitpunkt nochmal deutlicher zu spüren war. Gefühle, Eindrücke, sie alle waren präsenter, als noch zuvor. Das erinnerte mich an das Versprechen, dass ich ihr damals gab, als wir in Glaedi vor dem Leichnam Shirins sassen.

«Damit ist es beschlossen, wir müssen aufeinander Acht geben, mh? Das Vermächtnis der Drei beschützen.».

Zu dem Zeitpunkt war es mir noch wichtig, die Erinnerung der Weisshaarigen und die der Drachen zu erhalten. Seither hatte es an aber Bedeutung verloren. Natürlich war es wichtig, dass die Erinnerungen nicht verloren gingen. Doch zugegeben hegte ich den Wunsch nur, weil ich trauerte und mir damit erhoffte, sie ein Stück weit am Leben zu erhalten. Doch nach all den Mondläufen und nachdem ich mich endgültig von ihr verabschieden hatte, war ich der Meinung, dass es besser ist, sie in Frieden ruhen zu lassen. Es war immerhin ihr Wunsch. Den Wunsch, den sie mir in ihrem letzten Brief hinterliess und ich mir zu Herzen genommen habe.
Ich hörte auf, sie als das Vermächtnis der Dreien zu betrachten und nahm sie stattdessen als ein neues Wesen wahr. Als eine Persönlichkeit mit ganz eigenem Charakter. Manche Züge erinnerten mich zwar noch an die Drachenmagierin, aber das lag grundlegend daran, dass sie sich ein Spass daraus machte, mich zu necken, seit ich ihr erklärte, was das Wort bedeutete.
Die anfänglichen Zweifel, dass sie eines Tages von meiner Seite weichen würde, erloschen letztendlich endgültig, nachdem Eostycal ihr das Angebot machte, sie mitzunehmen und sie ablehnte. Damit war für mich klar, dass unsere Zukunft an einem gemeinsamen Strang gebunden war, von dem wir uns beide nicht wieder trennen würden.


Der Tag war also gekommen. Mithilfe der Gabe des Sternendrachens konnte ich mich offiziell als Drachenmagier betiteln. Ich erreichte das, was meinem Grossvater einst gelangte und zwar ohne die Seele eines Drachens in mich aufnehmen zu müssen. All die Zweifel, all die Studien, ich konnte sie für den Moment beiseiteschieben. Für einen kleinen, zumindest.
Wir lebten immerhin in einer Welt, die immer wieder von grossen Gefahren oder anderen Problemen heimgesucht wurde. Viel Zeit, sich auszuruhen, blieb einem nicht. Doch es reichte aus, um die neu erlangten Fähigkeiten zu festigen und gelegentlich durchzuatmen. Das gelang mir inzwischen selbst in der Anwesenheit anderer recht gut.


Auch wenn ich mich noch nicht so recht daran gewöhnt hatte, ständig von Menschen umgeben zu sein, musste ich zugeben, dass es mir nicht so sehr missfiel wie ich dachte, mit den Bewahrern in einem Anwesen zu leben. An manchen Tagen liessen sie meine Nerven zwar beinahe platzen, doch schlussendlich blieben sie doch ein Teil der Gemeinschaft oder wie Shira sagte, ‘Familie’.
 
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