Vom Ende eines Kriegers

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Shira'niryn
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Vom Ende eines Kriegers

Beitrag von Shira'niryn »

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Vom Ende eines Kriegers

Es wäre vermutlich viel zu einfach gewesen, wäre es anders gelaufen. Aber auf der anderen Seite, was hatte sie auch erwartet?
Den Drachenkrieger und den Flammenschlag aufeinander treffen zu sehen, war wie ein Spiel zwischen Hund und Katze und wenn eines sicher war, dann das keiner der Beiden sich dem jeweils anderen annähern würde. Als würden zwei Grundsätze aufeinander treffen, als würde keiner der beiden klein beigeben.

Anstrengend.
Mit einem Seufzen führte sie zwei Finger an ihre Schläfe um dort einen sanften Druck auszuüben. Es musste einen Weg geben, wie sie alles unter einem Hut bringen könnte, was vermutlich einfacher wäre, wenn das ihr einziges aktuelles Problem wäre. Die rubinroten Augen strichen für einen Moment auf dem Platz ihr gegenüber, dort wo Davion bis vor wenige Minuten noch gesessen hatte und wanderte dann weiter zur eisernen Tür, hinter welcher Livius verschwunden war. Sturheit, Stolz und bei Livius war es vermutlich auch die wölfische Seite, die ihn oft so schroff wirken lies, die mit hinein spielten und ein Miteinander der beiden augenscheinlich unmöglich machten. "Ich könnte gar nicht so viel essen, wie ich bei seinem Anblick kotzen möchte" - Davions Worte hallten erneut in ihrem Kopf wieder und folgten in einem mürrischen Laut ihrerseits. Idioten, alles Idioten.
Das hatte sie davon, wenn sie sich dazu entschied, sich wieder ihren Mitmenschen zu öffnen. Chaos. Vorher hätte sie das vermutlich weniger tangiert, nun brauchte sie eine Lösung sich weiter dem Bund anzunähern und Livius dabei nicht zu verlieren. Nicht weil sie das stören würde, aber weil Naurm ihr die Hölle heiß machen würde, würden sie keine Lösung dafür finden. Eine Art Bedingung der Drachendame, damit sie ungestört in der Nähe ihrer Bundbrüder sein konnte.

»Es wäre einfacher, wäre er zumindest Magier.«
Murmelte sie leise, während sie, mehr aus Gewohnheit, ein dickes Buch vom Tisch näher zog und darin herumblätterte. Die dabei aufwallende Staubschicht, als Ursache der viel zu wenig genutzten Räumlichkeiten, wurde mit einem kleinen Hüsteln weggeschoben und das Buch grummelnd wieder zugeklappt.

»Wäre es, aber das ist er nicht.«
Hallte es einer Bestätigung gleich durch ihren Kopf, als Naurm sich nach all den Grübeleien, die sie geschwiegen hatte, wieder meldete und etwas in der Stimme der Drachendame klingt fast schon zufrieden. Ein erneutes Seufzen und der Blick pendelte zur Decke, als würde sie dort irgendwo eine Lösung finden. Wenn er Magier wäre... würde er die Magier nicht mehr so hassen können, wie er es aktuell tat. Wenn er Magier wäre. Wenn er... die Drachenmagierin zog die Augenbrauen zusammen und drückte sich in einer langsamen Bewegung auf, als würde sich langsam ein Lichtlein in ihrem Kopf ausstrecken.

»Shirin... was hast du vor?«
Ein vibrierendes Knurren ging von der Drachendame aus, welches sich bis tief in die Magengegend ausbreitete, als würde jene der Magierin in diesem Moment nicht trauen und Shirin fühlte deutlich, wie Naurms Fänge sich bemerkbar machten, als jene die Wahrheit aus ihr herausquetschen wollte.

»Ihn zum Magier machen.«
Kam es als schlichte und stumme, doch für die Drachendame hörbare, Antwort und das innerliche Beben verstarb augenblicklich. Einige Minutenläufe herrschte Stille, drückendes Schweigen beider Parteien und Shirin wusste, das Naurm in diesem Moment mit sich selbst kämpfte. Auch sie war kein Freund von Magiern, auch wenn es sich ein wenig gebessert hatte in den letzten Jahren, schlicht auf der Tatsache begründet, dass es eben solche waren, die sie überhaupt in die Lage gebracht hatten, in einem Menschenkörper eingesperrt zu sein.

»Das geht nicht.«
War die schlichte Antwort nach etlichen Minuten des Schweigens und obwohl sie die Worte formte, spürte die Magierin eine gewisse Unsicherheit, gar Ärger im Unterton des Klangs, was zu einem milden Lächeln auf den blassen Lippen führte. Allein das war für sie die Bestätigung, dass es irgendwie gehen musste. Ein uraltes Wesen wie Naurm, musste davon wissen und auch wenn jene sich nun soweit zurückzog, dass sie nicht mehr auf Shirin reagierte, würde sie auch so eine Lösung dafür finden. Eine Lösung, wie sie aus dem schroffen und empathielosen Drachenkrieger einen Magier machen würde, der sich irgendwann, wenn alles gut verlaufen würde, dem Bund anschließen könnte.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Magier. Wie ich sie hasse! Seit Jahren bringen diese arroganten, selbstverliebten Schweine nichts als Probleme mit sich. Das begann damals in meiner Heimat Laurentum und änderte sich bis heute nicht. Wie viel ich doch dafür geben würde, diese Plage ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen oder sie zumindest so einzudämmen, dass ihre Machtspielchen ein Ende nehmen. Versklavt als Reisemagier und mit ähnlich niederen Arbeiten beauftragt. Ein System ähnlich der Magokratie, nur umgekehrt. Die Magier am unteren Ende der Pyramide, Bauern auf dem Schachbrett. Sollen sie den Dreck fressen, den sie den Nicht-Magiern mit ihrer überheblichen Art ständig ins Gesicht werfen! Verdammte Magier! Doch selbst einer wie ich weiss, dass es niemals dazu kommen wird. Dafür schlummert eine zu grosse Macht in der Magie, wie ich schon etliche male selbst erleben durfte.

Wenn ich mich an meine Zeit als Zenturio zurückerinnere, finde ich mich als erstes immer wieder in der Schlacht um Laurentum zurück. Ein einst wichtiger Handelsplatz für das Reich, bevor es im Krieg völlig zerstört wurde.
Wir standen unseren langjährigen Feinden gegenüber, die schon mehrere Versuche gewagt hatten, die Stadt gewaltsam einzunehmen. Bisher waren ihre Bemühungen umsonst. Uns gelang es deren Truppen jeweils zurückzudrängen. Mit jedem Angriff stieg jedoch die Grösse der gegnerischen Armee und somit auch die Verluste auf beiden Seiten. Es war somit nur eine Frage der Zeit, bis sie genügend Männer aufstellen konnten, um uns dann wie hungrige Löwen, die sich über ihre Beute hermachen, anzufallen und zu vernichten. Das war uns bekannt. Die Hände jedoch waren uns gebunden. Der Krieg verbrauchte die Ressourcen des Reiches an anderen Fronten.
Trotz allem war unsere Hoffnung nicht gänzlich verloren. Ein Licht am Ende des Tunnels war zu sehen. Wenige Wochenläufe vor dem Beginn der Schlacht erreichten uns Briefe aus den umliegenden Akademien, deren Mitglieder sich bisher neutral verhielten und es mieden, sich einen der Seiten anzuschliessen. Zu meiner Überraschung boten sie uns jedoch Hilfe an. Der Haken an der Sache? Sie forderten hohe Machtpositionen innerhalb des Reiches als Kompensation für ihre Bemühungen. Ganz offensichtlich wussten sie um die Lage des Reiches und nutzten die Gelegenheit, um ihre Stellung nach dem Krieg zu sichern und an Macht und Einfluss dazu zu gewinnen. Rückblickend und nüchtern betrachtet, hätte ich wohl das Gleiche getan. Doch das ändert nichts daran, dass sie mir alles nahmen, was ich hatte und mir lieb war.

Ich erinnere mich noch immer, als wäre es gestern gewesen. Wir entschieden uns vorzurücken und die sicheren Mauern der Stadt zu verlassen, um die Kollateralschäden in Grenzen zu halten. Ihre Reihen waren wesentlich grösser, als in der letzten Schlacht und wenn ich es richtig einschätzte, war es beinahe die doppelte Manneskraft, die sie aufbrachten. Kriegshörner waren von beiden Seiten aus zu hören, als ich den Befehl zum Angriff gab. In Schlachtformation stürmten wir auf unsere Gegner zu, die wie versteinert stillstanden, als wären sie aus Stein geformt gewesen. Plötzlich wurde ein Leuchtsignal hinter den feindlichen Linien entfacht und binnen wenigen Herzschlägen formte sich vor uns ein dichter Nebel. Die ganze Zenturie blieb abrupt stehen. Wir tauschten verwirrte Blicke aus. Und dann traf es uns. Feuerbälle, manche so gross wie Meteorsteine, schossen durch den dichten Nebel und überraschten unsere Truppen. Überall schlugen sie um mich herum ein, warfen meine Söldner durch die Ruft oder begruben sie unter den massiven, brennenden Steinen. Panik brach aus. Hektisch versuchten die Männer sich zurückzuziehen, trotz meiner Befehle standhaft zu bleiben und die Stadt mit allen Mitteln zu beschützen – wenn nötig mit dem eigenen Leben. Doch die Befehle erreichten niemanden. Während ich verzweifelt und überfordert versuchte, meinen Kameraden zu helfen und sie wieder auf die Beine zu holen, wich der Nebel. Ein Schwall aus Feuer wurde uns entgegengeworfen. Es gelang mir gerade noch rechtzeitig mich auf den Boden zu werfen, doch die Anderen gingen schreiend in Flammen auf. Sie rannten umher, windeten sich auf den Boden herum, während das Feuer sich unaufhaltsam durch Haut und Knochen brannte, bis nichts als eine verkohlte Leiche zurückblieb. Diejenigen, die nicht bereits Opfer der destruktiven Magie wurden oder flohen, entschieden sich nach dem ersten Schreck den Angriff weiterzuführen. So auch ich. Wutentbrannt lieferten wir uns einen blutigen Kampf mit dem gegnerischen Heer. Aus allen Richtungen war das Klirren der Schwerter zu hören, die aufeinandertrafen, von Schildern abprallten oder auf Rüstungen auftrafen. Die Zeit schien teilweise langsamer zu vergehen, dann, im nächsten Moment, schien alles wieder schnell zu gehen. Es war ein grausamer und gnadenloser Kampf, der erst ein Ende nahm, als auch die Stadt Opfer des feurigen Meteorschauers wurde und in Flammen aufging.
Der metallene Geruch von Blut in der Luft. Der stechende Gestank von verbranntem Haar und Haut, der mir in die Nase stieg. Das Schlachtfeld voller Leichen, Blut bis zu meinen Knöcheln. Hilfeschreie von den Verletzten aus allen Richtungen in die ich blickte. Wir waren geschlagen, daran gab es keine Zweifel mehr. Die Armee fiel und dadurch auch die Stadt. Und all das nur, weil die Magier zurückgewiesen wurden und sich dem verfeindeten Reich anschlossen.

Und jetzt sitze ich hier, inmitten des Flammenschlags und einer ehemaligen Bundmagierin und werde dazu aufgefordert, mich mit der Gemeinschaft auseinanderzusetzen. Dass dieser Weisskopf auch noch ausgerechnet diesen Missgestalten von Vampiren angehörte, war dazu noch die Kirsche auf dem Sahnehäubchen. Wenngleich mich dieser Umstand für den Moment wenig störte. Meine Wut galt einzig den Magiern. Vor wenigen Jahresläufen erst versuchten sie ihre Magokratie in diesen Landen einzuführen. Auf die genau gleiche Art, wie jene in Laurentum es taten. Durch gewaltsame Magie. Meteorschauern, Eislanzen und was weiss ich! Nein. Das wollte ich nicht akzeptieren.

«Ich wollte ihm gegenüber lediglich diesen Standpunkt klar machen, dass wenn er sein Ziel erreichen will, wobei Naurm… Zah’niryn ihm helfen können, er sich damit abfinden muss.»

Oh, du dreckige, hinterlistige kleine… Nrgnhn. Sie wusste ganz genau, dass sie damit gerade ihre Trumpfkarte ausgespielt hatte und ich schwer etwas dagegen einwenden konnte, ohne die Gefahr auf mich zu nehmen, in Ungunst bei Narum zu fallen. Wie gerne hätte ich in diesem Moment ihre Geister voneinander getrennt, um Shirin so zu foltern, wie den goldenen Ritter damals. Für gewöhnlich verzichte ich auf solch eine Art zu sprechen, doch wie sagt man so schön? Sie hatte mich mit dieser Karte an den Eiern.

Was sich Shirin aus diesem Gespräch erhoffte, weiss ich nicht. Doch eines ist klar; Ich werde ihrer… «Familie», wie sie die Bundmagier nennt, nicht die Füsse küssen, nur weil ich Narum benötige, um mein Ziel zu erreichen. Nicht so lange ich meinen Rabenschnabel in den Händen tragen und gegen diese Brut ankämpfen kann.
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Shira'niryn
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Shira'niryn »

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Mit langsam Schritten wanderte sie an den Reihen der Bücherregale entlang, mehr ziellos, kein bestimmtes Buch suchend, als würde die Bewegung allein dafür sorgen, dass ihre Gedankengänge fokussierter wären. Ihre Gedanken kreisten um das Gespräch welches sie im alten Bundkeller mit Davion und Balthasar geführt hatte. Nachdem die Vergangenheit, alte Handlungen und das unklare Grau beseitigt wurde und man den Sternensplitter wieder vom Tisch genommen hatte, kam man auf die Möglichkeit zu sprechen, was man tun müsste, um aus einem Nicht-Magier einen Magier zu machen.
Davion hatte recht schnell herausgefunden, dass es bei diesem 'Jemand' um Livius gehen sollte, aber sie hatte nicht sonderlich das Gefühl, dass der Flammenschlag und der Sturmrufer sehr positiv gegenüber ihrem Vorhaben positioniert waren. Die Ansichten der Beiden, warum ein Magier ein Magier war und ein Nicht-Magier nun mal keiner, waren grundlegend recht verschieden und halfen ihr auch nicht sonderlich weiter, bei ihren Überlegungen.

»Man müsste seinen... Geist erweitern, sein Gespür für das Mana.. die Empfindlichkeit des Geistes....«
Nuschelte sie leise, die Gedankenfetzen der letzten Nacht wieder aufgreifend, während sie letztendlich doch vor einem der Bücherregale inne hielt und an diesem hinauf blickte. Ganz Oben, auf der Kante des Regals, war ein kleines Schildchen mit einer verschnörkelten Schriftzeile - "Mentalmagie". Träge wanderten die rubinroten Augen über die einzelnen Buchrücken, auf der Suche nach etwas, was ihr Interesse in Bezug auf ihrer Problematik erregen würde.
"Schutz des Geistes", "Halluzinationen", "Tagträume", "Erinnerungen - und wie sie zu manipulieren sind", "Geistreisen", "Magische Meditationshilfen" .... ein Seufzen resultierte irgendwann. Wieso kam noch keiner auf diese Idee? Oder war es doch mit einem gewissen Risiko verbunden, wie Davion angemerkt hatte? Würde die Gefahr bestehen, dass der Verstand verbrennen würde, würde man den Geist zu sehr erweitern? Eine gewisse Schutzvorrichtung müsste sie wohl mit einplanen, sicher war sicher.

Die Stirn runzelnd wandte sie sich wieder von den Regalreihe ab und ließ ihren Blick durch die Räumlichkeiten der Bibliothek gleiten. So wie es zum aktuellen Standpunkt aussah, würde sie ein kleines Ritual zusammenstellen müssen, oder einen kleinen Zauber, der unterstützt wurde von einem Schutzkreis, sowie diversen Utensilien. Einen weißen Angol-Quarz? Spinnenseide und Schwarze Perlen? Ein tiefer Atemzug folgte, während sie in Gedanken einige Möglichkeiten durchging - bis sie letztendlich vor einem anderen Problem stand, welches auch Davion schon angesprochen hatte.

Wie würde sie Livius überzeugen... das mit sich machen zu lassen? Wie konnte sie ihr Vorhaben so tarnen, dass es für ihn für etwas verlockendes aussah? Der Wolf. Der Wolf wäre die Lösung in diesem Spiel. Sie musste nur dafür sorgen, dass er niemals dahinter kommen würde, was sie eigentlich vor hatte.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Es vergingen nun bereits einige Tagesläufe seit dem Gespräch mit der Drachenmagiering und dem Flammenschlag und wie ich vermutet hatte, haben die ersten Anzeichen dafür, dass der Bund der Magier mit ihrer Rückkehr ihr Ziel wiederaufnimmt und versucht, eine Magokratie aufzubauen, nicht lange auf sich warten lassen. Dieser selbstverliebte Balthasar hat bereits ein Treffen für diejenigen einberufen, die sich für die Magokratie interessieren. «Denn dann erhält auch keine Verwirrung Einzug, wenn ihr euch in Zukunft mit eben jenem konfrontiert seht.» Eine klare Ansage. Ich frage mich, wie die Verteidiger von damals auf dieses Schreiben reagiert hätten, wenn sie noch in den Landen wären. Manch einer hätte sicherlich zur Waffe gegriffen und versucht dem im Vorherein Einhalt zu gebieten oder sich für die Opfer zu rächen. Doch diese Zeiten scheinen fern. Inzwischen wirkt es, als interessiere es die Bürger nicht mehr, was mit ihnen und der Stadt geschieht. Zumindest im Falle von Ansilon. Soll mir recht sein. Immerhin lagen sie mir noch nie am Herzen. Es waren nur Bauern auf einem Schachbrett ohne jeglichen Gegenspieler; Nutzlose Figuren.
Doch die Sache mit der Magokratie ist mir ein Dorn im Auge. Früher oder später werde ich mich damit konfrontiert sehen und ich weiss noch nicht, wie ich reagieren werde. Alleine gegen die Horde an Magier anzukämpfen, wäre selbst für einen wie mich Selbstmord. Einen, wie mich… ja.

Der Wolf. Die Drachenmagierin erwähnte, dass sie sich Gedanken darüber gemacht hatte, wie sie meinen Geist von diesem Ding, dass in mir steckt, trennen könnte. Nein, nicht trennen. Das wäre vermutlich ohnehin nicht möglich. Nimue war immerhin mehrere Jahresläufe auf der Suche und nicht fündig geworden. Doch dann wiederum besitzen Shirin und vor allem Naurm weitaus mehr Wissen über die Magie und Flüche. Die Chance, dass sie einen Weg finden würden, ist somit grösser, wenngleich ich dem Unterfangen skeptisch gegenüberstehe und nicht glaube, dass sie erfolgreich sein werden. Nun denn. Es ging auch nicht darum, meine Seele gänzlich von dem Wolf zu trennen. Viel mehr ging es wohl darum, meine Seite zu stärken, damit mein Wesen im Vordergrund steht.

«Ein Fluch ist grundlegend auch nur Magie, nicht wahr? Und was auf Magie beruht, kann mit Magie eingeschränkt werden»


Magie. Natürlich. Wunderbar. Die Antwort auf jede, verdammte Frage. Lassen sich solche Probleme überhaupt noch ohne Magie lösen? Die ganze Welt dreht sich nur noch um dieses elendige Thema und je länger ich Zeit in der Anwesenheit der Magierin verbringe, desto weiter werde ich hineingezogen. Gegen meinen Willen. Doch Opfer gehören dazu, schätze ich. Etwas Geduld im Austausch für Fortschritt.

«Selbst wenn es nicht funktioniert, wäre es doch immerhin ein Versucht wert, oder?»

Sie hatte recht. Diese Bestimmung, wie einige der Unseren es nennen, der Fluch des Wolfes, wie ich es bezeichne, habe nicht ich ausgewählt. Und für gewöhnlich ziehe ich es vor, mein Schicksal selbst zu bestimmen. Wer wäre ich also, wenn ich nicht versuchen würde, mich wieder davon zu trennen?
Shirin erhielt somit mein Einverständnis. Sie wird eine genauere Untersuchung unternehmen und mir dann die Risiken auflisten. Derweil warte ich gespannt und übe mich darin, das «höhere Ziel» im Auge zu behalten und diesen vampirischen Bundmagier nicht den Kopf abzutrennen, wenn ich ihn sehe.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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«Im Grunde brauch ich von dir nur, dass du dich nicht dagegen wehrst, weil jegliche Gegenwehr es mir schwerer machen wird, in deinen Kopf zu gelangen.»

Hier sitze ich vor der Drachenmagierin und stelle mir die Frage, worauf ich mich gerade eingelassen habe. Shirin sprach davon, eine Lösung für mein Problem gefunden zu haben. Meine innere Bestie -der Fluch der Lykanthropie – soll mithilfe von Magie unterdrückt werden, damit mein Bewusstsein die Vorherrschaft behält und ich wieder Herr meines Gemüts werde. Und jetzt, wo wir mit der Untersuchung beginnen, verspüre ich eine gewisse Skepsis ihr gegenüber. Naurm hat sich nämlich schon verdächtig lange nicht zu Wort gemeldet, was mich zu der Frage bringt, ob ich ihr trauen kann?

Meine Gedanken schweifen ab - ich spüre bereits Shirins Fingerkuppen an meiner Schläfe und vernehme die Wärme der Drachin in ihrem Körper auf meiner Haut. Ich atme ein und lasse die Luft tief durch meine Lungen zirkulieren, um mich zu beruhigen und meinen Verstand der Magierin zu öffnen.
Ein gewisses Unwohlsein ist zu spüren. Sie muss in diesem Moment in meinem Kopf eingedrungen sein. Ich merke, dass sie vorsichtig meinen Verstand und das Bewusstsein erkundet und je mehr Zeit vergeht, umso deutlicher nehme ich sie wahr. Dieses unwohle Gefühl, als wäre etwas Fremdes in meinem Körper. Doch ich harre weiter aus, warte geduldig darauf, dass sie findet, wonach sie sucht. Und plötzlich, da spüre ich, wie das Bewusstsein des Wolfs sich meldet. Es muss sie entdeckt haben. Mein Körper spannt sich an, jede Faser fühlt sich so an, als stünde sie unter Strom. Ohne es zu wollen, entweicht meiner Kehle ein Knurren und im gleichen Moment fühle ich, wie die Wut sich in mir weiter aufstaut. Die Finger ballen sich zu Fäusten, aber ich bleibe stark und versuche den Wolf mit meinem Willen zu unterdrücken.
Mehrere Minutenläufe sind vergangen, in denen ich anhand Shirins Reaktionen und meinem Körper zu der Vermutung gekommen bin, dass es zu einer Art Kampf gekommen ist. Ihr angestrengtes Schnaufen, dass sie gerade von sich gegeben hat, als sie wieder auf Abstand gegangen ist, bestätigt mir dies. Von einem Kampf ist nicht die Rede, aber sie klärt mich auf, dass der Wolf magischen Ursprungs wäre, sie es aber nicht richtig einordnen kann. Eine andere Form von Magie, die ihr womöglich unbekannt ist? Ach, ich will es gar nicht wissen! Magie in meinem Körper. Keine einfachen, temporären Schutzzauber, sondern etwas Beständiges, dass mit meiner Seele verbunden sein soll. Der Gedanke widert mich an! Habe ich nicht immer versucht, der Magie weitmöglichst fern zu bleiben? Und wie wir mir das gedankt? Ich trage nun selbst einen Teil davon in mir. Verdammter Fluch!

Die Drachenmagierin und ich unterhalten uns noch einen Moment über die möglichen Konsequenzen die folgen könnten, wenn wir die Bestie einschränken. Sie sagt sie wüsste nicht, was damit einhergehen wird, so wir den Ursprung eindämmen, meint aber im gleichen Moment, sie wäre zuversichtlich. Wenn ich nicht wüsste, dass sie sich beleidigt fühlen und davon absehen würde, den Versucht zu wagen, wenn ich nun spöttisch zu lachen beginne, hätte ich es jetzt getan. Doch meine Geduld und Zurückhaltung wird belohnt. Denn ich soll jetzt das erste Mal das Gebirge Glaedis betreten und mich Zah’niryn nähern. Etwas, dass ich mir nicht zweimal sagen lasse!

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Shira'niryn
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Shira'niryn »

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Eine Weile starrte sie noch auf die schwere metallene Tür hinter welcher sich die Grotte tief unter dem Drachenturm befand und kurz, ganz flüchtig nur wie ein kleiner Funke der sich aus einem Feuer in den Nachthimmel verirrte, keimte so etwas wie Zweifel in ihr hinauf. Was wäre... wenn der Zauber wirklich den Geist des Drachenkriegers nachhaltig zerstören oder beschädigen würde?

Gegenüber Davion hatte sie sich kalt gegeben, als wäre ihr egal, was mit einem Krieger passieren würde – aber eigentlich war es ihr nicht egal. Naurm erst Recht nicht. Die Drachendame hatte weiterhin Zweifel, die wie ein kleines Feuer, tief in ihrer Magengrube, flackerten. Ihr gefiel es nicht und doch war sie die letzten Umläufe erstaunlich ruhig gewesen, fast schon schlummernd. Als würde sie der Magierin damit sagen wollen, dass wenn sie es schon nicht verhindern wollte, sie kein Teil davon sein würde. Sie war still, hielt sich raus und ihr Unmut war nur als ständig unwohles Magengefühl im Körper präsent.

Oben im Turm angekommen pflückte sie den Splitter des Weißen Angol-Quarzes aus ihrer Tasche, eben jenen, den Davion für sie am heutigen Abend vom Quarz gelöst hatte. Jener, den sie für den Zauber brauchen würde, der Livius – hoffentlich – in einen Magier verwandeln würde. Glatt und kühl lag er in ihrer Hand, ein zartes Wirbeln im Inneren. Unscheinbar und doch, das wusste Shirin, beherbergte dieser Quarzsplitter wertvolle Eigenschaften. Sie selber trug eine Kette um ihren Hals, wovon ein solcher Teil war – als Schutz.

Mit einem tieferen Durchatmen schloss sie die Finger wieder um den Splitter, während sie sich auf die steinerne Bank ihres Arbeitszimmers niederließ. Woher kamen die Zweifel? Sprangen sie vom Feuer Naurms hinüber? Oder lag es an den jüngsten Ereignissen, die so etwas wie Sympathie für den Drachenkrieger in ihr weckten? Je mehr sie sich mit ihm befasste, dem Wolf in seinem Inneren, je mehr konnte sie nachempfinden, wie seine Situation sein musste. Was der Wolf für Livius war, war für sie einst die Drachendame gewesen und umso besser konnte sie verstehen, warum er so war, wie er war. Unerträglich, arrogant, ein in sich gekehrter Krieger, welchen sie mindestens einmal pro Tag am liebsten wachrütteln oder gegen die Wand befördern würde. Und das würde sich auch mit dem Wechsel zum Magier nicht ändern.

Leicht den Kopf schüttelnd und seufzend legte sie den Quarzsplitter sorgsam in ein Kästchen, ehe sie ein Pergament vom schweren, steinernen Tisch zog, um es vor sich auszubreiten. Nichtsdestotrotz würde sie im Laufe der nächsten beiden Tage den Zauber ausführen. Sie müsste es pragmatisch sehen. Gelang es, würde es noch interessant werden und wenn es nicht funktionierte und Davions Befürchtungen eintraten, dass Livius als sabberndes etwas zurück blieb, so wäre das vermutlich auch gut. Ein 'Problem' weniger. Pragmatismus Shirin. Das lernte man mit der Zeit. Und obwohl sie sich das selber einzureden versuchte, wurde das Magengefühl immer stärker.

Der Federkiel mit dem Tintenfässchen wurde näher gezogen und neben dem Pergament platziert, ehe sie zum Kiel griff, ihn leicht abklopfte und schließlich mit einem kratzenden Geräusch über das Pergament zog, um den Zauber – der vermutlich alles verändern würde – niederzuschreiben.

- In Uus Mani Grav -

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Shira'niryn
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Shira'niryn »

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Stille herrschte in den Räumlichkeiten, welche nur von dem Flackern der Kerzen und dem schwachen Glimmen der Schutzrunen beleuchtet wurden, nachdem sie die Silben an diesem entscheidenden Abend gesprochen hatte.
Langsam löste sie die Fingerspitzen von der verhältnismäßig kälteren Stirn des 'Drachenkriegers' um sich zurückzuneigen und ihn aufmerksam zu beobachten – sie spürte wie der Zauber an ihren Kräften gezerrt hatte, wie es in letzter Zeit häufig der Fall war, wenn sie außer der 'Norm' Magie wirkte. Abwartend, hoffend dass sie sein Gehirn nicht mit ihrem Zauber gegrillt hatte und erst, als sie ihn darauf aufmerksam machte, dass es vollendet wäre, gab er eine Regung von sich. Er schien unverändert. Was grundlegend erst einmal gut war, so hatte er immerhin keinen Schaden genommen und sie musste sich nicht Naurms Zorn entgegen stellen. Die Frage war allerdings, ob ihre eigentliche Absicht hinter diesem Zauber funktioniert hatte? Konnte er Magie wirken? Und eine noch viel bessere Frage, an die sie vorher gar nicht gedacht hatte, wie brachte sie ihn dazu, es auszuprobieren, ohne dass sie sich verriet?

Ehe sie diverse Möglichkeiten durchgehen konnte, wurde sie von Livius abgelenkt, der sich erhob und auf die magisch versiegelte Tür des Ritualraums zutrat. Er warf ihr ein spöttelndes Grinsen entgegen, wie so oft, wenn er sie ärgern wollte und formte die Silben eigentlich nur aus Spaß – als der Zauber, genährt von den Reagenzien aus der letzten Jagd, seine Wirkung entfaltete. Mit einem Schaben schoben das schwere, steinerne Gemäuer sich zur Seite und hinterließ eine verwirrte Schwinge. Shirin musste sich zusammenreißen den triumphalen und selbstzufriedenen Ausdruck auf ihrer Mimik zu verbergen, als das Bernstein des Mannes zu ihr fand und er sie fragte, ob sie der Grund dafür gewesen wäre.
Die Antwort, dass er es gewesen sein musste, gefiel ihn nicht und das was folgte, war ein ausgewachsener Wutausbruch, der in einer gebrochenen Hand endete – aber zum Glück der Magierin immerhin nicht pelziger Art verlief. Die Wut war noch einige Minutenläufe präsent, die Shirin geduldig ausharrte um ihn erst einmal machen zu lassen. Sie kannte diese Wut von ihm und meist war es schlauer sich da schlicht herauszuhalten, bevor man von einem Fellknäul angesprungen wurde.
Schließlich, als die Resignation Einzug erhielt, offenbarte sich Shirin ein Ausdruck auf der Mimik des ehemaligen Kriegers, welcher tatsächlich in der Lage war, so etwas wie Schuldgefühle in ihr herauf zu beschwören. Er saß da, ein Häufchen elend, ein geschlagener Mann, jemand der offenbar jeglichen Kampf verloren hatte. Jedoch wusste sie auch, dass sie weiterhin so tun musste, als wäre das alles ein unglaublich, großer Zufall gewesen und so richtig beistehende Worte oder ähnliches konnte sie nicht finden. Denn wie sollte man jemanden, der Magier über alles hasste und selber zu einem geworden war, weiß machen, dass es doch eigentlich etwas Gutes wäre? Er nahm ihr letztendlich die Entscheidung ab, als er sich zurückzog mit der Begründung, er bräuchte Zeit für sich.

Shirin blieb zurück und sobald er verschwunden war, wurden die Schuldgefühle vom triumphalen und durchaus selbstzufriedenem Gefühl in ihrem Inneren weggewischt, als hätten sie niemals existiert. Sie hatte aus einem Krieger, jemanden der die Magie sogar verabscheute, jemanden gemacht, der in der Lage war sie zu wirken. Problemlos augenscheinlich, bisher – man müsste schauen, was er daraus machte und ob er bereit war sich der Gabe anzunehmen. Die nächsten Tage würden somit durchaus interessant werden.

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Im Laufe des nächsten Tages führten ihre Schritte sie wieder hinunter, getrieben von der Neugierde, wie Livius sich in seiner neuen Situation verhalten würde und tatsächlich fand sie ihn im Ritualraum, im Schutzkreis sitzend, mit einem Zauberbuch in der Hand. Es wäre gelogen wenn sie sagen würde, das hätte sie nicht zutiefst überrascht und erfreut zugleich. Die Wut, die jedoch noch in seinem Bernstein ruhte, verpasste dem ganzen einen Dämpfer. Er wirkte zwar ruhiger als am Vorabend, aber noch immer unzufrieden und fast schon zornig mit seiner Situation, was sie ihm auch nicht verdenken konnte.
Die Unterhaltung drehte sich um den Zauber am gestrigen Abend und schließlich kam auch das Thema 'Naurm' auf den Tisch. Natürlich wollte er wissen, wie jene darüber dachte, weswegen er sich überhaupt mit der Magierin abgab. Ein stiller Gedankenaustausch, eine kurze Absprache, dass die Drachendame sich nicht verplappern sollte und Naurm hatte für einige Momente an diesem Abend die Oberhand über den Körper. Shirin lauschte der Unterhaltung und das anfängliche Misstrauen wandelte sich, je länger das Gespräch dauerte, jedoch in Wohlwollen um. Es war kein Geheimnis, das Naurm Magier nicht mochte, aber die Gründe dafür lagen in jenen, die sie damals 'zerstörten'. In der Unterhaltung mit Livius erwähnte sie mehrmals das Gleichgewicht der Dinge und das ein Magier weder gut, noch böse sei, so lange er sich für einen Weg entschieden hatte. Das Ziel war stets, einen Ausgleich der Dinge zu erzielen und somit nichts aus dem Gleichgewicht geraten zu lassen. Auch hatte sie erstaunlich schwerwiegende Vorteile die das Magierleben für Livius mit sich brachten, auf die die Magierin selber noch nicht gekommen war. Sie hätte fast vermutet, die Drachendame würde es dem ehemaligen Krieger madig machen wollen, doch so wie sie sprach, blieb sie zwar grundlegend neutral, jedoch sparte sie nicht an positiven Denkanstößen.

Vielleicht... würde es doch noch einfacher werden als erwartet, dieser sturen und zornigen Schwinge die Welt der Magie näher zu bringen und vielleicht würde sie ihn sogar auf den Pfad der Magokratie bringen.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Die Zeit die Spielchen des Wolfes zu beenden oder zumindest bis auf ein Minimum zu begrenzen, war gekommen. Schon seit Jahren habe ich mir diesen Tag ausgemalt und mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich meinen Verstand endlich wieder für mich hätte. Nur für mich, ganz ohne äussere oder innere Einflüsse. Seit dieser Fluch sich in meinem Körper bemerkbar machte, hat sich mein Leben nämlich schlagartig zum Schlechteren geändert. Melancholisch zu werden gehört normalerweise nicht zu meiner Art, doch wenn ich mich mit dem alten Livius vergleiche, muss auch ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr der gleiche Mensch bin.
Damals war ich noch ein von Ehrgeiz getriebener Mann mit grossen Zielen, der sich vorgenommen hatte, alles dafür zu geben, um diese zu erreichen. Man hatte mich frisch in die Gemeinschaft der Schwingen aufgenommen. Mir ein neues Zuhause unter solchen gegeben, die ähnlich dachten und handelten wie ich es schon immer tat. Und unter ihren war diese Frau mit wellendem, blondem Haar und den eisblauen Augen, deren Anblick mich von der ersten Stunde an in einen Bann zogen und nicht mehr loslassen wollten. Sie hatte es geschafft, mein Herz zu erreichen und diesem etwas wie Liebe zu entlocken.
Doch all das wurde mir mit dem Auftreten des Fluches genommen. Ich realisierte es lange nicht, doch der Einfluss des Wolfes versiegelte meine Gefühle nach und nach hinter einer unerreichbaren Barriere, versteckt in der hintersten Ecke meines Verstandes. Meine Denkweise änderte sich, mein näheres Umfeld begann mir zunehmend weniger zu bedeuten, ohne dass ich es beabsichtigte. Aus Freundschaften wurden Feindschaften, aus Liebe wurde Distanziertheit und blosse Verachtung wandelte sich in puren Hass. Ich wurde zu einem pragmatischen, skrupellosen, kühlen und ruppig-Griesgrämigen Menschen, wie mich manche beschreiben würden.

Und nun war endlich der Zeitpunkt gekommen, um all dem ein Ende zu bereiten. Mit einer gewissen Skepsis im Blick betrachtete ich die Drachenmagierin, als sie das Kellergewölbe betrat und mir nur wenige Stundenläufe nach einer kräftezerrenden Jagd sagte, dass sie bereit wäre. Ich fragte sie, ob sie sich denn bereit fühlen würde und sie bejahte es. So folgte ich ihr hinauf in den Ritualraum, den ich zuletzt sah, als sie mich das erste Mal in den Drachenturm führte. Ein Ritualkreis war mit Drachenblut auf dem Boden aufgezeichnet, Kerzen und Runen aufgestellt. Meine Nervosität wuchs und ich konnte erkennen, dass es der Magierin nicht anders ging. Auf ihre Bitte hin liess ich mich ihr gegenüber in der Mitte des Ritualkreises nieder, wo sie mich über die Prozedur des Rituals aufklärte. Wenige Minutenläufe später war alles besprochen und so schloss ich meine Augen.
Tief durchatmend fand ich den Punkt meiner inneren Ruhe, während ich mich auf den weissen Angol-Quarz konzentrierte, wie sie es mir aufgetragen hatte. Das Ritual ähnelte in gewisser Weise der Untersuchung von vor wenigen Tagen, als sie damit begann, in meinen Geist einzudringen. Tatsächlich fühlte ich mich gegen Ende des Rituals sehr wach und in gewisser Weise fühlte es sich wie ein Energieschub für meinen Geist an. Unzählige Gedanken schossen mir durch den Kopf, doch versuchte ich mich wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren.

Das Ritual glückte offenbar. Ich bedankte mich für ihre Hilfe und wollte mich wieder zu meinem Schlafplatz begeben, um mich auszuruhen, als ich mich vor der steinernen, magisch verschlossenen Tür widerfand. Verärgerung über die Magie, die mich ständig umgab, machte sich in mir breit. Ich beschwerte mich über den Umstand, deutete auf die verschlossene Tür und bildete aus Jux heraus die Worte «Ex Por». Ohne es zu realisieren glimm das Innere meines Jagdbeutels auf, in dem ich noch Reagenzien aus der morgendlichen Jagd aufbewahrt hatte. In Verbund mit den Worten der Macht, dem Mana - von dem ich noch nichts begriff - und den Reagenzien, begann die schwere Tür sich schliesslich schabend zu öffnen. Blinzelnd stand ich da, verwirrt über das, was sich gerade vor mir abspielte. War wirklich ich es, der diese Tür auf magische Weise öffnete? Mein Blick schnellte über die Schulter zu Shirin und ich fragte sie, ob sie dafür verantwortlich war. Sie verneinte dies, worauf der Zorn brodelnd in mir aufstieg. Was hatte sie mir angetan?! Ich wollte den Gedanken nicht wahrhaben, dass ich dafür verantwortlich war. Meine Wut richtete sich gegen die Tür, die inzwischen wieder zugefallen war und ich hämmerte darauf ein, stemmte mich gegen diese und brachte all meine Kraft auf, die mir in meiner menschlichen Form zur Verfügung stand. Doch der Stein gab nur minimal nach und warf die Frage auf, ob sich womöglich durch einen Nebeneffekt des Rituals tatsächlich die Magie für mich öffnete. Verärgert und ein Stück weit verzweifelt, wiederholte ich die Worte der Macht, in der Hoffnung, dass es nur Einbildung war. Doch ich hörte das Krachen und durch meine Position und dem aufgebauten Druck purzelte ich auf der anderen Seite des Raumes zu Boden. Tatsächlich. Es war nicht nur Einbildung. Ich wechselte einige Worte mit der Drachenmagierin, fragte sie, was sie mit mir getan habe, doch sie stritt jegliche Schuld von sich ab und beteuerte, dass sie nicht wusste, wie das geschehen konnte. Mein Leib begann unter der aufkeimenden Wut zu zittern und ich spürte, wie der Wolf sich im Hintergrund meldete und die Lefzen hinaufzog, als würde er ein Grinsen bilden. Doch ich drängte ihn zurück, liess einen wutentbrannten Laut aus und holte aus, um meine Faust mit voller Wucht gegen die eiserne Tür zu schmettern. Sofort schoss der Schmerz durch meine Hand, als ich spürte, wie sämtliche Knochen unter dem Zusammenprall brachen. Mir war danach, meiner Wut einfach freien Lauf zu lassen, doch stattdessen liess ich mich mit einem resignierenden Seufzen auf die Bank nieder. Ich spürte wie mein gesamter Arm vor Schmerzen zitterte und wie die Regeneration bereits seine Aufgabe aufnahm, um die entstellte Hand wieder zu richten, doch ich blendete dies aus. Mein jahrelanger Kampf gegen die Magie war verloren. Ich habe sie lange genug bekämpft, um selbst ein Teil davon zu werden. Tief in mir wusste ich, dass das Schicksal in diesem Moment von hoch oben mit einem spöttischen Grinsen auf mich herabblickte und mich auslachte, weil es mich gebrochen hatte. Aus dem Nichts heraus fühlte ich mich plötzlich müde und erschöpft, wie nach einem langen Gefecht auf dem Schlachtfeld. Ich erinnere mich nur noch, wie meine Schritte mich zu meinem Schlafplatz brachten.

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Shira'niryn
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Shira'niryn »

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Es hatte sich doch anders entwickelt, als sie es sich vorgestellt hatte – aber eindeutig zum Positiven. Statt sich zu sträuben und seinem Zorn freien Laut zu lassen, schien Livius die Tatsache recht gut verdaut und akzeptiert zu haben, dass er jene Gabe in sich trug. Auch wenn er noch lange nicht alles verstand, wurde er zunehmend sicherer im Umgang mit einfacheren Zaubern. Wie gerne hätte sie in seinen Kopf gesehen, um zu wissen, was er wirklich davon dachte oder ob er insgeheim ein prall gefülltes Pulverfass war, das nur darauf wartete bei einem Fehler zu explodieren oder ob er auch nach und nach das gute darin sah?

In den letzten Tagen hatte sie ihm die Magieakademie gezeigt, die Bibliothek mit ihrem reichhaltigen Wissen und die anderen relevanten Räumlichkeiten. Bücher – so oft wie sie den ehemaligen Drachenkrieger in den letzten Umläufen vor eines dieser gesetzt hatte, würde sie es nicht wundern, wenn ihr irgendwann eines entgegen geflogen kam. Eben darum, um sein Gemüt zu beruhigen und ein wenig Abwechslung zu bringen, führte sie ihn nach draußen, dort wo die Reagenzien ihren natürlichen Ursprung hatten, damit sie ihm näher bringen konnte, auf was er beim Ernten und Verarbeitungen zu beachten hatte, neben der Wirkung, die sie in Magie und teilweise in der Alchemie hatten.

Es schien ihn zumindest nicht in dem Maß egal, dass er auch anfing selber Fragen zu stellen. Fragen was Mana eigentlich wäre und was ihre Definition davon wäre. Dinge die sie ihm gerne erklärte, ebenso wie er sich zunehmend Gedanken zu machen schien, welchen der Pfade er wählen sollte. Wo würde sie ihn gerne sehen? Vermutlich als Illusionist, aber irgendwie glaubte sie, dass es niemals der Weg sein wird, den er wählen würde. Und eigentlich wäre er charakterlich auch niemals ein guter Illusionist geworden, da sah sie ihn vielmehr als Elementarist. Explosiv, arrogant und schwer zu bändigen. Allerdings war der Gedanke sich mit drei solcher Elementaristen rumschlagen recht ermüdend und sie konnte sich schon Balthasar und Davion vorstellen, wie sie darüber denken würden. Die Welt würde in einem Meer aus Eis und Flammen untergehen.

Allerdings war da noch immer das andere Problem, welches sie ursprünglich eigentlich versucht hatte damit zu lösen. Wie bekam sie Livius nun in den Bund? Wie würde er zu einem Anhänger der Magokratie werden? Wie konnte sie das möglichst dezent und unterschwellig einleiten, ohne das er herausfand, was sie vor hatte? Wie bekam sie es hin, dass er sich mit Balthasar und Davion verstand? Das letzte Aufeinandertreffen mit Balthasar hatte gezeigt, dass die Tatsache, dass Livius nun der Magie fähig war, wenig an etwas änderte. Balthasar trat ihn mit seiner typischen Arroganz gegenüber, Livius explodierte fast. Das die Torte nicht in Balthasars Gesicht gelandet war, war lediglich der guten Reaktionsgabe des Gründungsmitgliedes zu verdanken.

Und wäre das nicht schon Arbeit genug, waren da die Paladine die in ihrer selbsternannten Gerechtigkeit versuchten die Bundmagier vor ein Gericht zu stellen. Es würde wohl niemals langweilig werden, die Aufgaben würden niemals weniger werden, der Schlaf würde niemals besser werden.

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Livius Quintus
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Re: Vom Ende eines Kriegers [MMT]

Beitrag von Livius Quintus »

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Inzwischen sind schon einige Umläufe seit dem Ritual vergangen und doch fühlt es sich für mich so an, als wäre es erst gestern gewesen. Die Erkenntnis, dass das Vorhaben missglückte und ich mit einem neuen Schicksal konfrontiert wurde, verärgert mich noch immer. Doch ich bin zu dem Punkt gelangt, an dem ich eingesehen habe, dass mir damit nicht geholfen ist, weiter dagegen anzukämpfen. Die Kunde, dass ich nun der Magie fähig bin, verbreitete sich wie ein Lauffeuer in meinem näheren Umfeld und damit wuchs die Anzahl an Magiern, die versuchten auf mich einzureden und mir diese «Gabe» schmackhaft zu machen. Shirin beispielsweise, gelang das sehr gut. Sie erwähnte, dass ich durch die Magie eher dazu in der Lage wäre, mich auf die Aufnahme eines Geistes des Drachens vorzubereiten, als ich es als Krieger war. Im Grunde stünden nun auch wesentlich mehr Möglichkeiten offen, die mir davor verwehrt waren. Sie weiss, die richtigen Worte zu wählen und doch lasse ich mich nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch einiges an Zeit vergehen wird, bis ich die Magie vernünftig kontrollieren kann, das grosse Ganze verstanden habe und dazu in der Lage bin, grösseres zu bewirken.

Das erste Treffen mit anderen Magiern liess nicht lange auf sich warten. Noch am darauffolgenden Tag traf ich Aseruzal und später auch Davion im Drachenturm an. Die Schwinge hielt mir eine Predigt, dass ich mich nun der Magie hingeben musste und von Shirin lehren sollte, während mir der Flammenschlag nahelegte, von mehreren Personen zu lernen, da «keine zwei Magier über dasselbe Wissen verfügen.«. Da hatte er vermutlich recht, doch wirklich interessiert haben mich seine Worte in dem Moment nicht. Ich kam nämlich nicht umhin, zu realisieren, dass der Bundmagier wenig überrascht um meine neue Gabe zu sein schien. Shirin erzählte mir, dass sie Davion für die Beschaffung des Quarzes brauchte, doch welche Lüge tischte sie ihm auf?
Wie sich an nächsten Tag herausstellte, erzählte sie ihm, dass sie durch die geistschützende Eigenschaft des weissen Angol-Quarzes meinen Geist stärken wollte. Im Grunde war das recht nahe an der Wahrheit, auch wenn die entscheidende Komponente, dass wir den Wolf damit zurückdrängen wollten, fehlte. Für einen kurzen Moment hatte ich mich wirklich gefragt, ob sie micht hinters Licht führen wollte, doch so schnell der Gedanke kam, schob ich diesen wieder beiseite. Die Wut, die zuvor in mir aufkeimte, schwand wieder.

Das Treffen mit Balthasar hingegen verlief alles andere als erfreulich. Kaum zu glauben, dass ich das sage, aber ich schien mich besser mit dem dreckigen Blutsauger zu verstehen, als mit dem Bundmagier, dessen Arroganz die aller anderen bei weitem übertraf. Natürlich liess er sich auch dieses Mal nicht nehmen, mich zu erniedrigen, indem er einen Schneeball formte und mir diesen ins Gesicht war. Meine Wut war in dem Moment schier grenzenlos und einzig die Maskerade hinderte mich daran, dass ich die Wandlung nicht zuliess, um ihm dann den Kopf abzureissen. Er konnte von Glück sprechen, dass es nicht dazu kam. Doch eines ist klar; So schnell wird das nicht vergessen sein.

Nachdem ich mich in den ersten Tagen und aufgrund der Ereignisse weigerte, mich genauer mit der Magie und all dem, was dazugehört zu befassen, habe ich mich jedoch mit Shirins Bibliothek bekannt gemacht und die Regale durchstöbert. Ich stiess auf einige Bücher und Pergamentrollen mit Informationen zu den Wörtern der Macht und den Reagenzien, die zum Wirken benötigt werden. Seither eigne ich mir nach und nach das nötige Wissen an, unter anderem auch durch direkte Unterrichte oder praktischen Übungen zur Verarbeitung der verschiedenen Paraphernalien. Gelegentlich verliere ich dabei all meine Nerven. Eine Waffe zu schwingen war im Vergleich wesentlich einfacher. In der Magie musste alles berücksichtigt und hinterfragt werden. Ein Umstand, der mich verärgert. Vor allem, da ich bereits mit unzähligen Büchern überhäuft wurde, obwohl meine «Wandlung» kaum einen Wochenlauf her ist.

Und dennoch… mehr widerwillig, als euphorisch habe ich damit begonnen, die unendliche Welt der Magie zu erforschen, die fortan meinen Weg begleiten würde.

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