Ornamente

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Elnora Mevitt
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Ornamente

Beitrag von Elnora Mevitt »

Viel war passiert in den letzten Monden, seitdem die alte Welt von den magischen Naturgewalten zerrissen wurde. 
In den letzten Monden hatte sich das Leben der jungen Kriegerin in einem Strudel von Veränderungen und Abenteuern gewandelt. Neue Freundschaften waren in ihr Leben getreten, wie frische Brisen, die neue Wege und Möglichkeiten brachten. Eine neue Liebe hatte ihr Herz erobert und sie entdeckte eine Fülle von Wissen und Erfahrungen wie die Seiten eines Buches welches sich unaufhörlich vor ihren Augen aufschlugen.

Doch sie brauchte den Moment der Ruhe und Besinnung. Als die Morgensonne das Land mit ihrem goldenen Licht berührte, spürte die junge Kriegerin den Drang, dem Ruf des Waldes zu folgen und einen Moment der Ruhe zu finden. 

Mit einem letzten liebevollen Blick auf ihre schlafende Gefährtin, Soryia, verließ sie leise das Zimmer, ihren Rucksack fest geschnürt über den Schultern. Es war fast beruhigend allein durch den Wald zu schlendern und den Vögeln beim Zwitschern zu lauschen. Mit aufmerksamem Blick nahm sie sich den Geschenken des Waldes und suchte allerhand Früchte und losen Hölzer.
Als Elnora endlich das fand, wonach sie gesucht hatte, spiegelte sich fast schon eine Vorfreude in ihren Augen wider. Sorgsam wählte sie Hölzer und Früchte aus, die sie mit kleinen Seilen verband, während ihre Finger geschickt die Knoten knüpften. Jedes Stück wurde an den weit ausladenden Ästen eines mächtigen Baumes befestigt, als würden sie dort schon seit Ewigkeiten auf ihre Ankunft warten.
Die Zeit verstrich unbemerkt, während Elnora sich ihrer Aufgabe hingab. Die Sonne stieg höher und höher am Himmel empor. Schließlich, als sie fertig war, und die Sonne ihren Zenit erreicht hatte, betrachtete sie ihr Werk mit einem Hauch von Nostalgie.

Die Hölzer und Früchte hingen wie schmuckvolle Ornamente von den Ästen und das Licht der Sonne glänzte golden durch die Blätter, als würden sie die Früchte der eigenen Fantasie hervorbringen. Es war ein Anblick, der an einen verzauberten Garten erinnerte, ein Ort der Schönheit und des Friedens inmitten des wilden Waldes.
Elnora lächelte, als sie das Werk ihrer Hände betrachtete, und spürte eine tiefe Zufriedenheit in ihrem Herzen. Während sie dort stand und die Früchte und Hölzer im sanften Wind schaukelten, fühlte sie sich irgendwie verbunden mit einer früheren Zeit aus ihren noch jüngeren Jahren.
Mit langsamen, bedächtigen Schritten betrat Elnora das Reich der Ornamente. Mit einer ruhigen Entschlossenheit zog sie ihre leichte Klinge, die sanft im Schein des Tages glänzte, und kniete sich in die Mitte des kunstvollen Arrangements nieder.

Die Klinge fühlte sich vertraut in ihrer Hand an, als sie sie behutsam in den Boden bettete, fast so, als würde sie einen alten Freund begrüßen. Erinnerungen stiegen in ihr auf, wie winzige Blasen, die an die Oberfläche eines stillen Sees steigen. Erinnerungen an eine Zeit, die längst vergangen war, als sie noch Teil des Wolfslagers war, einer Gemeinschaft von Söldnern.
In diesen Erinnerungen tauchte das Bild ihres alten Mentors, Viktor, auf, der mit geschickten Händen ähnliche Kunstwerke geschaffen hatte. Sie sehnte sich nach seinem Rat, nach seiner Weisheit und seiner Führung, doch sie wusste, dass sie nun allein war, dass sie ihre eigenen Entscheidungen treffen musste.
Trotzdem nahm sie sich vor, das Beste von dem zu bewahren, was Viktor ihr beigebracht hatte. Seine Lehren hatten sie geformt und gestärkt, und sie würde sie in Ehren halten, auch wenn er nicht mehr an ihrer Seite sein konnte. Denn in diesen Momenten der Stille und Reflexion fühlte sie seine Gegenwart um sie herum, als würde sein Geist in den sanften Schwingungen des Windes und den zarten Berührungen der Natur fortleben.

Nun war es an der Zeit, den Sinn dieses Reiches herauszufordern. Mit geschlossenen Augen und einem tiefen Atemzug sog Elnora die frische Luft des Waldes ein. Sie tauchte ein in die Klänge und Schwingungen, die sie umgaben, während sie jede Freude, jede Sorge für einen Moment beiseiteschob und sich ganz der Gelassenheit hingab. Ihre Sinne wurden scharf, konzentriert nur auf das, was um sie herum war. 

Eine alte Stimme drang in ihren Hinterkopf, klar und bestimmend. "Aufstellung", hallte es in ihrem Geist wider, und sofort spürte sie die Präsenz ihres alten Mentors, der ungeduldig darauf wartete, dass sie sich bewegte. "Nori, trödele nicht rum", mahnte die Stimme, und langsam begann sie Farbe und Form anzunehmen, als würde er direkt vor ihr stehen, bereit, sie anzuleiten wie in alten Zeiten.
Elnora öffnete langsam die Augen, und für einen Moment schien es, als wäre sie zurückversetzt in die Vergangenheit, in eine Zeit, die so einfach und klar schien, dass sie heute fast lächerlich erschien
Langsam erhob sie sich, ihre Hand fest um die Klinge geschlossen, bereit, den Herausforderungen des Reiches der Ornamente zu begegnen. Denn auch wenn die Welt um sie herum sich verändert hatte, blieb eines unverändert - ihr unerschütterlicher Wille und ihre Entschlossenheit, sich jedem Hindernis entgegenzustellen.
„Ich zähle… du weißt, wenn ich die 60 erreiche, will ich das dieser Baum befreit ist von seinem Schmuck“
„Beine auseinander! Halte die Klinge wie wir es geübt hatten“

"Los!" sprach die Kriegerin selbst und plötzlich wurde die Stille des Waldes durchbrochen. Die Klinge, eine Verlängerung ihres Willens, zischte durch die Luft, präzise und kraftvoll. Sie traf auf Holz und Frucht gleichermaßen, ein Tanz der Bewegung und Schönheit, während Elnora die Melodie des Kampfes dirigierte.
Jeder Schnitt, jeder Hieb war ein Ausdruck ihrer Entschlossenheit, ihrer Fähigkeit, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und sie zu überwinden. Es war ein Tanz des Kampfes und der Beherrschung, bei dem Elnora die Hauptrolle spielte, ihre Klinge eine Verlängerung ihres Willens und ihrer Stärke.
Inmitten dieses Tanzes fühlte sich Elnora lebendig und frei, verbunden mit ihren Instinkten und allem, was lebte und atmete um sie herum. Es war ein Moment der Reinheit und des Ausdrucks, ein Moment, den sie für sich allein hatte, um ihre Fähigkeiten zu testen und zu stärken.

Ornament für Ornament wurde der Baum von Elnora befreit, ihre Klinge eine geschickte Hand, die das Reich der Früchte und Hölzer durchdrang.
Ihre Ohren lauschten aufmerksam den Worten ihres Mentors, der wie ein unsichtbarer Begleiter neben ihr stand. "20", hallte es in ihren Gedanken wider.
Mit jedem weiteren Schnitt, mit jedem weiteren Ornament, das den Baum verließ, fühlte sich Elnora stärker, selbstbewusster. Ihre Bewegungen wurden flüssiger, ihre Schnitte präziser, und sie spürte, wie die Kraft und Entschlossenheit in ihr wuchsen.

"HALTE DICH DA RAUS!" Die scharfe Stimme durchschnitt die Konzentration von Elnora, und für einen Moment erstarrte sie, überrascht von der plötzlichen Unterbrechung. 
"...brauche ich Anregungen, verrückte Magier außer Gefecht zu setzen." Die Worte hallten in ihren Gedanken wider, und plötzlich drängten sich Stimmen aus ihrer Vergangenheit in den Vordergrund. Ihre eigene Stimme, die Stimmen anderer…. 

„Normalerweise würde ich sofort zustimmen, weil ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Aber dort wäre wohl durch deine Anwesenheit mehr Unruhe als durch meine“
Doch diese Stimmen waren jetzt eine Ablenkung, eine Störung ihrer Konzentration. Ihre Bewegungen wurden unkonzentrierter, ihre Schnitte ungenauer, und hier und da ging ein Schlag ins Leere.
Elnora kämpfte gegen die Flut der Erinnerungen an, zwang sich, den Moment zu leben, den Moment des Kampfes und der Herausforderung. Doch der Schatten der Vergangenheit hing schwer über ihr, drohte, sie zu überwältigen und sie zu hindern, ihr Bestes zu geben.

Sie wusste, dass sie sich sammeln musste, dass sie sich auf den Kampf konzentrieren musste, um erfolgreich zu sein. Aber der Kampf in ihrem Inneren war genauso hart wie der Kampf im Äußeren, und sie wusste nicht, ob sie stark genug war, um beiden gleichzeitig zu begegnen.
"60", tönte es abschließend von ihrem alten Mentor im Geiste und Elnora sackte schwer atmend, von Schweiß bedeckt, auf ein Knie. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust und sie spürte die Erschöpfung, die sich wie eine schwere Last auf ihre Schultern legte.

Langsam hob sie den Blick und sah sich um. Doch statt Erleichterung empfand sie nur Frustration, als sie bemerkte, dass immer noch Ornamente am Baum hingen, unberührt von ihrer Klinge. Ihr Atem wurde flacher, und ein Anflug von Verzweiflung stieg in ihr auf.

Als Elnora einst alleine in die Welt zog, war ihr das Schicksal anderer nicht so nah, nicht so wichtig. Doch seit dieser Zeit hatte sich etwas in ihr verändert. Es gab einige, die ihr wichtig geworden waren, einige, denen sie helfen und beschützen wollte. Doch gleichzeitig waren es auch diese Menschen, die sie zur Passivität aufriefen, die sie zwangen, im Hintergrund zu bleiben und zuzusehen, wie sich das Schicksal entfaltete.

Ein Gefühl der Hilflosigkeit und Unfähigkeit nagte an ihr, und sie spürte, wie ihre Zähne sich unterbewusst zusammenpressten. Es war ein Gefühl, das sie zutiefst verabscheute - die Ohnmacht, nichts tun zu können, während ihre nächsten vielleicht in Gefahr waren.

Elnora seufzte schwer, während sie gegen die Flut der Emotionen kämpfte, die in ihr tobte. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, ihren Verstand zu sammeln und einen klaren Kopf zu bewahren. Doch es war schwer, inmitten des Chaos und der Verwirrung, die sie umgaben.
In diesem Moment fühlte sie sich so schwach und hilflos…

Ein lauter Seufzer entwich Elnora, als ihr bewusst wurde, was nun kommen würde, nachdem sie einige der Ornamente übersehen hatte. Die Stimme ihres Mentors, die sie zuvor so klar und deutlich gehört hatte, war nun verstummt, doch über ihre Lippen kam es leise, fast emotionslos, was er wohl sagen würde.

"Nochmal."

Die Worte hallten in der Stille des Waldes wider, ein Befehl an sich selbst, sich erneut dem Kampf zu stellen, sich nicht entmutigen zu lassen. Elnora wusste, dass sie sich nicht zweimal bitten lassen würde, sich dem erneuten Tanz zu stellen.
 
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