Haeron Lenn

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Lin'aewen
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Haeron Lenn

Beitrag von Lin'aewen »

Die Überfahrt (Rückblick)

Die Nilmë, das schöne wie stolze Elfenschiff, war unermüdlich gesegelt und hatte mühelos mit dem großen Schiff der Menschen mithalten können. Es trug seine Besatzung sicher durch alle Gefahren und doch war nicht jeder gleichermaßen glücklich an Bord.

Da waren zum einen die Nordmänner und Zwerge. Es war großzügig und richtig, sie mitzunehmen, denn auch ihre Völker verdienten es zu leben. Umgeben von Wasser und in ungewohnter Gesellschaft waren viele von ihnen stiller und zurückgezogener, als sie es wohl sonst gewesen wären. Auch waren Menschen an Bord, und diese verhielten sich nach Menschenmanier ungezwungen und nahmen wie selbstverständlich Raum ein.

Für viele der meist scheuen und die Verborgenheit liebenden Waldelfen eine missliche Situation. So zog Lîn’aewen es denn auch vor, die Überfahrt bis zur ersten Landung so gut als möglich unsichtbar zu verbringen. Still litt sie in ihrem Versteck, in ihrer veränderten äußeren Form und überließ den lauten Passagieren das Deck und die Kabinen im schlanken Bauch des Schiffes. Kabinen, welche Satalas, die Betten der Waldelfen, enthielten. In diesen schliefen nun Zwerge, Nordmänner und Menschen. 

Aber das war bei Weitem noch nicht das Schlimmste.  Das Schlimmste waren der unendlich weite Himmel und das unendlich weite Meer. Nur Wasser und Luft, Wasser und Luft. Keine Erde, keine Erdung, kein schattenspendender Wald, kein Faer, keine Verknüpfung tausender und abertausender Lebewesen. Viele Tage lang. Zwar glich das Schaukeln des auf den Wellen tanzenden Schiffes dem Schaukeln der Baumhäuser in den Baumkronen der Waldelfen-Sala, doch das allein genügte nicht. Als die Nilmë endlich beschädigt und mit letzter Kraft am Strand der Zwischeninsel auflief, war auch Lîn’aewen entkräftet. Die Augen tief in den Höhlen, die Lippen rissig und die sonst so sattgrüne Haut nur noch blass und fahl. Auch dem entwurzelten Bäumchen, das sie mit sich führte, ging es nicht besser...
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Lin'aewen
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Re: Haeron Lenn

Beitrag von Lin'aewen »


Auf der Zwischen-Insel (Rückblick)


Neben dem Elfenschiff hatten auch das goldene Schiff der Amazonen und das riesige Ungetüm von einem Menschenschiff an dem langen Sandstrand angelegt. Es herrschte tags wie nachts ein Geschnatter und Gewirr und eine nicht enden wollende Geschäftigkeit. Jeder sprach mit jedem, es war nicht länger steuerbar, wie viele Bekanntschaften man schloss und mit wem. Ein Alptraum!

Einige der Waldelfen entscheiden sich, an Land zu gehen. Sie versuchten, Bündnisse zu knüpfen und mäßigend auf den Raubbau an der Natur einzuwirken. Die meisten Waldelfen aber hielten sich weiter im Verborgenen.

Lîn’aewen huschte nur nachts, wenn die meisten im Landungslager schliefen, ungesehen an Land und erholte sich ein wenig durch den Kontakt zu der ihr dort fremden Natur.

Als der Befehl zum allgemeinen Aufbruch und zur Weiterfahrt kam, fühlte sie sich nicht annähernd ausgeruht genug und nicht imstande, noch einmal eine solche Fahrt auf sich zu nehmen. Auch traute sie dem kleinen Bäumchen mit dem traurigen Wurzelballen keine weitere solche Fahrt mehr zu. Obendrein hieß es, das Elfenschiff sei zu beschädigt, um eine Weiterfahrt zu wagen. Alle sollten auf das dickbauchige Schiff der Menschen umsteigen. Undenkbar!
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Lin'aewen
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Re: Haeron Lenn

Beitrag von Lin'aewen »

Nach der Weiterfahrt der anderen

Lîn’aewen und auch einige andere Sala-Bewohner entschieden, nicht wieder an Bord zu gehen, schon gar nicht auf das große Schiff. Sie würden auf der Insel bleiben, und zwar noch eine ganze Weile lang. Zeit spiele keine Rolle.

Und so kam es, dass sie mit gemischten Gefühlen, aber auch erleichtert das vollbesetzte Schiff der Menschen mit seinen vielfältigen Passagieren davonsegeln sahen.

Lîn’aewen machte sich keine Sorgen. Die Insel gab genug zu Essen her, viele Dinge würden sich notfalls noch an Bord der zahlreichen, zurückgelassenen Schiffe finden und sie brauchte ohnehin nicht viel. Die Tage vergingen mit Arbeit, denn die Spuren der Verwüstung waren groß. Es galt, hier „aufzuräumen“, den Zustand wieder herzustellen.

Wenn die anderen Land gefunden hätten, würden sie ein neues Schiff bauen und sowohl sie als auch das beschädigte und zurückgelassene Elfenschiff holen kommen. Daran zweifelte sie nicht. Und wenn nicht, nun, dann wäre jeder seinem eigenen Schicksal ausgeliefert. Daran wollte sie lieber nicht denken.

So vergingen Woche um Woche, die grüne, gesunde Hautfarbe kehrte zurück und auch das Bäumchen erholte sich etwas.

Bis eines Tages der Nebel aufstieg ...
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Lin'aewen
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Re: Haeron Lenn

Beitrag von Lin'aewen »

Der Aufbruch

Zunächst verstand niemand so recht, was da geschah, zu langsam bildete sich die Nebelschicht. Als die Waldelfen endlich merkten, dass das Atmen schwerer fiel, umwaberte er an vielen Stellen bereits dicht und weiß die Knöchel, in die er schmerzlich biss.

In Minuten wurden Entscheidungen gefällt, hektisch Sätze hin- und hergeworfen und dann wurde eines der zurückgelassenen Beiboote mit allem beladen, was in der Schnelle greifbar war. Mit wenigen Ruderstößen brachte das kleine Grüppchen so schnell und so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die Insel.

Dort schaukelten sie nun auf der Wasseroberfläche und sahen fassungslos aus der Ferne zu, wie die Schwaden aufwallten und nach und nach alles in eine dichte weiße Wolke hüllten, bis nicht einmal mehr der Vulkan herausschaute.

Sie verbrachten den restlichen Tag auf dem Wasser und auch die Nacht und den folgenden Tag. Am Abend zog ein starker Wind auf und mit ihm die Hoffnung, der Nebel würde nun verweht werden, doch er hielt sich hartnäckig. Nur einige Schwaden trieben über das Wasser bis zu ihnen hin und zwangen sie, noch weiter auf das offene Meer hinauszurudern.

„Als ob die Insel uns vertreiben möchte“, dachte Lin. Und sie dachte an all die Skelette, die auf der Insel ruhten, schauderte und war froh, dass die Insel sie wenigstens nur zu vertreiben schien.
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Lin'aewen
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Re: Haeron Lenn

Beitrag von Lin'aewen »

Freunde

So trieb die kleine Gruppe eine Weile auf ruhiger, offener See, in einem winzigen Beiboot mit begrenzten Vorräten. Tagsüber wechselten sie sich unter dem Sonnensegel ab, unter dem nicht alle gemeinsam Platz finden konnten. Es war nicht einmal möglich, die Beine zu strecken und Lîns Bäumchen ließ erneut traurig die Zweige hängen.

Am dritten Tage nach ihrer überstürzten Abfahrt schließlich löste Lîn’aewen den goldenen Reif von ihrem Arm, tauchte ihn ins Meer und beschwor ihre treue Begleiterin. Faelyg erschien sogleich im Wasser, der goldene Kopf schimmerte in der Sonne.

„Suche einen Freund!“, bat Lîn’aewen sie eindringlich. „Wir brauchen einen Freund!“
Hoffnungs- und sorgenvoll sahen die Elfen zu, wie die Schlange daraufhin in der Tiefe verschwand. Die Gruppe verharrte schweigend, bis die Zeit des Seelenwesens abgelaufen war und Lîn’aewen spürte, dass es in seine eigene Ebene zurückgekehrt war. So wiederholte sie den Zauber erneut und erneut und schickte Faelyg mit immer denselben Worten auf die Suche nach einem Freund.

Am achten Tag endlich fing sich ein Sonnenstrahl ein einem silbrigen Leib dicht unter der Wasseroberfläche. Eine helle Seeschlange erhob ihren Kopf aus dem Wasser und sah mit milchigen Augen zu ihnen herüber. Lîn’aewen fand sie wunderschön. Nur leider war sie für eine Seeschlange nicht sonderlich groß, daher war fraglich, ob sie ihnen würde helfen können. Zumindest aber spendete es Trost, dass solch ein Wesen in freundlicher Absicht zu ihnen gekommen war. Als die Elfe jedoch zur Kontaktaufnahme die Hand ins Wasser hielt, machte sich die scheue Schlange davon und der peitschende Leib hinterließ eine Fontaine, ehe er wieder in der Tiefe verschwand.

Doch kurz darauf funkelte es überall um sie herum und die Waldelfen fanden ihr kleines Boot umringt von schimmernden schlangenartigen Leibern. Ab und an durchbrach ein heller, dreieckig gehörnter Kopf oder eine weiße Windung die Wasseroberfläche. Bei ihrem Anblick füllten sich die Herzen der Waldelfen mit Zuversicht. Sie würden es schaffen!


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