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Schatten am Abgrund

Verfasst: 27 Mai 2024, 22:32
von Arkadis Netheril
Er stürzte hinab. Ob seit Stunden, Tagen oder gar seit vielen Wochen? Das konnte er nicht mehr sagen. 

Seine Augen schienen hier nutzlos. Wo auch immer “hier” war. Undurchdringliche, tiefe Schwärze umgab ihn. Nein, sie umgab ihn nicht nur, er atmete sie ein, sie umspülte seinen Geist.
Er spürte, wie er fiel, immer tiefer. Er erahnte die Geschwindigkeit. Er spürte sein Herz rasend pochen. Doch er sah... nichts.
Er versuchte mit aller Kraft die Worte der Macht zu formen, doch die Dunkelheit verschlang sie mit schallendem Gelächter.

Er wusste nicht mehr genau, wie er an diesen Ort gelangt war. Er wusste nur, dass er das Tor gemeinsam mit jenem Mann öffnete, dessen Weisheit ihm einst viel bedeutet hatte. Gemeinsam mit Mor’dan hatte er einen Weg auf die Schattenebene gefunden. Eine Verbindung sollte diese Ebene sein, ein Pfad in ein neues Land, hinaus aus der brennenden alten Welt. Ja, eine Rettung gar vor ihrem Untergang. Doch es war anders gekommen, etwas war ihm begegnet. Etwas sehr altes hatte seinen Weg versperrt. Der Kampf war erbittert und blieb ohne Sieger.
Dann riss es ihn mit hinab. Tief hinab und nun fiel er und die Schwärze, sie umnebelte zunehmend all seine Erinnerungen.

Er sollte tot sein. Doch er spürte noch immer etwas. Ja seine Augen nahmen gar wieder etwas anderes als Schwärze wahr.
Noch ehe er sich von der nicht enden wollenden Dunkelheit erlöst wähnte, wehte
Ihm ein heißer Wind entgegen, der die Haut gerbte, den Mund und die Zunge ausdörrte und die Lippen in kürzester Zeit spröde wie Pergament werden ließ. Eine Seele weniger schwarz und versteinert als die seine, wäre wohl in Tausend Teile zersprungen, ob des Anblicks der verdorrten Körper, grotesk in sich verschlungen und teils miteinander verwachsen, die den schmalen Vorsprung und dahinterliegenden Pfad säumten, auf dem sein Sturz je ein Ende gefunden hatte.


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War das Ende seines Pfades endgültig gekommen?


 

Re: Schatten am Abgrund

Verfasst: 29 Mai 2024, 22:24
von Sa'Deas
Lautlos wirbelte die Asche unter dem Schritt des Priesters auf als er den Pfad am Abgrund entlangschritt. Viele Male ging er diesen Weg nun schon. Dank der Maske des 3. Konzils konnte er länger an diesem Ort verweilen als die meisten anderen Wesen die nicht aus dem Abyss stammten. Eine Aura aus Zwielicht und Höllenfeuer umgab ihn stets wenn er das Relikt, aus den Zeiten des alten Großreich Suroms trug und schirmte ihn teilweise vor der harschen Umgebung ab, erlaubte ihm die vergiftete Luft länger zu atmen und schützte seine Haut vor den gerbenden Stürme, die voll heißer Wut durch die Schluchten und bizarren Felsformationen jagten. 

Als Stimme des Dunklen Vaters war er stets wachsam und wartete auf die Weisungen seines Gebieters und der Vier Winde, sollten sie seine Dienste verlangen. Und so schritt Sa'Deas langsam am Abgrund entlang, den Blick umherschweifend und lauschte der Kakophonie der klagenden Seelen, die hier auf ewig gefangen waren, sollte der Entfesselte nicht beabsichtigen sie, zumindest für eine Weile, aus der Agonie ihres Daseins zu erlösen, ihnen einen neuen Leib zu gewähren und ihnen zu erlauben ihm in der Welt der Sterblichen zu dienen.
In all dem Chaos und dem Getöse das diesen Ort so eigentümlich entstellte, gab es doch eine gewisse Gleichmäßigkeit, die sich wie Wellen in einem stürmischen Ozean, auftürmten, nur um kurz darauf wieder  zusammenzubrechen und den nächsten Platz zu machen. Ein Rhythmus, der nur für die Sinne der vom Namenlosen Berührten im Klagelied der brennenden Seelen wahrnehmbar war. 
Mit einem Mal wurde der leidvolle Gesang des Abgrunds von etwas gestört. Etwas das nicht an diesen Ort gehörte. Ein Fremdkörper, der eingedrungen war und den die Schergen dieser Ebene als Festmahl betrachten würden, an dem sie sich zu laben gedachten. Der Priester verließ den Pfad nur wenige Schritte vom Abgrund entfernt, wohl wissend, dass es sein letzter sein könnte, wenn er nicht vorsichtig vorging. Schließlich gab sich die Störung des Gefüges, hinter einigen grotesk geformten Skulpturen aus menschlichen Körpern zu erkennen. Ein Mann, in dunklem Gewand, das genauso zerschlissen war wie einige Haustellen im Gesicht der Person.

Mit schwindender Kraft wehrte sich die Gestalt gegen die Angriffe einer großen Schar kleinerer Dämonen. Noch kurioser als dieser Anblick, war die Tatsache, dass mindestens ein Dämon, hochgewachsen und mit breiten Schwingen ausgestattet ihm zu gehorchen schien und ihm im Kampf beistand. Strauchelnd wehrte der Magier die Hände ab, die zu Körpern gehörten, die mit dem Boden verwachsen waren und wohl einst wie er selbst hier in dieser Ebene ihren letzten Kampf ausgefochten hatten, bevor sie für alle Ewigkeit ein Teil von ihr geworden waren.
Keuchend kniete der Weißhaarige am Boden. Für den Moment war es ihm gelungen die Schergen des Abyss mit seinen violett glühenden magischen Geschossen zurückzuschlagen. Doch es würden noch mehr kommen. Unendlich viel mehr. Und er war schon fast am Ende seiner Kräfte. Als Sa'Deas sich näherte, betrachtete er das hagere Gesicht des Mannes.

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Die Haut riss an einigen Stellen auf wie trockenes Pergament und legte das Fleisch darunter frei. Vermutlich war er viel jünger, als sein jetziges Aussehen vermuten ließ. Der Priester hielt einen Moment inne und ließ dem Geschundenen Zeit, sich darüber klar zu werden, dass er keine unmittelbare Bedrohung für ihn darstellte. Er war nicht gekommen, um zu beenden, was die Höllenwesen begonnen hatten. In dieser Begegnung sah er ein Zeichen der Winde. Diese verlorene Seele sollte geprüft werden. 

"Folge meinen Spuren ehe sie verwehen und schreite am Abgrund entlang. Lass dich von der Dunkelheit leiten und blicke nicht in die Tiefe. Schließe deine Augen vor dem blendenden Licht und gib dich der Führung Seiner schwarzen Hand hin. Ich werde das Tor eine Weile offen lassen. Wenn es dir gelingt es zu erreichen, suche den Prior der Dunklen Bruderschaft in Surom auf. Aber gehe nicht, ohne einen Beweis deiner Hingabe.
M'dashno n'tar d'aloho. Möge der Dunkle Vater dir Seine Gunst erweisen."


your friendly guide through hell.jpg

Noch bevor sich genügend Speichel im ausgedörrten Mund des keuchenden Magiers sammeln konnte, um eine Antwort zu geben, wandte sich der verschleierte Priester zum Gehen und verschwand nach wenigen Schritten hinter der flirrenden Hitze der Ebene. Rasch begannen die Fußspuren in der Asche am Boden zu verwehen.

Der Segen des Priesters würde dem Magier etwas Zeit verschaffen, doch stand ihm eine Wanderung auf Messers Schneide bevor.
Er musste sich beeilen und weit über sich hinauswachsen, um diese erste Prüfung zu bestehen. Erst dann würde der Priester sich seiner annehmen.

Re: Schatten am Abgrund

Verfasst: 02 Jun 2024, 22:53
von Arkadis Netheril
Eine nicht enden wollende Flut von Dämonen und niederen gequälten Seelen fiel über ihn her. Mit trockener, heiß brennender Kehle, rief er „Kal Ex Xen!“ und schleuderte die in seinen Händen fast zerfallende Alraune, Spinnenseide, Molchauge und Blutmoos in die Luft. Es dauert ein oder zwei Sekunden, länger als gewöhnlich, bis Iblis der Beobachter, der schon seit vielen Jahren sein treuer Vertrauter war, erschien. Gestärkt von dessen Zaubern und dank der konstanten Heilung des Beobachters schleuderte er die violette Energie wieder mit mehr Elan in Richtung der nach ihm greifenden Klauen und Hände. Wieder und wieder erklang der markerschütternde Schrei ihrer gepeinigten Geister als Sie unter den Qualen seiner Trugbilder schließlich von ihm abließen.

Ein kurzer Moment der Ruhe. Er sankt auf die Knie, atmete schwer, versuchte zu Meditieren. Doch dann erblickte er die Gestalt. Gehüllt in eine unwirkliche Aura die Macht und Wahrhaftigkeit ausstrahlte stand, ja schwebte, sie am Rand des Wortsprungs und schien den Widrigkeiten dieses Ortes zu trotzen. Sie griff ihn nicht an, sie sprach zu ihm. Stärke ihn. Gab ihm gar einen Ausweg? War dies ein Trugbild des Abgrunds?

Sein Geist war von den Torturen der Schattenebene, des Falls und nun des Kampfes umnebelt, seine Erinnerungen verblasst. Er nahm die Gestalt wie in Trance wahr, doch Sie schien wie eine Ausgeburt des Nordwinds selbst, eine Schwarze Statue gehüllt in eine Robe. Seit Jahren hatte er versucht die Abgesandten mit seinen Beschwörungen zu kontaktieren, hatte versucht die Wahrhaftigkeit und Macht Astarots‘ zu ergründen. War dies ein Zeichen, war dies der Zweck all dieser Pein gewesen.

Die Umgebung erschien ihm verschwommen, sein Körper taub und er vermochte nicht zu sprechen, doch die Worte des Priesters erklangen so klar, als wären Sie auf einer Schiefertafel vor ihm aufgezeichnet.
Als dieser sich umwandte sah er dem Priester einen kurzen Augenblick nach, bis dieser in der schimmernden Hitze verschwand. Er wusste, er spürte, dass ihm keine Zeit blieb. Er musste die Anweisungen des Abgesandten Astarots‘ befolgen, um zu überleben. Die Worte des Priesters hallten in seinem Geist wider: "Folge meinen Spuren ehe sie verwehen..."
Mit aller Kraft, die ihm noch blieb, erhob sich Arkadis. Seine Beine zitterten, und sein Körper schrie vor Schmerzen, doch sein Wille war ungebrochen. Er konzentrierte sich auf die Fußspuren im aschgrauen Boden und begann, ihnen rasch zu folgen. Jeder Schritt war eine Qual, immer wieder griffen die gierigen Hände nach ihm und er musste sich ihrer mit dem letzten Rest seiner Arkaner Energie erwehren. Doch er wusste, dass er keine andere Wahl hatte.
Der Weg entlang des Abgrunds war schmal und gefährlich, doch die Luft schien nun nicht mehr ganz so heiß und der Wind schnitt nicht mehr so tief in sein Fleisch wie zuvor, womöglich eine Effekt der Worte des Priesters. Die verdorrten Gestalten am Rand des Pfades schienen ihn zu beobachten, als wollten sie ihn in die Tiefe ziehen. Arkadis widerstand der Versuchung, in ihre leeren Augenhöhlen zu blicken. Stattdessen konzentrierte er sich auf den schmalen Pfad vor ihm und das unheilvolle Zwielicht, das den Horizont säumte.
Nach einer kurzen Weile, die sich für ihn wie eine Ewigkeit anfühlte, begann Arkadis' Sicht sich zu trüben. Er konnte die Fußspuren des Priesters kaum noch erkennen. Mit einer zitternden Hand und einem schwachen Flüstern formte er einen einfachen Lichtzauber. Ein schwaches, violettes Glühen umgab seine Hand und erleuchtete den Pfad gerade genug, um die Spuren weiter zu verfolgen..

Doch die Magie war zerbrechlich und flackerte unbeständig. Arkadis fühlte, wie sie ihn mehr Kraft kostete, als er eigentlich besaß. Seine Knie gaben nach, und er fiel zu Boden. Für einen Moment schien alles verloren. Doch dann erinnerte er sich an die Worte des Priesters: "Lass dich von der Dunkelheit leiten und blicke nicht in die Tiefe." Arkadis schloss die Augen und atmete tief ein. Er konzentrierte sich auf die Dunkelheit, ließ sie in seinen Geist eindringen und ihm den Weg weisen. Er erblickte leuchtende rote Augen, gesäumte von einer schwarzen Mähne, die in Flammen zu stehen schien. War dies ein Bote des Dunklen Vaters von dem der Priester gesprochen hatte? Der Blick der Kreatur wollte seine Seele durchbohren, doch sie war versteinert, sie hielt stand. Hatte er die Prüfung bestanden? Nein! Die Kreatur wollte sich von ihm abwenden, sie wollte ihn zurücklassen!
Er atmete tief ein und mit entschlossener Miene hob er seine Hände und begann, die uralten Worte der Beschwörung und Bindung zu sprechen. Die Luft um ihn herum verdichtete sich, „KAL XEN!“ schrie er förmlich und das Licht seines violetten Zaubers erlosch, als tiefe Schatten heraufbeschworen wurden. Er konnte das schlagen von Hufen hören und den unwirklichen Schrei der nur entfernt an ein Wiehern erinnerte.

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Er öffnete die Augen und da stand es wahrhaftig vor ihm. Eine Kreatur aus Schatten in den Umrissen eines Pferdes, mit glühenden roten Augen und einem intelligenten Blickt. Der Nachtmahr wieherte und zischte bedrohlich, doch Arkadis hielt stand. Er fokussierte seine Gedanken und lenkte seine Energie, um das unbändige Wesen zu bändigen.
„Höre mich, Bote Astarots!“ rief Arkadis mit fester Stimme, „ich bin Arkadis Netheril, und mein Pfad ist noch nicht an seinem Ende. Ich werde den Winden des Nordes aus diesem Orte hinaus folgen und den Prior finden! Möge brennende Asche unseren Weg säumen!“
Das Nachtmahr zögerte, seine Augen funkelten boshaft, doch Arkadis ließ nicht locker. Er konzentrierte all seine magische Kraft auf die Bindung, die er schuf. Die glühenden Augen funkelten einen Moment als die Kreatur von Arkadis Willenskraft unterjocht wurde. Sie wieherte und schrie noch einmal auf, dann senkte das Wesen seinen Kopf, als Zeichen der Unterwerfung. Arkadis streckte seine Hand aus und berührte die Stirn des Nachtmars. Er spürte einen Teil der Kraft des Wesens in sich hineinströmen, und gleichzeitig übertrug er einen Teil seiner eigenen Macht auf den Nachtmahr, um ihn zu stärken. Ein magisches Band war geschaffen.

„Trage mich,“ befahl Arkadis, „und führe uns beide zum Portal des Priors. Zusammen werden wir die Winde des Nordens reiten.“ Der Nachtmahr gehorchte. Er beugte sein Haupt nieder, und Arkadis kletterte auf seinen Rücken. Trotz des schmalen Pfades trappte die Kreatur rasch los.
Nach einem kurzen Ritt spürte Arkadis eine Veränderung in der Luft. Der heiße Wind ließ nach und es lag etwas in der Luft, etwas gänzlich anderes. Er sah das Knistern eines Portals, das von dunklen Flammen umgeben war. Dies musste der Ausgang sein, den der Priester erwähnt hatte.
Doch etwas großes versperrte den Weg und sogleich zerriss ein gewaltiges Brüllen die Luft. Ein gehörnter Dämon stand zwischen Ihnen und dem Portal!
Arkadis zuckte nur einen kurzen Moment, aber sein Wille das Tor zu erreichen war ungebrochen und der Nachtmahr setzte seinen Weg mit halsbrecherischem Gallop fort! „In Ylem Quas!“ rief er und riss die Hände hoch, die Reagenzien fest in der Linken umschlungen. Sogleich erschienen zwei weitere Abbilder seiner selbst und des Nachtmahrs' und alle drei Reiter preschten auf das Portal zu.

Der Dämon schoss – getragen von seinen gewaltigen Flügeln – nach vorn, das gewaltige Schwert in seiner Hand hoch erhoben. Es donnerte sogleich nieder und eines der Abbilder zerfiel zu Staub, die Schockwelle des Schlages riss Arkadis vom Rücken des Nachtmahrs und beide kamen einige Meter vor dem Portal hart auf den Boden auf.

Der Dämon setzte sogleich erneut zum Schlag an - in Richtung des verbleibenden Abbilds. Arkadis griff hastig in seinen Reagenzbeutel – Alraune, Molchauge, Spinnenseide – mehr war nicht übrig!
Er war trotz allem nicht dem Wahnsinn verfallen, doch wer sich in seinem Weg stellte, dem würde es anders ergehen! Als das letzte Abbild einige Meter vor ihm zu Staub zerfiel, kanalisierte Arkadis das letzte in seinen Adern pulsierenden Mana und sprach in einer Mischung es Verzweiflung und Entschlossenheit „In… Jux… Quas!“

Wahnsinn, Rage und Verwirrung waren in den rot brennenden Augen des Dämons zu sehen und er schlug mit dem gewaltigen Schwert wild um sich. Der Nachtmahr stürzt sich auf ihn und eine lodernde rote Energie entlud sich von der Mähne des Tieres auf den gehörnten Dämon. Eine solch gewaltige Energie – kanalisiert durch die dunklen Energien des Ortes – das ein Spitze seines Horns abgetrennt wurde.
Arkadis wusste, dies war seine letzte Chance und er rannte in das Portal hinein ohne zurückzublicken.

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